Beiträge von Lucius Petronius Crispus

    Die Frage, warum die Götter bei den einen so und bei den anderen so waren, hatte Lucius sich noch nicht wirklich gestellt. Allerdings war es ja schon einmal logisch, dass sie unterschiedliche Namen trugen - das war in unterschiedlichen Sprachen ja bei allen Dingen so. Inwiefern die Götter allerdings überall ähnliche Aufgabenbereiche besetzten und warum das so war, war wirklich eine gute Frage. Eine Erklärung konnte es sein, dass die Zuschreibungen Abbilder der jeweiligen Lebenswelt waren - aber die These war nicht so ganz ausgereift. Alles in allem war Religion eben doch eine unlogische Angelegenheit, die man nicht mit messerscharfer Rationalität ergründen konnte.


    Deshalb schwieg Lucius vorerst, sondern überließ es Armin, eine weniger intelligente, dafür aber kürzere Antwort zu geben - er hatte ja auch nicht wirklich Ahnung, denn er kannte ja nur das, was Morag ihm beigebracht hatte.


    "Naja, ich denke schon... Gibt es in Hispania andere Götter?"

    "Wenn du mich fragst, spielt die genaue Ausgestaltung ihrer Verehrung einfach keine Rolle - alles andere wäre unlogisch."


    gab Lucius zurück, ohne recht zu wissen, was daran komisch war - die Welt der Götter hatte er schon mehrmals durchdacht und trotzdem leuchtete ihm deren Mechanik nicht ein. Wenn sie unsterblich und mächtig waren - wieso sollten sie so unlogische Regeln aufstellen?


    In diesen Dingen konnte Armin seinem Herrn allerdings nicht folgen - konnte es aber ebensowenig bestreiten, denn das würde nur eine endlose Diskussion nach sich ziehen, bei der der Sklave aus Langeweile irgendwann nachgeben würde. Also beantwortete er einfach die eigentliche Frage:


    "Die Funktionen bei den Galliern und Germanen sind ähnlicher als zu denen der Griechen oder Römer. Aber sie haben doch unterschiedliche Namen und teilweise auch andere Aufgaben und so..."

    "Wir haben mehrere Göttinnen. Die wichtigsten sind die Matrae. Sie sorgen für das Heim, den Nachwuchs und so weiter. Außerdem gibt es die Suleviae, das ist sowas wie ein Genius für Frauen. Sirona ist eine Göttin der Quellen und der Heilung - sie wird auch zusammen mit Mogon verehrt. Dann Epona, die Göttin der Pferde, Rosmerta, die Gattin des Mercurius... naja, das dürften die wichtigsten gewesen sein."


    Tatsächlich kannte Armin nur die Götter und Göttinnen, von denen Morag ihm erzählt hatte, denn seine germanische Familie war schon lange tot gewesen, als er sich für derartige Dinge interessiert hatte.


    Für Lucius war dieses Thema allerdings wieder einmal unlogisch - vor allem, warum die Götter sich an verschiedenen Orten so unterschiedlich präsentieren mussten. Sein Vater hatte ihm etwa erklärt, dass Sirona etwa so wie Diana war - aber warum sollte sie hier einen anderen Namen tragen? Und vor allem, warum kümmerte sie sich in Italia offensichtlich um die Jagd und hier nur um Quellen?


    "Die Matres sind quasi eine dreigeteilte Iuno. Sirona wird mit Diana gleichgesetzt und Rosmerta mit Maia, glaube ich. Warum die Gallier - das sind nämlich gallische Namen, weil die Germanen das ganze schon wieder ein bisschen anders sehen - allerdings auch teilweise ganz andere Attribute und Zuständigkeiten haben, wissen wahrscheinlich nur... naja, die Götter eben."


    fügte er deshalb gelangweilt hinzu.

    "Allerdings - das ist das größte Theater in beiden Germaniae, vielleicht auch darüber hinaus."


    erklärte Lucius, dem der Kommentar Octavenas offenbar entgangen war. Allerdings ging Armin direkt weiter, ehe sie das Forum wieder verließen - er wollte Octavena ja noch mehr zeigen.


