Den restlichen Vormittag hatten Lucius und Armin genutzt, um noch einmal einen Ausflug nach Portus zu machen. Dort hatte der junge Petronier sich noch einmal den größten Kran angesehen und sich gefragt, ein wievielfaches seines Gewichts ein einzelner Mann in dem Antriebsrad heben konnte - eine faszinierende Sache, so ein Kran!
Gegen Nachmittag waren sie dann wieder in der Stadt und schlenderten zurück in die Taberna. Als sie eintraten, malte sich ein Grinsen auf Lucius' Gesicht: Hinten im Eck saß der Bäcker wie ein Häufchen Elend, vor sich einen Becher Wein. Wenn man genau hinsah, konnte man annehmen, dass das nicht der erste war - was für ein Versager!
Zielstrebig gingen die beiden auf Hispo zu und setzten sich ihm gegenüber.
"Eine gute Entscheidung!"
begrüßte Lucius ihn und strahlte ihn an - was der Bäcker keineswegs erwiderte. Vielmehr betrachtete er weiter seinen Becher und murmelte:
"Naja... ich hab' ja keine Wahl!"
"Korrekt!"
entgegnete nun wieder der Petronier, den die missliche Lage, die Genugtuung seines Triumphes geradezu in Hochstimmung versetzte. Jetzt aber sah Hispo noch noch einmal auf und hob den Zeigefiinger.
"Aber ich hab' ein paar Bedingungen."
Lucius' Blick wurde hart und er verschränkte die Arme vor der Brust.
"Ich glaube nicht, dass du in der Position bist, Bedingungen zu stellen!"
sagte er schroff, doch ganz war der Widerstand seines "Geschäftspartners" offensichtlich nicht gebrochen, denn nun blitzten seine Augen geradezu auf, während er seinen Standpunkt klar machte:
"Hör zu, Bürschchen: Ich geb' ja zu, ich will nich', dass meine Frau von den Spielschulden erfährt! Aber ich bin ein freier Mann und alles hat seinen Preis! Ich schlage ein, aber nur, wenn du mir folgendes garantierst:
Erstens will ich, dass du es geheim hältst, dass der Laden dir gehört. Das heißt, dass wir alle Ausstattung und so weiter in meinem Namen kaufen und du nur das Geld zuschießt. Außerdem will ich ein Festgehalt von-"
"-das mit dem Festgehalt kannst du vergessen!"
unterbrach Lucius ihn. Er hatte über diese Sache noch einmal nachgedacht und war zu dem Schluss gekommen, dass dies eine ziemlich irrationale Übereinkunft sein würde, denn wenn dieser Trottel bezahlt wurde, egal was er leistete, dann war es ja logisch, dass er möglichst wenig leistete. Und da Lucius nicht ständig hier in Ostia sein konnte, um ihn zu kontrollieren, würde das sicherlich schnell dazu führen, dass er immer weniger rausbekam oder sogar etwas draufzahlen musste.
"Du bekommst eine Gewinnbeteiligung. Zehn Prozent!"
"Zehn Prozent? Davon kann ich ja nichtmal mich selbst ernähren! Ganz zu schweigen von meiner Familie! Du überschätzt wohl meinen Laden!"
Der junge Petronier stöhnte. Er hatte tatsächlich nicht so große Ahnung, wie gut so ein Bäckerladen verdiente. Aber er hatte erfahren, dass die Gewinnspanne stieg, je größer so ein Geschäft war - deshalb hatte der Alte auch gleiche eine Schar von Webern beschäftigt, für die er zentral Wolle einkaufte und so bessere Preise bekam.
"Wie viel willst du?"
"Dreiviertel - ich hab' ja auch die Arbeit!"
"Dann dauert es ja Jahrzehnte, bis ich meine Investitionskosten wieder drin hab'! Ich sage ein Drittel!"
"Die Hälfte!"
