Beiträge von Lucius Petronius Crispus

    Tatsächlich erreichte Lucius als erster sein Gladius, bekam es aber nicht recht zu fassen, sondern konnte es gerade irgendwie mitschleifen - dummerweise mit der Hand an der Schneide, die wie immer sorgfältig geschliffen war, sodass er sich in die Finger schnitt. Aber immerhin konnte er dem ebenfalls losstürzenden Piraten ausweichen, der - Dolche voraus - ebenfalls auf die Stelle stürzte, wo gerade noch Pythagoras gelegen hatte. Jetzt packte den jungen Petronier ein Gefühl, das er lange nicht mehr gehabt hatte: Angst! Hektisch versuchte er seine Waffe zu packen, aber der Pirat war viel zu schnell bei ihm und trat mit voller Wucht gegen das Gladius, das der Subpräfekt beinahe gehabt hätte.


    Erschrocken kniete der junge Petronier vor dem Piraten, der zornig nach seinem nun klar unterlegenen Gegner stach. Immerhin funktionierten Lucius' Reflexe noch, sodass er es wieder schaffte auszuweichen, fiel dabei aber nach hinten um. Erneut holte der Pirat aus...

    Zufrieden betrachtete er noch den glänzenden Lebenssaft auf der Schneide seines Schwertes, der ihn so sehr erregte. Suchend blickte er um sich, doch seine Männer waren inzwischen aufgerückt und hatten eine Art Wand gebildet, hinter der die Piraten für Lucius kaum zu erreichen waren - ausgerechnet jetzt, wo ihn sein erster Erfolg so sehr anheizte!


    Jede Sehne seines Körpers war noch gespannt, mit leuchtenden Augen sah er, wie einer der Soldaten sein Schwert in den Arm eines Piraten versenkte - wieder spritzte Blut und man hörte Schmerzensschreie - seltsam, dass er die bisher gar nicht registriert hatte! Ein wenig unschlüssig blickte er um sich, um seinen Gegner von gerade eben wieder zu sehen. Der Kerl lag am Boden und blutete aus seiner Bauchwunde wie ein Schwein - aber er röchelte noch, sah voller Panik um sich und versuchte mit seinen schmierigen Händen, das Blut am Austreten aus dem Körper zu hindern. Das hatte dieser Idiot jetzt davon!
    Mit kaltem Lächeln ließ der Subpräfekt das Schwert sinken und stellte sich direkt über ihn. Eigentlich eine interessante Frage, woher dieses ganze Blut kam - er hatte einmal gehört, dass das Herz das ganze Blut produzierte. Vielleicht sollte er sich einmal näher damit beschäftigen. Am Museion gab es angeblich eine ganze Reihe berühmter Ärzte, die sogar Schweine bei lebendigem Leib sezierten - fast ein wenig, wie er das tat...


    "Na, Pech gehabt, was?"
    sagte Lucius mit höhnischem Unterton und wischte sein Schwert an der Tunica des Sterbenden ab, der irgendetwas in einer fremden Sprache plapperte. Wahrscheinlich bettelte er um sein Leben. Doch der junge Petronier war unbeeindruckt. Eher beiläufig meinte er
    "Das hast du jetzt davon."
    Dann setzte er sein Schwert auf den Solarplexus des jammernden Piraten und drückte es mit all seiner Kraft in den Brustkasten, sodass der Kerl noch einmal aufbrüllte und schäumendes Blut aus seinen Lungen durch die Wunde drängte. Schaum, aus so ein seltsames Ding... ob die Gelehrten im Museion dazu auch etwas wussten?


    "Subpraefectus, was sollen wir tun?"
    riss ihn wieder einer der Soldaten aus den Gedanken, während der Blick seines Opfers gerade starr und seine Muskeln schlaff wurden. Verwirrt blickte Lucius auf und brauchte wieder einen Augenblick, um zu sich zu kommen. Richtig, er war hier der Befehlshaber! Seine Leute brauchten seine Befehle! Aber wie war die Lage? Als er zum Kampffeld sah, stellte er fest, dass die Piraten die Flucht ergriffen. Diese Feiglinge hauten einfach ab!


    "Verfolgung aufnehmen! Macht keine Gefangenen!"
    brüllte er schließlich und riss Pythagoras aus diesem wertlosen Stück Fleisch zu seinen Füßen. Blitzschnell analysierte er die Situation: einige Piraten waren noch in Kämpfe verwickelt, doch den Typen war die Angst ins Gesicht geschrieben. Gerade eben versuchte wieder einer, seinem Gegner den Rücken zu kehren und wegzurennen - dabei stolperte er aber und fiel zu Boden.
    "Stich den Bastard ab!"
    rief der Subpräfekt dem Soldaten zu, der sofort gehorchte - wie eine Maschine war so eine Militäreinheit. Zufrieden grinste Lucius. Dann rannte er los, um sich selbst an dieser kleinen Jagd zu beteiligen - es war höchste Zeit, dass er auch hier einmal auf die Jagd ging! Mit Menschen war es noch aufregender, aber die Langeweile des Stützpunkts würden auch ein paar Gazellen oder Schakale auflockern! Aber zuerst diese Ganoven!


