Erleichtert atmete Lucius auf und machte postwendend kehrt, während er ein
"Vale."
in seinen nichtvorhandenen Bart nuschelte (der auch ohne regelmäßige Rasur bisher nur sehr dürftig und ungleichmäßig spross).
Erleichtert atmete Lucius auf und machte postwendend kehrt, während er ein
"Vale."
in seinen nichtvorhandenen Bart nuschelte (der auch ohne regelmäßige Rasur bisher nur sehr dürftig und ungleichmäßig spross).
Für Lucius waren die Ermahnungen des Alten olle Kamellen, denn all das hatte er noch vor ein paar Jahren selbst eingetrichtert bekommen - und er erinnerte sich noch gut an die schmerzhaften Stiche, die sein Vater und Armin ihm bei Übungskämpfen zugefügt hatten, ehe er das Fechten einigermaßen beherrscht hatte. Da das aber auch schon wieder einige Zeit zurücklag, hatte er in letzter Zeit wieder ein wenig trainiert - natürlich mit Armin, denn der Alte war inzwischen viel zu faul und seine Kritik immer überzogen.
Tatsächlich machte er sich geistig schon bereit, selbst etwas vorführen zu müssen, als überraschend doch zwei andere Rekruten ausgewählt wurden - der Duccier und dieser Asius. Ersteren mochte er nicht, schon allein weil er Duccius hieß, der andere war ein Germane, der sich auch dem Klischee entsprechend verhielt. Mit abfälligem Blick erwartete er so, was ihm da geboten werden würde - sicherlich stümperhafte Versuche eines Schwertkampfs, denn woher sollten zwei Barbaren schon den Umgang mit dem Gladius her haben?
Auch Lucius machte sich unaufgefordert daran, in seiner Centuria die Meldungen zu zählen, wobei er systematisch vorging: Bei jeder Reihe stellte er nach dem ersten Augenschein fest, ob sich mehr oder weniger als die Hälfte der Männer meldete. Je nach dem zählte er dann die sich Meldenden oder die sich nicht Meldenden, um diese von 10 abzuziehen. Dabei wanderte er langsam nach hinten und kam schließlich ans Ende. Zu seiner Einheit gehörten offenbar ein paar Bauern, die selbst über Waffen verfügten, um sich vor Wildtieren zu schützen.
"Achtundsechzig!"
meldete er deshalb auf die Frage, wobei er sich halb zu seinem Vater wandte - immerhin nahm er von diesem Befehle entgegen, nciht von Callistus.
Der Duumvir schien noch irgendetwas sagen zu wollen, aber dann kam doch nichts. Einen Moment blieb Lucius unsicher stehen, dann fragte er
"Noch etwas, Duumvir?"
Anklageschrift
gegen die Peregrini
Philonicus, gen. Manceps, Silus, Paulinus und Scipio
wegen
Diebstahl und Bildung krimineller Banden
gem. §§ 86 (2) bzw. 104 (2),
den Peregrinus
Germar, Sohn des Ratbod, gen. Hermipus
wegen
Diebstahl, Bildung krimineller Banden und Bestechung
gem. §§ 86 (2), 104 (2), 108 (2)
sowie den Civis
Servius Vipstanus Saloninus
wegen
Missbrauch der Amtsgewalt und Bestechlichkeit
gem. §§ 113, 115
Die Angeklagten werden beschuldigt, gemeinschaftlich den Diebstahl der Kasse der Civitas Mogontiacum verübt zu haben. Wegen des besonderen öffentlichen Interesses hat der Ordo Decurionum der Civitas mich zum Ankläger im Namen der Civitas benannt.
Als Beweismittel lege ich ein Verhörprotokoll, das der damalige Ermittler Mathayus Magonidas von der Befragung des Hermipus vorgelegt hat, sowie die Aussagen der Zeugen Philos und des Frumentarius Tiberius Varius Sermo vor.
L Petronius Crispus
ANTE DIEM V KAL IAN DCCCLXIII A.U.C. (28.12.2012/109 n.Chr.)
Was sollte das schon wieder heißen? Traute der Duumvir ihm etwa nicht zu, dass er das allein konnte? Die Fragen des Patulciers ärgerten Lucius tatsächlich, obwohl es natürlich klar war, dass er als oberster Beamter die Oberaufsicht auch über den Prozess haben musste.
