Beiträge von Lucius Tiberius Lepidus

    Wohl mit ein paar mehr Hintergedanken, aber an sich auch noch mit keiner festgelegten Verhaltensweise, betrat Lepidus das Officium des Gracchus. "Salve, Senator Flavius", entgegnete er auf eine respektvolle und höffliche Art, während er den angebotenen Sitzplatz gerne annahm und es sich bequem machte. Er verzichtete auf umständliche Danksagungen für diese Chance für diesen Termin. Seine Dankbarkeit würde er vielleicht noch genug äußern, wenn das Gespräch tatsächlich so verlief, wie er es sich vorstellte. "Er ist erst seit einigen Monaten mein Patron. Trotz dieser verhältnismäßig kurzen Zeit ist es jedoch bereits eine sehr fruchtbare Verbindung, wie ich anfügen darf." Das wohl nur um ein wenig in das Gespräch hineinzukommen. "Ich weiß nicht, wie viel Senator Aurelius bereits in seiner Ankündigung verriet, aber falls du diesbezüglich noch nicht ins Bild gesetzt wurdest, sage ich dir gern, dass ich heute einerseits in der Absicht zu dir gekommen bin, um deine Unterstützung für meine Kandidatur zum Viginitivirat zu erbitten." Eigentlich hasste Tiberius dieses 'Klinken putzen'. Da kam nun ein Kandidat 'rein zufällig' durch Verbindungen über sechs Ecken zu einem Senator und erflehte seine Stimme im Senat. Eine merkwürdige Sitte, die die Authentizität eines jeden Gesprächs leiden ließ und dafür sorgte, dass der Beigeschmack des Künstlichen sich auch nie übertünchen ließ. Doch leider konnte sich auch Lepidus dem nicht entziehen. Zum Glück gab es vielleicht auch noch andere Gesprächsthemen. "Andererseits bin ich auch in persönlicher Hinsicht zu dir gekommen, um die Verbindungen, die es zwischen Tiberiern und Flaviern zweifellos gab, wieder zu pflegen." Der Tiberier hielt einen Augenblick inne, nachdem er relativ formal seine Intentionen für dieses Gespräch darlegte. Doch er wusste, dass er auch aus anderen Gründen hergekommen war. Gründe, die sich nicht so leicht hinter Phrasen verstecken ließen und so fügte er noch an. "Falls möglich, so würde ich mich auch sehr darüber freuen, etwas über diejenigen meiner Verwandten zu erfahren, die du noch das Glück hattest zu kennen, während mir selbst dies bedauerlicherweise verwehrt wurde..." Lepidus hatte hier durchaus mehr etwas Allgemeines im Sinne. Von der genauen Art der 'Freundschaft' zu Durus konnte er schließlich kaum etwas wissen. Stattdessen war es für ihn einfach nur klar, dass ein gestandener älterer Senator durchaus noch den ein oder anderen Tiberier gekannt haben musste - den Wichtigsten und Populärsten wohl ohnehin.

    So kam denn auch am nächsten Tag der Tiberier zur flavischen Villa auf dem Quirinal. Natürlich nicht ohne die Häuslichkeit darauf zu prüfen, ob sie der tiberischen an Glanz und Eindruck übertraf. Während er sich damit noch beschäftigte, wurde sein erscheinen bereits an der Porta angekündigt. "Lucius Tiberius Lepidus ist eingetroffen hat einen Termin mit dem Senator Flavius Gracchus."

    Da war er... der Aufruf. Da der Tiberier nicht gerade am Anfang der alphabetischen Liste des Consuls stand, musste Lepidus sich eine Weile gedulden, bis er an die Reihe kam. Im Moment seines Aufrufs begann das Herz höher zu schlagen, der Puls verhielt sich unruhig, die Hände wurden schweißig. Als er sich zur Rede anschickte, konnte er kaum noch wahrnehmen, was um ihn herum geschah, stattdessen ging ihm erneut durch den Kopf, dass sich sein Hals am Morgen etwas rau angefühlt hatte. Da war er nun umgeben, von all diesen Männern, die bereits gestandene Persönlichkeiten waren, denen das Feld der Politik zur alltäglichen Praxis geworden war. In diesen Hallen konnte man sich nur klein fühlen. Wo war der arrogante und selbstsichere Patrizier? Wo war das herablassende gebaren? All das Unbekümmerte seines Charakters? Nichts davon blieb übrig in Anbetracht der hohen Herren, die alle über ihm standen. Ja, es war dem Tiberier nun einmal schon immer eigen, dass er gern rücksichtslos und ohne Kompromisse gegenüber denen auftrat, die unter ihm standen, doch wenn er mit Menschen sprach, die auch nur ein paar Stufen über ihm standen, so blieb fast nur noch reine Unterwerfung übrig. Diesmal konzentrierte sich dies auch noch durch eine große Masse dieser Leute in einem einzigen Raum. Was würde ihn davon abhalten, hier völlig unterzugehen und all seine Schwächen freimütig zu offenbaren? Dies konnte nur die einzige Macht, die über allem anderen stand: Die Macht der Götter! "Minerva, steh mir bei!", sprach er in sich hinein und erinnerte sich an das Opfer, welches er ihr speziell für diesen Augenblick darbrachte. In seiner Vorstellungswelt sah er auch Tiberinus, wie er all seine Sorgen in einem gewaltigen Strom hinwegspülte und Iuppiter und Iuno blickten auf ihn herab, wie ein sorgenvolles Ehepaar, um ihren Schützling zu stützen. Es gab nur eines, was ihm die Unsicherheit gegenüber den Senatoren nehmen konnte: Es waren die Götter, die er an seiner Seite wusste, als er seine ersten Worte innerhalb des Senates sprach.