    Im Gegensatz zu seinem Opfer hatte der Petronier nicht besonders lange um sein Leben gekämpft und sich gerade kurz ausgeruht, sodass er weitaus frischer war als der Pirat, den er verfolgte. Lucius dachte zurück an die unzähligen Male, die der Alte Armin und ihn um die Villa Rustica gescheucht hatte - sie waren damals gerannt, als rannten sie um ihr Leben. Jetzt rannte dieser arme Wurm um sein Leben, das er aber bereits verwirkt hatte!
    Lucius dachte zurück an die Wälder Germaniens, wo er einmal ein Wolfsrudel bei der Jagd beobachtet hatte - jetzt war er der Wolf, der ständig näher kam, bis er sein Rehlein endlich einholen und schlagen würde. Aber der Kerl kämpfte - sie hatten bereits das letzte Haus des Dorfes hinter sich gelassen, als Lucius endlich bei ihm war. Der Pirat versuchte über seinen Rücken mit seinen beiden Messern nach seinem Verfolger zu schlagen, doch der war viel zu weit weg.
    Voller Übermut sprang der junge Petronier vor, die beschlagenen Sandalen voraus in die Beine des Piraten - wie damals, als er mit Armin gerangelt hatte. Wie Jahrhunderte später die Gladiatoren der Moderne rutschte er ihm mit gestreckten Beinen hinein und säbelte ihn um. Erst als der Pirat strauchelte, bemerkte Lucius, dass er ja noch ein Schwert in der Hand hatte, das er vor Schreck fallen ließ, als er das Gleichgewicht suchte und dafür immerhin recht elegant wieder zu Stehen kam, während der Pirat noch herumkugelte. Er ächzte, aber kämpfte sich ebenfalls wieder auf die Beine, auf denen man deutlich den Abdruck von der Caligae des Petroniers sah. Außerdem hatte er sich im Fallen mit seinen eigenen Dolchen in die Schulter geritzt - was für ein Trottel!


    Zu spät bemerkte Lucius, dass er ohne sein Schwert wehrlos war und der Pirat nun seinerseits zum Angriff ging. Zwar hinkte er, aber gegen zwei Dolche nützte auch der rasch herausgerissene Pugio des Subpräfekten nichts. Ein wenig panisch sah er zu dem Schwert, das etwa zwei Schritt weiter im Staub lag - aber der Pirat sah es auch. Ihre Blicke trafen sich, dann stürzten beide los.

    Als Lucius die nächste Tür aufstieß, kam ihm ein schwertbewehrter Arm entgegen, dem er gerade noch so ausweichen konnte. Von der Wucht des eigenen Angriffs mitgerissen stürzte dann ein wettergegerbter Mann mit rasiertem Schädel hinterher. Lucius Erregung machte noch einmal einen Sprung - ein Kampf auf Leben und Tod! Mann gegen Mann!
    Ein erfahrener Schwertkämpfter hätte den Piraten wohl schnell in die Seite gestochen, solange er noch damit beschäftigt war, sein Gleichgewicht zu halten - dem jungen Petronier fehlte es aber an Erfahrung und so schaute er einen Moment zu lange und stand dem Gegner doch voll einsatzbereit gegenüber. Der Subpraefectus machte einen Ausfallschritt und stieß zu, der Pirat wich aus. Dann war der Pirat an der Reihe - eine Finte und ein Stoß, den wiederum Lucius mit dem Gladius parierte, um dann aber mit der freien Hand des Pirates einen wenig gezielten, aber doch treffenden Faustschlag direkt auf die Wangenklappe des Helms zu erhalten. Lucius hörte ein Klingeln in den Ohren, dazu brannte seine sonnenverbrannte Wange extra stark. Wütend biss er die Zähne zusammen - er hatte eine ganze Menge Schmerz zu ertragen gelernt! Dennoch gelang es ihm gerade noch rechtzeitig, einen weiteren Schlag abzuwehren. Als er dann wiederum zustieß, kippte sein Gegner ganz plötzlich weg - einer der Milites Classici hatte ihm das Schwert in den Hals gerammt und zog es routiniert wieder hinaus.


    "VERDAMMT!"
    brüllte Lucius zornig - er hatte diesen Typen gerade gehabt und dann nahm ihm dieser dämliche Soldat seinen ersten Sieg des Tages weg! Als er die verwirrten Gesichter um sich herum sah, bemerkte er aber gerade noch rechtzeitig, dass es wohl nicht verstanden werden würde, wenn er aus dieser Sache ein Spiel machte.
    Also egal. Weiter!


    Als der junge Subpräfekt zur nächsten Hütte kam, war dort bereits ein heftiger Kampf entstanden. Drei Seesoldaten hatten offensichtlich ein ganzes Piratennest ausgehoben - das Ergebnis war, dass zwei von ihnen offenbar verletzt waren und einer davon sich kaum auf den Beinen halten konnte. Er musste diese Barbaren zur Strecke bringen!
    "Zu mir!"
    rief er daher und ging direkt zum Angriff über. Dummerweise hatte er durch seinen Ruf auf sich aufmerksam gemacht, sodass er die Überraschung nicht mehr auf seiner Seite hatte - dafür aber jede Menge aufgestauten Zorn, mit dem er den ersten Piraten attackierte. Stoß - Ausweichen - Parade - Finte - es war fast wie daheim beim Training mit dem Alten! Und diesmal landete er tatsächlich einen Treffer. Mit leuchtenden Augen beobachtete er das glänzende Blut, das aus der Wunde in der Brust des Seemanns sprudelte. Einen Moment verharrte er vor der Schönheit des Todes, dann aber hörte er ein
    "Vorsicht!"
    und wurde beiseite gerissen - gerade noch rechtzeitig, um nicht von einem Flankenangriff eines weiteren Piraten getroffen zu werden. Ein wenig beschämt drehte Lucius sich nach seinem Retter um - was für eine Blöße! - dann riss er Pythagoras hoch und ging in Verteidigungsstellung. Er musste auf alle Gegner gleichzeitig achten - der Alte hatte es immer gesagt! Aber zu dritt hatten sie das natürlich nie so richtig trainieren können!


    Er machte einen Ausfallschritt weg von dem größeren Pulk, in den nun von mehreren Seiten Milites eindrangen, um ihren Kameraden zu Hilfe zu eilen. Dann fixierte er wieder den Kerl, der ihm beinahe den Arm abgesäbelt hatte - mit tödlichem Hass ging er langsam, aber gespannt auf ihn zu. Jetzt wandte er sich einem anderen Soldaten zu und bot eine offene Seite - die Gelegenheit für Lucius! Mit einem schnelle Ausfall stieß er vor, rammte Pythagoras ein ganzes Stück in die Flanke dieses Narren, der so leichtsinnig gewesen war, Lucius Petronius Crispus anzugreifen! Feiger Angriff, feige Retourkutsche - so war das eben!
    Eine leichte Drehung des Gladius, dann hatte er die blutüberströmte Klinge wieder in der Hand. Jetzt war es Zeit, diese Bastarde alle zu machen!

