Beiträge von Lucius Tiberius Lepidus

    Bei so vielen bösen Worten musste der Tiberier wirklich aufpassen, dass ihm sein Essen nicht gleich wieder hochkam. Zum Glück hatte er einen wohltrainierten Magen. Jemanden hier vor sich zu haben, der nicht einmal ansatzweise daran interessiert zu sein schien, das Bild des Vesculariers für die Geschichte so entstellend wie möglich darzustellen, machte ihn mehr als misstrauisch. So richtig wollte ihm das Ganze nicht einleuchten. Als zuteifst Betroffener ohnehin nicht. "Sehr warme Worte für diese Gestalt, die unser Reich so verunkelte. Ich muss zugeben, dass ich von einem, der gar das Schwert gegen dieses Individuum erhob, einen anderen Ton erwartet hätte." Vergleiche erübrigten sich nach der Ansicht des Tiberiers. Der Duccier schien wie aus der Vogelperspektive auf all diese Sachen zu blicken, ohne ein eigenes Interesse oder dem Weg der Geschichte eine gewisse Richtung verleihen zu wollen. Aber darauf, ob der Usurpator nun ein Herrscher 'wie jeder andere' war, darauf wollte der Tiberier sich nun wahrlich nicht einlassen. Für ihn gab es keine zwei Meinungen und die offensichtliche Präsenz einer solchen zweiten Meinung musste ihn zwangsläufig zu Ignoranz führen. Somit beließ er es bei einem abschließenden Kommentar. "Was wir als rechtmäßig empfinden ist einerlei. Was allerdings die Götter darüber denken, haben sie in der Art des Ablebens des Usurpators deutlich gemacht. Meine Ansicht ist keine irdische." Aus diesen Worten konnte nun klug werden, wer wollte.


    Etwas gequält sah Lepidus zum neuen Gang und den dargebotenen Meeresfrüchten. Sie galten ihm gleichsam als Zeichen sich vielleicht lieber auf die kulinarischen Wohltaten, denn auf die umanfangreichen politischen Debatte zu stürtzen. Wohl musste er jene zu einem Ende führen, denn viel Bewegung oder gar neue Erkenntnisse waren hier nicht hervorzuzaubern, ganz zu schweigen von einem wachsenden Unwohlsein im Bezug darauf, dass der Peiniger der Patrizier und seiner selbst im Speziellen hier als ach so gewöhnlich galt. Nun gut, wenn man vielleicht davon absah, dass sich der Tiberier nun ein deutlich besseres Bild vom 'Politiker' Duccius Vala machen konnte, was in der Tat neue Erkenntnisse zutage förderte. "Oh, hier liegt keineswegs ein Missverständnis vor. Selbstverständlich sprach ich von einem zukünftigen Ereignis und das entstehende Szenario ist hypothetisch. Dass du und andere jetzt keinen Handlungsbedarf habt, das verwundert mich keineswegs." Als wenn auch nur ein Plebejer für einen Patrizier einen Finger krum machen würde. "Aber denkt an meine Worte wenn es erst einmal soweit ist." Mehr blieb dem nicht hinzuzufügen.


    So langsam fragte sich der Tiberier allerdings, welche Absicht der Duccier nun genau hatte, als er ihn auf seine Insel bestellte. Im Grunde hätte er wohl auch mit jedem anderen über Politik sprechen können. Was der Aedil überhaupt von seiner Anwesenheit hatte, konnte er bislang kaum ahnen. Bisher hatte er wohl Freude, seiner Schwester schöne Augen zu machen, doch von ihrer Anwesenheit konnte er bei Aussprache der Einladung im Grunde noch nichts wissen. Somit wartete Lepidus irgendwie noch auf den Höhepunkt der Unterhaltung. Nicht, dass er hier bereits blind in eine Art "Einschläferungstaktik" gerannt war. Nicht nur sprichwörtlich verfiel der Tiberier in Schlaf, sondern musste sich inzwischen auch mächtig zurückhalten, wenn er das Bedürfnis verspürte zu Gähnen. Ob der stolze Patrizier mit Meeresfrüchten bei Laune gehalten werden konnte, blieb dabei völlig offen. Immer wieder suchte er nun auch den Blickkontakt zu seiner Schwester. Sein gleichsam ratloser, wie auch ungeduldiger Blick war für sie sicherlich Spiegelbild seiner Seele genug. Ob sie besser wusste, was sie hier tat? Lepidus musste es ihr fast wünschen.

    Ah, sogar der Patron dieses Petroniers war er also. Das gefiel dem Tiberier natürlich aus irgendeinem Grunde sehr. Wahrscheinlich weil es eine gewisse Brücke zu diesem Manne da schlug und er sich des guten Namens der Tiberier sicherlich besonders erinnerte. "Freut mich zu hören. Dann kanntest du Tiberius Vitamalacus sicherlich besser als ich es durch die familiären Erzählungen jemals konnte. Sag, wie war dein Eindruck von ihm? Wie würdest du seine Persönlichkeit beschreiben? Ich hoffe, diese Fragen sind in Ordnung, denn du musst wissen: Es freut mich immer sehr etwas mehr über meine Verwandtschaft zu erfahren, die ich selbst nicht mehr kennenlernen durfte. Solche Gelegenheiten nehme ich sehr gerne wahr" Das war tatsächlich ein gewisses inneres Anliegen von Lepidus und eine Chance, die er sich nicht entgehen lassen wollte. Mit jeder Information konnte er ein konkreteres Bild seiner Ahnen formen.

    Ja, Rom veränderte sich in den letzten Jahren wirklich nicht sehr umfangreich. Es wurde wohl mal wieder Zeit für ein größeres Bauprojekt oder einen großen Brand. Manchmal brauchte man ja auch beides. "Die letzten Kaiser haben sich wahrlich nicht durch ihre Bauaufträge in die Geschichte eingeschrieben. Vielleicht wird es ja tatsächlich mal wieder Zeit für ein wenig Veränderung, besonders wo wir nach all dem Krieg wieder ein wenig Zeit für kulturelle Maßnahmen finden sollten." Wenn er die Kaiser bis Iulianus zurückging, so konnte er sich wahrlich nicht an Stadtbild prägende Errungenschaften erinnern. Nun gut, da stand immer noch dieses Ulpianum aus, was aber irgendwie niemals vollendet wird. Blieb nur zu hoffen, dass sich daran noch etwas ändern würde.


