Beiträge von Lucius Petronius Crispus

    Der Typ auf der Bank war betrunken - das wurde schnell deutlich: Nicht nur das Herumgebrülle in der Nacht, auch das wirre Zeug, das er redete, waren klare Indizien!


    Auf die richtige Zuordnung reagierte er nur mit einem Nicken. Die Selbstvorstellung des Kerls dagegen mit einem kritischen Blick - "aufsteigender Stern am Firmament der römischen Politik"? Das war nicht nur schwülstig dahergeredet, sondern auch ziemlich unklar, ob es ein Scherz war. Ein Besoffener, der hier aus- und einging, konnte eigentlich unmöglich ein reicher Politiker sein! Andererseits waren die Hausherren ja offensichtlich mit Leuten verwandt, die Häuser und Ländereien vererbten, insofern musste man hier mit allem rechnen...

    "Dein Neffe? Wer soll das sein?"

    fragte er schließlich misstrauisch.

    Als der Kaiser eintrat, sprang der Tribun in zivil auf und grüßte militärisch, wie er es gewohnt war. Dass das mit einer Toga eher komisch wirkte, bemerkte er nicht - er war es ja auch nicht gewohnt, dieses unpraktische "Staatskleid" zu tragen. Da der Kaiser ihn aber nicht weiter ansprach, schwieg auch der Petronier und nahm wieder Platz.


    Der nächste Teilnehmer war der flavische Consular, den Lucius natürlich kannte - wenn auch nicht persönlich. Er hatte nur dessen dicklichen Sohnemann kennen gelernt, damals bei der Untersuchungskommission zum Sklavenaufstand. Was wohl aus ihm geworden war? Und welche Expertise hatte der ältere Flavier bei der Sicherheit der Stadt? Flavius Gracchus trat doch vor allem als Pontifex in Erscheinung und dass die Götter die Sicherheit Roms bedrohten, war doch eher unwahrscheinlich...


    Der Kaiser löste diese Frage aber vorerst nicht auf, sondern fragte nach den fehlenden Teilnehmern. Iulius Dives hatte er auch schon mal gehört - war er nicht auch Tribun bei den CU gewesen? Und Octavius Victor...

    "Ich vertrete auch Praefectus Octavius, Imperator! Er fühlte sich heute nicht wohl. Ich werde ihn aber auf dem Laufenden halten."

    Sim-Off:

    Gaius Octavius Victor war zuletzt im Oktober aktiv - ich nehme daher an, dass er nicht dazustoßen wird... ich bin mal so frei, ihn zu vertreten. Falls er doch noch kommt, geht es ihm eben unerwartet besser und er schleppt sich zu diesem wichtigen Termin ;)

    Der Octavier hatte eine ausgeprägte Phantasie, auch wenn seine Assoziationen zu Aegyptus nicht besonders originell waren. Sie fehlte dem Tribun dagegen eher. Die Rückfrage zu Aegyptus beseelte daher keine schmutzigen Phantasien, sondern sehr konkrete, nicht unbedingt begeisternde Erinnerungen:

    "Die Frauen sind meiner Erfahrung nach überall gleich: Es gibt hübsche Aegypterinnen, hübsche Römerinnen, hübsche Germaninnen - deine Sklavin zum Beispiel - und hübsche Griechinnen. Aber viele sind auch so hässlich wie ein Pferd. Was mir mehr in Erinnerung geblieben ist, sind die verschlagenen Aegypter und die arroganten Griechen, die dort leben. Das Volk von Alexandria ist recht aufmüpfig und wir mussten öfter für Ordnung sorgen. Außerdem ist es wirklich verdammt heiß dort, besonders im Sommer unerträglich mit der Feuchtigkeit des Nil-Deltas.

    Was man aber positiv schätzen kann, ist das Museion - ein wunderbarer Ort der Wissenschaft, an dem gerade die Naturphilosophie hoch geschätzt wird. Und selbst die Aegypter waren große Mathematiker und Astrologen, wenn man sich ihre Bauwerke im Landesinneren anschaut. Die Pyramiden zum Beispiel sind doch recht eindrucksvoll und können es mit den meisten Bauten hier in Roma aufnehmen!"

