Beiträge von Lucius Petronius Crispus

    Lucius war ziemlich verwundert, als Lepidus so plötzlich die Salutatio abbrach und drehte sich ebenfalls bereits um, um nach Hause zu gehen - immerhin war er nicht der Typ, der sich dafür hergeben würde, seinen Patron um ein paar Worte anzuflehen. Er war ein Eques, sein Patron noch nicht einmal Senator - da wäre das nur demütigend gewesen!


    Aber erstaunlicherweise wurde er aufgehalten, ja sogar noch eingeladen. Etwas verdattert blieb er zunächst stehen, folgte dann aber dem Tiberier, der gleichzeitig begann ein bisschen zu jammern. Bei Lucius kam davon nur an, dass sein Patron wohl doch nicht so mächtig war, wie der Alte gehofft hatte - wer es zum Quaestor Principis brachte und dann nicht einmal genügend Fürsprecher hatte, um den Schritt zum Senator zu schaffen, machte es doch fragwürdig, ob er die eigenen Interessen - allen voran eine Stelle für Lucius - durchsetzen können würde! Aber im Gegensatz zu Lepidus hatte der junge Petronier nicht die geringste Lust, am Strand zu sitzen und diesen Schiffbruch zu beweinen. Jammern war eine irrationale Handlung - sie half niemandem und am Ende fühlte man sich nur schlechter! Besser war es, sich eine neue Möglichkeit zu suchen und aus den Planken des gestrandeten Bootes ein Floß zu zimmern - in diesem Fall also das bisherige zu nutzen, allen voran natürlich den Kontakt zum Kaiserhof! Er würde unbedingt diesem Decimer helfen müssen - der war zwar eine tickende Zeitbombe und dazu vielerorts ziemlich irrational. Aber dafür war er auch ein Mann der Zahlen...
    "Hast du am Kaiserhof keine Kontakte, die dir helfen können?"
    fragte er deshalb, um langsam auf Varenus zu sprechen zu kommen...

    Im Gegensatz zu Varenus gab Lucius einen festen Händedruck - das machte er immer, denn ein fester Händedruck zeigte dem Gegenüber, dass er stark war. Und das wollte er natürlich gerade diesem Typen zeigen, der ihn hier auf so seltsame Weise einbestellt hatte...


    Noch immer ärgerte es den jungen Petronier, dass er erpressbar war - ob vermeintlich oder nicht... Er würde unbedingt herausfinden müssen, wie gefährlich die Gesetzesübertretung seines Vaters war! Es sei denn, das Gesetz wurde sowieso bald geändert.
    Auf jeden Fall hatte er wenig Muße, mit diesem verrückten Typ über seine Pläne zu sprechen.
    "Ich will Soldat werden wie mein Vater."
    erklärte er deshalb eher einsilbig.

    "Äh - ja..."


    log Lucius, als der Patron ihn direkt auf sein Fehlen ansprach. Eigentlich hatte er gehofft, dass der Tiberier anderes zu tun hatte, als jeden seiner Klienten zu kontrollieren, aber da hatte er sich offensichtlich getäuscht.


    Um sich nicht weiter rechtfertigen zu müssen, kam er aber sofort mit seinem Anliegen heraus:


    "Hast du schon etwas vom Palatin gehört? Gibt es keine freien Offiziersstellen?"


    Vielleicht würde das Lepidus ein wenig unter Druck setzen - immerhin war es ja die Aufgabe des Patrons, für eine standesgemäße Positionierung seiner Klienten zu sorgen!

    Auch Lucius hatte seit dem Ende der Amtszeit seines Patrons nicht mehr so viel zu tun - also lungerte er auch immer wieder einmal auf dem Forum herum, wo man zumindest hier und da interessante Gerüchte aufschnappte, ein hübsches Mädchen sah oder beobachten konnte, wie die Herren Senatoren Politik machten. Auch heute saß er auf den Stufen der Basilica Iulia und hatte sich unter die Bittsteller der Aedile gemischt, als Duccius Vala seinen Stand aufbaute.