    Dass sein Gegenüber gerade von Vitamalacus sprach, überraschte den Tiberier in der Tat. Offensichtlich waren zumindest ihre beiden Gentes schon miteinander in Berührung gekommen. Die Geschichte dahinter interessierte Lepidus natürlich brennend. "Selbstverständlich kenne ich Vitamalacus. Er steht wie kein anderer für die militärische Tradition unserer Gens. Allerdings habe ich ihn nie wirklich kennengelernt, weil er wohl schon verstorben war, als ich noch sehr jung war und er überdies auch nicht zur engeren Verwandtschaft meinerseits gehörte, aber immerhin als ein Onkel 3. Grades noch in einen Bereich fällt, wo die Ferne noch zu überblicken ist." Zumal sich Lepidus sehr gerne mit den Taten von Vitamalcus rühmte, um seine eigene gute Herkunft zu unterstreichen. "Sag, welche Verbindung hast du zu meinem großen Verwandten, dass du gerade auf ihn zu sprechen kommst?"

    Es schien als würde eine wachsende negative Aura von seinem Gegenüber ausgehen. All die Sätze, sie waren so merkwürdig geformt, so merkwürdig pessimistisch. Mit der Zeit musste sich Lepidus ernsthaft fragen, ob hier überhaupt noch ein Mann mit Ambitionen vor ihm stand, was es bisher nur zu verneinen galt. "Eine Proskription kann durchaus etwas Wert sein", sprach der Tiberier, um diesen Fakt etwas hervorzuheben. Wenn er da an seinen eigenen Patron dachte, der seine Verfolgung durch den Vescularier nutze und sich zum Kaiserklienten aufschwang, dann war das, was der Flavier mit seiner rühmlichen Vergangenheit (denn als solcher empfand er den Widerstand gegen den Usurpator) machte, geradezu kläglich.


    In Bezug auf politische Bündnisse schien der Mann ebenfalls nicht allzu sehr auf einer Wellenlänge mit dem Tiberius zu liegen. Das Prinzip des 'eine Hand wäscht die andere' hatte nicht von der Hand zu weisende Vorteile, doch wahrscheinlich war es gerade dieses Vorteilsstreben, was dem Gracchen dann doch nicht beliebte. So blieb es bei einem heuchlerischen "Ich bewundere deine Haltung. Mögen dich deine Überzeugungen stets zu den richtigen Urteilen führen", welches mit einem besonders auffälligen Lächeln vorgetragen wurde. "Somit bleiben keine weiteren Fragen offen. Ich danke dir in jedem Fall für die Zeit, die du für mich erübrigen konntest." Die förmliche Verabschiedung brachte der Tiberier noch nicht vor, denn er sah als das Vorrecht des ranghöheren Senators an, hier den Schlussstrich zu ziehen und ein freundliches auf wiedersehen zu ermöglichen.

    Diese Überraschung nie genau zu wissen, wen man vor sich hatte, machte das Treffen innerhalb der Thermen natürlich immer äußerst interessant, wobei man zumindest an wenigen Merkmalen, wie dem Gefolge, was sich um einen scharrte in etwa feststellen konnte, wer denn irgendwie wichtig war und wer nicht. Doch auch dies brachte nicht immer die sichere Erkenntnis, die man benötigte. Primipilaris Decurio aus Mogontiacum - das klang in den Ohren des Tiberiers nicht unbedingt wirklich nützlich, doch wer wusste schon, was einem dieser und jene Mensch einmal einbringen konnte, von daher ließ er sich gern auf ein Gespräch ein. "Nett dich kennenzulernen. Mein Name ist Lucius Tiberius Lepidus, derzeitig amtierend im Collegium der Quattuorviri viarum curandum" So viel zu seinem magistratischen Hintergrund. "Interessante Anliegen habt ihr da. Vielleicht kann ich euch bei eurem ersteren vielleicht sogar ein wenig weiterhelfen, denn ich bin, wie es der Zufall wohl will, Klient des Aurelius Lupus und kann dir sicherlich einiges über ihn berichten, falls du und dein Sohn ihn tatsächlich als Patron in Erwägung zieht. Mit Senator Duccius Vala hatte ich immerhin schon geschäftlich kontakt." Wobei es wohl klar war, dass sich der Tiberier eher darum bemühen würde, seinen eigenen Patron stark zu machen als den Duccier. Aber bei der Patronage-Wahl hing es ja auch immer ein wenig von den individuellen Bedürfnissen ab. Ob Lupus nun unbedingt dafür geeignet war, jemandem auf die Ritterlaufbahn vorzubereiten? Das musste man wohl sehen. "Im Übrigen kann ich euch wohl auch gleichsam noch hier in Rom willkommen heißen. Ich hoffe, ihr genießt euren Aufenthalt in der Stadt." In dieser furchtbar dreckigen Stadt... wie es Lepidus als Verantwortlicher der Straßenreinigung leider nur allzu genau wusste.

    Nicht weit von den Thermal-Touristen verbrachte der gute Lepidus wieder einmal viel Zeit damit seinen vom Amt geschundenen Körper ein wenig im wohligen Wasser zu erholen. Während er in Gedanken seine geistige "noch-zu-erledigen-Liste" durchging, wurde er doch tatsächlich von dem Gespräch der beiden Männer neben ihm ein wenig abgelenkt. Das Belauschen von Unterhaltungen war eben doch manchmal deutlich spannender als die eigene Arbeit, die ja ohnehin in den Thermen auch einmal ein wenig ruhen sollte. Lepidus bekam längst nicht alles von diesem Gespräch mit, doch zumindest die Namen Duccius Vala und Aurelius Lupus blieben bei ihm deutlich hängen. Als der jüngere von beiden sich zum Schwimmen aufmachte, nutzte der Tiberier seine Chance, um zu erfahren, worum es dabei wohl gerade ging und rückte ein wenig näher. "Salve", wandte er sich an den Mann, der schon im gesetzten Alter zu sein schien "Ich kam nicht umhin ein paar Bruchstücke von den Worten, die du sprachst, gehört zu haben, die meine Neugier in geringem Maße weckten, wie ich nicht verhehlen kann. Was genau wollt ihr denn mit 'Aurelius Lupus probieren', was nicht 'nicht mit Duccius Vala' geht?", fragte er dann recht unverblümt. "Ich kann nicht leugnen, dass ich mit beiden mehr oder weniger gut bekannt bin." Das war natürlich gleichsam erklärend, weshalb die Neugier des Tiberiers überhaupt geweckt wurde.

