Seine Schwester sah also fantastisch aus? Sie war eine sanfte Schönheit? Zum Glück waren die Blickte wohl gerade nicht auf den Tiberier gerichtet, sonst wäre sein spöttischer Gesichtsausdruck, trotz leicht vorgehaltener Hand, sicher deutlich zu registrieren gewesen. Doch wer konnte ihnen die Blicke verübeln? Sicher haben diese Plebejer noch nie eine so anmutige Patrizierin wie Lucia gesehen. "Schön dich erneut zu sehen", richtete er erst einmal nur Begrüßung an den frisch eingetretenen Decimer, ehe der Senator von den Wurzeln Roms zu sprechen begann. War es nicht eine vorzügliche Eigenschaft von homo novi ganz besonders dies immer wieder zu betonen, als wenn sie dadurch versuchen müssten, etwas auszugleichen, was ihnen an guter Herkunft fehlte? "Sicher, langweilen sollte man sich doch nun wirklich nicht", sprach er einfach relativ nichtssagend. "In jedem Fall ist es aber eine großartige Chance, die du Decimus gibst." Und diesem wandte er sich nun sogleich zu. "Du kannst dich wahrlich glücklich schätzen ein tirocinium fori bei einem Senator zu absolvieren. Manche mögen es als selbstverständlich ansehen, doch musste ich selbst leider schmerzlich erfahren, dass die großen Hindernisse im Wege stehen können." Nun wechselte er allgemein den Blick mal auf den Duccier, mal auf den Decimer, ganz selten zu seiner Schwester. "Während des Bürgerkrieges war ich in Rom und wie ihr euch vorstellen könnt, war es nicht einfach dort zu leben unter den stetigen Schmähungen, die gegenüber die Patrizier allgemein und gegenüber meiner Verwandtschaft im Speziellen stattgefunden haben. Wie gern wäre ich auch ein Tiro gewesen, doch ich wollte mich nicht zu einem Komplizen der Unrechtsherrschaft machen lassen und wem konnte man schon vertrauen? Gleichsam konnte ich in dieser Zeit kaum Kontakte aufbauen, die mir in der direkten Nachkriegszeit ein tirocinium fori ermöglich hätten. Von daher möchte ich nur zum Ausdruck bringen, dass euer Tiro-Senator-Verhältnis wahrlich ein Geschenk ist, welches man besonders in diesen Zeiten sehr wertschätzen muss." Damit war die 'armer geschundener Patrizier'-Geschichte auch gleich wieder unter die nächsten Leute gebracht. Man sollte schließlich nicht so schnell vergessen und wenn man auch noch halbwegs in Erinnerung behielt, was Lepidus doch für ach so schreckliche Opfer gebracht hatte, dann war ihm das natürlich mehr als recht.
Beiträge von Lucius Tiberius Lepidus
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"Keine Ahnung, vielleicht hat er einfach Spaß daran oder schätzt die einfache Arbeit des einfache Mannes", antwortete Lepidus nachdem Aquila entschwunden war auf die Frage nach der Ertüchtigung des Decimers. "Ich kenne ihn vom Forum Romanum. Ich erzählte dir ja, dass ich dort den Duccier bei seiner Wahlkampfveranstaltung traf. Er hat dann den Decimus zu mir geschickt, um dieses Treffen vorzubereiten. Ob er mit Flaminia verwandt ist? Vielleicht sollten wir ihn das gleich einmal fragen." Da kam Aquila auch schon zurückstolziert mit den guten Botschaften, dass der Schal gerettet war. Den Göttern sei Dank. Wo es hingehen sollte? Mit den von Lucia vorgeschlagenen unbekannten Flecken und interessanten Geschichten konnte sich der Tiberier durchaus anfreunden, wobei er aber noch hinzufügte: "Als jemand, der dem Cultus sehr nahe ist, würde ich mich natürlich sehr dafür interessieren, ob es hier irgendwelche Heiligtümer zu bewundern gibt? Seien es Schreine oder vielleicht ein kleines Templum." Vielleicht blieb ja dann sogar noch Zeit für ein kleines Gebet oder eine kleine Opferung. "Sag Decimus, wir haben uns gefragt, ob du näher mit einer Decima Flaminia oder Decima Calena verwandt bist?", rollte er dann gleich einmal das von seiner Schwester angebrachte Thema auf. "Beide haben vor kurzem noch in Achaia gelebt und sind gemeinsam mit unserem entfernten Verwandten Aulus Tiberius Verus nach Rom zurückgekehrt, welcher der Ehemann jener Calena ist."
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Eher zufällig wurde Lepidus, der sich gerade aufgemacht hatte, das Forum zu verlassen, Zeuge dieses interessanten Schauspiels. Normalerweise mochte er diese provisorischen Auftritte nicht, weil er es sich doch lieber in einem 'richtigen' Theater bequem machte. Doch anstatt einfach weiterzugehen, wurde er durch das Thema, welches sich ihm nun darbot, dann doch dazu bewegt sich das Stück ein wenig anzusehen. Immerhin hatten sich auch schon einige Bürger zusammengefunden. Kriegsgeschichten erfreuten sich doch immer großer Beliebtheit und allein der Auftakt versprach schon Balsam auf die bürgerkriegsgeplagte Römerseele zu streichen.
Was folgte war ein recht beeindruckendes Schauspiel - mehr als Lepidus am Rande des Forums vermutete hätte. Ohne den Hergang der Schlacht tatsächlich zu kennen, fragte Lepidus allerdings seinen Nebenmann "Ich muss ja zugeben, dass ich vom Militär bisher noch nicht allzu viel verstehe, aber ist ein Praefectus Castrorum normalerweise wirklich so sehr im Getümmel involviert, dass er weit vorne um einen Adler kämpfen kann?" Der Zuschauer, an den sich Lepidus wandte, winkte nur ab. "Klar! Kann bestimmt passieren, wenns brenzlig wird! Und außerdem muss man das Schauspiel ja auch etwas symbolisch nehmen!" So zurechtgewiesen, aufgrund seiner offensichtlich dummen Frage, verstummte der Tiberier dann doch wieder recht schnell.
Letztlich war das ganze ja überaus unterhaltsam und anschaulich - eine schöne Geschichte, auch wenn natürlich gerade zum Schluss die Intention offensichtlich wurde. Hier wurde Wahlkampf für den Decimer gemacht. Nunja, falls man es als 'Wahlkampf' bezeichnen konnte. Denn am 'Abend vor der Wahl' war es wohl kaum möglich, dass diejenigen einfachen Bürger, die dadurch jetzt noch überzeugt wurden, zu ihren Patronen liefen, diese wiederum zu ihren Patronen usw. bis sie womöglich einen Senator überzeugt hatten, dem Decimer seine Stimme zu geben. Selbst für den Tiberier selbst wäre es wohl schwierige gewesen, seinem senatorischen Patron jetzt noch von diesem Mann zu überzeugen. Logistisch hielt das Leidus für recht problematisch. Aber vielleicht war ja sogar ein Senator selbst unter den Anwesenden? Lepidus hielt Ausschau, konnte aber vorerst nichts erkennen. Im Vergleich zum Rest der Bevölkerung war es ja schließlich auch eine verschwindend kleine Zahl.