    Neugierig trat er näher, als fuhrenweise Nahrungsmittel herangekarrt wurden - denn wann gab es schon einen Markt auf dem Forum Romanum? Als er einen der Helfer allerdings ansprach, staunte er nicht schlecht: Titus Duccius Vala, dieser germanische Waldschrat, kandidierte zum Consulat! Zuerst lachte der junge Petronier - das war völlig irrational und musste logischerweise ein Scherz sein! Als ihn das Helferlein allerdings anschaute, als wäre er verrückt, deduzierte er, dass das keineswegs ein Scherz war. Naja, theoretisch war es ja auch möglich, denn der Duccier war ein Praetor gewesen, als die mogontinische Gesandtschaft bei ihm gehaust hatte... das hieß, eigentlich hatte sie bei Accius gehaust - was die Sache irgendwie noch viel lächerlicher machte: ein Consulatskandidat, der zur Untermiete wohnte? Wo gab es denn so etwas? Die Duccier glaubten wohl, sie konnten Rom auch einfach so mir nichts, dir nichts beherrschen wie Mogontiacum!


    Aber auch wenn er inzwischen Eques war - wählen durfte er sowieso nicht! Dafür konnte er aber einiges an Nahrungsspenden abgreifen - und das tat er natürlich mit vollen Händen! Nicht, dass er es nötig hatte, seine Bäckerei lief gut und er hatte noch immer ein bisschen Geld seines Alten übrig. Aber es war irrational, kostenlose Spenden nicht anzunehmen! Also ging er von Stand zu Stand, griff großzügig zu und ließ sich vom Brot sogar etwas einpacken - das konnte er vielleicht sogar noch bei Istorius verkaufen lassen!


    Dann kehrte er auf die Stufen der Basilica zurück und betrachtete das Treiben wieder von weitem.
    "Eine Schande, dass die Duccier jetzt schon in Rom um das Consulat kämpfen!"
    meinte er zu Arminius, während er das Stück Kohl begutachtete, das er soeben mitgenommen hatte.
    "Tja, die Petronier sind eben nicht die einzigen Aufsteiger!"
    erwiderte der Sklave mit einem schiefen Grinsen, das ihm aber einen bösen Blick und einen groben Schubser seines Herrn einbrachte.
    "Was soll'n das heißen? Wir sind die Petronier, wir sind schon länger Römer, als diese Duccierbrut ihre Ahnen zurückverfolgen kann! Mein Onkel-"
    "-war Quaestor, ich weiß! Aber du bist doch auch halb Germane, oder nicht?"
    schnitt der Sklave ihm das Wort ab. Armin selbst war ja auch Germane - offensichtlich wollte er sich solche Beleidigungen nicht bieten lassen. Das war allerdings ein Fehler - Lucius hatte seinen Leibsklaven in letzter Zeit an der langen Leine gehalten, aber das wollte er sich doch nicht bieten lassen. Er nahm den Kohlkopf und schleuderte ihn Armin ins Gesicht. Man hörte ein Knacken und als der Kohlkopf davon rollte, schoss Blut aus der Nase des Sklaven.
    "Dich hackt's wohl, Sklave!"
    brüllte der junge Petronier seinen Diener an, der ihn im Gegenzug böse anfunkelte. Seine Muskeln zuckten, aber er wagte es dann doch nicht, sich mitten auf dem Forum Romanum gegen seinen eigenen Herrn zu erheben.

    Nachdem sein Patron nicht mehr in Amt und Würden war, hatten auch Lucius' Aufgaben als Scriba geendet. Stattdessen wartete er Tag für Tag darauf, dass er endlich Post vom Palatin und eine Stelle im Exercitus bekam - bisher hatte sich aber nichts getan. Und da sein Patron offensichtlich nichts für seinen Klienten tat, hatte er auch beschlossen, dass er auch weniger für ihn tun musste und erschien nur noch zweitägig zur Salutatio, um die anderen Tage auszuschlafen.


    Heute hatte er sich aber zeitig herausgequält, hatte seine Toga ordentlich gefaltet und war so zur Villa Tiberia gezogen - er hatte nämlich ein Anliegen!

    Der Passus mit dem Cultus Deorum? Es dauerte einen kurzen Moment, bevor Lucius verstand, was Varenus meinte - dann aber war er wieder einmal ziemlich verwirrt: Zuerst bestellte der alte Mann ihn anonym hier ein, dann versuchte er ihn in die Enge zu drängen, indem er auf einen Gesetzespassus verwies und dann war seine "Gegenleistung" für eine Nicht-Anzeige, dass Lucius darauf hinwirken sollte, dass genau dieser Gesetzespassus gestrichen wurde? Das war doch vollkommen unlogisch! Wenn man ein Gesetz nicht mochte, dann pochte man nicht auf dessen Einhaltung! Oder war das nur eine Strategie, ihn von der Nutzlosigkeit des Gesetzes zu überzeugen? Warum dann aber diese Geheimnistuerei? Hatte der Decimer Angst, dass man so eine Gesetzesänderung mit ihm in Verbindung brachte? Und wenn ja, warum?