    "Patres conscripti! Es ist mir eine große Ehre in diesem würdevollen Ort zu euch sprechen zu dürfen." Erhobenen Kinns stand der Tiberier da, in seiner prächtigen weißen toga candida, die er so stolz war anzuziehen und die er am Morgen unzählige Male hatte richten lassen, ohne dass ihm das Ergebnis letztlich wirklich gefiel. "Mein Name ist Lucius Tiberius Lepidus und einige von euch werden sich sicherlich noch einige meiner Verwandten erinnern, die einst ebenfalls hier in diesen Hallen tagten. Sei dies mein Onkel, der Senator Publius Tiberius Maximus oder mein ehrwürdiger Vetter, der Consular Manius Tiberius Durus. Es ist jene Tradition von Tiberiern, die mich heute hierher geführt hat und mich den Einstieg in den Cursus Honorum suchen lässt. Ich möchte in die Fußstapfen derer treten, die großes für Rom geleistet haben und die stets zum Wohle des Reichs bereit waren selbst ihr eigenes Leben zu geben..." Dies konnte natürlich auf unterschiedliche Weise verstanden werden, wie der Tiberier sich dachte. Je nachdem, wie man es hören wollte, betonte es einfach nur schlicht die Aufopferungsbereitschaft der Tiberier oder spielte in gewissermaßen auf den immer noch recht ungeklärten Tod des Tiberius Durus an. "Doch was vermag ich in das Amt einzubringen, außer verwandtschaftlichen Referenzen? Nachdem ich in Achaia meine grundlegende Ausbildung genoss und nach Rom zurückkehrte, trieb mich auch immer wieder meine Wissbegierde in die Schola Atheniensis, wo mir für besondere Leistungen bei der Absolvierung des Cursus de rebus vulgaribus sowie für die Absolvierung eines höherstufigen Continuus jeweils eine Diploma verliehen wurde. Auch verstehe ich mich in Rechtsangelegenheiten, welche ich durch den Cursus Iuris nachweisen kann. Darüber hinaus diente ich den Göttern in vielfacher Hinsicht. Erwähnenswert ist meine Mitgliedschaft in der Societas Claudiana et Iuliana sowie meine inzwischen langjährige Tätigkeit als Aedtiuus unserer heiligsten Stätte, dem Tempel des Iuppiter Optimus Maximus. Meine Referenzen für meine Fähigkeit zur sorgsamen Organisation sind durch diverse Prozessionen und Privatopfer sowie dem ersten großen Staatsopfer, welches unser großartiger und einzig wahrer Imperator leitete, hinreichend dokumentiert." Mögen Divus Augustus und Apollon sich des Tiberiers erinnern, als er ihnen einen besonderen Ehrentag bereitete. Besonders Apollon sollte doch den ein oder anderen Pfeil auf eventuelle Zweifel der Senatoren abfeuern, auf dass sie sich in Luft auflösten. Soll sich auch Iuppiter an das kürzlich stattgefundene Staatsopfer erinnern. Auch wenn er einige der Senatoren nicht bei diesem Staatsopfer gesehen hatte, so glaubte der Tiberier dennoch, sich mit seiner pietas hervortun zu können. "Nicht zuletzt habe ich durch meinen Patron, den Senator Sextus Aurelius Lupus, sehr viel über die Politik lernen können und mir eine sehr gute Vorbereitung auf den Einstieg in den Cursus Honorum bieten können. Die politische Laufbahn ist ohnehin die natürliche Tätigkeit meines Standes und insbesondere meiner Familie. Meine bisherige religiöse Beschäftigung mag dafür nur zuträglich sein, denn..." Ein lautes räuspern erfüllte den Senat, das Kratzen in des Tiberiers Hals erwies sich in der Tat als sehr hinderlich für eine so lange Rede. Und dies auch noch gerade dann, als die Pointe kommen sollte! Schändlich diese Schwäche. Ach, hätte er doch wirklich Apollon noch um Gesundheit gebeten, ging es ihm erneut durch den Kopf, nachdem er schon bei Tagesanbruch darüber sinnierte... Doch es musste natürlich weitergehen und so setzte er mit der Wiederholung des 'denn' wieder ein. "...denn der politische Dienst für Rom und der Dienst an den Göttern gehören untrennbar zusammen! Nur in der stetigen Ehrung des Göttlichen, der Wahrung der Pax Deorum und der gleichsamen Erfüllung der politischen Aufgaben kann Rom weiter wachsen und gedeihen..." Wieder räusperte sich Lepidus für einen etwas längeren Moment. Sogar ein leichtes Husten war zu vernehmen. Oh, wie er alle Menschen in diesem Augenblick verachtete, seien es die Senatoren, die in ihrem Hören der Rede gestört wurden, seien es die vielen anderen Kandidaten, die ihre Rede aus einem Guss und fehlerfrei halten konnten. Wie erbärmlich waren seine Unterbrechungen der Rede nun! Vielleicht wandelte der Tiberier aufgrund dessen seine Rede etwas stärker ab, als geplant und schlug einen Ton an, der etwas patriotischer war, sehr stark auf den Bürgerkrieg Bezug nahm und stellenweise noch persönlicher wurde: "Denn wir sahen alle, welches Unheil Menschen anrichteten, die sich als Feinde der Götter herausstellen und sich gleichsam als politische Führer gerieren! Welches unbeschreibliche Leid musste Rom erdulden? Trotz der Gefahr, die meiner Familie in Rom drohte, trotz all der Schrecken, die durch Vescularius Usurpator verbreitet wurden, blieb ich in Rom und pflegte die heilige Stätte der Trias als einfacher Aedituus und opferte den Göttern, damit sie Gerechtigkeit walten ließen! Als Patrizier war es meine Pflicht Vorbild für andere zu sein und den Göttern zu bezeugen, dass Rom nicht aus Frevlern besteht, wie diesem niederträchtigen Usurpator! Wir mussten alle viel unternehmen, große Anstrengungen walten lassen, uns mutig gegen den Kriegstreiber stellen und die Pax Deorum wiederherstellen. So führten die Götter dem Usurpator der gerechten Strafe zu!" Verdammt wurde er durch sie, wie es auch in Rom kursierte. Damit hoffte, der Tiberier Empfehlungen seines Patrons gefolgt zu sein und seinen Verbleib in Rom angemessen thematisiert sowie die Notwendigkeit aufgezeigt zu haben, weshalb gerade Männer wie er mit ausreichend pietes in diesen Zeiten Ämter innerhalb des Cursus Honorum bekleiden sollten.