    Lepidus stützte nun seinen Ellenbogen auf dem Schreibtisch vor ihm ab und ließ gleichsam seinen Kopf in die entsprechende Hand sinken. Etwas seitlich gebeugt saß er nun ziemlich schludrig da und hin und wieder strich er sich mit den Fingern über die Schläfe. Womöglich war dies schon dir Vorsorge für die eventuell noch auftretenden Kopfschmerzen. "Da bin ich ja beruhigt, dass du die Tatsache nicht missdeutet hast, dass ich dich einmal zum Iulier als Begleitung entsandte", konstatierte er und war zufrieden, dass ihm seine Schwester erst einmal keine Vorhaltungen bezüglich einer möglichen Heiratschance machte. "Ich, äh, verstehe nichts von den Problemen... von Frauen... untereinander. Also... ich kann dir da nun kaum weiterhelfen." So richtig hatte der Tiberier wahrlich nicht verstanden, was er nun machen sollte. Er sah sich ja völlig unbeteiligt an der ganzen Sache und die Nachricht war ja schließlich auch für ihn eine Neuheit. Ja, da war es doch besser einfach irgendwie auf ein anderes Thema umzuschwenken, doch auch hier musste der Tiberier gedanklich resignieren. Weshalb hatte er eigentlich nochmal nach ihr geschickt? Was wollte er mit ihr besprechen. Diese unerwartete Geschichte hatte ihn völlig aus dem Konzept gebracht. "Entschuldige, ich hab nun auch irgendwie vergessen, was ich noch mit dir besprechen wollte..." Etwas angestrengt dachte der Tiberier nun nach und legte die Stirn in Falten, als wenn es ihm auf der Zunge lag.

    Am frühen Morgengrauen tauchte einst ein Bote des Tiberius Lepidus vor der Insula auf. Ein wenig umherfragen musste er leider schon, bis er sein Ziel endlich fand, denn sein Herr konnte ihm in Ermangelung eigener Erkenntnisse nicht wirklich präzise Angaben zum Aufenthaltsort von Tiberius Verus machen. Umstände, mit denen man allerdings auch als einfacher Bote umzugehen wusste. Dort an der Insula angekommen, überreichte er dem Hausherren einen Säckelchen voller Geld. Wie viele Sesterzen es wohl sein mochten, das konnte der Bote selbst nur ahnen. Überhaupt lag das nicht im Bereich dessen, was er wissen musste. Allerdings sollte er noch folgende Worte bei der Übergabe anfügen: "An gute Taten sollten wir uns stets erinnern." Anschließend verabschiedete sich der Bote wieder. Mit etwas Glück hatte er den Rest des Tages frei.

    Mit seiner erfolgreichen Wahl zum Vigintivir endete die Dienstzeit von Lepidus im Iuppiter-Tempel. So ein Aedituus-Posten war nicht mit dem Amt vereinbar, so wie es diejenigen der einzelnen Collegien waren - immerhin war das hier auch ein Fulltime-Job. Dennoch kam Lepidus natürlich oft zu alter Wirkungsstätte zurück und zwar nicht nur, um zu beten und zu opfern, sondern auch um mit seinen früheren Kollegen zu sprechen. Am besagte Saturnalienmorgen schaute er wieder einmal beim Tempel vorbei und bemerkte sogleich wie sich einige Opferhelfer und auch eine der Aedituii vor nebenliegende Mauer gestellt hatten und den darüber liegenden großen Schriftzug anstarrten. Was für eine Schande!


    "Lepidus! Lepidus!", sprach sogleich sein alter Kollege, Segimerus, als dieser ihn kommen sah. "Sieh nur! Sieh!" Er deutete wie wild auf das Schriftmuster "Ja, ich sehe es! Das ist ja auch kaum zu übersehen." Lepidus schüttelte mit dem Kopf. "Ich hab es immer gesagt und ich sage es wieder: Wir sind viel zu leicht mit den Anhängern des Usurpators umgegangen. Der Kaiser wird noch ewig mit diesem lästigen Pack konfrontiert sein und schafft sich durch seine Güte ihnen gegenüber große Gefahr!" Giftmörder? Wie lächerlich. Da reichte man einfach den Vorwurf an den Usurpator weiter an den wahren Kaiser. So einfallslos konnte doch nun kaum jemand sein, dachte sich der Tiberier. "Du bist doch jetzt bei den Quattuorviri viarum curandum. Dann kannst du doch die Reinigung gleich in Auftrag geben?!" Lepidus schüttelte diesmal aus anderem Grunde als Entrüstung den Kopf. "Nein, nein, wir kümmern uns nur darum, dass die Straßen frei sind. Das da müssen die Aedile klären und in Auftrag geben. Aber ich werde es weiterleiten, damit Iuppiter nicht allzu lange so ein lächerliches Geschreibsel in seiner unmittelbaren Gegenwart betrachten muss." Immer wieder blieben Menschen für einen kurzen Augenblick vor der Schrift stehen, lasen und gingen dann weiter. Lepidus rief für einen Augenblick etwas lauter aus: "Traurig, wie es um die Bildung hier in Rom steht: Manche können hier nicht einmal einen Vescularier von einem Cornelier unterscheiden." Lepidus konnte nur traurig wenige Lacher auf sich vereinen.

    "Ah, auf den Cursus Iuris bereitest du dich also vor", sprach der Tiberier nicht ohne ein wenig Genugtuung, dass er seinem Verbündeten hier einen Schritt voraus war. "Es ist wahrlich schon lange her, dass ich diesen Kurs belegte. Damals war es nicht ganz leicht ihn abzulegen" Nur die gute alte Sesterze konnte da weiterhelfen. "Offensichtlich hat die Schola ein gewisses Personalproblem. Aber darüber müsstest du ja besser informiert sein als ich." Ein wenig lustig war es ja schon, dass man selbst als Angestellter der Schola keine bevorzugte Behandlung erhielt. Aber vielleicht hielt es der Iulier ja einfach erst jetzt für an der Zeit den Kurs zu absolvieren. Von den vielfältigen Schwierigkeiten, die er dabei hatte, konnte er ja kaum etwas wissen.