    "Ich - äh..."
    sagte er, als ihm direkt die Hand angeboten wurde - was sollte er eigentlich genau tun? Rein wörtlich hatte Varenus nur von ihm verlangt, diese Streichung seinem Patron zu raten - so weit, so gut, das kostete ihn quasi nichts und ließ sich auch rational begründen, wenn er auf seinen Vater verwies. Und das wiederum war ja auch rational, denn wenn sein Vater seine Betriebe verlor und am Ende Strafe zahlen musste, verlor er nicht nur Erbe, sondern auch Ansehen... Oder überschätzte der alte Mann da seinen Einfluss und verlangte ein Versprechen, seinen Patron umzustimmen?
    "Ich werde ihm dazu raten. Eindringlich."
    sagte er schließlich und entspannte sich wieder ein bisschen. Diese Aussage konnte er auf jeden Fall halten, also gab er dem Beamten seine Hand und atmete tief durch. Das war ja weitaus glimpflicher, als er befürchtet hatte - da würde er dem alten Mann doch nicht das Brustbein durchstoßen müssen! Eigentlich schade...

    Der junge Petronier hatte sich sitzend etwas aufgerichtet, doch nun sackte er wieder etwas in sich zusammen - hätte er nur besser bei Eumenius' Ausführungen zugehört! Dann wüsste er jetzt, ob dieser Varenus die Wahrheit sagte oder nicht. Logisch war es schon, dass eine notorische Gesetzesübertretung auch exponentiell entsprechende Strafe nach sich zog - aber das Rechtssystem war nunmal leider völlig unlogisch aufgebaut! Was das Recht dann aber wieder mit den privaten Begehrlichkeiten von Dritten zu tun hatte, verstand er nicht - denn wehrhaft war sein Vater allemal, solange er sich nicht mit der Staatsmacht anlegte!


    Als der Decimer dann seine "Bestechungssumme" äußerte, glaubte Lucius sich verhört zu haben - ein Kontakt? Ein bisschen Fürsprache bei seinem Patron, dazu im Interesse seines Vaters? Was war das schon wieder? Aber es war irrational, sich schon über diese nebulöse Andeutung den Kopf zu zerbrechen, weshalb er direkt weiterfragte:
    "Und worum soll ich ihn bitten?"

    Das Lachen des Alten machte Lucius nur noch wütender - diese widerliche Selbstgefälligkeit! Aber es war auch ein Indikator dafür, dass er sich seiner Sache ziemlich sicher fühlte... Er richtete sich ein wenig auf und verschränkte die Arme vor der Brust, sodass er sein Schwert unter der Toga spürte.


    Dann hörte er zu: Lex Mercatus kannte er natürlich - Eumenius hatte sie damit gequält. Und er erinnerte sich sogar noch an dieses Verbot - er hatte sich damals nämlich schon gewundert, dass sich kein Mensch darum scherte in Mogontiacum! Aber dass es jetzt ausgerechnet aufflog, weil sein Alter hier in Rom ein Geschenk an den Kaiser machte... absurd! Offensichtlich hatte dieser Amtsschimmelreiter nichts besseres zu tun, als in den Privatangelegenheiten von Leuten herumzuschnüffeln, die stadienweit von Rom entfernt lebten und ihre Kraft in den Dienst des Staates stellten! Und nicht, dass er wenigstens einfach seine Arbeit machte und den alten Petronier anzeigte - nein: Er versuchte auch noch selbst Kapital daraus zu schlagen!