    Das war seine durchwachsene Zusammenschau der Zeit in Aegyptus. Die regelmäßige Seekrankheit auf Patrouillen ersparte er dem Octavier (und sich ihr Eingeständnis), ebenso den teilweise ziemlich öden Dienst bei der Flotte. Im Grunde war man als Subpraefectus ja doch nicht viel mehr als ein Hilfsoffizier, der erst gegen Ende seiner Karrierestufte etwas mehr Verantwortung bekam!


    Wieder schweifte sein Blick zu Synnove und er fragte sich, wie es wohl aussehen würde - wobei er doch zumindest ein paar gute Nährungswerte hatte, denn ihre Kleidung war nicht so zugeknöpft wie die der römischen Matronen...

    Die Bemerkung Gracchus' riss ihn aber wieder aus den Gedanken. Frauen und Schwerter? Ein wirklich schiefer Vergleich! Aus seiner Sicht waren Schwerter etwas Wunderbares, denn sie waren effizient, verliehen Macht und vor allem hielten sie die Klappe. Frauen dagegen... die waren quasi der Inbegriff von Geschwafel, unlogischem Denken und Verhalten und dazu hatten sie wie diese verdammte Sklavin einen Einfluss auf ihn, dem er sich kaum entziehen konnte... obwohl er genau wusste, wie irrational es war!

    "Naja, man könnte sagen, dass man sich auch verletzt, wenn man ungeschickt damit umgeht."
    bemerkte er schließlich die einzige Gemeinsamkeit, die ihm dazu einfiel. Frauen brauchten jemanden, der ihnen sagte, wo es lang ging - alles andere ging schief, da war er sich sicher!


    Der Lebenslauf des Senatorensprösslings klang ebenfalls langweilig. Die Städte Italias hatten ihn beeindruckt, als er damals aus Germania nach Italia gekommen war, aber gegenüber Rom waren sie alle - wie der Octavier treffend bemerkte - bedeutungslose Dörfer, billige Kopien.

    "Wie schon gesagt, andere Völker haben teilweise auch eine interessante Baukultur, die Ägypter, die Griechen..."

    hakte er ein, als der Senatorensprössling aufhörte zu reden.


    Dann sah er auch zu der Sklavin, die zu tanzen begann. Er schaute ein bisschen überrascht drein, denn Synnove tanzte ja ganz ohne Musik! Aber dafür, dass weder Trommeln, noch Flöten oder Orgeln zu hören waren, wirkten ihre Bewegungen recht flüssig und ansehnlich. So als würde sie in einer ganz anderen Welt wandeln... das Mädel hatte scheinbar Phantasie!

    Den Witz des Octaviers kommentierte er nicht - zum einen, weil er ihn nicht verstand, denn Kampf war etwas völlig anderes als das hier, obwohl er zugeben musste, dass die kleine Schlampe ihn ganz schön in ihren Bann zog, auch wenn sie keine Waffengewalt anwendete. Zum anderen, weil er von ihrem Anblick gebannt war, dass er fast einen trockenen Mund bekam. Und jetzt befahl ihr Herr auch noch, dass sie näher zu ihm herantrat!


    In einem hinteren Eck seines Gehirns rief das die Warnung hervor, was das Senatorenbürschchen im Schilde führte - aber das Kleinhirn mit seinen tierischen Instinkten verdrängte diesen Gedanken zunächst angesichts dieses hübschen Dings, das sich ihm näherte!

    Der Petronier ließ sich durch die Räume führen - er war bereits auf dem Palatin gewesen, aber das war Ewigkeiten her und stets nur in Audienzen. Heute war seine Fachexpertise gefragt, da wollte er natürlich einen besonders guten Eindruck machen!


    Als er eintrat, sah er bereits den Prätorianerpräfekten und Tribun Decimus. Die beiden kannte er näher, auch wenn er ihnen in der Regel aus dem Weg ging - er mochte diese aufgeblasenen Angeber in Schwarz einfach nicht!

    "Avete!"

    grüßte er in die Runde und fragte sich, wer wohl noch dazustoßen würde.

    Der Petronier hatte Befehl erhalten, an einer Beratung mit dem Kaiser teilzunehmen - was ihn natürlich ehrte, denn bisher hatte er so etwas noch selten erlebt. Das Thema klang auch vielversprechend: Die Kriminalität in den Straßen Roms!