    "Vielen Dank für deine Hilfe. Ich werde meinem Verwandten die frohe Botschaft mitteilen. Ich bin mir sicher, er wird sich sehr über dein Entgegenkommen freuen." Nun also die Gegenbitte. Mit dem, was dann folgte, hätte Lepidus kaum gerechnet. Er sollte bei des Iuliers Hochzeit als Auspex teilnehmen? "Ach, mein Freund. Eine solche Art von Bitte kostet mich kaum Überlegung. Selbstverständlich werde ich zusagen. Eine andere Entscheidung meinerseits würde wohl jeder unserem Bündnis, noch unserer Freundschaft gerecht werden, weshalb du mit Sicherheit auf mich zählen kannst"* Damit räumte der Tiberier gleich einmal ab, hoffte aber nun auch gleich ein paar interessantere Informationen zu erhalten. "Ich bin im Übrigen auch bereits über deine Verlobung mit Sergia Fausta informiert worden und kann dir nur noch einmal meine besten Glückwünsche ausrichten." Dass es sich bei der Informantin um seine Schwester handelte, ließ er erst einmal aus, denn dann wirkte es vielleicht noch etwas mehr als hätte der Tiberier überall seine Augen und Ohren. Denn so weit verbreitet konnte diese Information noch nicht sein, dass Lepidus natürlicherweise davon gewusst hätte. "Allerdings bin ich über das Zustandekommen der Verlobung weniger gut informiert: Weshalb hast du dich für die Sergia entschieden? Gibt es gewisse Verbindungen zwischen euren Gentes, die mir bisher noch unbekannt blieben?" Dass es sich womöglich schlicht um so etwas wie 'Liebe' handeln könnte, kam dem Tiberier natürlich nicht in den Sinn. Er wollte eher die politischen Implikationen dieser Hochzeit erfahren. Ob lediglich die Verwandtschaft zu Senator Modestus den Ausschlag gab? Oder wäre nicht vielleicht sogar noch eine vorteilhaftere Kandidatin möglich gewesen? Zumindest seine Schwester hätte wohl letzteres für möglich gehalten. Lepidus selbst musste dagegen einfach nur aufpassen, wen sein Verbündeter hier noch ins Boot holte. Denn zweifellos stieg die Anzahl der Personen, die mögliche Spannungen hervorrufen konnten oder auf die man in Anbetracht des Bündnisses Rücksicht nehmen musste, durch eine Heirat durchaus.


    Sim-Off:

    *Kommt natürlich ein wenig darauf an, wann es ausgespielt werden soll. Ich weiß noch nicht, ob im Januar oder Februar möglicherweise eine längere Phase der Inaktivität auf mich zukommen wird. Das ist das einzige, was ich zum Bedenken angeben würde. Ansonsten steht dem nichts im Wege.

    Geduldig hörte sich Tiberier den Schwall der Worte an, die ihn hier von irgendetwas überzeugen sollten, worüber sich eine intensive Debatte im Grunde erübrigte. Doch damit der Senator sich hier nicht einbilden musste, gänzlich auf Granit zu beißen, wollte Lepidus doch gerne antworten. "Zumindest in einem Punkt gebe ich dir gern Recht und zwar, dass dieses Thema seit langem - auch schon vor der Zeit des Usurpators - diskutiert wurde. Doch dann sind die Tendenzen doch nicht so eindeutig, wie du sie hier darstellst." Es war doch wie in jeder Debatte, in der man einen Standpunkt vertrat. Wenn die Seiten erst einmal festgefahren waren, wie sollte es da eine Auflösung geben? Zumindest nicht indem man Gräben schaufelte, die doch der Duccier doch gerade vermeiden wollte. An diese Sache musste man wahrlich anders herangehen, wenn man denn tatsächlich etwas erreichen wollte. Eine Alternative sah der Tiberier allerdings am Horizonte, doch dazu würde er wohl erst kommen, wenn er dem Senator gezeigt hatte, warum eine solche Argumentation wohl keinen Patrizier jemals überzeugen würde. "Die unbestreitbare Tatsache, die sich uns bietet ist doch jene: Kein Kaiser hat sich jemals dazu durchringen können, die Steuerfreiheit zu kippen. Lediglich ein Tyrann hat dies durchgesetzt. Hier von einer Unvermeidlichkeit zu sprechen, ist deutlich fehl am Platz. Denn sehen wir doch weiter: Gehört es nicht sogar zur ganzen Wahrheit, dass selbst dee Usurpator keine Mehrheit im Senat gefunden hatte, diese Steuerfreiheit für Patrizier aufzuheben? Dieses Faktum gebietet Anlass zum Staunen, denn viele Patrizier, die sich im Senat dagegen auflehnen konnten, gab es zu jenem Zeitpunkt wohl nicht. Den Vorwurf, ich stelle eine 'Sache einfach dar, die wahrlich nicht zu vereinfachen ist' werfe ich dann 'einfach' an dich zurück." Lepidus lächelte. Die Sache war sicher etwas komplizierter, aber dann konnte man sie auch gleich richtig kompliziert machen. "Die Aufhebung brauchte ganz offensichtlich einen rücksichtslosen Herrscher, der weder auf die allgemeine Stimmung, noch auf die Senatoren Rücksicht nahm. Es ist - und das kann man leider nur schwerlich bestreiten - ein Alleingang des Usurpators gewesen. Die Steuerfreiheit entspricht weder dem Willen des römischen Volkes noch des römischen Senates. Leider muss man auch Cornelius Palma vorhalten, dass er sich der Steuerfrage bisher noch nicht angenommen hat. Derzeit spotten wir jedoch Iustitia durch diese unrechtmäßige Regelung."


    Leider war es auch nur schwer verdaulich, wenn der Duccier so einfach über Traditionen urteilte. Über das, was zu ihnen gehörte oder was nicht: Dies war nun wahrlich nichts, was man aushandeln konnte, sondern es waren feststehende Belange. Wer so einfach die Rechte der Patrizier beiseite wischte, der konnte sich bei ihnen auch kaum beliebt machen. "Es mag ja gern eine Folge sein, doch das ist vollkommen irrelevant, denn was bringen uns Traditionen und die Taten unserer Ahnen, wenn sie keinerlei Folgen mehr nach sich ziehen? Was bleibt noch zur Würdigung der Gentes übrig, die sich in der Vergangenheit hervorgetan haben? Du kannst dir damit deine Frage selbst beantworten, weshalb die Patrizier gegenüber 'ranghohen' Plebejern bevorzugt wurden. Ihnen fehlt die Tradition, ihnen fehlen die Ahnen, ihnen fehlt ein konsequentes Eintreten für die Sache Roms teilweise über Jahrhunderte! Was bleibt noch von all dieser Leistung, von all dieser Anstrengung, wenn diese keinerlei Folgen mehr nach sich zieht? Den Plebejern ist doch bereits fast alles gegeben worden. Auch heute ist die Diskussion um patrizische Vorrechte lediglich eine Neiddebatte unter völliger Ausblendung der Vergangenheit. Mir ist es höchst schleierhaft, wie die Besinnung auf Tradition und Vergangenheit einem merkwürdigen Zukunftspragmatismus gewichen ist. Diese Art von Progressivität scheint mir ein sehr neuartiger 'Trend' zu sein, der für mich in Denkkategorien rangiert, die nicht typisch für Rom sein sollten. Wir werden mit einem solchen Kurs nur noch mehr von unserem römischen Wesen verlieren." Als religiöser Fanatiker malte Lepidus solche Prophezeiungen natürlich gerne an die Wand. Und überhaupt war für jeden Patrizier das Ende der Welt doch schon morgen gekommen, sollte auch nur irgendetwas von ihren Privilegien verlustig gehen.