    "Hier gegenüber ist das Capitolium für Iuppiter, Iuno und Minerva. Oder wie wir hier sagen: Taranis. Bei uns steht er mit Teutates und Esus - das wäre für euch Mercurius - an der Spitze aller Götter, die Göttinnen sind eher für Fruchtbarkeit oder Heilung zuständig."

    Nun war er doch wieder gefragt - auch, wenn das Amt des Vicomagister nicht sonderlich spannend und schon gar nicht mathematisch war. Eigentlich war Lucius aber doch stolz auf seine Tätigkeit, denn sie brachte ihm Macht und Ansehen ein - etwas, was er in den schrecklichen Zeiten seiner Schulzeit nie erlebt hatte und ihn förmlich berauschte. Allein, wenn er an die eingeschüchterten Krämer dachte, deren Läden er inspizierte...


    "Als Magister Vici hat man verschiedene Aufgaben. Ich bin bin Fürsprecher der Vicani, beispielsweise wenn es Streitigkeiten mit anderen Vici gibt."


    Mit leichter Scham dachte er daran, wie seine Beschwerde über die Töpfer von Vicus Novus im Ordo Decurionum abgeschmettert worden war - aber da wusste Clemens ja sicherlich nicht.


    "Außerdem übernehmen wir administrative Aufgaben, kontrollieren die Einhaltung der Brandschutz- und anderer Vorschriften beim Bau, Handel und Gewerbe und so weiter. Und ich bin Streitschlichter zwischen meinen Vicani."


    Nach kurzem Nachdenken kam ihm aber auch noch der ungeliebteste Job, den er allerdings sehr häufig und ausführlich erfüllen musste:


    "Und ich übernehme die Opfer im Namen meines Vicus an Feiertagen und den Kalenden und Iden für die Lares Vicani und so weiter."

    Natürlich war das wieder ein Spezialgebiet von Lucius und auch, wenn er solche Fragen reichlich unpräzise fand, begann er sofort wieder zu dozieren:


    "Das hängt natürlich von verschiedenen Parametern ab. Bekanntlich besitzen Theater keine individuellen Sitze, sondern nur Stufen - wenn auch manche Besucher eigene Kissen oder so mitbringen - sodass es letztendlich davon abhängt, wie viel Platz jeder Besucher benötigt. Wenn wir von einer durchschnittlichen Breite von..."


    Er musste einen Moment überlegen, ob sein Körperumfang repräsentativ war. Vermutlich konnte man aber nicht von einem Cubitus, sondern einem Gradus ausgehen.


    "...einem Gradus ausgehen, dann haben wir könnten wir den die Sitzflächen berechnen. Die oberste Reihe hätte dann bei 77 Passus - oder ziehen wir grob zwei Passus für die Sitzfläche und die Abschlussmauer ab - ungefähr - ähm - 240 Passus Umfang, davon die Hälfte, geteilt durch die durchschnittliche Breite von einem Gradus würden dann..."


    Diesmal musste er nicht ganz so lange rechnen wie bei der Ermittlung des Umfanges überlegen, ehe er endlich verkündete:


    "160 Personen auf dem obersten Rang. Allerdings weiß ich die Zahl der Reihen nicht auswendig, außerdem müssen wir bei jeder ja einige abziehen..."


    Der junge Petronier begann bereits zu überlegen, wie viele Plätze pro Reihe er abziehen musste - oder war es einfacher, jeweils den Halbumfang neu zu bestimmen und diesen dann wieder durch die Durchschnittsbreite zu teilen?


    Ehe er aber eine von beiden Möglichkeiten äußern konnte, schaltete sich wieder Armin ein und sagte schlicht


    "Ich hab' mal 'was von 10 000 Plätzen gehört. Also zwei Legionen!"

    "Das Theater hat einen Durchmesser von 77 Passus und einem Gradus - in etwa."


    spulte der Magister Vici ab - er hatte die Maße zufällig einmal gehört und sich engeprägt. Zumal es ihn ja - wenn auch unlogischerweise, denn er hatte ja weder Anteil an seinem Bau, noch an seiner Finanzierung - mit Stolz erfüllte, dass Mogontiacum so ein gewaltiges Bauwerk sein Eigen nannte.