Aber naja, auch wenn es wohl klar war, dass dieser Wahlkampf auf der Straße überhaupt nichts brachte, wenn es ohnehin nur darum ging, eine Handvoll Senatoren zu überzeugen, so waren Schauspiele und Brotverteilungen wohl wenigstens noch nützlich für das Volk. Ohne einen großen Effekt auf die Wahl selbst zu haben, konnten sie wenigstens noch einen anderen Zweck erfüllen. Andere Formen des Wahlkampfes, wie diese ewigen Schmierereien an den Wänden brachten dagegen sicher weder was für das Volk, noch für den Kandidaten. Lepidus würde wohl nie verstehen, wie dies dazu führen soll, dass ein Senator seine Stimme dem dort erwähnten Kandidaten verleiht.
Da sich der Decimer jedoch offensichtlich um Rom verdient gemacht, nach allem, was Lepidus bisher hörte, auch nicht wie manch andere in seiner Familie einen falschen Weg beschritten hatte und dieses Stück über den Adler von Septimanca darüber hinaus wenigstens eine wirklich kreative Form war, auf sich aufmerksam zu machen, fühlte sich Lepidus auch durchaus überzeugt. Da Lepidus jedoch kein Senator war, war das nun ziemlich wertlos. In irgendeiner anderen Welt hätte der Anwärter auf das Consulat seine Stimme erhalten. Nun gut, vielleicht konnte er ja bis Morgen doch noch den Namen des Decimus Livianus gegenüber einem Senator positiv erwähnen. Dann war diese ganze Veranstaltung hier wahlkämpferisch vielleicht doch nicht ganz so sinnlos. Möge Concordia wieder lächeln.
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"Senator Duccius", begrüßte auch Lepidus den Gastgeber und blickte in dessen nachdenkliches Gesicht, der aber nichts Besonderes daran erkennen konnte, so dass er sich sogleich den angebotenen Klinen zuwandte. Auf so einer einsamen Insel rechnete er nicht unbedingt damit, stets und ständig auf fröhliche Mienen zu stoßen, wie es seine eigene vortrefflich bewies. Dabei war der Tiberier inzwischen deutlich besser anzusehen. Die bleiche Gesichtsfarbe, die ihm noch direkt nach der Ankunft anhaftete war inzwischen verschwunden. "Ich hatte das Vergnügen mir ein bisschen Schlaf zu gönnen. Dies und der nette Spaziergang mit meiner Schwester, bei der wir auf deinen überaus tüchtigen Tiro Decimus trafen, haben mir die Erholung sehr leicht gemacht."
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Lepidus versuchte die Reaktionen seines Gegenübers genau zu studieren, doch bisher blieb sein Bild von ihm höchst indifferent. "Wir haben kaum eine Wahl und deshalb werde ich für jede Möglichkeit streiten, diese Fußstapfen Schritt für Schritt zu begehen. Wille und Ziel sind bereits determiniert, nur die Zukunft mit dem Wege ist noch ungewiss und verschwommen. Mit deiner Unterstützung würdest du diesen Nebel etwas lichten und dies wird von meiner Person aus sicher nicht allzu schnell vergessen." Lepidus rechnete bereits damit, dass er dem Senator natürlich in Zukunft Hilfe zusichern würde, sollte es denn einmal eine entsprechende Situation geben, welche diese erforderte. Dies war wohl das mindeste, was er vorerst anbieten konnte, als noch junger Einsteiger in den Cursus Honorum.
Die wohlwollenden Worte, die der Flavier für Ahala hatte, quittierte der Tiberier mit einem nicken. Möge er behütet zurück nach Rom kommen, aber womöglich hielten ihn gerade jene Götter fern, die der Flavier in dem Moment beschwor. Wer wusste das schon so genau?Zum ersten nahm der Tiberier nun eine Regung des Flaviers wahr, die seiner Ansicht nach, nicht ganz zur gestellten Frage oder zur Situation überhaupt passte. Was verkroch sich die Lippe unter den Zähnen? Was tanzten seine Augen nach links und nach rechts? War hinter dem Tiberier ein unangemessen gekleideter Sklave aufgetaucht? Ein unerwarteter Verwandter? Lepidus wandte seinen Kopf nicht um, hielt stattdessen den Gracchen fest im Blick. Die Worte, die er für Durus fand, waren sehr positiv, sehr schön. Nicht anders hatte er es erwartet. Nur waren die Worte nur allzu emotionslos gewählt, was in Anbetracht der Tatsache, dass Flavius zuvor bereits beschwor, ihn nicht wahrhaftig gekannt zu haben, wohl für Lepidus nicht weiter zur Verwunderung anregen musste. Doch ein gewisser Zweifel an der Situation verblieb. Er konnte nicht ahnen, dass er ein recht unangenehmes Kapitel mit der stetigen Erwähnung dieses einen Namens immer wieder aufs Neue aufschlug. Durus, Durus, Durus. "Hab Dank für diese Worte. Alles, was ich über ihn erfahre, formt wieder ein Bild vor mein geistiges Auge. Sicher werde ich auch noch mit vielen anderen über ihn sprechen, wobei seine ehemalige Factio, die Veneta, sicherlich ein guter Ort ist, um wieder ein wenig mehr über ihn zu erfahren." Dass Lepidus hier bereits in einem Punkt nicht in den Fußstapfen des Consulars wandelte und stattdessen einer anderer Factio den Vorzug gegeben hatte, konnte er getrost verschweigen. Gracchus schien ihm kaum jemand zu sein, der sich für so etwas interessierte und darüber hinaus hätte es nur das schöne Bild vom Tiberier, der seinem großen Vorbild nacheiferte, zerstört. "Sag, Senator Flavius, wie hast du es geschafft, die Zeit des Bürgerkrieges zu überstehen? Es waren schließlich keine leichten Zeiten für uns." Und mit uns meinte auch Lepidus vorrangig die Patrizier. Für wen waren denn diese Zeiten wohl noch schwerer? "Ich bin froh, dass es trotz des großen Blutzolls noch Vertreter so edler Geschlechter geschafft haben zu überleben und nun für einen Neuanfang in Rom bereitstehen. Ich nehme an, jeder hat seine eigene Geschichte aus diesen Tagen mitgenommen. Wie lautete deine?" Vielleicht war Lepidus intuitiv vom Thema Durus abgewichen, was dem Flavier womöglich entlastete, allerdings kam der Tiberier wohl erst durch jenes überhaupt dort hin. Seine Neugier konnte er indes nicht verbergen. Sein Patron Aurelius hätte ihm sicher erzählt, wenn der Flavier mit ihm zusammen gegen Vescularius gekämpft hätte, also musste er wohl zu den Verbannten gehören oder zu jenen die einfach so abgetaucht waren. Gleichsam hoffte der Tiberier wohl sich durch diese Frage unterschwellig noch mehr die Gemeinsamkeiten zwischen ihm und dem Gracchen wach zu rufen. Männer, die gemeinsam zu leiden hatten, Männer, die ganz ähnliche Erfahrungen geteilt hatten, im Bewusstsein, dass es für gewisse Zeit eine römische Welt gab, die sie offen verstoßen hatte.