    "Somit möchte ich es ganz so handhaben, wie mein verstorbener Vetter, Tiberius Durus, der es verstand sich hingebungsvoll den Göttern zu widmen und gleichsam jedes Amt innerhalb des Cursus Honorum mit großem Pflichtgefühl zu bekleiden. Meine Präferenz liegt bei den Tresviri capitales, weil ich durch meine Beschäftigungen mit Strafangelegenheiten während des Cursus Iuris dafür gewisse Qualitäten mitbringe. Allerdings werde ich selbstverständlich in Achtung der Weisheit des Senats ebenso jedes andere Amt mit größter Motivation bekleiden" Ob er sich nun lieber für die Tresviri capitales entscheiden sollte oder doch eher für die Decemviri, darüber hatte er sich lange den Kopf zerbrochen. Doch letztlich war es wohl tatsächlich die bessere Entscheidung, sich in dieser Frage klar zu positionieren, wie ihm dies auch ein guter Freund riet.


    Nun war es tatsächlich geschafft. Nicht ganz einwandfrei und etwas anders, als es Lepidus geplant hatte, aber immerhin lag die Sache nun hinter ihm. Egal, was nun passierte, der Anfang war gemacht. "Werte Senatoren. Ich danke, dass ihr mir zugehört habt."

    "Nein, das geht so nicht... Noch einmal, noch einmal... Schlag die Falte doch einmal richtig!", hörte man aus dem Cubiculum des Tiberis hören, der gerade damit beschäftigt war, sich unter der Beihilfe einiger Sklaven die Toga candida anzulegen. Lepidus war an diesem Morgen höchst gereizt. In der vergangenen Nacht konnte er kaum die Ruhe finden, die er benötigte, um in wirklich entspannter Art in seine wohl bisher größte Herausforderung zu gehen. Auch fühlte er, dass sein Hals etwas gereizt war. Er hoffte, dass er seine Stimme in den vergangenen Tagen bei den Proben nicht überstrapaziert hatte oder dass er gerade in diesem Augenblick krank wurde. Das wäre doch nun wirklich der schlimmste anzunehmende Unfall und darüber hinaus auch noch großes Pech. Vielleicht hätte er Apollon noch ein Opfer für Gesundheit darbringen sollen? Verdammt, nun war es zu spät


    So kam es, dass bei der Ankleidung am Morgen auch seinem ganzen Ärger noch einmal Luft gemacht wurde. Beim Anlegen der Toga wurden eigentlich keine Fehler gemacht, doch der Tiberier fand hier und da stetig einen neuen Vorwand, alles noch einmal von vorne zu machen. Wie nervig doch all dieser Trubel war. Wie unqualifiziert er seine Sklaven plötzlich fand. Das alles grenzte doch an Sabotage.


    Während der Ankleidung sprach er seine vorbereitete Rede erneut vor, versuchte ein wenig auf seine Stimme zu achten und hoffte, dass er sich das alles halbwegs gut merken würde, denn natürlich war eine freie Rede immer etwas imposanter als eine bereits vorgefertigte herunterzulesen. Zufrieden blieb er bis zuletzt nicht und irgendwann gab er es auch schlicht auf. "Verdammt nochmal, es war das Vigintivirat!", sprach er dann in sich selbst hinein, damit er sich nicht aufführte, als wenn er bereits für das Consulat kandidieren würde. Er musste doch nun wahrlich die Rhetorik nicht völlig neu erfinden, um Eindruck zu schinden. Dennoch half ihm auch diese Einsicht nicht unbedingt weiter. Er würde wohl erst bei Abschluss der Wahl wieder einigermaßen Ruhe finden. Zuvor blieb es einfach eine Angelegenheit, die die Nerven vollkommen überstrapazierte. Mit etwas mürrischer Miene verließ er dann letztlich das Haus und ließ sich zur Curia bringen. Ach, wäre doch dieser Tag schon gelaufen...

    Hätte die ganze Sache nicht irgendeinen ernsten Kern, man hätte sie für äußerst belustigend halten können. Aurelius hatte den Iulier in den Cacer werfen lassen? Was für eine Komödie. Dass sein Patron es faustdick hinter den Ohren hatte, das wusste er ja bereits, nun hatte er ein weiteres nettes Indiz dafür. "Aber Dives, ich hatte ja keine Ahnung. Das ist natürlich auch eine nette Art jemanden kennezulernen. Aber um das noch einmal festzustellen: Wirklich ganz ohne Grund? Gibt es nichts, was ihn eventuell dazu veranlasst haben könnte?", fragte er misstrauisch nach. "Allerdings scheint es natürlich ein wenig offensichtlich, dass man gegenüber einem Iulier in diesen Zeiten besondere Vorsicht walten lassen musste. Auch wenn ich mich selbst natürlich stets dafür verbürgen würde, dass du kein Befürworter des vescularischen Regimes warst, so konnte jemand wie Senator Aurelius, der gerade frisch in der Stadt einmarschiert war, es sich natürlich nicht leisten unvorsichtig zu sein - gerade wegen deiner verwandtschaftlichen Beziehungen." Zumindest war dies die logischste Erklärung, die der Tiberier parat hatte. Dies und die Tatsache, dass sein Patron einen gewissen Sinn für Humor hatte.