    "Im Theater und am Drususgrab finden im October immer Spiele zu Ehren des Drusus statt. Dazu kommen Vertreter aus ganz Gallia und die Legion hier aus Mogontiacum..."


    erklärte Armin unterdessen ergänzend, wofür eine Civitas wie Mogontiacum so ein repräsentatives Gebäude brauchte.

    "Ja, wie gesagt - der beste Eintopf hier."


    wiederholte Armin, während Lucius das wieder einmal für überflüssige Kommunikation hielt - sie hatten dies ja bereits gesagt und es gab keinen logischen Grund, warum sie Octavena hätten anlügen sollen - wenn man davon absah, dass sie lästig war und man sie vielleicht vergiften hätte wollen.


    "Gehen wir zurück an die Arbeit!"


    sagte er deshalb knapp und drehte sich kommentarlos um, da auch er aufgegessen hatte. Kurze Zeit später waren sie wieder auf dem Forum zurück und Armin fuhr mit seiner kleinen Stadtführung fort. Er deutete auf den Tempel, hinter dem sich auf dem Hügel das mächtige Legionslager erhob.


    "Das da ist das Augustalium, der Tempel des Augustus. Dort werden die Kaiser - also die toten und die lebenden - verehrt. Außerdem treffen sich die Pontifices in seinem Tempel. Wir könnten ihn ja 'mal ansehen, oder?"


    Er sah fragend zu Lucius, der aber nur mit dem Kopf schüttelte - sein Vater hatte ihm vom Provinzforum in Tarraco erzählt, das wohl so groß wie eine Pferderennbahn sein musste. Entsprechend würde Octavena aller Wahrscheinlichkeit nach über dieses lächerliche Kaiserheiligtum lachen. Und da er doch eine zwar irrationale, aber trotzdem emotionale Bindung an Mogontiacum, dieses Provinznest, in dem er aber doch geboren war, spürte, wollte er sich dadurch nicht beleidigen lassen. Außerdem hatten sie Arbeit.


    "Nein, wir müssen noch mehr Häuser kontrollieren! Und übrigens sollte man beim Kaiserkult auch das Theater draußen vor der Stadt nicht vergessen! Und das Grab des Drusus - das gehört auch dazu!"


    Zufällig wusste der junge Petronier, dass das Theater eines der größten des Imperiums war, sodass er es nicht unerwähnt lassen wollte - selbst wenn sie nicht daran vorbeikamen.

    Fast beneidete Lucius den Domitier, als dieser von seinen Plänen erzählte - er selbst wäre auch lieber Agrimensor oder Architekt geworden. Zwar gefiel ihm auch das Militär mit seinen klaren Strukturen, Hierarchien und der Macht über Leben und Tod, aber mit seiner Leidenschaft für das Messen und Rechnen hatte es wenig zu tun. Und Clemens hatte dazu sogar das bessere Los in seiner Familie gezogen und musste nicht am Ende der Welt auf dem Land leben, wie es der junge Petronier einige Jahre seiner Lebenszeit erlebt hatte - keine Möglichkeit, den anderen zu entkommen und dazu stupide Arbeit waren nichts für ihn und sicherlich auch unter der Würde eines jungen Mannes wie Clemens.

    So hatte Lucius das noch gar nicht betrachtet - zwar hatte er sich auch schon gefragt, wie er den Schild am optimalsten schwingen konnte oder seine geometrischen Kenntnisse auf die Architektur angewendet, aber der unglaubliche praktische Nutzen der Geometrie lag doch eigentlich auf der Hand. Egal, was der Alte sagte! Und die Idee mit der Ballista ließ ihn seinerseits ins Nachdenken kommen - wenn man den Abschusswinkel anpasste, würde sie wohl besonders weit schießen. Im Grunde dasselbe Prinzip wie beim Bogenschießen...