    "Da du so freundlich warst, mir einen Rat zu erteilen, so wäre es natürlich bedauerlich, wenn ich nicht ebenso einen für dich hätte." Und damit kam der Tiberier zurück auf einen Gedanken, den er schon einmal hatte und der die Auflösung dieses kritischen Themas vielleicht versprach, auch wenn er selbst das natürlich nicht unbedingt für die beste Lösung hielt. Kompromisse waren etwas für Schwächlinge. "Wenn du weniger Feinde haben willst, solltest auch du dich ganz besonders, um Klugheit in der Präsentation deiner politischen Positionen bemühen", sprach der Tiberier etwas rätselhaft. "Die Steuerfrage wird wieder auf die Tagesordnung gesetzt werden. Die Patrizier werden dies zur Wiederherstellung der Vor-Usurpator-Zeit verlangen - da bin ich mir sehr sicher. Und genau dann werden die alten Zustände wieder eintreten, die du dir nicht zurücksehnst. Und weshalb werden sie das? Weil es ein simples Spiel des Für und Wider ist. Die Patrizier pochen auf ihr Recht, der Rest ist dagegen. Keine Bewegung wird kommen und viel heiße Luft wird versprüht. Doch warum sollte jemand wie du diesen Kreis nicht durchbrechen, indem er einfach nur klug ist?" Und immer noch wusste man nicht, was Lepidus damit meinte, dabei war es eine recht einfach Schlussfolgerung zu der er kam. Viel zu unspektakulär, als dass man sie so vorbereiten musste. Aber auch er selbst mochte den Klang seiner Worte. "Entweder du stimmst mit deinen Standesgenossen ein, hetzt gegen die Patrizier und die ach so schändliche Steuerfreiheit oder du setzt dich für einen neuen Vorschlag ein, der weiter geht als nur: Steuerfreiheit oder Nicht-Steuerfreiheit. Es ist ganz einfach: Biete meinem Stand etwas im Gegenzug an. Etwas, was vielleicht nicht so viel Geld kostet, wie eine Steuerfreiheit, aber dennoch symbolischen Wert hat. Etwas, wodurch mein Stand seine Bedeutung gewahrt weiß. Ich bin mir sicher, viele Patrizier wären der endgültigen Abschaffung der Steuerfreiheit dann deutlich aufgeschlossener und würden vielleicht sogar den Argumenten lauschen, die du und andere vorzubringen hättet." So hoffte der Tiberier die Gemütslage der Patrizier ein wenig verständlicher gemacht zu haben. Wenn man nicht gerade so revolutionär sein und die ganze Ständeordnung abschaffen wollte, so musste man den Patriziern nun einmal einiges belassen, auch wenn es sich nur noch um symbolische und keine wirklich handfesten Vorteile mehr handelte. Da sollte doch mal noch jemand behaupten, der Tiberier sei nicht zu pragmatischen Überlegungen fähig. Aber dass ein jeder Patrizier nicht einfach so für nichts seine Privilegien aufgeben würde war wohl verständlich und damit musste jeder rechnen, der einen Angriff auf diese vollzog.


    EDIT: Fettdruck

    "Ich möchte es gern so allgemein ausdrücken wie möglich: Es spielen viele Faktoren eine Rolle" Damit versuchte er der ganzen Diskussion einen ebenso neutralen Ausgang zu verleihen, wie es wohl in Rom derzeit üblich war. Die angesehendsten Senatoren waren neutral, der Kaiser war neutral, sicher musste auch die Bevölkerung irgendwie neutral sein. Komische Zeiten. "Ohnehin sind die Wege des Senats manchmal unergründlich", fügte er nicht ohne ein Schmunzeln an. "Erstaunlicherweise kann man doch auch durchaus sagen, dass deinem Onkel diese Wahlniederlage mehr genutzt als geschadet hat. Jemand der sich unter den vielen Getreuen des Schreckensherrscher nicht durchsetzen konnte, mag auch deutlich weniger den Anschein erweckt haben, ein loyaler Günstling eben jenes Mannes gewesen zu sein." Die Übergabe der Stadt an das Rebellenheer mag natürlich noch ein deutlich gewichtigerer Aspekt gewesen sein. Vielleicht trug auch all dies bei, dass die Iulier heute nicht ganz so sehr mit Argwohn betrachtet wurden - was natürlich auch gleichermaßen das gute Wahlergebnis von Dives erklären konnte. "Somit schien Fortuna sich erst spät gezeigt zu haben."


    Bevor er dann auf seinen Verwandten eingehen konnte, musste der Tiberier einen interessanten Fakt zur Kenntnis nehmen: "Wie kommt es denn, dass du offensichtlich so spontan aus dem Codex Militaris zitieren kannst?" Er blickte den Iulier neugierig an. "Bereitest du dich etwa schon intensiv auf dein Tribunat vor?" Lepidus lächelte. Der Iulier schien einmal mehr bestens vorbereitet zu sein. Er selbst hatte sich noch relativ wenig Gedanken darum gemacht. Wohl auch deshalb, weil es für ihn als Patrizier mehr eine Option, als eine Pflicht war, der er sich mit aller Unbedingtheit stellen musste.