"Ja. Aber ich hab' selbst einen Cursus Iuris absolviert."
antwortete er schließlich als Kompromiss - es musste ja niemand wissen, dass er beim Cursus Iuris geschummelt hatte...
Wieder musste der junge Petronier überlegen: Wenn er nun doch alles mündlich wiedergab, riskierte er doch eine Einmischung vonseiten des Duumvirs. Außerdem war er miserabel im Auswendiglernen und fürchtete jetzt schon, sich vor Gericht, wahrscheinlich vor dem Legaten selbst zu blamieren. Dafür konnte er hier leicht eine Kostprobe bekommen, wenn er wieder ins Stocken kam. Andererseits riskierte er, dass der Duumvir ihn für zu dumm hielt, ein paar Anklagepunkte wiederzugeben. Und seinem spontanen Eindruck nach hatte er alles schon so oft mit Iulius durchgekaut, dass er das wohl hinbekommen sollte.
"Ja."
brach es deshalb schließlich hervor - und das Schlimmste passierte sofort: Er hatte einen Blackout. Langsam röteten sich seine Wangen, während er auf seine Schuhe starrte, während er verzweifelt nach den Punkten suchte, die er ständig mit Iulius diskutiert hatte. Wie hießen die Angeklagten überhaupt nochmal?
"Also - äh - gegen Philocinus - äh, nein - Philonicus lautet die - äh - Klage... Diebstahl und Bildung krimineller Banden. Genauso gegen - äh - seinen Kumpanen."
Lucius hasste sich selbst dafür, dass er so ein schlechtes Gedächtnis hatte, wenn es darauf ankam. Am liebsten hätte er sich selbst eine Ohrfeige gegeben - wenn sein Vater das machte, half es manchmal.
"Und dann - äh - klangen wir - äh - ich gegen den Scriba und - äh - Hermipus. Beide - nein, äh - gegen den ersten wegen Bestechlichkeit und der andere wegen den gleichen Sachen wie die Diebe und - äh - Bestechung."
Naja, zumindest ging die zweite Hälfte nicht ganz so blamabel vonstatten - wenn auch immer noch schlimm genug. Ein bisschen löste sich seine Spannung und er fügte noch knapp ein
"Als Beweise haben wir Zeugen und das Verhörprotokoll von Mathayus."
an. Mehr musste er hoffentlich nicht verraten...
Dass der Statilier den Prozess selbst übernehmen, hatte Lucius fast erwartet - er hatte nur nachgefragt, weil Iulius ihm das aufgetragen hatte. Scheinbar gab es auch Traditionen, dass Statthalter Jurys aus lokalen Honoratioren einsetzte, die über solche Dinge Recht sprachen - aber dem jungen Petronier passte es sowieso besser, wenn er es mit einem richtigen Römer zu tun hatte.
"Ja..."
erwiderte Lucius deshalb wahrheitsgemäß, wurde aber sofort argwöhnisch - wollte Patulcius ihm etwa auch noch hineinreden? Es war schon schlimm genug, mit Iulius über alles Mögliche diskutieren zu müssen, da konnte er eine dritte Meinung eigentlich nicht brauchen. Unwahrheitsgemäß (die Klageschrift hatte er in einer Tasche unter dem Mantel) fügte er deshalb rasch an:
"...aber ich habe sie nicht dabei."
Lucius war kein Mensch, der gern improvisierte - jetzt lief das ganze allerdings irgendwie genau darauf hinaus. Wieder zögerte er und ärgerte sich - er bewarb sich ja nicht als Aedil, sondern als Decurio und die brauchten doch sonst auch keine politische Agenda. Wieder einmal typisch Duccier...
"Mein Antrag mit den Töpfern wurde abgelehnt, wie du sicher weißt. Ich habe keine Absicht, das Votum der Decuriones infrage zu stellen."
gab der junge Petronier schließlich angesäuert zurück - dies erschien ihm die arschkriecherischste Antwortoption zu sein, die für eine Kandidatur sicherlich angemessen war. Zugleich weckte diese Veranstaltung aber wieder seine Sehnsucht, endlich aus diesem Provinznest fortzukommen, weg von den Ducciern, weg von seinem engstirnigen Vater und dorthin, wo man es durch Intelligenz und Vernunft zu Großem bringen konnte - denn von beidem hatte er seiner Meinung nach genügend!