    Von Breitengraden hatte Lucius tatsächlich schon einmal gehört - angeblich hatten die Griechen eine Technik der Ortsbestimmung für Seefahrer entwickelt, die sich aus dem Sonnenstand ergab. Allerdings war er nie auf die Idee gekommen, dass man so etwas an Land auch tun konnte - jetzt aber sah er keinen logischen Grund dafür. So hörte er interessiert zu und nickte am Ende schließlich.


    "Ja, ich habe Euklids Elemente gelesen."


    erwiderte er mit einem vorsichtigen Seitenblick zu seinem Vater. Der Alte hatte ihm immer wieder vorgehalten, dass Mathematik genauso wie Philosophie eine brotlose Kunst und eines Römers nicht würdig war. Deshalb hatte er sich auch beklagt, als Lucius vom Mathematik-Unterricht bei Xanthippus erzählt hatte - er zahle das Schulgeld ja schließlich nicht, um seinen Sohn zu einem Philosophen zu machen. Dass er jetzt offensichtlich einen Gleichgesinnten gefunden hatte, war ein kleiner Triumph gegen den Alten. Trotzdem verriet er lieber nicht, dass er den Euklid von Xanthippus gestohlen hatte und heimlich unter seinem Bett aufbewahrte - wahrscheinlich würde sein Vater ihm das kostbare Buch nur wegnehmen.

    Zitat

    Original von Publius Domitius Clemens
    Als er bemerkte, dass er angesehen wurde, erklärte er sich. "Es ist interessant, wie viel kürzer Reisewege für Vögel sein müssen. Angenommen, wir könnten die Strecke von Bonna nach Mogontiacum so zurücklegen, wie ein Vogel fliegt, dann würden wir etwa 28 milia passus einsparen. Grob geschätzt. Ist doch faszinierend, oder?" Seine Faszination ließ sich seiner Stimme und Gestik kaum anmerken. Vermutlich war sein Vater der Einzige, der erkennen konnte, dass diese kleine Rechnung Clemens wirklich faszinierte. Mathematik war seine Leidenschaft. Auch wenn er sie sehr unleidenschaftlich vortrug.


    Der Austausch von Belanglosigkeiten, der sich anbahnte, ließ Lucius schon fast abschalten - wobei ihn das Grätenpuhlen sowieso voll in Beschlag nahm. Was er dabei zutage förderte, mochte zwar lächerlich aussehen - aber auf die Größe kam es dem jungen Petronier nicht an. Plötzlich meldete sich allerdings Massulas Sohn mit einem halbwegs interessanten Kommentar an - dass er völlig aus dem Themenrahmen fiel, bemerkte er ja nicht.


    "Ich glaube er meint einfach die direkte Strecke."


    belehrte er Octavena mit ihrer unverständigen Frage. Dann wandte er sich dem eigentlich interessanten Punkt an der Aussage zu - dass Vogelflug absurd war, lag ja auf der Hand...


    "Wie hast du das denn berechnet?"


    Wenn er recht wusste, gab es zwar Karten von Germania - aber abgesehen davon, dass diese trotz der großen Ingenieurskunst Roms oft nicht wirklich exakt waren, hatte der Domitier das offenbar gerade eben erst festgestellt. Und eine Karte konnte Lucius hier nirgends erkennen.

    Da Octavena keine Anstalten machte, sich für weitere Dinge zu interessieren, sondern sich nur einsilbig äußerte, sahen auch die beiden jungen Männer keinen Anlass für weitere Gespräche - Lucius, weil er nichts zu verbessern oder kritisieren hatte, Armin, weil er sich fragte, ob er die Petronierin langweilte.


    So löffelten alle schweigend in ihren Schalen, während die beiden Veteranen sich fröhlich über das Wetter unterhielten.

    Lustlos nahm sich auch Lucius etwas von dem Fisch. Natürlich erwischte er einen mit Grätenrückständen, sodass er erst einmal begann, das ganze Stück gründlich zu durchsuchen - er hasste Gräten und auch, wenn er wusste, dass es völlig irrational war, die kleinen Fischknochen herauszufieseln, hatte er trotzdem Angst, dass sich eine davon in seinen Rachen bohrte. An Essen war also vorerst nicht zu denken.