    Nun musste er aber irgendwie noch den guten Verus in ein vernünftiges Licht rücken. Wie ließ sich das nur anstellen? "Ich habe mich schlecht verkauft", klang es Lepidus noch in den Ohren, der in denselben Thermen vor kurzem jene Wort vernommen hatte. Das sprach natürlich nicht für ihn, doch Lepidus musste das wohl so sanft wie möglich unterbringen, auf das es zur Ehrrettung gereichte. "Er erfüllt sämtlich Voraussetzungen. Die Vorschriften stellen also keinerlei Problem dar. Er ist in bester Verfassung." Dabei überging er natürlich komplett den wohl noch viel wichtigeren Aspekt: Der Heirat. Doch er zweifelte nicht daran, dass sein Verwandter sich zur not scheiden lassen würde, zumal es da ja bereits erste Anzeichen gab. Nicht zuletzt war das eine Regelung, wo auch hin und wieder mal ein Auge zugedrückt wurde. Aber das zu regeln, würde er Verus selbst überlassen. "In der Kanzlei hatte er wiederum einfach einen schlechten Tag. Darüber hinaus scheinen mit dem neuen Kaiser deutlich weniger Posten vakant geworden zu sein, als man das vielleicht denken sollte. Auch hier waltete wohl die Nachsicht und Neutralität des Corneliers, die du ja selbst schon so nett geschildert hast." Das schien dem Tiberier eine angemessene Erklärung, zumal damit Verus nicht die alleinige Verantwortung für sein Scheitern trug und man dies auf ungünstige Umstände zurückführen konnte.

    Lepidus wank ab und wirkte etwas belustigt von den doch etwas naiv wirkenden Worten seines iulischen Freundes. "Ach Dives, das hätte ich dir ja nun nicht zugetraut. Für uns alle wäre es gleichermaßen notwendig? Eine solche Gleichheit hat es nie gegeben. Man ist immer abhängig von den Kontakten, die man pflegt. So gab es in unserer Geschichte genauso diejenigen Personen, die sich in ihren Ämtern nicht hervortun mussten und dies beileibe auch nicht taten und gleichsam schleuste man sie durch den Cursus Honorum. Man kann es sich leisten, wenn man erst einmal die richtigen auf seine Seite gezogen hat. Das war schon immer so. Von daher kann man auch nicht sagen, dass es jeder gleichermaßen nötig hat, sich anzustrengen. Ganz abgesehen davon, dass die die Senatoren dann auch letztlich nicht so wankelmütig wie der gemeine Pöbel sind, dass sie dir an einer Wahl die Stimmen verleihen und sie dir in der nächsten wieder entziehen. Wenn du dich also nicht besonders dumm anstellst und in besonderem Maße negativ auffällst, dann werden auch die nächsten Stufen deiner Laufbahn alles andere als ein Problem sein." Eine rosige Zukunft beschied der Tiberier hier seinem Verbündeten - eine Einschätzung, die, so glaubte er, nicht ganz aus der Luft gegriffen war. "Ich selbst werde sowohl an meinen Kontakten arbeiten müssen, wie ich dann doch auch dabei bleibe, mich in meinem Amte etwas mehr hervortun zu müssen, als andere. Glaubt man der Acta (oder diesem ominösen Verfasser eines Leserbriefes), dann habe ich mir offensichtlich den falschen Patron ausgesucht." Da konnte der Tiberier nur herzhaft lachen. "Einen Kaiserklienten gewählt zu habe, war sicher nicht das schlechteste, was einem wiederfahren konnte und gleichsam bin ich auch der Ansicht, dass die Wahl eines Patrons gewissen Prinzipien genügen sollte. Deshalb bin ich nach wie vor sehr zufrieden mit diesem Klientelverhältnis." Nicht zuletzt wohl auch, weil der Aurelier ihn wahnsinnig schnell vor das Angesicht des Kaisers gebracht hatte, auf das ihm der so wichtige Ordo Senatorius verliehen wurde. Andererseits hätte er wohl nicht einmal an der Wahl teilnehmen können und dies wäre doch nun weitaus schlimmer.


    "Wenn ich mich recht an die letzten zusammengetragenen Informationen erinnere, dann ist die Lage auf dem Esquilin zwar ganz passabel, aber keinesfalls optimal. Wenn ich selbst so in meine Nachbarschaft gucke, dann entdecke ich da durchaus ziemlich viel Müll. Denn gute Wohngegend hin oder her, den meisten ist es einfach relativ egal, wo sie ihren Müll abladen." Tja, und gerade in den reicheren Vierteln stieß man doch auf so manche üble Überraschung. Allerdings auch kein Wunder, denn wer besonders viel besaß, konnte auch besonders viel Müll produzieren. Nichtzuletzt empfanden viele Römer ja sogar ganze Müllberge als ein besonders prestigeträchtiges Zeichen, sagte dies doch letztlich aus: 'Seht her, wir können es uns leisten, das alles wegzuschmeißen'. Da war der Römer leider etwas eigen.


    "Ganz recht", bestätigte Lepidus, als er mit dem Praefectus Castrorum herausrückte, auch wenn der Tiberier selbst den Rang gar nicht mehr so gut in Erinnerung hatte. Aber das war doch in jedem Fall ein Mann mit Einfluss. "Ich habe da nämlich einen etwas problematischen Fall in meiner Familie." Lepidus zögerte etwas und sprach dann auch nicht unbedingt in einem Ton, der auf ein besonders inniges Verhältnis schließen ließ, aber es war wohl weniger dies, als schlicht die Tatsache, dass Lepidus seine Zeit mit so etwas verschwenden musste und er 'mal wieder' den großen Retter spielen musste. "Es geht um meinen Verwandten namens Aulus Tiberius Verus. Er kam vor nicht allzu langer Zeit nach Rom und konnte hier noch nicht recht Fuß fassen. Jetzt ist ihm in den Sinn gekommen, in die Legion zu gehen. Nachdem er in der kaiserlichen Kanzlei für eine Arbeit abgelehnt wurde, sieht er das als einzige Option an." Immer noch konnte es Lepidus nicht recht fassen, dass man ihn dort abgeschmettert hatte. Gerade in Anbetracht der neuen personalen Aufstellung und der Tatsache, dass dort sicher einige Plätze nach dem Sturz des Usurpators frei geworden waren, hätte er doch durchaus einen Platz bekommen könnten. Aber wer wusste schon, wie er sich dort angestellt hatte? Das breitete er aber selbstverständlich nicht vor Dives aus. Immerhin musste er ihn hier ja auch irgendwie empfehlen und da warf wahrscheinlich schon allein die Erwähnung der Ablehnung ein etwas schlechtes Licht auf Verus. Aber der Tiberier fuhr einfach fort, als wenn das kein sehr bedeutender Fakt wäre. "Ich will ihm bei diesem Vorhaben unterstützen, aber selbstverständlich kommt es nicht in Frage, dass jemand in seinem Stand als einfacher Legionarius anfängt. Er muss schon etwas höher einsteigen und um dies zu ermöglichen, dachte ich, du könntest vielleicht ein gutes Wort für ihn bei deinem - als Praefectus Castorum sicherlich in sehr hohem Maße einflussreichen - Verwandten einlegen, auf dass der gute Verus wenigstens als Optio oder gar als Centurio einsteigen kann. Verus ist alles in allem ein sehr tüchtiger Mann und auch wenn er in unserem Familienzweig nicht allzu nahe in Verbindung mit den großen Tiberiern steht, so glaube ich, dass er für die Legion alles nötige an Kompetenz mitbringt."