    Bevor er reagierte, musste er aber erst einmal rational seine Möglichkeiten durchgehen: Die Lex Mercatus verhängte seiner Erinnerung nach vor allem Geldstrafen - die Behauptung mit dem Kerker war also eine glatte Lüge. Geld kam seit einiger Zeit auch keines mehr aus Mogontiacum, auch das war also nicht unbedingt sein Problem. Anders war es natürlich mit dem "Verruf" - Lucius hatte sein Leben lang gelernt, dass man eine Person kannte, wenn man ihre Familie kannte. Dieser dämliche Gesetzesbruch seines Vaters konnte also tatsächlich auf ihn zurückfallen...
    "Das gibt doch sicherlich nicht mehr als eine Geldstrafe."
    antwortete er schließlich feindselig - er wollte dem Alten zeigen, dass er keine Angst vor ihm hatte. Er konnte dieser bärtigen Fratze jederzeit die Kehle durchschneiden, wenn er wollte! Aber das war nicht sehr rational, deshalb versuchte er lieber erst einmal, noch ein paar Unbekannte auszuräumen:
    "Was willst du?"
    Das wahrscheinlichste war natürlich Geld. Aber wer wusste schon, was im kranken Hirn eines korrupten Beamten vor sich ging?

    Der junge Petronier war überrascht - sogar ziemlich überrascht - als der bisher eher übellaunige Decimer ihn so überschwänglich lobte. Wieder einmal hatte sich erwiesen, dass eine rationale Vorgehensweise sich bewährte und sogar Leute begeisterte, die zuerst einmal von sich selbst eingenommen waren...
    "Äh - danke!"
    war allerdings alles, was er auf diese unverhofften Ankündigungen erwidern konnte. Nicht nur als Fußnote - ob Varenus damit meinte, dass er ihn unterstützen würde? Vielleicht konnte er ja dafür sorgen, dass er nach dem Amtsjahr seines Patrons tatsächlich einen Offiziersposten irgendwo im Imperium ergatterte... wie hatte er noch gesagt? Geld ist Macht. Die Finanzabteilung trägt hauptsächlich dazu bei...


    Aber bevor die Laune des Primicerius wieder kippte, beschloss er, auch Lepidus über seine Erfolge in Kenntnis zu setzen. Also sagte er nur
    "Dann - äh - schaue ich mal nach dem Quaestor. Wenn ihr mich braucht, wisst ihr ja, wo ihr mich - äh - finden könnt!"
    und ging ein paar Officia weiter...

    Tutorensystem... ist aus den Augen verloren gegangen, würde ich sagen :(


    Einsteigerguide: Ist tatsächlich schon in Planung - nur ist bisher noch niemand von uns dazu gekommen, da etwas aufzusetzen. Also wenn jemand Interesse hat, das zu übernehmen, kann er/sie sich gern bei der SL melden ;)
    (ich glaube, Serapio hatte das mal angeboten - vielleicht kann er aber auch selbst was dazu sagen...)

    Es dauerte schon eine geraume Zeit, bis Lucius sich endlich wieder traute, seinem Vorgesetzten unter die Augen zu treten. Aber er hatte eben bisher noch nie in einem Archiv gearbeitet und die Aufgabe, die er bekommen hatte, wäre wahrscheinlich selbst für einen erfahrenen Archivar eine Sisyphusarbeit gewesen. Doch irgendwann hatte er zumindest die senatorischen Familien von F bis I beisammen und beschloss, zumindest das dem mies gelaunten Decimer vorzulegen - nicht, dass der noch dachte, sein petronischer Mitarbeiter würde nichts tun!


    Also marschierte er zum Officium des Primicerius, trat ein und legte die Tabula auf den Tisch:

    [FONT=freestyle script, amaze]Senatorische Familien:


    [/FONT]


    Dann wischte er sich die schwitzigen Finger an der Tunica ab - irgendwie hatte er doch ein bisschen Angst vor Varenus - fuhr sich durchs Haar und erklärte, was er hier gebastelt hatte:
    "Die Arbeit ist - äh - ziemlich umfangreich. Ich hab' jetzt angefangen mit den Senatoren und ihren Angehörigen, weil ich mir - äh - gedacht habe, dass es ja vor allem um die geht. Danach würde ich mit - äh - mit den Equites weitermachen und so weiter. Weil wenn ich allein denk', wie viele Iulii es in Rom gibt... da - äh - wird die Grundstücksteuer ja nie fertig!"

