Als Lucius vorn angekommen war, sah er misstrauisch zum Himmel - dunkle Wolken hatten sich zusammengebraut und tauchten das "Goldene Zeitalter" in hässliches Grau. Wahrscheinlich feierten die Götter diesen Tag mit einem ordentlichen Regen!
Ein Grund mehr, dieses Ritual schnell hinter sich zu bringen, wie der Subpräfekt dachte! Er begann also mit der einführenden Ansprache, für deren Vorbereitung er sich keine Mühe gegeben hatte. Genaugenommen hatte er die Geschichte von Saturn und wie sie alle hießen ja oft genug gehört, dass er sie trotz ziemlich berechtigter Zweifel an ihrer Korrektheit auswendig erzählen konnte:
"Willkommen zu den Saturnalien.
Das Jahr teilt sich in vier Jahreszeiten - zumindest fast überall auf der Erde außer hier."
Die Ägypter kannten nur drei Jahreszeiten + 5 Schalttage, die definitionsgemäß keine eigene Jahreszeit sein konnten. Darauf hinzuweisen konnte der junge Petronier sich natürlich nicht verkneifen.
"Aber auch hier gibt es den Winter und auch hier werden die Tage in diesen Tagen wieder länger. Überall sonst auf der Welt ruht man in dieser kalten Jahreszeit, während die Bauern hier schon mit der Aussaat beginnen. Wir Römer verehren in dieser Zeit besonders drei Götter. Saturnus - Kronus, Ops und Consus. Vor allem aber Saturnus."
Er hatte die Anweisung bekommen, den Saturn-Mythos kurz zusammenzufassen - der Praefectus hatte extra gesagt, dass er sich kurz fassen sollte, aber auch berücksichtigen musste, dass die neuen Rekruten vielleicht noch nie etwas von den Saturnalia gehört hatten. Zum Glück war Lucius' Ehrgeiz, diesen sklavischen Barbaren hier römische Religion einzuprügeln, sehr beschränkt - sodass er sich vor allem auf die erste Anweisung beschränkte:
"Vor langer, langer Zeit herrschten Saturn und Ops über Götter und Menschen. Irgendwann wollte sein Sohn Iuppiter die MAcht übernehmen und besiegte seinen Vater-"
Wenigstens eine Sache, die die Götter sympathisch machte - sie überwanden ganz gerne mal ihre Väter! Es wurde höchste Zeit, dass er dasselbe mit dem Alten machte!
"Saturn musste deshalb gehen und ging - äh- nach Italia in die Nähe des heutigen Roms. Dort brachte er den Menschen vieles bei und beherrschte sie und alle waren glücklich - das Goldene Zeitalter. Es ging allen sogar so gut, dass niemand dem anderen etwas wegnehmen brauchte und alle gleich waren."
Einen Zustand mit so viel Überfluss konnte Lucius sich beim besten Willen nicht vorstellen - selbst in Rom, wo nicht wenige Senatoren so unverschämt reich waren, die so viel verdienen mussten, dass sie es wohl nicht einmal los wurden, wenn sie es ständig mit einer Schaufel in den Tiber schippten, gab es genügend arme Schlucker, die täglich verhungerten. Diese Geschichte war also purer Humbug!
"Dummerweise reiste Saturn eines Tages ab und alles, was uns bleibt, ist, uns mitten im Winter an diese tolle Zeit zu erinnern. Deshalb feiern alle Römer in diesen Tagen, wo sie auch sind, Saturnalien. Und wir lassen Saturn frei, denn einer anderen Theorie zufolge hat Iuppiter ihn nach seiner Machtübernahme eingesperrt und lässt ihn einmal im Jahr für ein paar Tage raus!"
Er drehte sich um und zog Pythagoras, sein Schwert. Es war scharf wie immer und so waren die Wollschnüre um die Beine der Statue schnell durchtrennt. Sofort begannen die Soldaten zu jubeln - ganz ohne Befehl!