    Hamilkar hatte sich wahrlich bemüht und als das letztlich Ergebnis auf dem Tisch lag, hatte der Magistrat sogar ein paar lobende Worte für seinen Scriba übrig. "Ausgezeichnet, das ist doch schon einmal ein guter Anfang. Bereits jetzt haben wir mehr Übersicht und wissen, wo wir ansetzen müssen." Hamilkar machte unterdessen einen eher skeptischen Gesichtsausdruck. "Aber wie wollen wir der Lage Herr werden? Die bisherigen Rundgänge ergeben ein eindeutiges bild: Diese Stadt schwimmt im Dreck!" Dabei konnte sich Lepidus ein Lächeln nicht verkneifen. "Was hast du denn erwartete? Rom hatte schon immer ein Sauberkeitsproblem. Ich meine: Die Leuten schmeißen ihren Müll einfach aus dem Fenster... was soll man denn da erwarten außer sich türmende Müllberge und auch noch den ein oder andern Verletzten?" Hamilkar schüttelte den Kopf. "Nein, zwar hatten wir diese genaue Aufstellung vorher noch nicht, aber so rein vom Gefühl, so intuitiv, würde ich sagen, dass es selten so schlimm in Rom zuging." Immer noch folgte der ungläubige Blick auf die Verschmutzung der Straßen. "Na, wie dem auch sei. Es ist ja nicht deine Aufgabe, sondern ich muss gemeinsam mit den anderen Quatuorviri eine Lösung finden. An härteren Maßregelungen werden wir aber wohl nicht vorbeikommen." So die Ankündigung des Tiberiers gegenüber seinem Scriba. Daraufhin machte er sich bereits auf zu einem Treffen mit seinen Kollegen. Gemeinsam wollten sie besprechen, wie man der Lage Herr werden könnte. Lepidus selbst würde sich für eine harte Linie aussprechen: Wer vor seiner Tür nicht kehrte, der musste zur Rechenschaft gezogen werden und die Rechnung für die von ihrem Officium in Auftrag gegebene Reinigung musste ebenso bezahlt werden. So würde man auf der Liste hoffentlich irgendwann wieder etwas weniger 'rot' und etwas mehr 'grün' sehen.

    "Hört, hört. Ein Mann des Friedens und der Stabilität. Ich kann dich in dieser Hinsicht nur unterstützen, obwohl ich mir nicht sicher bin, ob wir uns die alten Zustände vor dem Krieg nicht bald zurücksehnen, sollten die neuen nicht noch viel unangenehmer sein", gab der Tiberier etwas rätselhaft zum Besten, löste dies aber anschließend sogleich wieder auf. "Nach meiner Einschätzung werden, die Gräben tiefer sein als je zuvor und bisher wurde noch nicht viel getan, um dies zu korrigieren. Bestimmte Entscheidungen, die unrechtsmäßig getroffen wurden, müssen rückgängig gemacht werden, um den Frieden zu wahren. Alles, was der Usurpator durchgesetzt hat, muss für nichtig erklärt werden, wozu beispielsweise auch die Aufhebung der Steuerfreiheit für Patrizier gehört." Natürlich sah der Tiberius keinesfalls ein, weshalb diese Privilegien keine Gültigkeit mehr haben sollten. Es war doch geradezu bedauerlich, dass man ihn und seinesgleichen inzwischen so wenig wertschätzte. "Als Mann der Stabilität bin ich mir sicher, dass du auch ein Interesse hast, diesen fehlerhaften Eingriff des Usurpators zu berichtigen." So nahm Lepidus sein Gegenüber gleich für sich ein, obwohl er natürlich wusste, dass ein Homo Novus nicht viel von der traditionellen Besserstellung der Patrizier verstehen konnte. Aber immerhin müsste er dann andernfalls wohl zugeben, dass der Mann, den er vor kurzem noch stürzte, etwas Richtiges getan hatte und dass musste ja nicht unbedingt für Konsistent gehalten werden.

    "Sei gegrüßt, Senator Germanicus Sedulus", sprach er förmlich zum herangewunkenen Gast, der hier wohl an Rang alle übrigen übertraf. Ein wenig mit Neid blickte der Tiberier sogleich auf Decimus, der den Germanicus wohl bereits längst kannte. "Meinen Glückwunsch zum Posten des Princeps", fügte er dann noch recht gezwungen schmeichelhaft an, denn die Tatsache, dass Dives vom 'neuen' sprach, schien doch wohl eindeutig darauf hinzudeuten, dass dieser wohl erst vor kurzem auf der Vollversammlung gewählt wurde, auf die der Tiberier ja sogar noch selbst eingeladen war. Die Tatsache, dass er sich da den ein oder anderen guten Kontakt hatte entgehen lassen, wurde ihm so wieder in Erinnerung gerufen. Aber was tat man nicht alles für ein kleines Alleinstellungsmerkmal, besonders wenn es so goldig glänzend war.


    "Nun, dann müssen wir uns hier wohl ein wenig um die Fahrer streiten", bemerkte er anschließend wieder an Dives gewandt. "Wir warten hier schon seit einer Weile auf das Auftauchen eines Lenkers, der auf den Namen Tanco hört. Welchen habt ihr denn derzeit im Auge?" Derweil ging sein Blick immer mal wieder auf die Rennbahn. Musste er sich nicht bald einmal zeigen? Nicht, dass durch diese Wartezeit die Bedeutung des Mannes noch allzu sehr in die Höhe katapultiert wurde. Lepidus selbst war jedenfalls schon recht ungeduldig und voller Erwartung. Was für ein begnadetes Talent würde sich da wohl zeigen?