    Kurze Zeit später stürmte der Subpraefectus - im letzten Moment doch noch mit den Beinschienen des Alten ausgerüstet - an der Spitze der Truppen über die Planke auf den Strand. Er hatte noch nicht den Sand berührt, da fuhr Pythagoras aus der Schwertscheide und glänzte blutgierig in der Sonne. Eine Begeisterung schäumte in Lucius auf, wie er sie lange nicht mehr erlebt hatte - endlich wieder ein richtiger Kampf, endlich ein Gefecht auf Leben und Tod! Beinahe wäre er den Soldaten, die die Piratenschiffe leck schlugen, direkt hinterhergerannt. Glücklicherweise konnte er sich aber gerade noch bremsen - er hätte dabei wohl ausgesehen wie ein Schoßhündchen, das seinem Herrchen hinterherwieselte!


    Dabei erwartete ihn etwas ganz anderes, denn der Nauarchus gab ihm ganz offiziell das Kommando über die in Reih und Glied angetretene Truppe! Das setzte dem ganzen die Piemontkirsche auf das Sahnehäubchen - endlich ein richtiges Kommando über eine ganze Einheit! Er hatte schon jetzt das Gefühl zu wachsen - die Soldaten waren nun gewissermaßen zu einem Körperteil geworden, den er nach Herzenslust benutzen konnte. Und sogar benutzen musste, um diese Feinde Roms niederzumetzeln!
    "Jawohl, Nauarchus!"
    bestätigte er, obwohl er in weniger aufgewühlter Stimmung vermutlich zu dem Schluss gekommen wäre, dass es ja ganz selbstverständlich war, dass er das Kommando hatte - immerhin war er der formal ranghöchste Offizier! Aber da er bisher immer nur Schreibtischtäter und Helfershelfer des Nauarchus gewesen war, hatte er sich doch irgendwie daran gewöhnt, von diesem Befehle zu empfangen. Oder zumindest von seinen Entscheidungen abhängig zu sein.


    Jetzt aber war die Macht unhinterfragbar an ihn gefallen, sodass er sich zu seiner Truppe umwandte.
    "Milites, wir erstürmen das Dorf! Mir nach!"
    rief er den Soldaten zu und eilte im Laufschritt voraus in Richtung des kleinen Fischerdorfes, das verdächtig still in Sichtweite lag. Unterwegs rief sich der junge Petronier noch einmal in Erinnerung, was der Alte ihm so über Kampftaktik beigebracht hatte - wichtig war es, die Einheit zusammenzuhalten, am besten auf freiem Feld zu kämpfen. Aber die Gladii waren auch gut geeignet für den Kampf im Handgemenge und die Parmae der Marineinfanterie würden sich auch als nicht so sperrig erweisen wie die Scuta der Legionäre. Am rationalsten war es wohl, das Dorf zuerst einmal zu reinigen - Haus für Haus. Und wenn sich diese Seeräuber doch irgendwo zum Kampf stellten, konnte man die Centuria ja zusammenziehen und den Feind einkesseln!


    Die Befehle waren schnell gegeben:
    "Wir teilen uns auf! Je ein Contubernium pro Haus! Durchsucht das Dorf! Der Cornicen geht mit mir!"
    Dann erreichten sie die erste Hütte, die der Subpraefectus an der Spitze seines Contuberniums höchstpersönlich mit einem festen Tritt gegen die Tür öffnete. Ein wenig übermotiviert stürzte der junge Petronier hinein, um... sich verdutzt umzusehen - scheinbar war das hier ein Lager, gefüllt mit Tongefäßen voller Getreide. Ein wenig enttäuscht trat er gegen eine der Vasen und wandte sich um.
    "Weiter!"
    Lucius drängte sich zwischen den ihm nachgefolgten Soldaten durch und ging zum nächsten Haus...

    Als bekannt wurde, dass sie Apolonia nicht mehr erreichen würden, verzog der Subpraefectus mürrisch das Gesicht - er hatte nicht die geringste Lust, in einem afrikanischen Kuhkaff zu übernachten, wo er wahrscheinlich nicht einmal einen vernünftigen Brunnen gab. Feindselig sah er daher zum Nauarchus hinüber, der dafür die Verantwortung trug - Wind hin oder her, angeblich war es doch so superkomplex mit der Segelei, da musste man das doch ausgleichen können! Und außerdem, was war mit den Ruderern?
    Die Hitze machte ihn allerdings viel zu fertig, als dass er darüber hätte diskutieren können, sodass er den Mund hielt und weiter vor sich hinschwitzte. Wieder einmal beschäftigte er sich mit der Suche nach Primzahlen.


    Selbst als Massa Kommandos an den Ausguck ausgab, blickte er nur kurz auf und verlor dabei den Faden. Dass dieses komische Dorf einen Mann nur damit beschäftigte, aufs Meer hinauszuschauen kam dem junge Petronier reichlich irrational vor. Insofern wunderte er sich auch nicht, dass dieser Typ zwischendurch Pause machte - zumindest war das die logischste Erklärung dafür, dass der Ausguck nichts fand. Wahrscheinlich passte von diesen Kameltreibern sowieso niemand darauf auf, ob er auf Posten war...
    Als der Nauarchus dann einen neuen Hinweis bekam, zuckte Lucius nur kurz. Er war viel zu müde und außerdem hatte der Typ im Korb sowieso nur einen Delfin gesehen. Oder irgendsoeine nautische Sache, die er dann sowieso wieder nicht erkannte!


    Was dann kam, traf ihn völlig unerwartet: Da trieb jemand? Lucius sah zum Horizont, wo das Land zu sehen war - trotzdem, sie waren viel zu weit weg, als dass hier jemand schwimmen gehen würde. Logischerweise war er also tot.
    Interessiert stand er doch auf und stellte sich neben den Decimer an die Reling. Tatsächlich, da schwamm er mit dem Gesicht im Wasser! Schlagartig war er wieder wach und spürte bereits ein leichtes Kribbeln im Bauch. Ein Toter, womöglich erlegt von einem Schützen - wie aufregend! Sofort hatte er wieder das überraschte Gesicht von Caius vor Augen - endlich ging es los!