    Wieder einmal lag Lucius nach einem arbeitsreichen Tag in seinem Bett. Dieser dämliche Varenus hatte ihn wieder ganz schön auf Trab gehalten - er bereute es fast, auch noch freiwillig von seinem Chef und dem langweiligen Kopistenjob weggegangen zu sein (naja nicht ganz, aber den Großteil der Zeit...). Wie so oft malte er sich aus, wie er dem alten Sack sein Gladius in die Brust rammte. So wie Caius damals - wie wohl das Röcheln bei dem Decimer klingen würde? Es gab so unendlich viele Leute, denen der junge Petronier gern einmal ein Messer zwischen die Rippen stecken wollte: dem Alten, seinen Schulkameraden aus Mogontiacum, diesen ganzen arroganten Decurionen aus seiner Heimat - allen voran den Ducciern - und natürlich die Nutte von nebenan! Apolonia - wie ein Spott auf Mogontiacum, das ja Apollo als Schutzgott hatte! Wie sie ihn verarscht hatte, indem sie erst das eingeschüchterte Mädchen gespielt hatte, um dann ihre Maske fallen zu lassen! Er war sich vorgekommen wie ein Trottel, der sich an der Nase herumführen lässt! Sie war ganz klar ein hübsches Mädchen, hatte ihn schon durch ihre Anwesenheit verlegen gemacht - so wie Nicaea damals... Natürlich war es super gewesen, sie vor sich zu haben und zu demütigen - vielleicht nicht ganz so geil wie mit der anderen Nutte, die am Ende heulend davongerannt war, aber immerhin! Und dann war er dagestanden und musste feststellen, dass seine ganze Männlichkeit und Dominanz an ihr abperlte wie Wasser an poliertem Marmor. So ein Verhalten war doch völlig irrational - sie war eine kleine Nutte und er ein Eques! Wie konnte sie es sich leisten, sich nicht vor ihm und seinem Zorn zu fürchten? Steckte doch etwas hinter ihrem Gerede von mächtigen Freunden und viel Einfluss? Natürlich dachten viele Idioten mit ihrem Schwanz - man hatte nur Caius zuhören müssen, wenn er von seinen Eroberungen gepralt hatte. Kein Wunder, dass er entsprechend mies in allem gewesen war, wenn er sich stattdessen auf irrationale Schürzenjägerei gemacht hatte! Aber konnten so dumme Menschen viel Macht gewinnen und sich trotzdem von einer kleinen Prostituierten abhängig machen? Die Wahrscheinlichkeit erschien ihm jedenfalls nicht sehr hoch...


    Und was hatte sie noch gesagt? Ein Raum mit für ihn ansprechenden Spielsachen? Was sollte das heißen? Er hatte ihr doch direkt davor gezeigt, dass er kein Kind mehr war, sondern alt genug war, um sich zu nehmen, was er wollte! Er spielte nicht - er experimentierte höchstens!


    Aber was war das wohl für ein komischer Raum?

    Nach Ewigkeiten hatte Lucius endlich wieder einmal geschafft, einen Brief für den Alten aufzusetzen - das letzte Mal hatte es ja wieder ganz schön erbost geklungen und der junge Petronier war froh, dass er fernab jeder Reichweite seines Vaters war. Entsprechend sah er es auch gar nicht ein, auf die Drohungen zu reagieren, sondern blieb bei ein paar wenigen Worten - alles andere wäre sowieso nur Geschwafel gewesen!


    [FONT=freestyle script, amaze]M. Petronius Crispus - Domus Petronia - Mogontiacum - Germania Superior


    L patri suo s.d.
    Mir geht es gut. Ich arbeite als Scriba Personalis meines Patrons, der als Quaestor Principis am Palast arbeitet. Dort erledige ich viel Schreibkram und kann aber auch meine Rechenfähigkeiten einsetzen. Tiberius hat mich auch einem Primicerius der Finanzabteilung zugeteilt, der einen Entwurf für eine Grundstückssteuer entwerfen soll. Der Kerl ist verrückt und hat keine Ahnung, aber die Aufgabe ist interessant.


    Mein Patron hat mir außerdem versprochen, dass er sich für mich einsetzt, wenn seine Amtszeit abgelaufen ist. Hoffentlich bekomme ich dann irgendwo eine Offiziersstelle. Am besten irgendwo, wo es warm ist bei der Infanterie!


    Außerdem habe ich die Gelegenheit genutzt und von dem Geld, das Tiberius mir zahlt, eine Bäckerei in Ostia gekauft. Ich werde sehen, was ich aus dem Betrieb herausholen kann.


    Sonst gibt es nichts Neues. Du könntest mir noch ein bisschen Geld schicken, damit ich hier und da ein paar Schmiergelder zahlen kann.