    "Letztlich gebe ich dir natürlich Recht. Man muss mit einer klaren Haltung auftreten, auch wenn es am Ende wahrscheinlich sowieso nicht das Amt wird, wofür man sich bewirbt. Ich hätte immerhin logische Gründe vorzubringen, weshalb ich für die Tresviri Capitales geeignet wäre. Ich denke da nur an meinen absolvierten Cursus Iuris, bei dem ich vorwiegend mit Strafgesetzen zu tun hatte. Aber die Tresviri monetales kommen für mich nicht in Frage. Dies ist einfach eine Gefühlssache." Eigentlich war es die berühmte Stimme aus dem Off, da ihm irgendetwas sagte, dass es wohl nicht allzu spannend sein konnte ein Münzmeister zu sein - Den Patriziern vorbehalten hin oder her. Er wollte in seinem möglichen Amtsjahr schließlich auch irgendetwas Sinnvolles unternehmen. Abgesehen davon war er ja auch erst seit kurzem im Ordo Senatorius, was vielleicht auch ein Faktor war, weshalb man ihn nicht für die prestigeträchtigsten Ämter vorsehen würde. In jedem Fall musste er sich wohl erst einmal auf das Streben nach den Tresviri capitales einlassen. Wenn er anschließend in ein anderes Kollegium bestimmt werden würde, sollte ihm das ebenso recht sein.


    "Meinen herzlichen Glückwunsch auch dafür", entgegnete er auf die Meldung sein guter Freund sei nun Vicarius der Veneta. "In der Tat liegst du auf der richtigen Spur. Mein Patron bat mich die Factio der Aurata zu sanieren, die im Moment noch etwas brach liegt. Ich kann nicht leugnen, dass ich das als edle Aufgabe ansehe." Wo käme man denn auch hin, wenn ein Factiosterben einsetzen würde, was langfristig spannende Wettkämpfe unmöglich machen würde. Auf den folgenden Kommentar konnte er das Kopfschütteln des Dives nur erwidern. Diese Einschätzung glich durchaus einer Anmaßung, die er im bisher wohlwolligen Ton ihres Gesprächs so gar nicht erwartet hätte. "Falls du andeuten möchtest, dass mich mein geschätzter Patron mit Hilfe meines verstorbenen Verwandten instrumentalisieren möchte, dann habe ich dafür nur ein müdes Lächeln übrig. Sicher, die Tiberii haben eine gewisse Tradition mit der Veneta. Aber seien wir doch einmal nüchtern: Es sind Factiones und es geht um Wagenrennen. Ich sehe das nicht allzu starr. Schön wäre es zweifellos gewesen, mit dir gemeinsam und mit all den großartigen Mitgliedern der Veneta wirken zu können, doch mein Patron hat mir hier eine andere Möglichkeit eröffnet, die ich nicht weniger spannend finde. Letztlich muss man auch sagen: In einem Verhältnis zwischen Patron und Klient hat man nun einmal gewisse Verpflichtungen, die man eingehen muss. Ich bin mir sicher, auch dein Pflichtgefühl hätte dich gepackt, wenn dich dein Patron mit einer ähnlichen Bitte konfrontiert hätte." Dass der Tiberier im Grunde selbst alles eingeleitet hatte, unterschlug er natürlich. Die Strategie war ja nach wie vor es aussehen zu lassen, als hätte der Tiberier gar keine andere Wahl gehabt. Zuletzt konnte er den Iulier noch an seinem eigenen Ehrgefühl packen. Als ob dieser ernsthaft einem Consular widersprochen hätte, wenn dieser ihm eine andere Factio nahegelegt hätte - das konnte sich Lepidus unmöglich vorstellen.

    An einem ruhigen Tage konnte man beobachten, wie Lucius Tiberius Lepidus "seinen" Tempel ablief. Er hatte sich gerade noch zwischen den Säulen bewegt, als er schließlich die Treppen hinabstieg und sich anschickte um das Gebäude herumzulaufen. Er tat es einmal, dann das zweite Mal und schließlich zum dritten und letzten Mal. Drei Mal lief er um die heilige Stätte, bevor er wieder die Stufen hinaufschritt und sich den Cellae der drei Gottheiten gegenübersah. In der Mitte blickte er auf diejenige des Iuppiter, links zu deren Seite betrachtete er diejenige der Iuno, doch letztlich blieb das Angesicht des Tiberiers auf der Cella zu des Iuppiters rechten Seite hängen. Es war diejenige der Minerva, der er sich nun gänzlich zuwandte. Er hatte ein Opfer für die neben Tiberinus wichtigste Stammgöttin der Gens Tiberia anlässlich seiner Kandidatur zum Viginitivirat und der bevorstehenden Rede im Senat geplant.


    Eine Handvoll Sklaven schaffte eine ganze Reihe von unblutigen Opfergaben herbei, die der Tiberier der großen Minerva darbringen würde. Während jene Dienerschaft noch damit beschäftigt war, alles einzurichten, kümmerte sich der Tiberier um seine Reinheit und wusch sich Füße und Hände. Nachdem diese Bereits weitgehend gesäubert waren, ließ er seine Füße drei Mal mit Wasser besprengen und tauchte seine Hände drei Mal in ein Behältnis ein, bevor er sich bereitfand, ein Stück seiner Toga mit der rechten Hand über den Kopf zu ziehen und in die Cella der Minerva hineinzutreten. Ganz nach traditionellen - zu diesem Zeitpunkt bereits etwas archaisch anmutenden - Riten vollführte er den Dreiklang und die ausschließliche Handlung mit der rechten Hand penibel aus. Seine traditionalistische Haltung hätte einem Cato sicherlich geschmeichelt. Jeden anderen hätte sie wahrscheinlich eher belustigt.