    Voller Aufregung stand er so bereit, als man den leblosen Körper aufs Deck hievte und sofort erkannte der Subpraefectus, was hier los war. Blieb die Frage, warum man diesen armen Kerl abgeschossen hatte. Die Wahrscheinlichkeit für ein Versehen war sehr gering, dafür steckte der Pfeil zu präzise. Das gezielte Ausschalten einer Wache ließ aber nur einen logischen Schluss zu - ein Überfall!
    Als der Befehl zum Bewaffnen kam, war Lucius schließlich hellwach. Die Bemerkung des Nauarchus analysierte er blitzschnell und erklärte ein wenig klugscheißerisch:
    "Wenn es Nomaden wären, hätten sie keinen Grund, einen Ausguck außerhalb des Dorfes auszuschalten. Und einen feindlichen Nomaden hätte der Kerl doch sicherlich erkannt!"
    Ehe Massa antworten konnte, war er dann losgerannt, um sich selbst wieder in die viel zu warme Rüstung zu quetschen. Armin stand schon bereit und half, so gut er kann. Trotzdem schrammte das gehärtete Leder immer wieder über seine krebsroten Arme und den Hals, was einen brennenden Schmerz verursachte.
    "Ah, pass auf, du Idiot!"
    schimpfte er, doch hatte er keine Zeit allzu vorsichtig zu sein. Noch der Gürtel mit dem Pugio und der Gurt mit Pythagoras, seinem Gladius, darüber, dann noch den Helm.
    "Was ist mit den Beinschienen des Alten?"
    "Ja wo sind die?"
    Er fand das Stierrelief auf ihnen zwar irgendwie affig, aber erstens hatte er sie geschenkt bekommen - wenn auch vom Alten - und zweitens war es rational, sie im Kampf zu tragen. Ein gezielter Stich ins Bein konnte einen schließlich ganz schnell in eine ungünstige Duellsituation bringen! Trotzdem kehrte er an die Reling zurück und beobachtete abwechselnd den Strand, wo sich bereits etwas regte, und das Deck, auf dem die Marineinfanterie Aufstellung nahm. Gleich ging es los!

    Olivenöl gegen die Sonne? Misstrauisch beobachtete Lucius den Nauarchus dabei, wie er sich einrieb. Bei Hitze und Öl konnte er nur daran denken, wie die Garköche in Rom irgendwelche Speisen in fleckigen Pfannen brieten - angenehm sah das nicht unbedingt aus. Andererseits brannten Fleisch an, wenn man kein Öl zugab - insofern war es vielleicht doch nicht so irrational wie auf den ersten Blick.


    Also nickte er und nahm sich ebenfalls etwas Öl, um es auf die bereits wieder sonnenverbrannte Haut zu verteilen. Es brannte und zog, aber tapfer verkniff er sich jede Regung - er wollte ja nicht wie ein Weichling wirken, wo er jetzt schon wie ein Krebs aussah. Schließlich belohnte er sich mit einem großen Schluck Posca, obwohl er am liebsten den ganzen Becher über sienen glühenden Kopf gegossen hätte.


    Den Rest des Tages blieb er ruhig auf seinem Platz und wartete, dass das Olivenöl irgendeine Wirkung entfaltete. Es geschah aber nichts - wobei das vielleicht auch nicht unlogisch war, denn er konnte ja nicht beurteilen, wie es ohne das Olivenöl verlaufen wäre. So blieb ihm nur, ein wenig abergläubisch möglichst viel Öl aufzutragen. Aber lieber allein, denn die kräftigen Finger dieses Nauta wollte er lieber nicht an seine verbrannte Haut lassen...

    Nachdem die Flotille von Alexandria aus aufgebrochen war, hatte sie recht bald die Grenzen der Provinz Aegyptus hinter sich gelassen und war in die Gewässer der übrigen afrikanischen Provinzen vorgestoßen.


    Für Lucius war schon der erste Tag nervenaufreibend - immer wieder ging er auf der Concordia auf und ab, kletterte auf den Turm hinauf und kam dann, wenn die Hitze zu groß wurde, wieder nach hinten in den Unterstand, wo man ihm seinen Platz frei hielt. Doch alles, was sie bisher gesehen hatten, waren Handelsschiffe gewesen.
    Am späten Nachmittag hatte man ihn dann so weit - er ließ sich von Armin aus der Rüstung schälen und blieb in der sichtlich verschwitzten Tunica auf seinem Platz sitzen.
    "Was macht man nur gegen diese verdammte Hitze auf See?"
    fragte er den Nauarchus an seiner Seite.

    Momentan bin ich auf einer kleinen Patrouillenfahrt unterwegs (in den restlichen Provinzen), sodass es wahrscheinlich noch ein bisschen dauert. Da ich aber schon ein bisschen vorbereite, freut es mich schon jetzt von so regem Interesse zu hören.


    Auch noch in Mogontiacum dasselbe ein drittes Mal durchzugehen würde ich allerdings gern vermeiden. Aber SimOn ist Licinus vielleicht auch nicht der geborene Epikureer ;)

    Salvete allerseits,


    ich plane demnächst am Museion einen Kurs über die Lehre des Epikur, eines der einflussreichsten Philosophen der römischen Kaiserzeit, anzubieten. Parallel würde ich ihn bei Interesse auch in Rom anbieten (ausgesimmt in einem Philosophenzirkel von Epikureern).


    Gibt es da Interesse? Sonst mache ich mir die Mühe nämlich nicht, das ganze zweimal zu schreiben ;)

    Bis zum Sonnenuntergang war keine sehr präzise Angabe. Aber wie Lucius gelernt hatte, waren konkretere Angaben aus dem Nauarchus ohnehin nicht herauszubekommen - er beschloss, bei Ankunft sofort nach einer Sonnenuhr zu suchen und die Zeit dann genauer festzuhalten. Das bedeutete allerdings auch, dass er seine Berechnungen erst auf dem Rückweg anstellen konnte.