    Vale,
    L Petron. Crispus[/FONT]


    Sim-Off:

    Bezahlt!

    Lucius hatte gelernt, dass man Befehle nicht hinterfragte - zumindest nicht, wenn sie von jemandem kamen, der wesentlich mächtiger und/oder stärker als man selbst war. Also hatte er sich auch Varenus' Anweisungen gebeugt, obwohl er sie nicht so ganz genau verstand. Alle Flavii, Iulii und so weiter katalogisieren? Das war doch Irrsinn! Als er dann vor den Regalen des Archivs stand, wusste er, dass es sogar mehr als Irrsinn war - es war absolut idiotisch und eine Arbeit, die wohl sein ganzes Leben würde in Anspruch nehmen. Glücklicherweise stellte sich recht bald heraus, dass so ein Tabularium eine einigermaßen logische Ordnung hatte, nämlich nach Provinzen. Und wenn man bedachte, dass die meisten Senatoren Italiker waren, war es natürlich logisch, zuerst einmal mit Italia zu beginnen - dumm nur, dass Italia der unübersichtlichste Bereich war, da hier alle Civitates ihre Angaben einzeln machten!


    Also musste er auch hier erst einmal logisch überlegen, wie man am rationalsten vorging: Die Diskussion zwischen Varenus und Lepidus hatte sich hauptsächlich um den Senat gedreht - daraus ließ sich ableiten, dass Senatoren das primäre Interesse seines Auftraggebers waren. Mit diesen musste er also anfangen. Er brauchte also erst einmal eine Liste aller Senatoren und musste dann beginnen, diese Namen in den einzelnen regionalen Untergliederungen abzuklappern. Daneben waren aber wohl auch die Familien der Senatoren zu berücksichtigen, zwischen denen so ein Grundstück leicht hin- und hergeschoben werden konnte, falls bestimmte Ansammlungen von Grundstücken in einer Hand hoch besteuert wurden. Diese zu finden, war allerdings wieder komplizierter, denn nur weil es einen Iulius Centho gab, war es natürlich klar, dass nicht alle Iulii zu diesem einen Familienstamm gehörten - im Grunde brauchte er also die Stammbäume der Senatsfamilien...


    So wurden schon die Vorüberlegungen ziemlich komplex! Zum Glück hatte das kaiserliche Archiv relativ gute Register und relativ gute Ordnung. Relativ - das war das Problem! Und doch: Nach ziemlich langer Zeit hatte er doch endlich eine erste Übersicht über den Landbesitz der senatorischen Familien Roms:

    [FONT=freestyle script, amaze]Senatorische Familien:


    [/FONT]


    Im Grunde war es schon interessant, wer wie viel besaß - zum Beispiel, dass die Flavii gar nicht reicher waren als die Germanici! Eigentlich unlogisch, dass Patrizierfamilien automatisch höheres Ansehen besaßen, obwohl sie gar nicht reicher waren...

    Zufrieden verfolgte Lucius, wie der Aedil den Vertrag unterzeichnete - damit waren alle Formalitäten erledigt und es fehlte nur noch die Übergabe des Kaufpreises. Aber zuerst wollte der findige Magistrat scheinbar seine Stände verkaufen zu wollen. 50 Sesterzen für ein Jahr, bei einem doppelt so großen Stand sparte man gerade einmal 5 Sesterzen, bei einem dreimal so großen auch nur 10 und bei einem vierfachen 15 - nicht gerade ein großer Anreiz, wenn man so darüber nachdachte... Aber abgesehen davon war es sowieso etwas irrational, wenn er in einen Betrieb, dessen Leistungsfähigkeit er überhaupt nicht kannte, gleich so viel investierte. Wenn er darüber nachdachte, hatte er sich mit diesem "Spontankauf" aber sowieso schon etwas irrational verhalten... - er wusste ja gar nicht, wie leistungsfähig der Betrieb war! Und die Idee, vornehmlich die Annona in Rom zu beliefern war ja auch eher eine fixe Idee gewesen - was hatte er sich dabei eigentlich gedacht?
    Er schluckte und blickte ein bisschen ertappt drein.
    "Ich - äh- brauche vorerst keine Stand, danke."