    "Dass du bisher zufrieden bist, freu mich natürlich sehr. Ebenso wundert mich ebenso nicht, dass du das Notwendige mit dem Nützlichen so geschickt verbindest. Zweifellos bieten sich durch deine Tätigkeit die unterschiedlichsten Kontakte." Das war nun wohl wahrlich das Beste an den Decemviri, weshalb diese Präferenz wohl als eine wirklich vorausschauende war. Im Nachhinein überlegte der Tiberier natürlich durchaus, ob ihm das - wie so vielen anderen patrizischen Politikern vor ihm - nicht doch besser zu Gesicht gestanden hätte. Doch das Leben war nun so manches Mal ein Spiel und der Tiberier spielte oft mit hohen Einsätzen. Dass es dann so kam wie es kam, mag da nur logisch sein. "Zwar ist der Hintergrund deines Auftauchens zwar immer ein etwas trauriger in Anbetracht des Todes, aber wenigstens kommst du mit einem netten Erbe, womit sich die Menschen hinwegtrösten können. Dagegen ist mein Erscheinen nie mit etwas positivem verbunden." Zumindest für den Einzelnen nicht, aber für Rom war die Sauberhaltung der Straßen sicherlich nur zum Besten. "Dennoch gefalle ich mir durchaus in der Rolle der Überringer schlechter Nachrichten und der Verhängung von Strafgeldern für Leute, die es mit der Sauberkeit dann doch nicht allzu genau nehmen. Von daher kannst du davon ausgehen, dass ich mit meinem derzeitigen Amt nach einer anfänglichen Enttäuschung sehr zufrieden bin. Ich bin auch überzeugt, dass ich mit den Ideen, die ich habe, die Straßenreinigung um einiges effizienter organisieren kann. Gerade ich habe es schließlich nötig, Erfolge in meiner Amtszeit vorzuweisen." Letzteres war natürlich immer noch dadurch geschuldet, dass sich der Tiberier innerhalb des Senats für sehr umstritten hielt. Etwas leiser, als mehr aus Spaß, als aus Geheimnistuerei, fügte er dann noch hinzu. "Ich würde dir übrigens empfehlen in der nächsten Zeit ganz besonders auf die Sauberkeit vor deiner Casa zu achten. Die Kontrollen werden massiv zunehmen." So ein kleiner Rat unter Freunden, während Lepidus nun anfing sich ein wenig das Gesicht zu waschen und anschließend wieder in normaler Lautstärke eine kleine Frage stellte, die ihn zu einem Thema führte, womit er sich in letzter Zeit leidlich auseinandersetzen musste. "Was ich dich übrigens noch fragen, wollte, wo ich dich gerade hier habe: Wäre es möglich, dass du einen Verwandten bei der Legio I in Mantua hast?" Lepidus meinte das einmal von ihm gehört zu haben, war sicher aber wahrlich nicht sicher, ob er das nicht verwechselte.

    "Das wurde ja auch langsam Zeit", bemerkte der Tiberier amüsiert. "Ich hatte eigentlich bereits mit einer Glückwunsch-Tabula von deiner Seite aus gerechnet. Verzeih das ich dir selbige ebenso verweigerte, aber dein Sieg war so spielend und ungefährdet, dass für diese Selbstverständlichkeit jeder Glückwunsch wohl nur ein Hohn dargestellt hätte." Man gratulierte jemandem ja auch nicht dafür, dass er sein Frühstück aufgegessen hatte oder dafür, dass er aus dem Bett gestiegen war. "Ja, wobei ich diese Worte nicht ganz so gut verkauft zu haben scheine", ging er dann auch gleich auf das 'Vescularius Usurpator' ein, aber freilich ganz anders, als es sich Dives vielleicht vorgestellt hatte. "Vielleicht sollte ich nicht unbedingt das Vokabular benutzen, was ich irgendwo von einem pöbelnden Mob der Straße aufgeschnappt habe." Denn der Tiberier konnte sich beileibe nicht an den Inhalt des Briefes erinnern und dachte eher, dass er das irgendwo während des Sturzes eben jenes Usurpators vernommen hatte, obwohl es dem Iulier natürlich zur Ehre gereicht hätte, dies für sich zu beanspruchen. "Wie läuft es denn bisher bei dir in neuen Würden? Du hast ja schließlich das Amt bekommen, welches du dir gewünscht hast. Ich hoffe die Motivation ist vom ersten Sturm der Arbeit nicht sogleich hinweggefegt worden." Lepidus hatte dagegen durch seinen nicht erfüllten Wunsch eher wenig Motivation zu Beginn, doch inzwischen hatte sich mit ein wenig Gewöhnung schon ein erster kleiner Schub eingestellt, der ihn zufrieden auf den Rest des Jahres blicken ließ.

    Sein unter Rekordtempo arbeitender Gehilfe Hamilkar wischte sich schon die Schweißperlen von der Stirn, als der Quattuorvir persönlich wieder zurückkehrte. Missmutig blickte er von seinem Schreibtisch und den Aufzeichnungen auf, die er gerade noch mühselig und in Schönschrift angefertigt hatte. "Na, wie sehts denn aus. Ich bin sogar etwas spät dran. Da bist du doch sicher schon fertig geworden", sprach der Patrizier geradezu feierlich und blickte auf das Geschriebene. "Ich bin... erst mit den Hauptstraßen durch..."


    Lepidus musterte das Geschriebene von oben bis unten und enthielt sich vorerst einer Maßregelung. Das einzige, was ihm hin und wieder von den Lippen ging, war ein auffälliges "Aha... aha. Gut, gut." . Hamilkar bemühte sich derweil die Qualität seiner Arbeit zu unterstreichen "Aber diese sind auch schon komplett fertig und sehr leserlich geschrieben. Auch die Daten über die Verschmutzung sind bereits eingetragen..." Dann wandte der Tiberier sein schillerndes Antlitz wieder vom Scriba ab und verkündete in einem mehr als übertrieben höfflichen Ton: "Nicht so schlimm, dass du noch nicht fertig bist." Gerade wollte sich Hamilkar schon beruhigt zurücklehnen, völlig erstaunt über diese Nettigkeit, doch bevor er derartige Gedanken überhaupt entfalten konnte, verkündete der Tiberier munter. "Du wirst dann heute eben etwas länger arbeiten müssen. Die Zeit hier im Officium gönn ich dir gern." Hamilkar zog eine Augenbraue hoch: "Und... und was wirst du machen?". Lepidus war schon fast wieder zur Tür herausspaziert, ehe er sich belustigt umwandte: "Ich? Was ich mache? Ich bespreche mich jetzt noch mit den anderen Quattuorviri und dann gehe ich wahrscheinlich nach Hause. Es war schließlich ein anstrengender Tag!" Und Weg war. Hamilkar hatte jetzt schon Rückenschmerzen und seine Schreibhand tat ihm ebenso weh. Mit einem leichten Seufzer blickte er auf die bisherige Arbeit, die eine Übersicht über die großen Straßen Roms aufwies, während er langsam realisierte, dass er hier wohl noch ewig rumhängen würde, um auch noch den Rest hinter sich zu bringen...