    Natürlich kam er zu so einem Termin in Zivil, er hatte sich für den Kaiser sogar ordentlich herausgeputzt und seine neue Toga angelegt. Das Ding war modisch-voluminös, aber natürlich ebenso unbequem wie seine alte. Das Volumen versteckte zumindest seine dürre Figur, die er seit seiner Krankheit hatte. Darunter hatte er natürlich auch auf jegliche Bewaffnung verzichtet.


    So vorbereitet erreichte er den Palatin und meldete sich bei der Wache.

    "Lucius Petronius Crispus, Tribunus Cohortis Urbanae. Ich bin zum Consilium Principis geladen."

    Ein Diener des Aedils führte die Milites zur Palaestra, die nicht weit entfernt mitten im Stadtzentrum lag. Das Wetter war kühl und es sah nach Regen aus - insofern konnten die Soldaten froh sein, ein Dach über dem Kopf und eine größere Wandelhalle zu haben, die mit einer Hypokausten-Heizung beheizt werden konnte. Natürlich mussten die Männer das Praefurnium selbst anfachen, denn die Sklaven, die das während der Öffnungszeiten taten, waren in ihren Unterkünften. Aber so würde es doch möglich sein, auf dem gefließten Boden oder den Holzbänken entlang der Wand sein Lager aufschlagen zu können. Der Optio erhielt auch einen Schlüssel, um die Tür von innen verschließen zu können. Von den beiden Contubernia würde also eine Wache genügen.

    Sim-Off:

    Viel Spaß beim Campieren, Heizung-Anschüren und was ihr sonst noch wollt ;)


    Prozessvorbereitung im Haus des Aedil


    Währenddessen betraten Octavius Maro und der Tribun das Haus des Aedils, der sich als Titus Iuventius Thalna vorstellte. Der schmale Purpur-Saum an seiner Tunica wies darauf hin, dass er wie Lucius dem Ritterstand angehörte. Er war ein freundlicher, älterer Herr mit einer Neigung zum Witzeln. Außerdem hatte er einen weiteren, jüngeren Eques namens Manius Cordius zu Gast, der dem Collegium der Dioskuren, der Schutzgötter Tusculums, und damit ebenfalls der städtischen Elite angehörte. Nach einer freundlichen und wortreichen Begrüßung erhielten die beiden Gäste je ein Schlafzimmer, um sich frisch zu machen. Dann holten zwei Sklaven sie ab und führten sie ins Winter-Triclinium, das erfreulicherweise geheizt war.


    Der Petronier gab sich - wie so oft - eher maulfaul. Als Thalna nach aktuellen Gerüchten aus Rom fragte, antwortete er einsilbig. Nach einer kurzen, peinlichen Pause sagte der Aedil schließlich:

    "Dann sprechen wir doch über morgen! Ich würde anbieten, dem Iudicium Publicum beizusitzen. Ich denke, dass wir die Fälle im Laufe des Tages abschließen können - natürlich haben wir schon die erste Anhörung vorgenommen, die Unterlagen kann ich euch zukommen lassen."

    "Octavius Maro, mein Centurio, wird ebenfalls dem Iudicium beisitzen. Ich vertrete den Praefectus Urbi. Die Unterlagen wären gut, dann kann ich morgen früh noch einen Blick hineinwerfen. Worum geht es denn morgen?"

    Der Aedil sah zu seinem Gast und wieder zu Crispus.

    "Oh, ich hatte gedacht, mein Freund Manius Cordius würde das zweite Iudex-Amt übernehmen!"

    Der Tribun zuckte mit den Schultern - er war müde und hatte keine Lust zu diskutieren.

    "Meines Wissens handelt es sich um ein Iudicium Extraordinarium. Ich lege also fest, wer auf der Richterbank sitzt. Du und mein Centurio, ich leite die Verhandlung."

    Am liebsten hätte er ganz auf regionale Richter verzichtet, aber das würde wohl schlecht ankommen, wenn sich jemand beim PU beschwerte. Mit einem lokalen Amtsträger war den Normen aber wohl Genüge getan und er hatte keine Lust, sich lange mit internen Diskussionen im Richtercollegium aufzuhalten. Maro würde zustimmen, was er entschied - da riskierte er nicht, mit irgendsoeinem jugendlichen Schnösel verhandeln zu müssen!