    Gedankenverloren ließ er sich allerdings den Becher mit Falerner füllen - scheinbar wollten die Domitier die Petronier ordentlich beeindrucken.

    [Blockierte Grafik: http://img862.imageshack.us/img862/1286/arminjungklein.jpg] | Arminius


    Es war gar nicht so leicht, die beiden Streithähne auseinanderzuhalten. Trotzdem gab Armin sein Bestes und es gelang ihm diesmal tatsächlich, denn Lucius gab nichts zurück, sondern dachte sich seinen Teil. So wie Armin ihn kannte, war es wahrscheinlich besser, wenn er diese Gedanken nicht aussprach.


    Dagegen war es nun an ihm, seine Lebensgeschichte auszubreiten - keine unbedingt angenehme Sache. Früher hatte er oft versucht, seine Familie zu romantisieren - damals hatte er auch noch geglaubt, sich an die Gesichter seiner Eltern zu erinnern. Aber inzwischen lag dieser schreckliche Tag, an dem man das Lager im Wald verbrannt hatte, weit mehr als zehn Jahre zurück. Seine Eltern waren Morag und Gunda, die beiden Sklaven des Alten geworden und er machte sich keine Illusionen mehr.


    "Meine Eltern waren Banditen."


    sagte er deshalb knapp und atmete langsam ein.


    "Der Alte hat mich damals aus der Civitas Vangionum mitgebracht. Ich war noch ein kleines Kind. Und dann haben Morag und Gunda mich aufgezogen, hier in Mogontiacum. Ich kann mich nicht einmal mehr an Borbetomagus erinnern. Geschweigedem an meine leiblichen Eltern..."


    Wenn er es recht betrachtete, hatte er aber Glück gehabt - vor allem Gunda war immer nett zu ihm gewesen und hatte ihn auch getröstet, wenn Lucius vom Alten bevorzugt worden war, weil er nur ein Sklave war. Als kleiner Junge war das nicht verständlich einfach gewesen. Heute aber kannte er seinen Platz und war eigentlich ganz froh, dass der Alte Lucius und nicht ihn ständig quälte...





    SKLAVE - MARCUS PETRONIUS CRISPUS

    Obwohl noch ein klein wenig Blut von dem jetzt pampigen Flaum auf dem Kopf des Lämmchens tropfte, hatte der Alte offensichtlich genug Blut gesehen und holte Morag herbei. Lucius dagegen starrte weiterhin auf seinen ausgestreckten Arm, auf dem das Blut langsam schon etwas fest wurde und die dünne Kruste auf seiner Haut bei jeder Regung leicht an seinen Armhärchen zog. Sein Herz schlug wild und plötzlich keimte wieder die Frage in ihm auf, ob es nicht möglich war, einen perfekten Mord zu begehen. Es gab keinen echten Grund, aber eines Tages wollte er doch noch einmal die Erregung verspüren wie damals bei Caius...


    Er wurde jäh aus seinen Gedanken gerissen, als Morag mit dem Fleischmesser und dem Wetzstahl kam. Arglos meinte er nur


    "Leg's da rüber."


    Doch Lucius wollte es selbst machen. Wie ein kleiner Junge hielt er das leblose Schäfchen weg von dem Sklaven und sah ihn feindselig an. Dazu keifte er geradezu:


    "Ich mach' das selbst!"


    Kaum hatte er dies gesagt, wurde ihm schon klar, dass es sehr seltsam klingen musste, wenn er darauf bestand, das Tier selbst auszunehmen und zu zerlegen. Schnell suchte er nach einer halbwegs logischen Begründung und sagte schließlich hastig


    "Mich - äh - interessiert das! Wenn ich 'mal auf die Jagd gehe, muss ich ja wissen, wo ich hinwerfen muss!"