    Er ließ sich ein Behältnis mit Weihrauch reichen, nahm ihn mit der rechten Hand auf und streute ihn über die Feuerstelle, wo dieser verglühte und ein sanftes Knistern von sich gab. Er atmete den Geruch des Weihrauchs mit einem tiefen Atemzug ein. Nun würde Ianus die Verbindung zu Minerva herstellen, damit sie seinen Worten Gehör schenken konnte. Der Tiberier hatte ein reiches Tablett herangeschafft, welches voller Gebäck war. Auf diesem Gebäck war überall der Name der Gens Tiberia und der Name der Minerva eingeritzt. Auf einem weiteren Tablett waren Blumen zu sehen, die so angeordnet waren, dass man darauf das Wappen der Tiberii mit dem eigentümlichen Luchs erkennen konnte. Symbolisch verbrannte Lepidus einige der Blüten über der Feuerstelle, bevor einige weitere besondere Votivgeschenke folgten. Ein persönliches Weihegeschenk war eine Toga, die der Tiberier trug, als er sich für das Amt beim Consul bewarb und eine vergoldete quadratische Tafel, auf der ein Bildnis der Minerva eingraviert wurde. Drei Mal hob der Tiberier diese an, präsentierte sie dem Kultbild der Minerva und legte sie wieder ab. Nachdem alles platziert war, streckte Lepidus seine Arme nach oben und setzte zum Gebet an.


    "Oh, Minerva, Hüterin der Weisheit, Göttin des Verstandes, des Denkens und des Erfindens. Oh große Schutzgöttin der Tiberia. Nimm diese Gaben zu deinen Ehren. Ich wende mich an dich zu besonderem Anlass, denn meine Kandidatur für das Viginitivirat ist beschlossen und die Senatoren Roms werden bald meiner Rede lauschen und befinden, ob ich würdig bin, ein Amt des Cursus Honorum zu bekleiden. Es ist der Höhepunkt meines bisherigen noch jungen Lebens und wie sollte ich diese Herausforderung bestehen, wenn nicht durch deine Kraft und deine Weisheit? Seit dem Tage, an dem du meine Ahnen nach Rom schicktest, suchten wir hier unser Glück im Bewusstsein, dass unser Schicksal stets mit dem Wohl und Wehe der Stadt zusammenfallen würde. Nachdem meine Familie so viel Leid durch den Krieg durchlitt, steht sie zum ersten Mal wieder am Beginn eines neuen Weges. Ich möchte diesen Weg bestreiten und meine Ahnen und vor allem auch dich ehren. So gib mir die Kraft, die ich für meine Rede vor dem Senate brauche, lasse meinen Verstand zu Höchstformen auflaufen, wenn ich meine Worte forme, lass mich deinen Erfindungsgeist spüren, der mich in die Lage versetzt eloquent zu reden und zu antworten, auf das die Senatoren meine Worte wahrnehmen und schätzen. Ich weihe dir diese Toga, in der ich mich für das Amt bewarb und die symbolisch für meinen Weg in die Politik steht. Sie wurde nun zum ersten Mal eingetauscht gegen die Toga candida. Nimm auch dieses Geschenk einer Tafel mit deinem Abbild. Der Anblick des edlen Metalls soll dir Freude bereiten und deine Cella verschönern. Zuletzt bitte ich dich: Sorge dafür, dass die Senatoren ein wohliges Gefühl verspüren, wenn sie mich sehen, auf dass sie die Konzentration haben, meinen Worten zu folgen und mich fair beurteilen und mir eine Chance geben, mich zu beweisen. Darum bitte ich dich, oh große Minerva. Mein Dank sei unermesslich. Durch meinen Aufstieg in der Politik wird auch dein Andenken stets gewahrt. Opferung, Stiftung und Ehrung soll dir durch das stetige Anwachsen der Macht und der Mittel der Tiberia zuteilwerden. Dies gelobe ich, so wahr ich hier stehe!"


    Der Tiberier schwieg lang, ging tief in sich mit dem Blick aufs Kultbild der Minverva gerichtet, bevor er sich dann endlich besann und zum Zeichen der Beendigung des Gebetes rechts abging. Ohne ein Opfer hätte sich ein Mann wie er nicht in den Senat gewagt. Zu ausgeprägt war seine pietas bereits, dass er den Göttern diese Huldigung darbieten und um ihre Unterstützung bitten musste, um auch nur ansatzweise ein Gefühl von Sicherheit zu verspüren. Doch dieses Gefühl hin oder her. Er glaubte nicht, dass er ohne die Götter in dieser Stadt je etwas erreichen würde. So schritt er hinaus aus der Cella zu den Stufen des Tempels und blickte vom Capitol auf das wunderschöne Rom - ein Rom, von dem er sicher war, dass es die Gens Tiberia brauchte. Bevor er sich wieder dem Alltag zuwenden konnte, schritt er erneut um den Tempel herum - ganze drei Mal, als hätte er eine Zwangsstörung.

    Eine nette Formulierung, dachte sich der Tiberier, der das jedoch noch etwas anders formulieren musste, wenn es mit dem Rest seiner Rede in Einklang zu bringen war. Des Weiteren wusste er nicht, ob er sich als Wohltäter aufspielen sollte. Immerhin, es war eine schöne Lüge. "Ja, Senator. Eine gute Idee. Ich denke, ich werde versuchen eine Formulierung zu finden, die in etwa in diese Richtung geht." Das Wichtigste war wohl die Subtilität. Denn in dieser Art kam es nicht so rüber, als wenn die Anwesenheit in Rom tatsächlich thematisiert werden würde bzw., dass sie der eigentliche Gegenstand des Gesagten wäre. Stattdessen wirkt es wie eine weitere Betonung der guten Eigenschaften des Lepidus, die gleichsam auch einen Hinweis auf seine Anwesenheit in Rom beinhaltete.