    Blieb nur die Hoffnung auf baldigen Feindkontakt. Creta und Cyrene lagen ziemlich genau gegenüber, wenn er die Karte richtig im Kopf hatte - und Creta war so groß, dass es überall fast gleich weit von der libyischen Küste entfernt und damit ein Piratenüberfall überall gleich wahrscheinlich war.
    "Dann hoffen wir, dass wir diese Mistkerle bald erwischen!"
    antwortete der junge Petronier ein wenig übermütig.

    Sim-Off:

    Dito.

    Der Dienst bei der Classis war langweilig - so langweilig, dass Lucius irgendwann sogar von selbst auf die Idee kam, Briefe zu schreiben:

    [FONT=freestyle script, amaze]M. Petronius Crispus - Domus Petronia - Mogontiacum - Germania Superior


    L patri suo s.d.
    Ich melde mich aus Alexandria, wo ich jetzt seit einiger Zeit Dienst leiste. Es ist ziemlich langweilig auf meinem Posten. Ich werde wie ein Anvfänger behandelt und habe nur Verwaltungskram zu erledigen. Der Praefectus Aegypti, der auch Praefectus Classis ist hier kümmert sich auch um nichts. Der Nauarchus leitet hier alles.


    In nächster Zeit gehen wir auf eine Patrouille, an der ich teilnehmen darf. Hoffentlich wird das interessanter und wir haben endlich einmal Feindkontakt.


    Ich habe mir auch ein Siegel gekauft. Es zeigt Euklid. Einen Mathematiker und FiloPhilosoph.

    http://gdurl.com/3RSu
    L Petron. Crispus[/FONT]



    [FONT=freestyle script, amaze]L. Tiberius Lepidus - DomusVilla Tiberia - Roma - Italia


    L Petronius Crispus patroni suo s.d.
    Ich melde mich aus Alexandria, wo ich jetzt seit einiger Zeit Dienst leiste. Ich bin dem Praefectus Aegypti Minidius Geminus direkt unterstellt. Allerdings ist Minidius sehr mit Verwaltung beschäftigt, sodass ich momentan der ranghöchste Offizier in der Classis bin. Dabei unterstützt mich der Nauarchus Decimus Massa.


    In Alexandria und Aegyptus gibt es keine erwähnenswerten Neuigkeiten. Minidius Geminus sitzt fest im Sattel, die Steuern werden gezahlt und es ist alles ruhig. Zu ruhig fast. Deshalb habe ich dich bisher auch nicht mit nichtssagenden Berichten stören wollen.


    In nächster Zeit gehen wir auf eine Patrouille, an der ich teilnehmen darf. Ich hoffe, dort auch meine taktischen Fähigkeiten unter Beweis stellen zu können.


    Gibt es Neuigkeiten aus Rom?


    http://gdurl.com/3RSu
    L Petron. Crispus[/FONT]


    Sim-Off:

    Bezahlt

    Der eher lässig gekleidete Nauarchus ließ Lucius ein wenig missbilligend die Nase rümpfen. Der Alte hatte ihm immer gesagt, dass ein Offizier das Vorbild seiner Truppe war - gerade äußerlich! Entsprechend war er auch stolz, dass er die Frage positiv beantworten konnte:
    "Jawohl, ich kann schwimmen."
    ...allerdings nicht mit voller Montur. Da Legionäre in der Grundausbildung Schwimmen lernen mussten, hatte der Alte ihn ebenfalls in den Rhenus getrieben und dafür gesorgt, dass er sich zumindest über Wasser halten konnte. Mehr zu lernen war dem jungen Petronier nie rational - wenn man weitere Strecken zurücklegen wollte, nahm man ja sowieso ein Boot!
    Diese Einsicht ließ ihn jetzt, wo er die Wellen im Eunostos sah, trotz der Hitze ein bisschen frösteln - mit Kleidung würde er wahrscheinlich untergehen wie ein nasser Sack!


    Zu gut, dass er sich mit der geplanten Route ablenken konnte. Bis nach Apollonia sollten sie heute kommen?
    "Wie weit ist es nach Apollonia?"
    Damit ließ sich womöglich genauer errechnen, wie schnell ihre Flottille unterwegs war - Lucius witterte Beschäftigung für die langweilige Fahrt!


    Trotzdem setzte er sich erst einmal.
    "Und wann rechnen wir mit Feindkontakt?"

    Lucius war ein bisschen aufgeregt - oder eigentlich sogar ziemlich aufgeregt! Immerhin war das seine erste "Feindfahrt", die ihn da erwartete. Und so war er schon am frühen Morgen aufgewacht, hatte Armin herumgescheucht, seine Ausrüstung hunderte Male kontrolliert, eine Ewigkeit an seinem Lederpanzer herumpoliert und zu guter Letzt noch eine kleine Fechtübung mit seinem Leibsklaven absolviert - nur um sicher zu gehen.


    Dann hatte er gewartet. Und gewartet. Und gewartet. Und dann war endlich der Bote gekommen und hatte gemeldet, dass alles bereit ist. Wenige Augenblicke später meldete ein Wächter am Pier, dass der Subpräfekt unterwegs war - und fast gleichzeitig traf der Petronier auch schon ein, ausstaffiert als ginge es nicht zu einer Patrouillenfahrt, sondern zu einer Seeschlacht. Mit gewichtiger Miene betrat er die Laufplanke, schwankte eine wenig unelegant, als eine Welle das Schiff erfasste, und ging dann zielstrebig ans Heck, wo der Nauarchus ihn erwartete.
    "Salve, Nauarchus!"
    grüßte er militärisch zackig.
    "Alles bereit?"
    Natürlich ging er davon aus, dass er hier das Kommando hatte - immerhin war er ranghöher und damit logischerweise vorgesetzt!