    Sein Wissensdefizit würde er auf jeden Fall so schnell wie möglich stopfen müssen!
    "Dann fehlt noch die Bezahlung. Hier, bitteschön."
    Auch das sollte vor dem Aedil geschehen - immerhin konnte er das dann später auch bezeugen oder gar eine Quittung ausstellen! Jedenfalls nahm der junge Petronier den Geldbeutel, den Armin gestern aus Rom geholt hatte, hervor und zählte zweihundert Sesterzen in verschiedenen Münzen auf den Tisch.
    "Bitteschön."
    sagte er und schob das Geld dem Bäcker hin, der zumindest jetzt ein wenig glücklicher wirkte als den Rest der Veranstaltung.
    "D...danke!"
    stammelte er und schob das Geld in einen kleinen Lederbeutel, den er am Gürtel unter der Toga getragen hatte.

    Ungezwungene Einvernehmlichkeit - eine typische Juristenformulierung, wie Lucius spöttisch dachte: Das sagte im Grunde mal wieder gar nichts aus, denn was bedeutete schon "ungezwungen"? Jemand wie dieser bemitleidenswerte Istorius, der sein Geld verspielt hatte und dringend welches brauchte? War der gezwungen? Und wie sah überhaupt gezwungene Einvernehmlichkeit aus? Konnte etwas, was erzwungenermaßen erfolgte, denn überhaupt einvernehmlich sein? Typisch Wortklauberei eben...


    Aber zum Glück schien der glücklose Bäcker sich darüber keine Gedanken zu machen - er hatte scheinbar schon längst resigniert, wie es für einen Verlierertyp wie den typisch war. Also konnte man wohl endlich zum Vertragsabschluss schreiten. Gemeinsam mit dem Aedil wurde ein Vertrag aufgesetzt, wobei Lucius vornehmlich redete und Hispo wieder nur ab und an nickte oder die Augen verdrehte. Der junge Petronier fragte sich fast, ob der Bäcker getrunken hatte...

    Pactum emptionis


    zwischen
    Gaius Istorius Albianus Hispo
    Venditor


    und
    Lucius Petronius Crispus
    Emptor


    über den Betrieb
    Pistrina C Istorii Albiani Hisponis
    Semita Horreorum, Ostia


    Der Venditor verkauft und überträgt hiermit zum ANTE DIEM VI KAL OCT DCCCLXIV A.U.C. (26.9.2014/111 n.Chr.) an den annehmenden Emptor alle zum Betrieb gehörigen Grundstücke, Gebäude, Maschinen, Werkzeuge und Sklaven.


    Alles, was der Emptor fortan selbst mit dem Betrieb tut, hat auch er selbst zu verantworten.


    Schäden, die durch den Venditor verursacht wurden und noch beständig sind, hat der Verkäufer sachgerecht zu beheben. Ebenso erklärt der Venditor, dass keine Schulden oder Verbindlichkeiten auf dem Betrieb lasten.


    Durch die Unterzeichnung des Vertrages wird sichergestellt, dass dieses Geschäft in Einverständnis und völliger geistiger Tüchtigkeit beider Parteien geschehen ist. Der Preis wurde ausgehandelt und beläuft sich auf zweihundert Sesterzen.


    Mit der Übergabe des Kaufpreises erlangt der Vertrag Gültigkeit. Er ist rückwirkend mit Ausnahme von richterlichem Urteil nicht mehr zu ändern.


    Falls eine der Bestimmungen dieser Vereinbarung unwirksam oder undurchführbar sein sollte, soll die Wirksamkeit der restlichen Bestimmungen hiervon unberührt bleiben. Die Parteien sind jedoch dazu verpflichtet, dabei mitzuwirken, daß die betroffene Bestimmung durch eine solche ersetzt wird, deren Inhalt soweit wie möglich den Zweck der unwirksam gewordenen ersetzt.


    Sanctio
    Sofern eine der Parteien die Vertragsbestimmungen verletzt, ist die jeweils andere Partei zu einer Klage vor dem Duumvir Ostiensis berechtigt.


    Venditor
    C Istorius A. Hispo


    Emptor
    [FONT=freestyle script, amaze]L Petron Crispus[/FONT]


    Aedilis Ostiensis



    Zuerst unterschrieben die beiden Parteien, dann reichte Lucius den Vertrag noch an den Aedil weiter - als Beglaubigungsinstanz quasi (und natürlich in zwei Ausfertigungen).