Mit dieser Frage hatte Lucius nicht gerechnet, sodass er kurz stockte. Nachdem sie von einem Duccier kam, ahnte er natürlich eine Fangfrage, aber wie war sie einzuschätzen? Spontan hätte er gesagt, dass er hoffte, nach dem Krieg in den Stand der Equites aufgenommen zu werden, Mogontiacum zu verlassen. Aber war es rational, diesen Plan zu verraten? Außerdem - wie wahrscheinlich war es wohl, dass der Alte das in die Wege leiten konnte? Vielleicht enttäuschte sein Vater ihn auch - wie schon so oft...
Er kam zu dem Schluss, dass Ehrlichkeit hier dysfunktional war, womit wieder die Frage blieb, was für die Situation am Nützlichsten war. Da sein Vater wie auch die anderen Honoratioren aber ständig von Einsatz für die Stadt und so weiter schwafelten, entschied er sich schließlich dafür, dass sich das Anpeilen eines weiteren Amts positiv auf die Bewertung der anderen auswirken würde. Damit man ihn aber nicht allzu schnell festnageln konnte, kam ihm sogar eine Ausrede dazu:
"Im Moment habe ich ja noch eine Aufgabe der Stadt. Aber ich will natürlich auch das Aedilat - äh - anstreben."
Auch Lucius war etwas nervös, obwohl er sich die ganze vorhergehende Sitzung einredete, dass diese Versammlung seiner im Grunde sowieso nicht würdig war, dass er einen festen Anspruch auf diesen Platz in ihrer Runde hatte - Verachtung war noch immer die einzige Möglichkeit, seine Unsicherheit in den Griff zu bekommen.
Als er dann aufstand, hatte er es ziemlich geschafft, dafür aber auch einen Großteil seiner vorbereiteten Rede vergessen - also musste er improvisieren:
"Decuriones,
ich - äh - bewerbe mich um einen Sitz in euren Reihen. Ich bin der Sohn des Marcus Petronius Crispus, Veteran, ehemaliger Magistrat und Pontifex dieser Civitas! Und ich selbst habe das letzte Jahr als Magister Vici gedient! Ich kenne die Vicani meines Vicus, ich kenne die Stadtverwaltung und die Vorgänge hier in diesem Gremium! Außerdem habt ihr mich zum Ankläger im Namen der ganzen Civitas gemacht."
Diese Aufzählung seiner Verdienste und seiner Herkunft wischte tatsächlich die letzten Reste seiner Unsicherheit beiseite und er richtete sich förmlich auf. So fuhr er mit funkelnden Augen fort:
"Für einen solchen Mann ist es angemessen, dass er auch selbst zu den Decuriones zählt, denn wie sähe es aus, wenn ihr jemanden mit der Vertretung eurer Civitas betraut, ihm aber nicht gestattet, selbst über ihr Schicksal mitzubestimmen? Mein Vater hat sich für diese Civitas eingesetzt, ich habe es getan und will es auch in Zukunft tun!
Die Rede war ein klein bisschen forsch ausgefallen, aber Lucius hatte einfach das ausgesprochen, was ihm in den Kopf gekommen war. Nun sah er abwartend in die Runde und blieb schließlich bei seinem Vater stehen.
Tatsächlich klappte das ganz gut - er würde also wieder einmal eine Rede vorbereiten müssen.
"Zweitens geht es um meine Bestimmung als Ankläger der Diebe hier. Wo soll ich dafür meine Klageschrift einreichen? Gibt es schon ein Gericht dafür, wo der Statthalter nicht hier ist?"
Die Klageschrift hatte Lucius tatsächlich schon fertig: In mühsamer Kleinarbeit mit Iulius zusammen aufgesetzt, wobei es einige Ungereimtheiten wegen mangelnder logischer Konsistenz des Strafrechts gegeben hatte - aber letztlich hatte der erfahrenere Jurist sich durchgesetzt und die fraglichen Aspekte weggelassen.
Für einen kurzen Augenblick fürchtete Lucius schon, mit dem Alten oder - noch schlimmer - dem altklugen Domitier auf die Pirsch gehen zu müssen. Das hätte ihm vermutlich selbst die Freuden der Jagd kaputt gemacht. Doch glücklicherweise meldeten sich beide sofort ab, sodass es so aussah, als würden Clemens und er allein übrig bleiben (eine Frau auf der Jagd würde sein Vater sicherlich nicht zulassen, obwohl es irgendwie attraktiv erschien, Octavena bei einem "Jagdunfall" über die Klinge springen zu lassen...).