    Die genauen Umstände der flavisch-aurelischen Beziehungen erschlossen sich dem Tiberier zwar noch nicht, doch er wusste sehr wohl rudimentär aus den bisherigen Gesprächen, dass der Aurelier verheiratet war und dass die Herrschaft des Salinator auch dort seine Wunden geschlagen hatte. "Was genau ist denn aus deiner ehemaligen Frau geworden? Hast du sie seit Ende des Krieges wiedergesehen?", fragte er neugierig nach, auch um ein wenig mehr die Beziehungen der Gentes zu verstehen. "Und ist eine neue Ehefrau bereits in Sicht?" Vielleicht wurde es ja auch deshalb gerade akut seine Verhältnisse zu klären. In jedem Fall hätte er natürlich gern als erstes gewusst, wen sein Patron den ehelichen würde. Erstens war es ein netter Tratsch, den er dann wieder mit seiner Schwester führen konnte. Zweitens musste er früh genug erfahren, welche Art von politischen Möglichkeiten sich der Aurelier wohl durch eine erneute Hochzeit zu eröffnen sprach. Interessant war es allemal und auch wenn der Tiberier wohl diesmal noch keine so ausgeprägten Antworten erhalten würde, so konnte er dadurch immerhin sein Interesse bekunden.


    In letzter Zeit sprach fast jeder davon, dass man sich für ein spezielles Amt innerhalb des Viginitivirats bewerben konnte. Sicher war das meist nur ein sprachliches Missverständnis, zu welchem der Aufbau des Vigintivirats sicher einlud. Doch gesetzlich konnte man sich für keines der Einzel-Kollegien bewerben. Das Recht einen Wunsch zu äußern war schon etwas anderes, als sich auf das spezielle Amt direkt zu bewerben. Der Tiberier machte sich aber natürlich um diesen Wunsch Gedanken und würde diesen auch im Senat so vortragen. "Ich habe mir sehr lange Gedanken darum gemacht, für welches Amt ich mich empfehlen möchte. Ich habe beim Consul meine Eignung sowohl für die Tresviri capitales als auch für die Decemviri geäußert, wobei ich den Tresviri nicht nur aus Eignung, sondern auch aus persönlichem Wunsch meinen Vorzug gegeben habe. Ich bin mir bewusst, dass die Arbeit der Decemviri angesehener ist und man ginge wohl fehl, wenn man über mich sagen würde, dass mir dieses Ansehen nicht gut stünde. Im Gegenteil, die Arbeit als Decemvir wäre mir sehr lieb." Die anderen Kollegien schloss er dagegen weniger aufgrund des Ansehens aus, sondern, weil er während seiner einjährigen Amtszeit auch etwas Anspruchsvolles zu tun haben wollte. Die Münzmeister schienen ihm da beispielsweise wenig attraktiv. "Doch ich denke auch ein wenig strategisch, denn ich glaube, dass ein Patrizier, der sich für die Tresviri bewirbt einfach deutlich mehr Eindruck macht. In Anbetracht der Tatsache, dass ich noch recht unbekannt bin und mir den Ordo Senatorius erst erarbeiten musste, glaube ich, dass ich halbwegs etwas Besonderes bieten muss, um meine Wahl sicherzustellen." Ganz abgesehen davon, dass die Tresviri nun nicht gerade unehrenhaft waren. Welches Amt innerhalb des Cursus Honorum war das schon? Er hätte wohl nur mit mehr Standesgenossen zu tun und sicher könnte er auch seine persönlichen Eitelkeiten in einem anderen Amt besser befriedigen, doch all das musste nun einmal zurückstehen, wenn es darum ging, gewählt zu werden und dafür nahm er auch dies in Kauf.

    Wie sein Patron ihm empfahl und auch schon an entsprechender Stelle verkündete, sorgte Lepidus sogleich, dass ein Bote für ihn an der Villa der Flavier einen Termin besorgen sollte. Als ihm geöffnet wurde, sprach er: "Mein Herr und Kandidat für das Vigintivirat, Lucius Tiberius Lepidus, schickt mich. Er bittet vor den anstehenden Wahlen um einen Termin für ein Gespräch mit Senator Flavius Gracchus."

    Ein Glück hatte der Iulier ein gutes Gespür für die richtigen Gesten zur richtigen Zeit, denn ob dem Tiberier ein Schulterklopfen auf seinen nassen Körper so lieb gewesen wäre, konnte man nicht mit Sicherheit sagen. Mit den Ausgerufenen Glückwünschen war er schon sehr geschmeichelt. Die Überraschung wurde natürlich groß, als Dives das Wörtchen 'ebenfalls' sogleich platzierte und die Überraschung wurde noch größer als er dann erfuhr, dass sie sich beide nun zur selben Zeit in den Cursus Honorum wagen würden. "Da habe ich wohl ebenfalls zu gratulieren. Zum einen für die Wahl eines angesehenen Consulars als Patron, zum anderen für deinen Schritt zu kandidieren." Dies war natürlich dennoch ein zweischneidiges Schwert. Einerseits war es wohl klar, dass sich ihre Wege auf dem politischen Feld kreuzen würden und es dort gegebenenfalls auch eine Zusammenarbeit geben würde, doch letztlich bedeutete ein Kandidat mehr auch immer ein wenig mehr Konkurrenz. Es wäre doch sehr bedauerlich, wenn sich Dives und Lepidus gegenseitig den Weg verbauen würden. Doch musste es sin der Tat nicht so weit kommen, worauf er aber erst später zu sprechen kam.