Doch Lucius war noch lange nicht erlöst - jetzt kam der wirklich sinnlose Teil! Also zog er rasch die Tabula hervor und begann abzulesen - zum einen, weil er schlecht im Auswendiglernen war (vor allem bei so unnützen Dingen wie Gebeten), zum andern, weil er sie wortgenau vorgegeben waren, wie ihn die Flottenpriester mehrfach ermahnt hatten. Auch jetzt standen sie misstrauisch an seiner Seite und blickten säuerlich drein - ihnen hatte seine Ansprache wohl nicht so gefallen!
Aber das war Lucius nun wirklich herzlich egal - er war Subpräfekt und sie bestenfalls im Optionenrang. Was sollten diese Trottel ihm schon anhaben? Der Präfekt war eine andere Nummer - und deshalb machte er hier brav Dienst nach Vorschrift und begann mit dem Gebet:
"Als Saturnus herrschte, war alles ein Kreislauf und alle Dinge kehrten sich um. Nur einmal jedes Jahr füllen wir diese Lampe mit Öl. Sie ist sonst leer, weil Saturnus schlafend liegt. Wir nähren ihn mit dem Öl des Getreides, dem goldenen Nektar der Körner. Trinke tief, oh Saturnus, von diesem goldenen Öl! Erwidere unser Geschenk und segne unsere heilige Erde!"
Er drehte sich zu dem einen Priester, der ihm eine Ölkännchen reichte, mit dem nun die Öllampe vor der Saturnus-Statue gefüllt werden musste - Ölverschwendung am hellichten Tag! Wobei der Tag ja zunehmend dunkel wurde...
Außerdem begann es ganz schön windig zu werden und der Minister, der dem Petronier jetzt den brennenden Glimmspan reichte, musste das zarte Flämmchen schon mit der Hand beschirmen. Entsprechend lang dauerte es, bis die Lampe brannte - um sofort wieder auszugehen. Die Priester schienen schockiert, dann hatte aber plötzlich jemand eine Art Glasvase in der Hand. Sie zündeten die Lampe als wieder an und stülpten die Vase darüber. Lucius lächelte grimmig - die Lampe würde sehr bald ganz sicher wieder aus gehen - ohne Luft starb Feuer, das wusste er aus eigenen Experimenten!
Diesmal war es ihm aber egal - er wollte das ganze nur schnell hinter sich bringen, denn er spürte schon die ersten Tropfen!
"Saturnus Gehilfe ist Consus, der die Saat bewacht. Von allem was wir ernten bewahren wir einen Teil, um es erneut in die Erde zu legen. Auch einen Teil unseres hart erarbeiteten Geldes bewahren wir auf, um es an einem anderen Tag zu benutzen. All das und mehr ist verborgen in der Erde anvertraut der Sorgfalt von Mutter Ops. Erinnert euch allen Reichtums den ihr besitzt und entscheidet weise, was davon zu bewahren ist. Gebt einiges von dem, was ihr besitzt, und bittet. Saturnus, bewahre das Korn für die Saat und mache es fruchtbar für die Ernte!"
Selten war ein Gebet bei einem offiziellen Opfer der Flotte wohl so heruntergeleiert worden - aber den Regeln war Genüge getan worden!
Damit begann der Teil der Zeremonie, die Lucius für die unlogischste hielt - Opferhelfer begannen damit, Geld bei den Soldaten einzusammeln! Das kostete unendlich Zeit und machte es nötig, dass die Helfer bei jedem Zweiten erklären mussten, warum man hier den Göttern etwas zahlen musste, das man sich durch harte Arbeit verdient hatte. Rational hätte man es wohl einfach vom Sold einbehalten müssen - aber scheinbar zählte hier die Geste!
Tatsächlich dauerte diese Sammelaktion so lange, dass das Nieseln sich zu einem ordentlichen Regen ausbaute und das Öllämpchen vor dem goldenen Saturn wieder ausging. Die Priester schienen nichts gelernt zu haben - sie zündeten wieder an und stülpten wieder das Gefäß darüber. Darum würden sie es wohl nie zu einem ordentlichen Immunis-Posten bringen...