    Ein Palast? Was hatte das mit der Stadt des großen Alexander zu tun? Wollte der Nauarchus damit andeuten, dass der Statthalter im Palast Alexanders des Großen wohnte? Oder sollte das nur die Bedeutung der Stadt herausstreichen, die implizierte, dass der Statthalter hier nicht in einem schnöden Praetorium wohnen konnte?


    Er machte den Fehler, sich den Schweiß von der geröteten Stirn zu wischen und zuckte zusammen - es fühlte sich an, als würde das Salz darin in kleinen Körnchen über eine offene Wunde kratzen! Natürlich gab er sich Mühe, den Schmerz zu verstecken - immerhin standen vor ihm die Soldaten aufgereiht (mit Ausnahme derer, die über Bord gegangen waren) und auch auf dem Pier war ein Trupp angetreten. Also streckte sich der Subpräfekt und bemühte sich, militärisch-eindrucksvoll die Formation abzugehen und die einfachen Milites dabei genau zu inspizieren - der Alte hatte ihm beigebracht, dass man als Offizier stets höchste Standards anzusetzen hatte!

    Als er so die Stände betrachtete - natürlich möglichst unauffällig, denn er hasste es angesprochen zu werden - blieb er bei einem Gemmenhändler stehen, da die Sonne sich in interessanter Weise in den Steinen reflektierte. Sofort war der Besitzer des Standes - ein dicker, bärtiger Mann mit einem Griechisch, das seine phönizische Herkunft nicht verstecken konnte - bei ihm:
    "Junger Herr, womit kann ich Euch dienen?"
    "Mit nichts."
    antwortete Lucius genervt, doch von so einer knappen Antwort ließ der Händler sich natürlich nicht abhalten:
    "Seht es Euch genau an, junger Herr! Heute und nur heute habe ich besonders edle Gemmen - seht sie Euch nur genau an! Sie sind hervorragend geeignet für einen Schmuckanhänger für die liebe Frau daheim!"
    "Ich bin Soldat!"
    erwiderte der Petronier wie aus dem Bogen geschossen - er fand Schmuck eigentlich nutzlos und vor allem, wenn man ihn seiner Frau schenkte. Trotzdem sah er sich die Auslagen nun etwas genauer an - Gemmen mit eingeschliffenen Bildern hatte er noch nie gesehen!
    Entsprechend war auch der Händler noch immer nicht abgeschreckt, sondern versuchte es weiter:
    "Keine Frau? Oder die liebe Frau Mama zu Haus?"
    "Meine Mutter ist tot."
    "Oh, das tut mir leid! Sie war sicher eine sehr glückliche Frau."
    "Halt den Mund."
    gab Lucius endlich genervt zurück - wenn er sich etwas sparen konnte, dann die aufgesetzte Totenklage eines Mannes, der seine geliebte Mutter nie auch nur entfernt gesehen hatte. Einen Moment schwieg der Händler tatsächlich etwas befangen, aber dann fing er wieder an:
    "Ich sehe noch gar keinen Ring an Eurem Finger. Habt ihr schon einen Siegelring? Gemmen ergeben wunderbare Siegel!"
    Das war nun wirklich etwas, was die Aufmerksamkeit des jungen Offiziers erweckte - der Alte hatte sich vor Jahrzehnten einmal ein ziemlich schlichtes und einfallsloses Siegel machen lassen: Sein Name im Kreis, in der Mitte nichts. Dieses Siegel würde er auch niemals führen können - immerhin konnte er schlecht als M. Petronius Crispus siegeln und aus einem M ließ sich nur schwer ein L machen.
    Aber andererseits: Was nützte ein Siegel? Er konnte seine Briefe und Meldungen genauso gut mit der Unterschrift versehen...
    Scheinbar las der Händler Gedanken, denn er fuhr sofort fort:
    "Ein junger Offizier sollte unbedingt ein eigenes Siegel führen! Denkt nur an die zahlreichen Verwendungsmöglichkeiten: Das Verschließen von vertraulichen Briefen und Berichten, die Beglaubigung von Dokumenten, von Verträgen - wer weiß, wann Ihr von Eurem Gehalt ein neues Landgut kaufen könnt? Oder - die Unsterblichen mögen es verhüten - wenn Ihr das Zeitliche segnet - ein Testament ohne Siegel ist doch kein richtiges Testament!"
    Der junge Petronier rieb sich nachdenklich das Kinn. Was der Händler da sagte, war tatsächlich nicht ganz falsch - ob er mit oder ohne Siegel an den Alten schrieb, war wahrscheinlich egal, aber vielleicht musste er einmal vertrauliche Berichte für den Präfekten abliefern. Oder Verträge - er wollte ja nicht ewig vom Alten abhängig sein und nur der Scheinbesitzer eines verfluchten Fleckchens Erde am Ende des Imperiums bleiben!
    "Gibt es ein Familienwappen? Ein Tier? Eine Gottheit? Ich habe hier einen wunderbaren blauen Stein mit einem Neptunus - Ihr seid doch bei der Flotte, nicht oder?"
    Lucius zuckte mit den Schultern - wie hatte er das nun wieder herausgefunden? Er trug doch einen Mantel, der immerhin die Temperaturen über Körperhitze ein wenig abhielten und nur einen Cingulum Militare, der ihn allgemein als Soldaten auswies.
    "Äh - ja. Aber keine Götter."
    Wenn er die Götter nicht verehrte und eigentlich auch nicht recht an sie glaubte, brauchte er ihre Abbilder auch nicht unter seine Briefe zu setzen!
    "Keine Götter? Was ist mit einer schönen Pflanze - du stammst doch nicht von hier! Woher stammt deine Familie?"
    "Aus Hispania Tarraconensis."
    antwortete Lucius mechanisch.
    "Na in Hispania wachsen doch auch Palmen, nicht oder?"
    Der Petronier zuckte mit den Schultern - er hatte gehofft, im Rahmen seines Militärdienstes einmal nach Hispania zu kommen - über die Vegetationsverhältnisse konnte er also nichts sagen... außerdem fand er Pflanzen irgendwie... langweilig... Knapp sagte er daher:
    "Keine Pflanzen."
    "Keine Pflanzen? Die Palme in diesem grünen Stein wäre aber... naja, Ihr seid der Kunde! Wie ist es mit Tieren? Der hispanische Stier? Das sagt man doch, oder?"
    Der hispanische Stier war tatsächlich sogar Lucius ein Begriff - der Alte hatte ja ursprünglich auch bei der Legio IX Hispanica gedient, die den Stier als Emblem hatte. Auch die Beinschienen, die er von ihm geerbt hatte, waren mit Stierköpfen verziert. Das hatte aber auch zur Folge, dass er den Stier mit den ewigen, langatmigen Veteranengeschichten seines Vaters assoziierte - nicht unbedingt das, was er zu seinem Emblem machen wollte. Auch das schien der Händler zu ahnen, denn er ging einfach weiter:
    "Versuchen wir es von der anderen Seite: Was mögt Ihr gern? Habt Ihr ein Lieblingstier? Eine Lieblingsgotth- ach, nein, verzeiht!"
    "Kein Lieblingstier."
    erwiderte Lucius wieder recht einsilbig - es war auch völlig irrational, ein Lieblingstier zu haben, das man nicht selbst besaß. Er hatte einmal gehört, dass viele Ägypter Katzen hatten - aber wenn man keinen Getreidespeicher besaß, war es unlogisch, sich diese Viecher zu halten.
    Nun runzelte der Händler die Stirn und blickte verwirrt drein.
    "Kein Lieblingstier? Vielleicht eine besondere Eigenschaft?"
    Jetzt war es an Lucius die Stirn zu runzeln, was ihn schmerzhaft daran erinnerte, dass die Haut dort immer noch gerötet und irgendwie gespannt war. Bei jeder Regung der Gesichtsmuskeln brannte es und fühlte sich an, als würde die Haut entlang der Furchen aufreißen.