    Ankunft in Tusculum


    Tusculum war im Prinzip ein kleines Nest, das auf einem der Albaner Berge lag. Das Municipium war uralt - es war angeblich das erste, das jemals das Wahlrecht in Rom erhalten hatte -, aber da es auf dem Mons Tusculanus lag und man eine ziemlich steile Straße aufsteigen musste, war es nie sonderlich gewachsen. Immerhin besaß es links und rechts des Forums ein Theater sowie ein Amphitheater, dazu einen eindrucksvollen Tempel der Dioskuren und alles weitere, was man für eine ordentliche italische Stadt erwartete. Berühmt war die Gegend aber nicht wegen der Stadt, sondern der ausladenden Villen, die sich vor allem zu Füßen der Stadt an den Berg schmiegten. Der große Cicero hatte hier Werke verfasst, verschiedene Senatsfamilien Roms kamen hierher und nicht wenige besaßen immer noch Villen in der fruchtbaren Landschaft.


    Auch die Abordnung der Cohortes passierte einige dieser Paläste, während sie sich die steile Straße zur Stadt hochquälten. Der Tribun ließ natürlich lieber sein Pferd arbeiten, aber selbst als Reiter war es anstrengend. Im Vorbeireiten stellte er fest, dass auch das Aquaedukt, das einige der Villen bediente, es nicht auf den Hügel hinauf schaffte - kein Wunder, denn wie er wusste, musste das Wasser immer abwärts fließen und ein Aquaedukt, das so hoch war, dass es Wasser an die Spitze eines Berges brachte, war eben doch etwas teuer.


    Als sie endlich die Stadttore passierten, wurden sie relativ zügig bemerkt und ein Calator des Aedilen führte sie zu einem Haus, das dem Aedil gehörte, dem höchsten Magistrat der Stadt. Es war schon spät, die Strecke aus Rom war ein ganzer Tagesmarsch gewesen und die Männer waren sicher dank der letzten "Bergetappe" erschöpft. Also höchste Zeit herauszufinden, wo sie nächtigen durften...

    "Die Männer können pausieren. Aber haltet eure Sachen zusammen - ich denke, wir haben schnell eine Unterkunft für euch!"
    gab er Anweisungen, bevor er das Haus betrat. Kurze Zeit später kam er wieder heraus.

    "Ihr könnt in der Palaestra kampieren. Dort gibt es sogar eine Heizung. Die liegt am Forum neben dem Amphitheater. Der Aedil schickt euch jemanden mit, der aufsperrt und so weiter. Brauchst du mich dafür? Sonst würde ich heute Abend die Gastfreundschaft des Aedils genießen. Oder magst du auch zum Essen kommen?"

    Sim-Off:

    Ich hab das ganze jetzt mal etwas beschleunigt ;)

    Der Dank war viel gesagt - genau genommen hatte Lucius ja nichts für seinen Klienten getan, außer sich einen Abend zum Essen einladen zu lassen und eine hübsche Sklavin zu begaffen. Aber wenn es Maro glücklich machte...


    Immerhin schien das die Bande zwischen den beiden zu stärken - insofern hatte Maro recht, dass auch langfristiger Nutzen natürlich rational war.

    "Momentan nicht."
    antwortete er schließlich und wendete sein Pferd, um ein Stück vorauszureiten. Bevor der Centurio sich Sorgen machte, erklärte er:

    "Ich geh' kurz pissen!"
    Dafür ritt er natürlich am besten voraus, sodass er sich nach seinem "Geschäft" wieder anschließen konnte...

    Sim-Off:

    Dann ist es also noch Silvester... :P

    Lucius war kein sehr geselliger Mensch. Eigentlich hatte er nur einen einzigen Freund - wenn man das so nennen konnte, denn Armin war ja sein Sklave. Mit ihm hatte er früher weitaus mehr gefeiert, hatte manche Nacht in mancher Taverne verbracht - seitdem der Arzt ihm vom starken Weingenuss abriet, hatte er sich aber vollständig abgesondert und so auch ganz aus den Augen verloren, dass das Jahr in dieser Nacht endete. Die Rufe aus dem lallenden Löwen, in der auch einige Zecher feierten, hatte er ebenfalls ignoriert - dort wurde ständig irgendetwas gefeiert. Stattdessen hatte er sich ganz der Sternenguckerei hingegeben und dabei offensichtlich ein bisschen die Zeit vergessen. Dazwischen hatte er auch ein bisschen gerechnet, sodass auf den Gartentisch eine eng beschriebene Tabula lag, daneben das Astrologie-Buch. Armin war auch schon ins Bett gegangen.