    Wie er selbst zugeben musste, war die Begründung nicht hundertprozentig plausibel - zwar ging er schon manchmal auf die Jagd und dieses Verhalten wurde allgemein positiv bewertet, weil reiche Römer so etwas ebenfalls taten, aber die Jagd auf Lämmer gehörte wohl kaum dazu und selbstverständlich wusste er sehr genau, wie die Anatomie von Wildschweinen, Hasen und Rehen aussah - er war ja bereits auf der Pirsch gewesen und hatte es sich natürlich nicht nehmen lassen, das Aufbrechen des Wilds genau zu beobachten. Dabei hatte er sich auch gefragt, ob Tiere auch die vier Säfte in sich hatten oder vielleich nur Blut - eine Antwort hatte er bisher aber nicht gefunden.


    Morag dagegen war einfach froh, dass er das schmutzige Geschäft nicht selbst übernehmen musste, nachdem er schon die Schlachtung hatte abgeben können. Er zuckte einfach mit den Schultern und drückte seinem jungen Herrn das Messer in die Hand. Lucius ergriff es und drehte sich dann um, um das Lämmchen auf die Wiese zu legen, um den guten Kies nicht noch weiter einzusauen. Dann tastete er nach dem Ende des Brustkorbs und begann, den Bauch aufzuschlitzen...

    Das "-ge" war noch nicht verklungen, da stieß der junge Petronier zu. Das Messer hatte er selbst gut geschliffen und er hatte Kraft, sodass das Culter trotz der breiten Klinge in die Kehle fuhr, als wäre sie aus Butter. Er spürte einen Widerstand, der undurchdringlich schien und wusste, dass er an der Wirbelsäule des Lämmchens angelangt war. Das Blöken war zu einem erstickten Gurgeln geworden und erlosch, doch der Leib, der jetzt nicht mehr vom Kopf befehligt wurde, zuckte unkoordiniert weiter und schickte Schwall um Schwall des Blutes durch die klaffende Wunde. Es benetzte das Messer, die Finger und den Handrücken des jungen Petroniers, spritzte auf seine Brust und auf den Schurz, ehe er es an den Hinterfüßen packte und hoch über den Opferaltar vor dem Lararium hielt. Noch immer kam Blut aus dem Schnitt, lief nun über den leblos baumelnden Kopf und tropfte dann auf die frische Rasensode auf dem Altar. Lucius musste sich anstrengen, seine freudige Erregung zu verbergen, doch er hatte eine Gänsehaut und sein ausgestreckter Arm mit dem Lamm zitterte, während dieses die letzten Reste seines Lebenssaftes preisgab. Sein Schicksal war quasi besiegelt - es würde das Abendessen zum Tag des heimkehrenden Schicksals werden!

    Es war Lucius ein bisschen peinlich, dass er zu früh gekommen war - andererseits wischte er seine Scham schnell weg, denn Fortuna konnte es wohl egal sein. Ihm aber nicht, denn es war nicht einfach, das Schäfchen mit einem Arm zu bändigen, selbst wenn man so kräftig wie der junge Petronier war.


    Dann aber war das Gebet endlich zu Ende und er war sicher, dass es jetzt an der Zeit war. Also wiederholte er seine Anfrage:


    "Age?"

    Mechanisch spulte Lucius den Ablauf des Opfers ab, griff nach der Patera und füllte sie mit Wein, reichte sie weiter, nahm sie leer zurück und gab dem Alten dafür die Birnen, dann wieder die Patera mit Wein. Was ihn währenddessen aber die ganze Zeit beschäftigte, war die Vorfreude auf das, was gleich folgen würde - es erzeugte ein richtiges Bitzeln im Nacken. Wenn er sich vorstellte, wie er das Opfermesser in das Fleisch rammte, den Widerstand spürte und dann das warme Blut auf der Hand, fiel es ihm fast schwer, sich zu konzentrieren. Es würde kein Ersatz für das Gefühl sein, dass Caius ihm damals bereitet hatte - aber immerhin so ähnlich.


    Dann endlich war es so weit. Er zog das Messer von seinem Gürtel und packte das strampelte Schäfchen. Es zappelte und ein bisschen von dem Wein auf seinem Köpfchen spritzte auf die nackte Brust des jungen Petroniers - aber egal, bald würde dort ganz anderer roter Saft sein. Armin nahm den Strick ab und Lucius fragte ungeduldig


    "Agone?"