    Das lenkte ihn auch kurz vom Überlegen ab - was hatte er für besondere Eigenschaften? Naja, es gab schon ein paar Dinge, die ihm auffielen:
    "Ich bin sehr rational."
    "Oh, ein Philosoph! Wie wäre es mit einem Philosophen? Ich hätte hier einen roten Stein mit einem Bild von Sokr- Wer ist dein Lieblingsphilosoph?"
    Diese Frage war sehr leicht zu beantworten - der einzige Philosoph, dessen Schriften der junge Petronier besaß:
    "Euklid!"
    Ganz kurz verdrehte der Händler die Augen, um dann wieder ein gewinnendes Lächeln aufzusetzen:
    "Euklid? Heute ist dein Glückstag, junger Herr! Ich habe einen roten Stein mit dem Profil des Euklid im Angebot! Nur heute und nur ein Exemplar!"
    Seine Finger fuhren über die Auslagen und hielten schließlich einen ovalen, rot schimmernden Stein vor Lucius' Augen. Der junge Petronier nahm ihn und hielt ihn ins Licht - das Bild zeigte einen Glatzkopf mit einem gewitzten Blick und einem Bart. Er drehte ihn hin und her, sodass das Licht sich unterschiedlich in dem Glas brach.
    [SIZE=7]"Passt auch hervorragend zu Eurer Hautfarbe..."[/SIZE]
    murmelte der Händler, aber Lucius hörte es nicht - zu fasziniert war er von der Entdeckung eines originalgetreuen Abbild Euklids.
    "Und so sah er wirklich aus? Ganz schön... naja, glatzköpfig. Ich hatte ihn mir immer ein bisschen anders vorgestellt..."
    "Jaja, die Philosophen sind ja große Denker, nicht oder? Da gehen einem schonmal die Haare aus, nicht oder?"
    Der Subpräfekt blickte den Händler ungläubig an - vom Nachdenken bekam man Haarausfall? Und überhaupt - woher sollte er wissen, dass das hier wirklich das Abbild Euklids war? Er war dem großen Philosophen ja leider nie begegnet...
    "Und woher hast du die Gemme? Oder woher weißt du, dass das wirklich sein Bild ist?"
    Diesmal musste der Händler kurz nach einer Antwort ringen, bevor er - umso schneller plappernd - eine Erklärung parat hatte:
    "Woher weißt du, dass der Kaiser einen Bart und eine Glatze hat? Jemand hat ihn portraitiert natürlich! Die Gemme stammt aus... Achaia... aus der Heimatstadt von Euklid, nicht oder?"
    "Euklid stammt doch aus Alexandria!"
    warf Lucius ein, der langsam das Gefühl hatte, der Händler legte ihn herein, doch der beeilte sich, seine Aussage zu korrigieren:
    "Alexandria, ja natürlich! Hatte ich Achaia gesagt? Ich meinte natürlich Alexandria, gleich hier aus der Stadt! Da wird das Andenken solcher großer Philosophen natürlich gepflegt und man merkt sich auch, wie sie aussahen!"
    "Im Museion?"
    "Aber sicher doch im Museion, genau!"
    Einen Moment überlegte Lucius - Euklid war seit mehreren Jahrhunderten tot, also hatte ihn wohl niemand persönlich getroffen. Andererseits hatte der Händler Recht - auch von Divus Augustus wusste jedes Kind, wie er ausgesehen hatte, weil es originalgetreue Statuen gab. Und selbst von noch älteren Römern - auf dem Forum Augustum standen ja die römischen Helden bis zurück zu Aeneas! Und Euklid war ja wirklich ein großer Gelehrter gewesen - wieso sollte ihn niemand portraitiert haben? Alexander der Große hatte zu einer ähnlichen Zeit gelebt und seine Statuen fand man hier in der Stadt an jeder Ecke!
    Folglich entschied der junge Petronier sich, die Behauptung des Händlers als rational und nachvollziehbar zu akzeptieren. Und ein Bild Euklids auf seinem Siegel zu haben - da war schon wirklich eine große Versuchung! Keine dämlichen Adler, Palmen, Götter oder sonstwas, sondern das reine Licht der Logik!
    "Hm, was kostet die Gemme denn?"
    Der Alte hatte ihm immer noch kein Geld geschickt, sodass die Ersparnisse langsam knapp wurden - andererseits stand die nächste Soldauszahlung auch bald wieder ins Haus...
    "Auch da habt Ihr heute Glück - die Tychen müssen Euch lieben! Denn obwohl eine Gemme mit dem echten, originalen Abbild des Euklid unglaublich selten ist - womöglich ist dieser Stein hier sogar das einzige Exemplar - und der Stein hochwertiges Glas, gefärbt mit feinstem Kupfer, bearbeitet von Alexandros, einem ausgemachten Meister seines Faches! Hochwertigste Gemmenschneiderei! Also für 250 Sesterzen gehört sie dir!"
    "250 Sesterzen?"
    Dem jungen Petronier entglitten die Züge - das war für einen jungen Offizier wie ihn doch eine ganze Stange Geld. Da konnte er sich ja fast ein Pferd davon kaufen!
    "Bedenkt die Feinheit der Arbeit! Der Stein ist ja recht klein und Ihr werdet sehen, dass das Abbild des So- Euklid wunderbar erkennbar ist! Wartet einen Moment!"
    Er umrundete kurz seinen Stand und kam dann mit einer Wachstafel wieder. Mit einem beherzten Schlag drückte er die Gemme in das Wachs. Als er sie wieder umständlich aus dem dank der Sonne recht weichen Material zog, konnte man tatsächlich deutlich - noch deutlicher als im Stein selbst - das Profil des Philosophen erkennen.
    "Seht, junger Herr! Eine so gutes Bild bekommt Ihr nirgends sonst! Und dazu ausgerechnet Euer Lieblingsphilosoph, bedenkt das nur!"
    Lucius war hin- und hergerissen - so viel Geld für so ein kleines Ding auszugeben war eigentlich irrational... zumal ein einfacheres Motiv ja auch reichen würde...
    "Bedenkt auch, dass das eine einmalige Anschaffung ist! Die Gemme ist praktisch unzerstörbar und Ihr könnt Sie an Eure Kinder und Enkel weitervererben! Noch in hundert Jahren wird man damit siegeln können!"
    Nachdenklich befasste der junge Petronier die klar fühlbaren Kanten auf dem Stein, den der Händler ihm wieder in die Hand gegeben hatte. Die Farbe war wirklich auch sehr schön - und wer konnte seine Briefe besser abschließen als der Lehrmeister der Mathematik? Und die Wahrscheinlichkeit, dass er anderswo eine günstigere Euklidgemme bekam, war ja tatsächlich nicht sehr hoch - wieso sonst hatte er wohl kaum je ein derartiges Siegel gesehen?
    Eine ganze Weile stand Lucius unschlüssig herum - irgendwie war es völlig unlogisch, das Ding zu kaufen. Aber irgendwie wollte er die Gemme haben...
    "Na, weil Ihr Soldat seid und unseren Berufsstand so tapfer vor Banditen beschützt, werde ich - und meine liebe Frau wird mich dafür ausschimpfen und ich werde am Ende noch bei dem Geschäft draufzahlen - Euch einen einmaligen Rabatt geben: Diese hochwertige Gemme für lächerliche 200 Sesterzen, wenn Ihr niemandem verratet, dass ich meine Produkte zu diesem Spottpreis weitergebe!"
    Der junge Petronier atmete noch einmal tief durch.
    "Na gut, 200 Sesterzen!"
    sagte er schließlich und schlug ein. Der Händler lächelte gelöst.
    "Eine hervorragende Entscheidung, junger Herr! Ihr werdet sehr zufrieden sein! Ich kann Euch auch einen Goldschmied empfehlen, der Euch die Gemme gern einfasst und vielleicht eine Umschrift anbringt."