    Als der junge noble Mann zu ihm herantrat, blickte er etwas unwillig auf. Der Kerl kam ihm bekannt vor - wohnte er nicht auch hier? Auf jeden Fall sah er ihn manchmal beim Abendessen im lallenden Löwen... ein bisschen seltsam, dass er um diese Uhrzeit so ein unpraktisches Kleidungsstück wie eine Toga trug - wahrscheinlich ein Schnösel...

    "Sicher, ist ja nicht meine Bank..."
    erwiderte er und schaute noch einmal auf seine Berechnung. Er schaute noch einmal prüfend in das manikürte Gesicht - war das nicht der Typ, der immer so geschwollen daherredete?

    "Petronius."
    stellte er sich einsilbig vor.

    "Ich war bei ihm zum Essen."

    antwortete der Petronier lakonisch und dachte kurz an das Essen zurück - vor allem die hübsche Sklavin war ihm in Erinnerung geblieben!

    "Ich konnte aber noch nicht mit meinem Patron sprechen."

    Sim-Off:

    Das Essen wird noch gesimmt, aber ich fürchte, bis ich Menecrates erreiche, wird es so oder so zu spät :P

    "Ich schätze Maro ebenfalls. Er ist ein guter Klient und ein guter Soldat!"

    erwiderte Lucius wahrheitsgemäß.


    Seine etwas plumpe Erwiderung überging der Octavier dann glücklicherweise mit einer Frage nach seiner Person. Bevor er antworten konnte, trat aber die hübsche Sklavin mit dem Wein näher. Wenig subtil musterte der Petronier ihre aufreizende Figur, die sich unter der Seidentunica gut erahnen ließ - wirklich ein hübsches Gesicht und ein atemberaubender Körper! Vielleicht sollte er auch einmal Geld in so eine Perle investieren... Sein Blick verharrte auf ihrem Dekolleté, bevor er doch nach dem Becher griff und sich wieder dem Octavier zuwandte. Der bot an, sich zu legen, sodass er den Becher gleich wieder abstellte und es sich auf der Kline bequem machte.

    "Mein Vater schickte mich hierher, um als Eques Karriere zu machen. Mein Vater war Primus Pilus der Legio II Germanica, meine Familie stammt aus Hispania. Er hatte genug Vermögen und Land angehäuft, um mir einen Start als Ritter zu ermöglichen. Deshalb ging ich hierher und kam vor einigen Jahren nach einer Station in Alexandria, Aegyptus, wieder hierher zu den Cohortes Urbanae zurück."

    fasste er seine Biographie zusammen. Natürlich erwähnte er nicht, dass er den Alten hasste, dass seine Mutter eine Peregrina gewesen war, dass er Rom auch nur bedingt mochte, aber froh war, zumindest nicht mehr in einer Südprovinz eingesetzt zu sein. Auf jeden Fall konnte Gracchus jetzt bei Interesse nachfragen...

    "Du bist ja sicherlich hier geboren und aufgewachsen."

    spekulierte er noch, da es ja absolut logisch war, dass ein Senatorensohn dort lebte, wo sein Vater aktiv war. Und Octavius Victor war eines Wissens ja schon eine ganze Weile nicht mehr in irgendwelchen Provinzen gewesen...


    Offensichtlich bemerkte der Gastgeber aber auch, dass die Sklavin ihm gefiel. Den Vorschlag, sie tanzen zu lassen, begrüßte er sehr - er hatte zwar keine Ahnung von germanischen Tänzen (seine Mutter hatte zumindest nie getanzt), aber jede Möglichkeit, dieses erregende Ding zu begaffen, war ihm willkommen... Bei der Arbeit wäre es sicher lästig gewesen, von diesem jungen Ding abgelenkt zu werden, aber hier hatte er ja im Prinzip nichts zu verlieren...

    "Ausgezeichnet!"

    erwiderte der Tribun - eigentlich logisch, denn die Cohortes Urbanae hatten ja nicht selten mit Kriminalfällen zu tun!