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...'solange er gewissen Maßstäben der Treue folgt'. Eine Formulierung in Bezug auf Opportunismus, die man sich erst einmal auf der Zunge zergehen lassen musste. Viele hätten das sicher sehr schnell als Widerspruch charakterisiert, doch in den Ohren eines politisch wahrlich flexiblen vorteilssuchenden Patriziers war dies sogar eine höchst logische Aussage. "Es freut mich zu hören, dass du das so siehst. Wollen wir hoffen, dass meine Bekanntschaft nicht ebenso einem gewissen Größenwahn verfällt. Doch deine Warnung wird mir da gewiss die nötige Vorsicht abringen, um mich dem dann notfalls noch rechtzeitig entziehen zu können, ohne Schaden zu nehmen." Der Iulier wirkte derzeit noch relativ unverdächtig, eines Tages auf eine solche Spur zu kommen. Doch wahrscheinlich waren gerade diejenigen, von denen man es nicht auf Anhieb vermutete, die allerschlimmsten. "Indes möchte ich dir den Namen gar nicht verheimlichen, wohlwissend, dass du ihn auch bereits kennst. Es handelt sich um Marcus Iulius Dives, den du wohl einst in Ostia unter nicht ganz so glücklichen Umständen kennengelernt hast." Dieses - nunja - 'Geheule', welches der Iulier vor kurzem noch in den Thermen über seinen Patron verbreitete, klang dem Tiberier noch gut in den Ohren. Manchmal brauchte man wohl einfach ein dickeres Fell, als ein Wolf. "Er kandidiert ebenfalls für das Viginitivirat und auch, wenn ich dich womöglich kaum davon überzeugen kann, ihm seine Stimme zu geben, so kann ich dich vielleicht wenigstens darum bitten, es ihm im Senat nicht allzu schwer zu machen." Dass dies Lupus dann auch tatsächlich - aufgrund welcher Motivation auch immer - nicht tun würde, konnte der Iulier wohl schon als Erfolg verbuchen. "Er scheint einer den wenigen zu sein, die in ihrer Familie herausstechen. Betrachtet man seine Leistungen und seinen scharfen Verstand, so könnte man schnell auf die Idee kommen, dass er nicht so recht in diese plebejischen Iulier passt und doch fast eher bei den Caesares aufgehoben wäre. Lediglich das Schicksal hat es wohl anders gewollt. Ich denke, ich habe in ihn nicht den schlechtesten Verbündeten und du kannst meiner Prognose Glauben schenken, wenn ich dir sage, dass er unter der Senatorenschaft in einem atemberaubenden Tempo bekannt und beliebt sein wird. Nicht zuletzt versprach er mir gleich selbst seine guten Kontakte zu nutzen, um meine Wahl zu befördern, dem ich nur allzu bereitwillig zustimmen konnte." Vielleicht war dies auch eine kleine Anregung für den Aurelier seine Meinung über Dives ein wenig zu korrigieren, auch wenn er seinen Patron nicht für den gnädigsten hielt, der früher wahrgenommene Verfehlungen eines Menschen - berechtigt oder nicht - so leicht vergessen würde.
"Aber entschuldige, falls ich etwas weit abgeschweift bin. Ich denke, wir hatten unseren Ausgangspunkt noch bei den Factiones. Gibt es da noch etwas zu besprechen oder etwas, was ich im Hinblick auf die munera noch für dich tun kann?" Lepidus musste sich selbst erst einmal wieder ordnen. Über Aquila und die Kooperation, die er mit diesem in der Aurata einging, waren sie wohl etwas intensiver ins Gespräch über einzelne Gentes und Bürgerkriegsverhältnisse geraten.
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"Gute Gesellschaft, die darüber hinaus auch noch als Reiseführer behilflich sein kann, könnten wir sicher gut gebrauchen", sprach der Tiberier eher wohlwollend, als wirklich ernsthaft davon überzeugt, dass es auf dieser Insel tatsächlich etwas zu entdecken gab. Aber da konnte man sich ja überraschen lassen. In jedem Fall würde es den Spaziergang wohl etwas auflockern. "Wir können hier gern kurz auf dich warten, bis du wieder in trockenen Kleidern bist." Trockene Tücher... trockene Kleider - was für ein Wahnsinnswitz. Dafür dass er mir solch einem imposanten Humor brillierte, konnte sich der Tiberier wohl nur selbst auf die Schulter klopfen.
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Als Lepidus den Weg ins Triclinium beschritt, konnte er eine gewisse mürrische Grundstimmung nicht ganz verbergen. Er vermisste sein geliebtes Rom nun doch schon allzu sehr und dies trotz der kurzen Zeit, die er bisher auf dieser Insel verbrachte. Allerdings kam ihm diese Zeit auch irgendwie deutlich ereignisreicher vor, als er es ursprünglich gedacht hätte. Bis zum eigentlichen Zweck dieser ganzen Reise schien ein klarer Spannungsbogen gezogen zu sein. Umso mehr konnte es der Tiberier nun kaum erwarten, erstens das entsprechend tiefgehende Gespräch mit dem Duccier zu führern, andererseits aber dadurch auch die Zeit so schnell vergehen zu lassen, dass er möglichst bald wieder runter von diesem Felsen kam. In jedem Fall hoffte er, dass das Gespräch keine Langeweile offenlegte, die ihm das ganze hier noch länger vorkommen ließ.
Als er die Räumlichkeit betrat, in der sie nun Essen sollten, konnte es der Tiberier nicht unterlassen, sich selbst immer wieder zu fragen, weshalb er den Senator nicht lieber zu sich eingeladen hätte, um sich größeres zu ersparen und ein wenig mehr Komfort zu genießen. Aber gut. Der Tiberier sah im Grunde ohnehin kaum noch die schlechte Deko oder den Hauch des Provisorischen, den das alles hier in seinen Augen ausstrahlte. Seine Schwester hätte dagegen sicherlich 1000 Vorschläge, wie das alles besser hätte eingerichtet werden können. Auf großes Unterhaltungsprogramm in Form von Musikern oder Schauspielern konnte er hier wohl ebenso kaum Erwartungen setzen. Es würde ihn zumindest sehr überraschen. Wie dem auch sei: Als sie zur Cena antraten, hoffte Lepidus sogleich den Senator zu erblicken oder zumindest den Decimer, der sich tagsüber bereits Sympathiepunkte erarbeiten konnte.