    Blieb natürlich noch die Frage mit dem Marktstand - als Unternehmer musste man ja immer an Expansion denken. Abgesehen davon, dass die Bäckerei nicht unbedingt optimal in Ostia lag und wahrscheinlich wenig Laufkundschaft hatte...
    "Was kostet denn so ein Marktstand?"
    fragte der junge Petronier deshalb neugierig.

    Lucius hasste es, wie ein kleiner Junge behandelt zu werden. Als ihn der Klaps erreichte, zuckte seine Hand entsprechend bereits zum Saum seiner Toga, unter der Pythagoras versteckt war. Zum Glück erinnerte er sich aber vorher, dass dies kaum der Ort war einen kaiserlichen Beamten abzustechen - außerdem war er viel zu verdutzt, als der Decimer sich als Mitwisser zu erkennen gab. Und daraus dann zu schließen, dass er offensichtlich der vermeintliche Erpresser war, war wirklich eine zwingende, logische Konsequenz, die der junge Petronier sofort zog.


    Aber warum? Und worum ging es? Wenn er die Variable des Absenders berücksichtigte, konnte er schon eine neue, wahrscheinliche Hypothese bilden: Varenus war Finanzbeamter aus Italia, ursprünglich aber aus Tarraco - dort wiederum kam auch der Alte her. Entsprechend gab es entweder die Möglichkeit, dass die beiden sich aus ihrer Kindheit in Hispania kannten, oder aber, dass Varenus dienstlich auf seinen Vater gestoßen war. Tarraco hatte ziemlich viele Einwohner, allerdings waren beide wohl etwa gleich alt, sodass die Wahrscheinlichkeit wieder zunahm, dass sie sich kannten. Dagegen hatte der Decimer wahrscheinlich mit tausenden Steuerfällen zu tun - falls er nicht gezielt nach seinem Vater gesucht hatte, war es hier also wieder weniger wahrscheinlich... Vielleicht war er ein korrupter Beamter - die gab es angeblich recht häufig und so eingebildet und rücksichtslos wie der Typ war, war es nicht ausgeschlossen, dass er auch dazu gehörte - zumal er wissen musste, dass Lucius erst zum Eques geworden war und damit logischerweise auch einen recht guten finanziellen Hintergrund hatte.
    Wollte Varenus ihn also erpressen? Das war auf jeden Fall die wahrscheinlichste Lösung, denn sonst hätten sie sich nicht hier und anonym treffen müssen. Vielleicht wollte der Decimer ihn dadurch weiter demütigen - sonst hätte er ihn nicht so lange zappeln lassen! Aber da versuchte er sich an dem Falschen, denn Lucius hielt sich eindeutig für schlauer als dieser arrogante Steuerfuzzi - und wer erpresserisch handelte, der machte sich nach § 93 strafbar, das hatte der junge Petronier noch aus seinem Cursus Iuris behalten... Um so eine Falle zu konstruieren, musste er aber logischerweise erst einmal gewähren lassen. Also beugte er sich vor, blickte Varenus feindselig an und fragte
    "Fass mich nicht an! Was ist mit meinem Vater?"

    Varenus war ganz offensichtlich mindestens genauso schrecklich wie sein Vater - trotzdem erschrak die heftige Reaktion den jungen Petronier, der sich nun wirklich keiner Schuld bewusst war. Im Gegenteil - der Decimer hatte ihm nicht richtig zugehört! Genaugenommen hatte er ja genau das vermutet und wollte nur sichergehen - nicht, dass man ihn am Ende anmeckerte, weil er Unmengen an Arbeit (die ganz sicher vor ihm lagen) ganz umsonst gemacht hatte! Wenn er nur daran dachte: Unter I gab es ja beispielsweise die Iulii und von denen kannte er ja schon in Mogontiacum eine ganze Menge, im gesamten Imperium aber vermutlich Millionen! Andererseits wusste er aus Erfahrung mit dem Alten, dass man unsinnige Aufgaben mit diesem Typ von Mensch überhaupt nicht diskutieren brauchte - also schluckte er seinen Ärger einfach herunter.
    "Jawohl, Primicerius."
    erwiderte er stattdessen in giftigem Ton, stand auf und ging. Während er in den Flur hinaus trat, malte er sich noch aus, wie er diesen alten Spinner mit Pythagoras zerteilte - da würde er endlich mal einen Grund haben, herumzubrüllen...