    Auf seine Kosten kommen? Für einen Moment fragte sich Lucius, welche Kosten denn auf ihn zukamen - dann wurde ihm klar, dass es wohl nicht um Geld ging. Trotzdem ließ ihn die Ankündigung verwirrt zurück: Wie unterhielt eine Militäreinheit Feindschaften und Freundschaften? Letztlich wollte er aber nicht als Idiot dastehen, weshalb er den Mund lief.
    "Jawohl."
    antwortete er daher nur knapp und verabschiedete sich ebenfalls mit militärischem Gruß. Seine nächste Schiffsreise - das konnte ja heiter werden...

    Die Fremdenmärkte waren größer als alles, was Lucius jemals kennen gelernt hatte - sie kamen ihm sogar noch chaotischer und ausgedehnter vor als die Trajansmärkte in Rom. Vor allem wahrscheinlich, weil hier in allen Sprachen des Ostens gefeilscht und verhandelt wurde und der junge Petronier schon Mühe mit dem Griechischen hatte, das hier die Standardsprache der Bevölkerung war. Das und die Menschenmassen, die sich hier zwischen Basarständen, Bretterbuden und Einkaufszeilen tummelten, machte es für den Subpräfekten irgendwie unangenehm, hier zu sein. Aber irgendwie war er doch auch neugierig gewesen, was es hier in der Hauptstadt des römischen Ostens so alles zu kaufen gab.


    Und so schob auch er sich durch Menschen aller Herren Länder, deren unterschiedliche Hautfarben Lucius die Frage aufkommen ließen, warum Nubier schwarz, Ägypter braun, Griechen bronzefarben und er selbst käseweiß (beziehungsweise rot) war - ob es was mit der Sonne zu tun hatte, die hier so unbarmherzig brannte? Aber am Ende konnte er auch keine Antwort deduzieren, obwohl es ja heißer wurde, je südlicher man ging und die Erklärung somit durchaus logisch war.

    "Das ist ja einfach!"
    antwortete Lucius erstaunt und setzte sein Zeichen an die dafür vorgesehene Stelle - wobei er wieder einmal feststellte, dass er noch immer kein Siegel besaß. Höchste Zeit, das zu ändern!


    Zuerst musste er aber wohl diese erste Mission einmal zum Ende bringen - wie auch immer das ablaufen würde...
    "In Ordnung."
    bluffte er und fragte sich, ob man bei dieser Hitze tatsächlich irgendwo eine Decke würde brauchen...