Zitat
Original von Marcus Petronius Crispus
"Sei nicht so respektlos gegenüber unserem Gastgeber, Lucius!"
Kurz darauf gab der Sklave ihnen zu verstehen, dass hier das Zimmer für Crispus war, während Lucius eins weiter sollte.
Wieder einmal gelang es Lucius, nach einer öffentlichen Demütigung des Alten - zumindest vor den Sklaven des Germanen - seine Zunge im Zaum zu halten und einfach still in sich hineinzugrummeln. Glücklicherweise musste er dies aber auch nicht sehr lange tun, denn sie erreichten recht bald die Schlafzimmer und Lucius trat ein. Hinter ihm kam ein Sklave ins Zimmer und blieb schweigend und mit erwartungsvollem Blick neben der Tür stehen. Lucius bemerkte ihn zuerst gar nicht - er war zu sehr damit beschäftigt, sich sein Schlafzimmer anzusehen: Es war großzügig eingerichtet - sicherlich viermal so groß wie sein Zimmer in Mogontiacum inklusive Vorraum - und das Bett war voller Kissen und versprach damit ebenfalls mindestens um den Faktor vier weicher - wenn er nicht sogar gegen Unendlich ging (immerhin hatte der Alte Wert darauf gelegt, dass Lucius spartanisch wohnte, wie es sich für einen Legionär gehörte).
Als er sich dann aber umdrehte, bemerkte er den Sklaven doch - und zuckte sogar kurz zusammen - beziehungsweise seine Hand zuckte nach oben zum Griff seines Gladius.
"Was machst du hier?"
fragte er feindselig. Natürlich war es absurd zu glauben, dass der germanische Senator seine Gedanken gelesen hatte und sofort einen gedungenen Mörder losgeschickt hatte - aber er fühlte sich doch etwas ertappt.
"Ich - äh - kann dir beim Auskleiden helfen, Domine."
antwortete der Sklave nicht weniger überrascht.
Einen Moment war Lucius unschlüssig - Armin hatte ihm schon ab und zu mit den Klamotten geholfen, aber runter hatte er sie bisher eigentlich immer ganz gut allein bekommen. Andererseits... - er musste sich ja an die vornehme Gesellschaft gewöhnen, und da hatte man scheinbar einen Auskleidesklaven. Oder eine Sklavin? Naja, jetzt nahm er vielleicht doch erstmal mit diesem Burschen hier Vorlieb:
"Gut, dann - äh - nimm meinen Mantel!"
Er griff zu der Fiebel unter dem Hals, öffnete das Kleidungsstück und reichte es an den Sklaven. Der starrte allerdings wie gebannt auf das, was an Lucius' Gürtel hing: ! Einen Moment war Lucius verwirrt - hatte der Kerl noch nie ein Schwert gesehen? Unwahrscheinlich! Aber was wollte er dann? War es doch ein Killer, der ihn mit seiner eigenen Waffe töten würde? Nein, auch das war unwahrscheinlich - erstens wäre der Mordanschlag im Hause des Anstifters nicht sehr rational gewesen und zweitens war es völlig unlogisch, dass ein Mörder seine Waffe nicht mitbrachte und sich dann sogar der des Opfers bediente. Oder wollte der Sklave das Schwert stehlen? Unwillkürlich umfasste er den Griff und zog ihn ein wenig nach oben, sodass die sauber polierte Klinge ein kleines Stück aus der Scheide blitzte.
"Was glotzt du so blöd?"
fragte er dann. Diesmal fühlte der Sklave sich ertappt, denn er schlug sofort die Augen nieder und errötete ein bisschen. Schließlich sagte er:
"Es ist nur, Domine - es ist streng verboten in Rom Waffen zu tragen."
"Na für Sklaven vielleicht!"
gab der junge Petronier zurück - so ein Quatsch! Rom stand doch quasi auf seinen Legionen und ein echter Bürger war auch Soldat!
"Nein, Domine - es ist jedem verboten! Außer den Stadtkohorten!"
Einen Moment überlegte Lucius, ob er dem Sklaven eine Ohrfeige geben sollte, aber irgendwo in seinem Hinterkopf dämmerte es ihm, dass er so etwas schon einmal gehört hatte... - mussten Feldherren nicht auch draußen vor der Stadt warten, bis sie vom Senat die Erlaubnis erhielten, ausnahmsweise die Stadt mit einem Heer zu betreten? Und hatte nicht sogar einer der Matrosen vorgestern davon erzählt, dass manche sich bei Palma wegen irgendwelchen uralten religiösen Regeln darüber aufgeregt hatten, dass seine Truppen den Palatin gestürmt hatten? Nicht, dass der junge Petronier Angst hatte, die Götter herauszufordern - er hatte sie schon ganz anders beleidigt und es war nie etwas passiert! - aber religiöses Recht war meistens auch staatliches Recht. Und er hatte eigentlich keine Lust, wegen so einer Sache vor dem Praetor zu landen, noch bevor er richtig in Rom angekommen war!
Aber vor allem war es ihm unangenehm, dass der Sklave eines Germanen - in diesem Moment vergaß er ganz, dass sie ja nicht in Valas, sondern im Haus dieses Accius wohnten - ihn an römische Vorschriften erinnerte. Spontan fiel ihm nur Angriff als Gegenstrategie ein:
"Und? Zeigst du mich jetzt an, oder was?"
fragte er beleidigt und spielte kurz mit dem Gedanken, sein Schwert zu ziehen und diesem vorlauten Diener spontan den Garaus zu machen. Doch der war scheinbar nicht nur ein Sklave, sondern hatte auch eine sklavische Art, denn er schüttelte schnell den Kopf.
"Nein, nein, Domine! Ich wollte dich nur - äh - warnen!"
Jetzt wusste Lucius auch nicht mehr so recht, was er sagen sollte. Er entschied sich, die peinliche Situation einfach zu beenden:
"Soso - ich brauch' deine Hilfe nicht! Sag' mir Bescheid morgen früh, wenn der Al - äh - mein Vater wach is'!"
Der Sklave verneigte sich kurz und machte dann einen Abflug.
Als er endlich allein war, ließ Lucius sich schwer auf das Bett fallen. Vorsichtig zog er das Schwert aus der Scheide und betrachtete die glänzende Klinge. Irgendwie war Rom schon ein recht fremder Ort mit fremden Regeln und allem. Und ausgerechnet hier würde er auf sein geliebtes Schwert verzichten müssen - dabei war Rom doch so ein gefährliches Pflaster!
Naja, egal - jetzt würde er erstmal in einem superweichen Bett schlafen und ein bisschen üben, wie man so als reicher Mann lebte! Er brauchte sich ja nicht zu schämen, die Gastfreundschaft dieses Germanen in Anspruch zu nehmen, denn strenggenommen war der ganze Reichtum ja sowieso erst durch Rom entstanden und stand ihm damit viel mehr zu als diesem Langhaarigen!
Am Ende durfte Pythagoras sogar mit ihm im Bett schlafen. Den Griff fest umklammert und tief versunken in den weichen Kissen schlummerte er ein und hatte endlich Zeit, sich ein bisschen von dieser doch recht anstrengenden Reise in seine Zukunft zu erholen...