    "Ich glaube im Gegensatz zu dir, dass die Sache dadurch eher einfacher wird. Zwar ist deine Situation derzeit nicht einfach, doch für die Bemühungen, die du in der Lage bist, anzustellen, kann ich gleichsam Bemühungen für deine Person folgen lassen. Ich würde mich sehr freuen, wenn du ein paar lobende Worte gegenüber Consular Vinicius Hungaricus finden würdest, die ihm meine Wahl nahelegen würden. Darüber hinaus halte ich auch einen Brief an deinen Onkel für sehr sinnvoll. Ich habe selbst überlegt, zu ihm zu gehen, da ich ihn vor einer Weile als sehr sympathischen Mann kennenlernte, aber die Zeit ist natürlich sehr knapp." Ein persönliches Treffen oder gar ein Schreiben des Tiberiers persönlich an den Octavier hätte womöglich auch nicht allzu gut ausgesehen. Noch lag die Zeit der Salinator-Herrschaft nicht weit genug zurück. Zwar hat sich der Tiberier immer gewundert, dass das Tirocinium fori, welches er einst bei Victor anstrebte, nicht zustande kam. Im Nachhinein konnte er dem Octavier aber wohl nur dankbar sein, denn dies hätte heute sicherlich unangenehme Fragen aufgeworfen. So verwandelt sich Unglück in Glück. Eine Empfehlung durch Dives, der ja sowieso durch seine verwandtschaftlichen Beziehungen in gewisser Weise an ihn gebunden war, stellte nun wohl auch eine geradezu großartige Lösung dar. Vielleicht war Victor ja ohnehin offen, bestimmte Kontakte zu suchen, um langfristig seinen eigenen Ruf wiederherzustellen. "Im Gegenzug werde ich mich sowohl bei meinen Patron für dich einsetzen, als auch bei meinen restlichen Kontakten. Ich denke da beispielsweise an den Consular Purgitius Macer, zu dem ich immer ein recht gutes Verhältnis hatte. Vielleicht kann ich sogar bei einigen Patriziern für dich werben." Da kam ihm natürlich neben seinem Patron die Verbindung zu den Flaviern in den Sinn, die er doch schon seit geraumer Zeit etwas stärken wollte. Dabei ließ sich das ein oder andere nette Wort sicher noch unterbringen. "Achja, der Name meines Patrons..." Lepidus hatte natürlich selbst auch keine Ahnung, welche Bombe er das platzen lassen würde und dass seine Versprechungen gegenüber Dives, die er gerade eben machte, womöglich doch etwas schwieriger zu erfüllen waren "...lautet Sextus Aurelius Lupus. Der Senator pflegt einen engen Kontakt zum Kaiser und ist sogar dessen Klient - nicht zuletzt deshalb, weil er sich im Kriege gegen des Usurpator so verdient gemacht hat", erzählte Lepidus nicht ohne Stolz.


    Da er eigentlich nicht dachte, dass Dives so groß daran zu schlucken haben würde, bemühte er sich auch gleich dessen andere Fragen zu beantworten. "Ich habe mich noch nicht ganz festgelegt, für welches Amt ich eine Präferenz äußern werde. Ich schwanke zwischen dem Decemvirat und der Arbeit bei den Tresviri capitales. Du selbst scheinst dich ja schon recht fest auf das Decemvirat einzustellen, aber vergiss nicht, dass die Senatoren in dieser Frage das letzte Wort haben." Das gab der Tiberier durchaus zu bedenken, wenn der Iulier zuvor so ausschließlich von einer Bewerbung um das Decemvirat sprach. Dabei war dem Tiberier nicht so bewusst, dass es früher einmal anders gehandhabt wurde, aber die derzeitige Gesetzeslage ließ es wohl leider nur zu, eine Präferenz zu äußern, während man sich letztlich dem Willen der Senatoren unterordnen musste. "Du staunst sicherlich, dass ich die Tresviri überhaupt in Betracht ziehe, wo sie doch für meinen Stand nicht unbedingt... üblich sind, doch ich spekuliere ein wenig darauf, mir durch diese Besonderheit ein paar Stimmen extra zu sichern." So die Überlegung, denn die Eitelkeiten eines einzelnen Kandidaten waren den Senatoren sicherlich egal. Allerdings ließ sich der Tiberier dann natürlich ein Amt entgehen, was ihm zu deutlich höherem Ansehen verhalf, weshalb er immer noch um eine Entscheidung rang. "Vielleicht könnten wir uns hier ja sogar ein wenig zu beiderseitigem Vorteil abstimmen. Auch wenn die Entscheidung der Zuteilung den Senatoren obliegt, so kommen wir uns vielleicht zumindest mit unseren Präferenzen nicht in den Weg." Das wäre zumindest eine nette Option und vielleicht würde es auch die Entscheidung deutlich leichter machen. Außerdem wäre die Konkurrenzsituation zwischen dem Iulier und dem Tiberier ein wenig entschärft.


    Letztlich musste sich der Tiberier erneut, um die Causa Veneta herumwinden. So viele Gedanken, wie er sich darum bereits gemacht hatte, sollte es hoffentlich kein langfristiges Thema werden, welches die Freundschaft von Dives und seiner Person belastete. Dementsprechend schlug er auch einen sehr sanften und bedauernden Ton an. "Ich kann nur noch einmal meine aufrichtige Entschudldigung äußern. Der Termindruck war in jener Zeit einfach zu stark und die Einladung kam für mich zu überraschend. Letztlich hatte ich wichtige Aufgaben für meinen Patron zu erfüllen, die nicht auf sich warten lassen konnten. Du musst wissen, dass er derzeit eine munera für meinen verstorbenen Vetter, den Consular Tiberius Durus organisiert. Ich bin in die Vorbereitungen voll eingebunden und die Ehre meines Verwandten zu bewahren und die guten Beziehungen zu meinem Patron zu pflegen, musste leider eine gewisse Priorität eingeräumt werden. Ich hoffe, dass du das verstehen kannst und dass dir wenigstens meine liebe Schwester eine gute Gesellschaft gewesen ist. Inzwischen hat sich die Factio-Frage für mich geklärt, leider nicht ganz unter Anleitung meines völlig freien Willens, aber, so glaube ich, zum Besten." Damit ließ er noch offen, dass er jetzt bei der Aurata angeheuert hatte, aber er wollte dem Iulier jetzt nach all dem bereits gesagten auch nicht zu viel Stoff auf einmal zum Verdauen geben.