    Eine Weile schwieg er und ließ den Centurio neben seinem Pferd hermarschieren. Dann fragte er schließlich

    "Gibt es übrigens sonst Neuigkeiten? Brauchst du irgendwas?"
    Normalerweise erwartete der Petronier, dass sein Klient sich von sich aus meldete. Aber weil sich die Gelegenheit gerade ergab und der Octavier ihm auch bereits mehrfach eine große Hilfe gewesen war, wollte er sich doch als guter Patron zeigen.

    Einen Moment fragte Lucius sich, ob er Charislaus jetzt doch etwas verärgert hatte. Im Prinzip hatte er auch gar nicht vorgehabt, ihn zu verscheuchen - zu viel Freundlichkeit irritierte ihn nur, das war er aus der Castra nicht gewohnt.


    Aber eigentlich war es auch egal - war ja nur ein Sklave. Also schlug er sein Buch wieder auf und suchte den Sirius am Sternenhimmel. Wie gut, dass heute so eine sternklare Winternacht war!

    Der Tribun fragte sich, ob sein Herr wusste, was der Sklave trieb - dass er die Gäste ständig zu kostenlosen Massagen überredete, war ja nicht unbedingt rational für den Besitzer! Aber gut, vielleicht hatten die beiden Milites ihn auch auf Lucius angesetzt, um Vorteile bei ihrem Vorgesetzten zu bekommen! Wenn sie sich da nicht irrten!

    "Mein Rücken ist in Ordnung."

    Heute war ihm nicht danach.


    Dann ließ er den Sklaven gehen und rollte währenddessen sein Buch auf. Noch einmal las er nach, dann suchte er am Himmel die Hesperiden als Ausgangspunkt für seine Beobachtungen.


    Da kam Charislaus auch schon wieder. Der Petronier nahm den warmen Wein und trank einen Schluck.

    "Hast du heute nichts mehr zu tun?"

    Häuser, Grundstücke, Sklaven - wenn der Petronier geglaubt hätte, dass Götter die Welt beeinflussten, hätte er glauben müssen, dieser Lurco und dieser Scato waren die Lieblinge aller Götter: Erst bekamen sie einfach so ein stattliches Anwesen in Rom geschenkt, jetzt erbten sie scheinbar gleich noch ein paar Reichtümer... wobei man natürlich auch nicht wusste, was dieser Sklave genau wusste. Trotz der regelmäßigen Massagen und so weiter hatte Lucius eigentlich noch kein vernünftiges Gespräch mit ihm geführt und diese untertänige Art sprach doch dafür, dass er nicht besonders helle war...

    "Warmer Würzwein vielleicht..."

    orderte er bei der Gelegenheit gleich eine Bestellung. Das war zwar etwas unpraktisch beim Sternegucken, aber der Winter war auch in Rom kühl und eine kleine Aufwärmung schadete sicher nicht!

    "Sind die Eltern der beiden gestorben?"

    In den Häusern nobler Herrschaften waren immer Sklaven anwesend - aber sie waren praktischerweise darauf getrimmt, unauffällig zu sein und so registrierte Lucius das Mädchen auch erst, als er beiläufig von den Schwertern aufsah. Sein Blick blieb aber sofort hängen, denn das Mädchen war auffallend hübsch, wohlgeformt... der Tribun hatte sofort Ideen, was er mit ihr anstellen könnte.


    Als dann aber der Octavier eintrat, wandte er den Blick wieder einem der Schwerter zu, was dieser sofort kommentierte.

    "Ave - die Einladung freut mich sehr. Dein Cousin, mein Klient Octavius Maro, war der Meinung, dass ich dich unbedingt einmal kennenlernen sollte."
    Das war zwar nicht 100% korrekt, aber der wahre Kontext der Einladung war doch so profan, dass man ihn lieber nicht aussprach. Und irgendwie stimmte es ja auch so, selbst wenn es eigentlich ziemlich unverblümt um Wahlunterstützung gegangen war.