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"Ausgezeichnet", sprach Lepidus in wahrem Überschwang, der sich an der Rennbahn selbst dann entwickeln konnte, wenn überhaupt gar kein richtiges Rennen stattfand. "Ach, Sotion und Pythocles sind..." Der Tiberier stockte und hielt sich selbst noch einmal im Zaum. Fast hätte er gesagt, dass sie nicht mehr wirklich zu gebrauchen wären oder dass er nichts von ihnen hielt. Es gab doch nichts schöneres für einen Verkäufer, als ein Kunde, der seine Ware wirklich nötig hatte. Demzufolge bremste sich der Tiberier noch einmal, hustete zur Überbrückung und sprach lieber "...sind wirklich passable Lenker. Die können sicher noch ein paar Jahre ihren Dienst leisten, aber wir müssen auch noch ein bisschen weiter in die Zukunft schauen, weit genug, dass wir mit der Aurata für lange Zeit einen stabilen Rennstall etablieren und wollen deshalb vor allem mal wieder das ein oder andere jüngere Talent verpflichten." Sein Blick schweifte zum Decimer, als wollte er zu ihm sagen: "Stimmt doch, oder?" Aber das konnte der Kollege sicherlich selbst ganz gut der Sitution entnehmen.
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Ah, doch nicht abgeschmettert. Der Aurelier hatte sich wohl bereits fest vorgenommen auch nur den Anflug einer möglichen Verbindung von Lepidus mit dem Decimer erst einmal mit einer gehörigen Skepsis zu versehen. Abgesehen davon waren einige der entsprechenden Hintergrundinformationen natürlich äußerst nützlich. "Ich selbst kann natürlich nur mit Vorsicht auf einen Decimer blicken, wie du dir sicherlich denken kannst. Allein die viele Verleumdungen gegenüber Durus, die durch den Gardepräfekt Decimus Serapio in der Acta veröffentlich wurden, sind Warnung genug. Seine sogenannten 'Ermittlungen' zeugten leider nur von einer Treue zum Vescularier, die kaum entschuldbar ist. Wer einen Tiberier als Verschwörer und Kaisermörder bezeichnet, der kann unmöglich mit Wohlwollen rechnen. Selbstverständlich bin ich also stets auf der Hut, wenn ich den Namen Decimus vernehme." Diese Klarstellung war sicherlich überflüssig, weil nur allzu offensichtlich. Immerhin teilten die Tiberier die Last der Beschuldigungen und willkürlichen Hausdurchsuchungen ebenso wie die Aurelier. Nur dass die Tiberier auch noch einen prominenten Todesfall zu verzeichnen hatten. Eine Verschleppung einer Patrizierin, sei es auch mit einem "Beinahe-Herumgereiche" unter den Soldaten konnte es damit kaum aufnehmen, weshalb Lepidus zwar ein anteilsvolles Gesicht machte, aber mehr dazu auch nicht. "Du magst demzufolge auch mit deiner eigenen kritischen Sicht auf die Decimer recht haben und ich teile diese weitestgehend, allerdings halte ich den Umgang mit Decimus Aquila nach wie vor für sinnvoll. Bisher ist mir nur seine Nähe zu Decimus Livianus bekannt, jemanden der, wie du selbst sagtest, ein früher Gegner des Usurpators war. Es wird sich zeigen, wie sehr er noch zu jener Verwandtschaft steht, die sich weitaus mehr hat zu Schulden kommen lassen. Bis dahin bin ich pragmatisch und suche weder enge Verflechtung noch feindselige Distanz." Das trug der Tiberier ebenso nüchtern vor. Mehr Feinde konnte er für den Moment ohnehin nicht gebrauchen und er glaubte auch nicht, dass die Stellung der Decimer nachhaltig geschädigt sein würde. Ihr Ansehen würden sie wohl langfristig auch jenseits dieser Wunden, die geschlagen wurden, behalten. "Ich suche mir meine Freunde in jedem Fall sehr genau aus, was mich an sich gleich dazu führt, zu fragen, wie du es denn mit anderen Gentes hältst, die sich durch ihre Anhängerschaft zum Usurpator in Verruf gebracht haben? Zweifellos gibt es dort Leute, die man meiden sollte, wenn man beispielsweise an die Iulier denkt, die von der Herrschaft des Vesculariers sehr profitiert haben. Ich betrachte jene mit teilweise Abscheu und Argwohn, doch immerhin pflege ich zumindest zu einem iulischen Abkömmling ein sehr gutes Verhältnis, der sich der Nähe zum Vescularier zumindest im Rahme seiner Möglichkeiten weitgehend entziehen konnte. Sollte deine Missbilligung enger Verflechtungen die Iulier womöglich ebenso treffen wie dies bei den Decimern der Fall ist, so müsste ich dich hier wohl davon überzeugen, dass ein 'vernünftiges Miteinander' mit Einzelnen zumindest möglich ist." Lepidus war recht gespannt, ob die vorher getätigten Aussagen auch andere Gentes umfassen könnten. Gerade seine Verbindung zu einem Iulier könnte demnach doch einmal wieder zu einem echten Streitthema werden. Allerdings lagen die Fälle ja durchaus anders, wenn es um Decimer und Iulier ging, so zumindest die Einschätzung des Tiberiers.
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Genervt vom stetigen auf- und abtauchen des Iuliers, der doch zumindest während so wichtiger Unterredungen dann doch ein wenig bei der Sache bleiben sollte, wollte der Tiberier seinen Gedanken fast schon wieder fallenlassen, dem Iulier ein interessantes Angebot bezüglich der Factiones zu machen. Doch letztlich nutzte es auch nichts, dass der Tiberier es nicht fallen ließ, denn dafür sorgte der Iulier nun selbst. Ach, immer diese schrecklichen Termine. Wahrlich allein das zeitliche Dilemma konnte einem schon zu Verstimmung verleiten, doch der Tiberier verbarg jene hinter einem leichten "Hmpf", während er seinem Gegenüber gleichsam Glück wünschte. "Mach das Beste aus deiner Kandidatur, guter Freund. Doch ich bin mir sicher, dass weder du noch ich, die drückenden Daumen von irgendjemandem nötig haben." Aber zumindest mit ein wenig Neugier wollte er den Iulier dann doch noch hinfort schicken. "Beim nächsten Mal können wir dann gern auch noch intensiver über unsere Factio-Beziehungen sprechen. Ich habe da ein interessantes Anliegen, welches dir und deiner Veneta sicher sehr entgegenkommen wird. Vale bene." Lepidus blieb unterdessen zurück. Nun konnte er selbst noch das ein oder andere Mal abtauchen. So richtig Kraft an diesem Tage noch irgendetwas anderes anzugehen, hatte er nicht mehr wirklich.