"Na gut, die Hälfte."
lenkte Lucius schließlich ein. Wenn er recht darüber nachdachte, würde eine große Beteiligung ja auch die Motivation seines Angestellten erhöhen, fleißig zu arbeiten! Und eine 50:50-Lösung machte immer den Eindruck eines guten Kompromisses.
"Dafür will ich, dass du mir genau Rechenschaft ablegst!"
gab nun auch Lucius seine Konditionen bekannt.
"Und einen Vertrag, der die Regularien genau festlegt."
"Dann will ich, dass du mir garantierst, dass du niemals meiner Frau von meinen Schulden erzählst. Mit Unterschrift und Siegel!"
Der junge Petronier lehnte sich zurück und dachte einen Moment nach: Eine Verzichtserklärung? War so etwas überhaupt rechtswirksam? Und wie sollte sie sanktioniert werden? Naja, im Grunde war das ja auch egal - er hatte ja kein persönliches Interesse, dass die Alte von dieser Spielsucht erfuhr, also kostete sie ihn auch nichts. Und selbst wenn - dieser Trottel würde es sicherlich nicht bemerken, wenn Lucius die Erklärung so schrieb, dass zum Beispiel Armin nicht ebenfalls der Mund verboten wurde...
"Einverstanden."
sagte er also schließlich.
"Achja, und ich will 300 Sesterzen für meine Bäckerei!"
"Ich hatte 200 gesagt. 200 und kein As mehr!"
Lucius' Arme waren noch immer verschränkt. Er wusste, was eine Bäckerei wert war - 200 Sesterzen waren das, was man etwa brauchte, um einen geeigneten Raum mit den erforderlichen Gerätschaften zu kaufen.
"Ich hab' einen riesigen Kundenstamm! Du wirst gute Gewinne machen damit - gönn' mir wenigstens genug Geld, dass ich meine Schulden bezahlen kann!"
Seine Schulden? Was war das denn für ein dämliches Argument? Der junge Petronier hatte dafür nur ein spöttisches Schnauben übrig:
"200 Sesterzen oder ich geh' direkt zu deiner Frau!"
Ein großer Kämpfer war Hispo offensichtlich nicht - er ließ den Kopf hängen und nickte.
"Na gut... Wo machen wir's - gleich hier?"
Für einen Moment überlegte Lucius tatsächlich, ob er Armin befehlen sollte, eine Tabula herbeizuholen. Dann erinnerte er sich aber an Eumenius und sein Geschwafel über Immobilienverkäufe - die regelte man am besten vor dem Praetor... oder war's der Aedil gewesen? Jedenfalls vor einem Magistraten, sonst konnte es leicht zu Klagen kommen! Außerdem würde der Bäcker dort keine Unterlassungserklärung beglaubigen lassen, die dem Duumvir oder Aedil oder was auch immer mitteilte, dass er hohe Spielschulden hatte!
"Nein, wir gehen in die Curia und lassen das direkt eintragen. Treffen wir uns übermorgen, dann bring' ich das Geld gleich in Bar mit."
Natürlich hatte er nicht seine gesamten Ersparnisse mit auf den Ostia-Ausflug genommen. Bis übermorgen würde Armin das nötige Geld aber sicherlich hierher bringen können...
Scheinbar hatte er Hispo ertappt, denn es sah plötzlich ein wenig so aus, als würde es ihm noch deutlich unangenehmer werden, als all das hier sowieso schon war...
"Hmmmeinverstanden..."
rang er sich endlich ab. Dann schien er es plötzlich eilig zu haben: Rasch trank er den Becher aus, stand auf und ging ohne Gruß.
Armin und Lucius blickten ihm verwirrt hinterher.
"So ein Spinner..."
"Wenn ich die Besitzurkunde hab', sollte ich ihn vielleicht entlassen..."
bemerkte der junge Petronier nachdenklich. Aber darüber würde er bis übermorgen ja noch ausgiebig nachdenken können. Es gab sicherlich viele rationale Gründe für beide Seiten...