    Nachdem Macer wieder auf die Schwerter verwies, sah Lucius auch noch einmal genauer hin. Die Erklärung war natürlich überflüssig, wenn man Lucius' Beruf und seine Herkunft berücksichtigte - Spathae wurden ja auch von der römischen Kavallerie genutzt und da er nicht selten zu Pferd agierte, hatte er natürlich auch eine. Und dass er hier eine germanische Klinge vor sich hatte, war für einen gebürtigen Mogontiner auch nicht schwer zu erkennen.

    "Das musst du mir nicht erzählen - ich stamme aus Mogontiacum in Germania Superior und ich hab' selbst so ein Ding zu Hause."
    platzte es daher aus ihm heraus - Höflichkeit und Taktgefühl waren nicht unbedingt die Stärke des Tribuns, auch nicht nach Jahren in Rom. Aber zum Glück hatte er hier auch niemanden vor sich, den vor den Kopf zu stoßen allzu riskant für ihn war... noch nicht zumindest...

    Wie erwartet tat der ganzen Mannschaft der Ausflug sichtlich gut. Das Wetter hielt auch einigermaßen, auch wenn es zwischendurch auch mal deutlicher nieselte. Teil des consiliums zu sein, war nicht etwas, in dem Maro oft involviert war, aber es war auch nichts, was ihn schrecken könnte.


    "Selbstverständlich, Tribun. Vielen Dank. Irgendetwas außergewöhnliches?"

    "Nein - kennst du dich ein bisschen mit dem Recht aus?"

    Der Petronier hatte als Jugendlicher in Mogontiacum ein bisschen Recht studiert - der Alte hatte es für sinnvoll gehalten, er selbst hatte sich nie wirklich dafür interessiert - das war einfach keine exakte Wissenschaft, sondern im Wesentlichen Herumgerede und sprachliche Winkelzüge. Aber natürlich musste er zugeben, dass es nützlich war, sich ein bisschen auszukennen... schon als Subpraefectus in Alexandria war er ja auf Gerichtsreisen unterwegs gewesen, jetzt als Tribun musste er sogar selbst Recht sprechen und wenn er eines Tages zu den wirklich lukrativen Ritterposten in der Verwaltung kam, würde das noch viel mehr werden.

    "Ich denke, die Fälle sind einigermaßen klar, sonst kannst du dich ja einfach an mich halten."

    Der Tribun betrat das Haus der Octavier mit unverhohlener Neugier. Sein Kommandeur hatte sich bisher kaum in der Castra sehen lassen und seine Offiziere auch noch nicht zu sich eingeladen - insofern hoffte Lucius auch, etwas mehr über Octavius Victor zu erfahren, als er durch das Atrium schlenderte.


    Leider war er kein großer Historiker und erkannte die Feldherren nicht - er hielt sie für irgendwelche Ahnen der Familie, mit denen man sich in der Aristokratie ja so gerne schmückte (wobei Lucius das absolut unlogisch fand, denn erstens waren Eltern kein Verdienst und zweitens erbten mehr als genug Leute wesentlich mehr Geld als Eignung für höhere Aufgaben).


    Die Schwerter fand Lucius wieder interessanter, auch wenn sie ihn erinnerten, dass er heute sein eigenes Gladius mit dem schönen Namen Pythagoras zu Hause gelassen hatte. Er war ordentlich gekleidet, trug eine warme Tunica mit dem Angustus Clavus seines Standes und darüber eine rostrote Synthesis, dazu passte natürlich keine Waffe.


    Offensichtlich wollte der Gastgeber ihm Zeit geben, sich alles anzuschauen, denn sehen konnte er ihn nicht! Also schaute er sich die Schwerter genauer an, die wirklich eine extravagante Dekoration für ein Triclinium waren... das hätte sich nicht mal der Petronier getraut!

    Etwas zu spät und in Begleitung Armins kam der Petronier zur Casa Octavia, um ein Gratis-Essen abzustauben und möglicherweise auch ein paar nützliche Kontakte zu knüpfen.

    Er ließ sich von seinem Sklaven anmelden und hereinbitten.

    Dieser Charislaus war ein schräger Vogel und bewies einfach, dass manche Leute zum Sklaven geboren waren. Zwar interessierte Lucius nicht, was seine Gastgeber betrauerten, aber das mit dem Erbe war natürlich interessant...

    "Was erben sie denn? Ist es viel?"

    fragte er deshalb und rollte sein Buch zusammen - Gesellschaft störte immer beim Sternegucken!