Sim-Off: Immer diese Hektik. Lepidus steht ohnehin schon kurz davor als antikes Beispiel für das Burnout-Syndrom in die Geschichte einzugehen. Jetzt wird Dives zur Strafe wohl noch viel Geduld aufbringen müssen, bis er hören darf, was Lepidus noch zur Factio oder vielleicht auch zum 'aurelischen Wolf' zu sagen hat.
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Selbstverständlich kam eine solche Frage. Sie war naheliegend und wohl die Grundlage dessen, dass sich jemand überhaupt ein Bild vom Tiberier machen konnte. Doch allzu ausschweifend, wie in seiner später noch zu haltenden Rede wollte er nicht werden. Das wichtigste ließ sich wohl präzise zusammenfassen. "Ich hatte in meinem Leben nie einen anderen Fokus, als denjenigen, eines Tages den Cursus Honorum zu bestreiten. Ich fühle mich allein kraft meines Standes und meiner verdienten Verwandten bereits prädestiniert diese Laufbahn einzuschlagen. Persönlich habe ich neben einer guten Bildung, die ich mitbringe, ein großes Pflichtgefühl gegenüber den Göttern - etwas, was ich bei so manchem vermisse, der in der Vergangenheit politische Ämter bekleidete. Ich selbst habe mich in der Vergangenheit als Aedituus im Iuppiter-Tempel auf dem Capitol verdient gemacht und werde wohl auch bald vom Kaiser persönlich für das Collegium Pontificum vorgeschlagen." Zur These der Einheit von Religion und Politik, die eigentlich keine war, weil sie im Selbstverständnis der meisten Römer etwas gar zu natürliches war, sollte er im Senat noch zu sprechen kommen. Es waren durchaus Zeiten, in denen das eine mit dem anderen nicht mehr in Einklang gebracht wurde. "Letztlich verschweige ich dir jedoch auch nicht, dass es mir auch im Besonderen um die Wiederherstellung des Ansehens meiner Familie geht. Mit dem Tod von Durus drohte der Name der Tiberia in Bedeutungslosigkeit zu versinken. Ein Zustand, den ich als unnatürlich empfinde und den ich durch meinen Einsatz für Rom beenden möchte." Natürlich klang so etwas gleichsam edelmütig, doch Lepidus wusste letztlich ganz genau, dass es am Ende nur um sein eigenes Ansehen, seinen eigenen Ruf und seinen eigenen Einfluss ging.
Bei all den Namen, die der Flavier erwähnte, hätte einem geradezu schwer ums Herz werden können. Die meisten dieser Tiberier waren Tod oder Verschollen. Viel ist nicht übrig geblieben. In der Tat setzte auch Lepidus eine schwermütige Miene auf, die diesem Faktum angemessen war, während in seinem Inneren sich nur bedingt ein Gefühl regte. "Ahala ist derzeit nicht aufzufinden. Den letzten Stand erhielt ich von meinem Patron. Dieser bat Ahala einst dessen Cousinen von Mantua nach Rom zu führen. Leider ist seit dem viel Zeit vergangen und es folgte keine Nachricht. Ich bin in großer Sorge, um seinen Verbleib." Zumindest etwas Heuchelei musste in Bezug auf seinen Vetter stattfinden, aber damit wollte er das Thema auch gleich schnell begraben wissen. Lepidus wusste schließlich genau, dass dessen Auftauchen in Rom vieles schwieriger machen würde. Es gäbe wohl einige Verteilungskämpfe zu schlagen und je länger dies dauerte, desto besser konnte Lepidus seine Position in Rom festigen.
Dass Gracchus von Durus nicht als einen Freund sprach, sondern als jemandem, der lediglich in Anbetracht ihrer Laufbahnen öfter einmal seinen Lebensweg schnitt, sollte für Lepidus erst einmal nicht weiter enttäuschend klingen. Er kam ja gänzlich ohne Erwartungen hierher. Dennoch war das Schicksal des einzigen Consulars seiner Gens natürlich auf eine besondere Art und Weise interessant. "Du musst wissen, dass mein Vetter Durus ein besonderes Vorbild für mich ist. Seiner Einstellung und seinem Wirken möchte ich nacheifern. Letztlich möchte ich seinem Beispiel folgen, wenn ich in den Cursus Honorum eintrete und ich möchte mich ähnlich verdient machen, wie er es einst tat." In dieser Schwärmerei dachte der Tiberier natürlich, dass Gracchus seinen Verwandten auf eine ganz ähnliche Weise schätzen würde und es demzufolge nur positiv sein konnte, sich an diesem Beispiel zu orientieren. Dass er damit in Gracchus Augen einem Verräter folgen und damit womöglich selbst die Anlage zum Verrat in sich tragen würde, das alles konnte er kaum ahnen, weshalb er sich auch relativ naiv weiter nach Durus erkundigte. "Auch wenn ihr euch wahrscheinlich nicht ganz so nah standet, so wüsste ich dennoch gern, was für ein Mensch Durus war. Ich kenne alle seine Ämter, seine politischen Verdienste, doch ich weiß im Grunde nur wenig über seine Persönlichkeit. Wie trat er auf? Was war ihm eigen? Welchen Eindruck hast du von ihm gewonnen?"
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Die Expertise um sie herum, war natürlich kaum zu überhören. Gerade als Lepidus sprach, dass sie wohl noch herausfinden müssten, welcher Name denn zu welchem Lenker gehörte, bot sich auch schon eine Gelegenheit. Lepidus deutete auf Männer in ihrer Nähe, die das Training sehr fachspezifisch kommentierten und diskutierten, damit Aquila sich ihnen gleichsam zuwenden konnte. Lepidus schritt auf sie zu und begrüßte sie. "Salvete, meine Herren. Es war mir kaum möglich eure Gespräche über die Lenker zu überhören. Ich und mein Kollege hier sind von der Factio Aurata und wollten fragen, ob ihr nicht ein paar Informationen zu den dort trainierenden Wagenlenkern für uns habt? Ihr scheint euch ja recht gut auszukennen."
