Bei so vielen bösen Worten musste der Tiberier wirklich aufpassen, dass ihm sein Essen nicht gleich wieder hochkam. Zum Glück hatte er einen wohltrainierten Magen. Jemanden hier vor sich zu haben, der nicht einmal ansatzweise daran interessiert zu sein schien, das Bild des Vesculariers für die Geschichte so entstellend wie möglich darzustellen, machte ihn mehr als misstrauisch. So richtig wollte ihm das Ganze nicht einleuchten. Als zuteifst Betroffener ohnehin nicht. "Sehr warme Worte für diese Gestalt, die unser Reich so verunkelte. Ich muss zugeben, dass ich von einem, der gar das Schwert gegen dieses Individuum erhob, einen anderen Ton erwartet hätte." Vergleiche erübrigten sich nach der Ansicht des Tiberiers. Der Duccier schien wie aus der Vogelperspektive auf all diese Sachen zu blicken, ohne ein eigenes Interesse oder dem Weg der Geschichte eine gewisse Richtung verleihen zu wollen. Aber darauf, ob der Usurpator nun ein Herrscher 'wie jeder andere' war, darauf wollte der Tiberier sich nun wahrlich nicht einlassen. Für ihn gab es keine zwei Meinungen und die offensichtliche Präsenz einer solchen zweiten Meinung musste ihn zwangsläufig zu Ignoranz führen. Somit beließ er es bei einem abschließenden Kommentar. "Was wir als rechtmäßig empfinden ist einerlei. Was allerdings die Götter darüber denken, haben sie in der Art des Ablebens des Usurpators deutlich gemacht. Meine Ansicht ist keine irdische." Aus diesen Worten konnte nun klug werden, wer wollte.
Etwas gequält sah Lepidus zum neuen Gang und den dargebotenen Meeresfrüchten. Sie galten ihm gleichsam als Zeichen sich vielleicht lieber auf die kulinarischen Wohltaten, denn auf die umanfangreichen politischen Debatte zu stürtzen. Wohl musste er jene zu einem Ende führen, denn viel Bewegung oder gar neue Erkenntnisse waren hier nicht hervorzuzaubern, ganz zu schweigen von einem wachsenden Unwohlsein im Bezug darauf, dass der Peiniger der Patrizier und seiner selbst im Speziellen hier als ach so gewöhnlich galt. Nun gut, wenn man vielleicht davon absah, dass sich der Tiberier nun ein deutlich besseres Bild vom 'Politiker' Duccius Vala machen konnte, was in der Tat neue Erkenntnisse zutage förderte. "Oh, hier liegt keineswegs ein Missverständnis vor. Selbstverständlich sprach ich von einem zukünftigen Ereignis und das entstehende Szenario ist hypothetisch. Dass du und andere jetzt keinen Handlungsbedarf habt, das verwundert mich keineswegs." Als wenn auch nur ein Plebejer für einen Patrizier einen Finger krum machen würde. "Aber denkt an meine Worte wenn es erst einmal soweit ist." Mehr blieb dem nicht hinzuzufügen.
So langsam fragte sich der Tiberier allerdings, welche Absicht der Duccier nun genau hatte, als er ihn auf seine Insel bestellte. Im Grunde hätte er wohl auch mit jedem anderen über Politik sprechen können. Was der Aedil überhaupt von seiner Anwesenheit hatte, konnte er bislang kaum ahnen. Bisher hatte er wohl Freude, seiner Schwester schöne Augen zu machen, doch von ihrer Anwesenheit konnte er bei Aussprache der Einladung im Grunde noch nichts wissen. Somit wartete Lepidus irgendwie noch auf den Höhepunkt der Unterhaltung. Nicht, dass er hier bereits blind in eine Art "Einschläferungstaktik" gerannt war. Nicht nur sprichwörtlich verfiel der Tiberier in Schlaf, sondern musste sich inzwischen auch mächtig zurückhalten, wenn er das Bedürfnis verspürte zu Gähnen. Ob der stolze Patrizier mit Meeresfrüchten bei Laune gehalten werden konnte, blieb dabei völlig offen. Immer wieder suchte er nun auch den Blickkontakt zu seiner Schwester. Sein gleichsam ratloser, wie auch ungeduldiger Blick war für sie sicherlich Spiegelbild seiner Seele genug. Ob sie besser wusste, was sie hier tat? Lepidus musste es ihr fast wünschen.