"Gut, dann nur wir zwei."
stellte Lucius deshalb fest und ging dann zu den verbleibenden Punkten.
"Wegen des Termins bin ich flexibel. Wir benötigen allerdings noch Hunde."
Wenn, dann wollte der junge Petronier schon richtig jagen gehen - und die Petronier hatten keine eigenen.
Nachdem der Scriba ihn angekündigt hatte, trat Lucius nach kurzem Klopfen bei Merula ein. Natürlich kannte er den Duumvir über seinen Vater, aber bisher hatte er noch nicht näher mit ihm zu tun gehabt. Mit etwas mürrischem Blick - es war ja nicht so, dass die Anliegen, die er hier vortrug, seine eigenen Ideen oder Wünsche waren - blickte er sich kurz um.
"Ich bin wegen zwei Dingen hier: Zuerst will ich für den Ordo Decurionum kandidieren."
sagte er hohl, während er sich den zweiten Punkt aufsparte. Die Kandidatur würde ja nicht lange dauern, denn laut Gesetz - Lucius musste zur Zeit ja jede Menge Gesetze wälzen und hatte dabei auch kurz nachgesehen, ob er dem Wunsch seines Vaters aus rechtlichen Gründen vielleicht ausweichen konnte - entschieden ja die Decurionen über den Antrag, nicht der Duumvir selbst.
Wortlos stand Lucius auf und ging hinüber - er wusste natürlich, wo der Duumvir saß, aber es war wohl verschwendete Energie, dies zu äußern.
Als Marsus mit der Schar abgerissener Männer kam, kniff Lucius die Augen zusammen - wie sein Vater hielt er sie für Klienten der Duccier, allerdings waren seine Gedanken weitaus feindseliger. Diese Kerle sahen aus, als könne man ihnen alles zutrauen - wahrscheinlich wollten die Duccier aus ihnen ihre Privatarmee machen, ausgebildet vom Alten höchstpersönlich, um sie dann gegen die Petronier zu wenden!
Aber er enthielt sich eines Kommentars - sein Vater mochte das nicht in der Öffentlichkeit. Stattdessen nickte er nur knapp und drehte sich zum dem Ausrufer, um die Sache mit diesem abzusprechen.
| Morag
Offensichtlich kannte der Fremde das Prinzip des Haussklaven nicht so recht. Stattdessen schien er richtig aggressiv zu werden und griff nach seinem Schwert - allerdings fühlte Morag sich in seinem eigenen Haus ziemlich sicher. Hier würde es niemand, der bei Sinnen war, wagen, ihn anzugreifen, wenn er nicht den Zorn des Hausherrn beschwören wollte. Und der Sklave hatte sich nichts zuschulden kommen lassen, sondern beschützte nur seinen Herrn...
"Aedituus-Posten, soso..."
sagte der alte Sklave und zog eine Augenbraue hoch, während er demonstrativ auf das Schwert blickte. Auf ihn machte der Fremde keinen besonders priesterlichen Eindruck...
"Wie war noch gleich der Name?"
fragte er dann noch, während er sich schon halb umdrehte und in Richtung Tablinium ging.
"Vale!"
gab Lucius giftig zurück. Endlich war er sie los!
Armin dagegen war offensichtlich nicht so glücklich damit und sah die Petronierin entschuldigend an. Er wollte zumindest, dass sie sich nicht verlief in der fremden Stadt, weshalb er eifrig meinte
"Zur Domus Petronia geht's dort lang... ähm... wir sehen uns dann später!"
| Morag
Der Sklave sah Asius abschätzig an. Sein Aussehen weckte nicht gerade den Verdacht, dass er ein besonders bedeutender oder auch nur reicher Mann war - er konnte ihn also getrost abblitzen lassen.
"Ich glaube, das geht mich sehr wohl etwas an, denn mein Herr ist ein sehr beschäftigter Mann, der nur dann gestört werden will, wenn es um eine wichtige Sache geht."
Dass es gleich "ein kleines Weilchen" dauerte, ließ Lucius zwar missmutig dreinblicken, aber er verkniff sich einen Kommentar über die langsamen Mühlen der Verwaltung, sondern setzte sich einfach.