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Sehr gut. Auf den zwischenmenschlichen Kontakt mit einem Lenker konnte Lepidus dann erst einmal verzichten, wenn der Decimer sich darum kümmerte. Und wann waren es ja noch nicht einmal tolle Gewinnertypen, die seine Aufmerksamkeit bisher verdient gehabt hätten. Als Name auf einem Blatt Papier mochte er sie dann doch schon mehr, zumal ein Blatt Papier nicht so schmutzig war. "Ich hab doch hier irgendwo schonmal Belege und Haushaltsaufstellungen gesehen..." Er kramte wieder in dem Papier. Inzwischen war es auf dem Schreibtisch schon recht unordentlich geworden. Einige davon waren schon recht alt, doch der Tiberier versuchte die aktuellste herauszufinden. Er blickte auf die entsprechende Unterlage, machte ein paar Mal einige "Aha"- und "Hmm"-Geräusche, während er die Zahlen durchging, bis er Aquila die nette Botschaft übermitteln konnte. "Hier liegt noch einiges im Argen. Ich werde wohl demnächst eine neue Finanzaufstellung anfertigen, aber wenn ich das hier richtig sehe, dann befindet sich in unserer Factio-Kasse noch eine Rücklage in der Höhe von etwa 8000 Sesterzen. Damit lässt sich schon was machen. Das reicht sicher, um neue Lenker zu verpflichten und..." er ließ seinen Blick wieder durch die Räumlichkeiten schweifen. "...für die ein oder andere Pflanze, um unseren Domus zu verschönern." Lepidus lächelte. "Nun, Decimus. Ich denke, damit haben wir erst einmal das Wichtigste besprochen. Du siehst die unsere Lenker noch einmal an, während ich in Erfahrung bringe, wie es um den bisherigen Princeps steht. Wir treffen uns dann demnächst, um gemeinsam neue Lenker in Augenschein zu nehmen." Damit konnten sie sich verabschieden. Lange würde ihr nächstes Treffen ja nicht auf sich warten lassen.
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In der Tat waren es sehr melancholische Töne, die hier angeschlagen wurden. Lepidus selbst machte natürlich auch ein sehr ernstes schweres Gesicht. Nicht nur weil es der Situation wohl angemessen war, sondern, weil es ja durchaus Vertrauen schaffte, wenn man sein Gegenüber spiegelte, in diesem Fall natürlich den Consular Quarto. "Leider sind meine Kenntnisse tatsächlich stärker theoretischer Natur. Auch wenn ich das ein oder andere Mal eine Rechtsberatung gab und mich in der Scholae gern mit den Gesetzen auseinandersetzte, so war es mir noch nicht vergönnt, an einem Prozess als Akteur aufzutreten. Allerdings wirft auch hier wieder die Vergangenheit ihren langen Schatten auf unsere Gegenwart, denn in den Jahren der Unrechts-Herrschaft schien sich unsere Justiz mehr durch die Organisation von Schauprozessen auszuzeichnen, die nicht dem Finden der Wahrheit dienten. Ich hätte Iustitia gespottet, wenn ich an einem solchen Prozess teilgenommen hätte, wo doch das Ergebnis stets bereits feststand und meine praktischen Kenntnisse hätten davon ebenso wenig profitiert." Da musste er wohl sicher nicht noch extra den Prozess gegen Vincicius Lucianus erwähnen, der ein bloßer Witz war. Überhaupt geisterte das Schicksal dieses Mannes an jenem Tage durch die Curia Iulia. Darüber hinaus war der Vescularier für seine Günstlingspolitik bekannt und da konnte man sehr leicht zu dem Schluss gelangen, dass die unter ihm ernannten Praetoren nicht unbedingt dafür bekannt sein mussten, die Justiz auf eine gerechte Art und Weise zu gestalten. "Da aber ein bestandener Cursus Iuris, anders als beispielsweise für das Amt des Praetors, keine gesetzliche Voraussetzung für das Viginitivirat im Allgemeinen und den Tresviri capitales im Speziellen ist, so denke ich, dass ich über sehr gute - wenn auch vor allem theoretische - Voraussetzungen verfüge, die es mir leichter machen werden in das mögliche Amt einzusteigen, als es womöglich bei Kandidaten der Fall ist, die diese theoretischen Kenntnisse nicht mitbringen." Lepidus glaubte nicht, dass es unbedingt Standard bei früheren Kandidaturen war, dass man dieses Wissen in das Amt mit einbrachte, von daher hoffte er, den Senatoren schon etwas Neues bieten zu können. Allerdings war er sich sehr wohl bewusst, dass dies zwar ein netter Bonus war, den er da hatte, aber wahrscheinlich auch nicht mehr. Andernfalls wäre der Cursus Iuris sicher gesetzlich für dieses Amt festgeschrieben worden. Da dem nicht so war, konnten die Senatoren sicher auch mit Leuten leben, die keinerlei Erfahrung mit dem Recht hatten, weshalb das alles für Lepidus nicht nur vorteilhaft sein musste.
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Ein Rennen mit etwa drei Factiones musste nun tatsächlich nichts schlimmes sein. Es konnten eben nicht alle zu jeder Zeit teilnehmen und bei der langen Inaktivität, die einige Factiones vorzuweisen hatten, war es auch vielleicht nicht so wahrscheinlich, dass noch viele Anhänger übrigblieben, die dann den Spielen fernbleiben würden. Von daher konnte der Tiberier das Gesagte nur mit einem Nicken quittieren. Der nächste Punkt war sehr hilfreich für den Aufbau der Aurata. "Ich denke, es ist eine vernünftige Entscheidung. Wohl ist es sicherlich in deines Vetters Interesse, dass die Aurata weiterhin handlungsfähig ist und in der Tat: Sollte er eines Tages zurückkehren und mit seiner ganzen Erfahrung die Factio erneut leiten wollen, so hätte er dabei meine vollste Unterstützung." Das ging in der Tat alles reibungsloser, als es der Tiberier erwartet hätte. Über den nächsten Punkt war er allerdings durchaus überrascht. Den Namen des Decimers hatte er mehr nebenbei in seinem Bericht erwähnt. Doch so gedankenlos, wie er in letzter Zeit mit selbigem verkehrte, konnte Lepidus natürlich nun wie Schuppen von den Augen fallen, dass seine Verbindung zu jenem womöglich gewisse Schwierigkeiten mit sich brachte.
"In der Tat, sein Name ist Marcus Decimus Aquila und wir hatten bisher nur am Rande miteinander zu tun." Als Freund konnte er den Decimer sicherlich (noch) nicht bezeichnen, auch wenn Lepidus dem sehr tüchtig wirkenden Mann schon einiges abgewinnen konnte. In Anbetracht der misstrauisch wirkenden Nachfrage nach ihm, hätte Lepidus auch tunlichst vermieden ein solches Wort an dieser Stelle zu verwenden. Letztlich war es aber auch wahrheitsgemäß so, dass der Decimer und er lediglich geschäftlich bei der Aurata und im Prinzip ebenso geschäftlich beim Treffen mit dem Duccier zu tun hatten. "Er ist in etwa in meinem Alter und wie so viele Decimer in der Vergangenheit, so ist auch er ein Mitglied der Aurata, weshalb wir zwangsläufig miteinander zu tun haben. Ich kannte ihn allerdings schon vor der Aurata. Er ist nämlich der Tiro des Senators Duccius Vala, mit dem ich vor nicht allzu langer Zeit ein Treffen hatte, wie ich dir einst mitteilte." Damit hatte der Tiberier mit den wesentlichen Informationen herausgerückt, allerdings vermied er Nachfrage á la "Weshalb fragst du?" oder "Was ist mit ihm?". Lepidus wollte das ganze lieber nüchtern herunterspielen und keine große Sache daraus machen. -
Sehr erleichtert registrierte der Tiberier, dass seine Rede offenbar ein wenig Gefallen fand. Ob die Zustimmung des Conular Flavius etwas mit seinen Gespräch mit Gracchus zu tun hatte, konnte er in diesem Augenblick noch nicht erahnen. Umso schöner natürlich, wenn ein Senator sich allein durch die Rede eine Meinung bilden konnte und nicht durch ewiges Abtasten im Vorfeld bereits bearbeitet wurde. So blieben die Worte innerhalb des Senates nicht nur bloße Formalität. Auch über die Worte seines Patrons freute er sich selbstverständlich. Lepidus war sich wohl bewusst, dass er einiges aus ihren Absprachen nicht erwähnte. Dies traf teilweise auf Hinweise des Aureliers zu, die der Tiberier schlicht als nicht notwendig erachtete, während andere Dinge durch seine Verunsicherung durch die Halsschmerzen unter den Tisch fielen.
Nun aber musste er wirklich wieder aufmerksam sein, denn ein greiser Senator sollte sich erheben und ihm tatsächlich eine Frage stellen. Wohl wussten nur die Götter, wie lange dieser Mann schon auf diesen Bänken saß, von denen er sich nun mühsam erhoben hatte. Nach dem anfänglichen Lob, war Tiberius sichtlich irritiert, dass der Mann nun über seinen Patron sprach und dass so umfangreich, dass er gar nicht wusste, ob sich Lupus nun selbst für irgendetwas zu rechtfertigen hatte. Lepidus beschloss es bei einer kurzen offensichtlichen, ja geradezu banalen Bemerkung zu belassen, obwohl er sich diese im Grunde auch hätte sparen können, da es ja keine direkte Frage an ihn gab. "Mein hochgeschätzter Patron ist ein Mitglied des Senats und hat den Teil des Cursus Honorum bereits durchlaufen, der für meine Person noch vor mir liegt. An der Tatsache, dass es ihm möglich ist, einen Einsteiger wie mich mit seiner Erfahrung zu lehren, sehe ich deshalb wenig Zweifel." Ohnehin wusste er nicht so recht, welche politischen Großtaten erwartet wurden. Auch im Kriege war der politische Verstand stets gefragt und im Kriege hatte sich Lupus schließlich verdient gemacht, was aber wohl allgemein bekannt war. Leider war es ja darüber hinaus auch nicht für jeden möglich, einen Consular als Patron zu haben. Dass jemand der zum Senator Roms geworden war, trotz seiner relativ kurzen Zeit im Senat, ihn dennoch viel lehren konnte, das verstand sich seiner Ansicht nach von selbst. Nun kam er aber zur eigentlich Frage, die ohnehin wohl deutlich wichtiger war als der Seitenhieb, der mit den vorherigen Worten offensichtlich erfolgte. Er musste sich zuvor räuspern. Auch die folgenden längeren Worte gingen nicht ohne eine hin und wieder stattfindende temporäre Befreiung vom Kratzen im Halse einher.
"Das ist korrekt, ich blieb in Rom. Ob es schwer war, den Frieden der Götter zu erbitten, während wir sahen, dass sie sich von uns abwandten? Nein, das war es nicht! Denn wenn wir die Gunst der Götter verlieren, so kann die Antwort nicht lauten, dass wir uns gleichsam von ihnen abwenden. Wie viel mehr Chaos wäre entstanden, wie lange hätte der Krieg wohl noch angehalten, wenn wir uns nicht aufgemacht hätten, die Gunst der Götter wiederzuerlangen? Verlassen hatten sie uns vielleicht, doch wir haben geschafft, dass sie zu uns zurückkehrten und dafür waren auch Anstrengungen derjenigen notwendig, die hier in Rom verblieben. Ich selbst hatte nie zu befürchten, dass ich dem Unrecht diene, denn ich diente einzig den Göttern. Und ja, ich kann dich mit deinen Worten nur bestätigen. Es waren schwere Zeiten für uns alle, ob wir blieben oder gingen. Während meine Person sich stetiger Schikanierungen hier in Rom aussetzen lassen musste, hatten diejenigen, die verbannt wurden oder auf militärischem Wege gegen den Usurpator zu Felde zogen oder ein völlig anderes verworrenes Schicksal ereilte, wiederum andere Bürden auf sich zu nehmen - ganz zu schweigen von denen, die für Rom gestorben sind. Ich stelle mein Schicksal nicht als fürchterlicher dar, als dasjenige von anderen. Bewusst wählte ich in meiner Rede deshalb auch das 'Wir', um die kollektiven Anstrengungen zu unterstreichen, die nötig waren, um diese schweren Zeiten zu überwinden. Mein bescheidener Anteil war es jedoch, das Heim der göttlichen Trias zu pflegen und die Götter zu ehren und ich weiß heute mehr denn je, dass ich gut daran tat."
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Wieder hatte er ein wenig mehr über seinen Patron erfahren. Die Idee eine Ehe mit einer Etuskerin einzugehen, war in seiner Position naheliegend. "Meinen Glückwunsch zum Amt des Haruspex Primus", sprach der Tiberier schmeichlerisch, denn diese Nachricht hatte ihn noch nicht erreicht, auch wenn sich diese Entwicklung sicherlich abzeichnete.
Zufrieden war Lepidus vor allem darüber, dass er seine Entscheidung für die Tresviri capitales keinerlei Rechtfertigung mehr bedurfte. Er hatte sich bereits auf ein erneutes kleines Wortgefecht eingestellt, welches sicherlich ähnlich verlaufen wäre, wie einst jenes über die Auguren und die Haruspices. Wenn er dieses Amt als zu unwürdig empfunden hätte, hätte er Lepidus sicherlich zu einem anderen gedrängt. Die Abmachung, die er mit seinem iulischen Freunde traf, wäre dann auch hinüber. Für einen Augenblick dachte er auch noch darüber nach, ob er Dives nun noch einmal erwähnen sollte, um vielleicht doch noch die aurelische Zustimmung zu dessen Kandidatur zu erhalten. Doch in Anbetracht des Themenwechsels und der bisher noch recht guten Stimmung des Gespräch, wollte er diese nicht unnötig nach unten ziehen, zumal Dives in seinen Ausführungen so ziemlich alles getan hatte, dieses Unternehmen als praktisch unmöglich zu verklären. So blieb Lepidus in dieser Hinsicht stumm und ging ebenfalls zu den Factiones über.
"Richtig, ich erwähnte meine bisherigen Fortschritte bei den Factiones. Von der Aurata konnte ich mir inzwischen selbst ein Bild machen und bin zuversichtlich, dass sie an den Spielen teilnehmen wird. Bei der Veneta kann man ähnliches sagen. Die restlichen Factiones, bei denen ich anfragen sollte, scheinen derzeit noch nicht wieder richtig zu laufen", wiederholte er so einigermaßen Grob den Inhalt seines Zwischenberichts und ließ Platz für die Fragen, die der Aurelier eventuell dazu hatte.
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Amüsiert folgte der Tiberier der besonderen Szenerie. Wenn er so abwechselnd auf den Retter des Schals und die Männer sah, die mit dem Boot hantierten, dann konnte er sich nicht des Gedankens verwehren, dass seine Schwester durch den Verlust eines Accessoires ziemlich viel Chaos angerichtet hatte. Was für ein amüsantes Schauspiel, welches das Zwerchfell des Tiberiers in Bewegung hielt. Als er den Mann näherkommen sah, der so heldenhaft den Schal aus dem Wasser trug, staunte Lepidus nicht schlecht, als er in ihm bereits eine bekannt Person identifizierte. Völlig durchnässt kam er immer näher und Lepidus klatschte drei Mal langsam in die Hände und lächelte dabei. "Decimus", sprach er zu ihm "Du bist der Held des Tages. Einen weiteren Verlust hätte meine Schwester, Tiberia Lucia - wie ich offiziell vorstellen darf - sicherlich nicht mehr verkraftet. Unser Dank ist dir gewiss." Speziell des Tiberiers Dank, denn er musste sich dann ja das Gejammer anhören und auch noch einen neuen Schal bezahlen. Ungewiss, wie er mit dem begossenen Pudel von einem Decima umgehen sollte, legte er ihm erst einmal das Natürlichste nahe. "Möchtest du dich vielleicht erst einmal etwas trocknen und neue Sachen anziehen? Ich würde mich freuen, wenn du uns Gesellschaft leisten könntest, falls das nicht heute Abend zur Cena ohnehin vorgesehen ist?" Bei dieser Einladung aus Höflichkeit missachtete der Tiberier mögliche Verpflichtungen, die der Decimer gegenüber den Fischern dort haben könnte. Gemeine Arbeit sollte doch nun wirklich kein Hinderungsgrund sein. Überhaupt würde Lepidus auf solch eine Idee wohl nicht von alleine kommen.
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Da Lepidus meinte, den Consular Purgitius schon ein wenig zu kennen - zumindest gut genug, um ihn so einzuschätzen, dass er ein recht pragmatischer und aufgeräumter Senator war - hielt er es für sehr ratsam, ihn mit seinen Unterstützungswunsch per Post zu konfrontieren. Gerade weil der Senator recht pragmatisch wirkte, dachte sich Lepidus, dass dieser wahrscheinlich eher kein Freund davon war, dass ihm etliche Kandidaten kurz vor der Wahl die Bude einrannten und immer annähernd die gleichen Gespräche mit ihm führten. Da hielt es Lepidus für durchaus dezenter und rücksichtsvoller, den verdienten Consular nur mit einem Brief zu behelligen, zumal der Senator ihn ja ohnehin schon ein wenig kannte, so dass eine komplett neue Vorstellung gar nicht nötig war. Des Weiteren hatte Lepidus den ehemaligen Ehemann seiner verstorbenen Cousine Albina ja ohnehin das ein oder andere Mal postalisch über seinen Werdegang informiert. So brachte dann letztlich auch ein Sklave einen Brief zur Casa Purgitia.
Ad
Spurius Purgitius Macer
Casa Purgitia
RomaEhrenwerter Consular Purgitius,
ich hoffe, es ist dir in der vergangenen Zeit gut ergangen und dass du das Ende des Krieges ebenso glücklich aufgenommen hast wie ich. Rom scheint zwar langsam, aber dafür sehr stetig, wieder in den Alltag zurückzukehren. Dafür können wir wohl alle sehr dankbar sein. Ich selbst bin im Übrigen immer noch sehr fleißig als Aedituus des Capitolinischen Tempels tätig. Mit Freude kann ich dir auch berichten, dass es mir möglich war, eine Audienz bei unserem neuen und einzig wahren Kaiser erhalten zu haben, der mich - zu meinem großen Glück - sogleich in den Ordo Senatorius erhob.
Wie du dich erinnern kannst, so lagen meine persönlichen Wünsche stets im Beschreiten einer politischen Laufbahn, so wie es viele meiner Verwandten bereits zu frühere Zeiten vorgemacht haben. Nachdem ich das offizielle Gutheißen des Kaisers bekam, kümmerte ich mich umgehend um eine Kandidatur für das Viginitivirat. Dies ist auch der Grund, weshalb ich dir nun schreibe, denn ich würde mich sehr freuen, mit deiner Unterstützung zu rechnen. Als jemand, der mich in den schweren Zeiten der vescularischen Herrschaft so freundlich aufnahm und mir den Weg wies, liegt mir an deinem Wohlwollen natürlich besonders viel. Ich denke, ich habe dir in unseren Unterredungen keinen Anlass gegeben, an meinem Pflichtbewusstsein zu zweifeln und letztlich möchte ich mich vor allem im Namen derer verdient machen, die in meiner Familie in nicht allzu ferner Vergangenheit verstorben sind. Ich denke auch an deine Frau und meine Cousine Albina, wenn ich vor den Senat trete. Ich hoffe, dass ich ihrem Andenken gerecht werden kann.
In jedem Fall würde ich mich freuen, wenn du deine Ohren ganz besonders spitzt, wenn ich meine Rede im Senat halten werde. Sie wird hoffentlich deine Erwartungen, die du als erfahrener Mann an einen Kandidaten hast, vollständig erfüllen. Ich möchte dir zum Schluss auch noch einen weiteren Mann nahelegen, der ebenfalls für das Viginitivirat kandidiert. Es handelt sich um meinen geschätzten Freund, Marcus Iulius Dives, einem sehr intelligenten Mann, der sich bisher um die Civitas Ostia verdient gemacht hat, wo er mehrfach zum Duumvir gewählt wurde. Ich bin überzeugt, ihn zu unterstützen wäre zum Wohle Roms. Es lohnt sich sicherlich mit besonderem Interesse auf ihn zu achten, sobald sein Name im Senat aufgerufen wird.
Soweit verbleibe ich und hoffe auf deine wohlwollende Unterstützung.
Vale bene,
Lucius Tiberius Lepidus