    Gedanklich machte sich der Tiberier die eine oder andere Notiz. Nein, eigentlich sogar mehr als das, denn die Hinweise waren tatsächlich überaus nützlich. Auf einiges davon wäre er wahrlich noch nicht gekommen. "Meinst du wirklich, es wäre klug, meine Anwesenheit hier in Rom in den letzten Jahren wirklich noch extra zu begründen? Sicher habe ich mir keinesfalls etwas vorzuwerfen, doch stelle ich mir vor, dass es wahrscheinlich nach einer Selbstrechtfertigung klingt, die ich ohne Not anbringe und damit wiederum als hätte ich mir irgendetwas vorzuwerfen." Über diesen Punkt war sich Lepidus wahrlich nicht ganz sicher. Einerseits war es natürlich gut, Fragen erst gar nicht aufkommen zu lassen, indem man die Antworten schon vorwegnahm, allerdings würden sich die Senatoren doch sicherlich fragen, weshalb dieser oder jener Punkt seinen Platz in der Rede finden musste. "Vielleicht wäre in diesem Falle doch klüger auf eine Frage zu warten. Entweder ein Senator erachtet es als wichtig und fragt, dann kann ich darauf ohne Probleme eingehen oder niemand fragt und dann wird das Thema nicht als wichtig erachtet." Den Rest würde er ohne Probleme beherzigen können. Wahrscheinlich war es wirklich besser, als Kandidat für das Viginitivirat nicht als großer Reformer aufzutreten. Gerade Lepidus neigte ja gern zu großspurigem Reden. Für dieses Amt war es sicher nicht gerade angemessen und auch für die Senatoren war es sicherlich das unwichtigste Amt. Viel eher interessierten sie sich wohl für die Wahlen zu den höheren Ämtern.


    "Auch bei einigen Senatoren würde ich gern noch vorsprechen. Zu Senator Purgitius hatte ich bisher immer ein gutes Verhältnis. Octavius kenne ich immerhin." Entsprechende Gespräche sollten sich hoffentlich in der Knappheit der Zeit noch einleiten lassen. Auch gegenüber dem Consular Vinicius würde sich möglicherweise bald ein vielversprechender Kontakt herstellen lassen. "Ich habe es leider immer bedauert, dass ich mit meiner Person bisher noch keine engeren Verbindungen zu den Flaviern knüpfen konnte." Außer einem sehr sympathischen Flavier, der allerdings selbst noch sehr jung war und seinen Aufstieg plante. "Vielleicht könntest du mich ja in einem Schreiben bei Senator Flavius ankündigen und empfehlen, damit ich nicht ganz ohne Referenz dort erscheine? Ansonsten werde ich mir natürlich auch deine übrigen guten Ratschläge zu Herzen nehmen."

    Was den Tiberier zu ihm führte? In Anbetracht seiner Vorankündigung hielt er das für eine höchst deplatzierte Frage. Die Evidenz seines Anliegens trat ja bereits deutlich hervor. Doch in Anbetracht des Klienten-Abarbeitens geriet man sich nur allzu leicht in einen Floskel-Modus, was er seinem Patron letztlich auch gar nicht verübeln konnte. "Salve, Senator. Nun, wie ich dir bereits schriftlich mitteilte, kandidiere ich nun für das Vigintivirat. Ich hoffe, das Schreiben hat dich auch erreicht? Du kannst dir natürlich vorstellen, dass ich mit großer Spannung auf den Einstieg in den Cursus Honorum blicke. Derzeit bereite ich mich auf meine Rede vor dem Senat vor. Gerne hätte ich deshalb erfragt, ob du vielleicht als jemand der diese Prozedere schon mehrfach hinter sich gebracht hat, den ein oder anderen Hinweis für mich hättest, wie ich die Senatoren von mir am besten überzeugen kann. Nicht zuletzt würde ich mich natürlich freuen, wenn du dich bei deinen senatorischen Freunden für mich einsetzen könntest."

    "Ich will doch hoffen, dass es nur Alltagssorgen sind und sich deine Miene sich nicht künstlich fröhlich stimmt. In der Aeneis heißt es ja auch so in etwa: der aufgrund von gewaltigen Sorgen traurige Held spielte mit seinem Gesichtsausdruck Hoffnung vor und unterdrückt den tiefen Schmerz in seinem Herzen." Freilich sprach er das gänzlich unpoetisch und in keinem ernsthaften Ton, denn darauf sollte das Gespräch nun wahrlich nicht hinauslaufen. Zu den Liebesflausen des Iuliers hätte er wohl ohnehin nur ein Lächeln übrig gehabt. Wie konnten sich manche Menschen nur so ihren Gefühlen hingeben? Bisher hatte das Schutzschild des Tiberiers noch jeden Pfeil Amors abwehren können. "Aber ich will auch gar nicht die Kunst vollbringen, von einem Thema abzuschweifen, was noch gar nicht begonnen hat. Der Elan hat mich in der Tat gepackt und dieser ist eng mit dem verbunden, weshalb wir hier heute zusammensitzen. Da möchte ich auch gleich auf den Punkt kommen." Trommelwirbel. "Mir war es vergönnt vor kurzem eine Audienz beim Kaiser persönlich zu erhalten und siehe da, er hat mich in den Ordo Senatorius erhoben. Meine gute Laune kommt also wahrlich nicht von ungefähr." Lepidus hatte ja gar keine Ahnung, dass der Iulier sogar mit ihm in derselben Halle stand, als er sein Gespräch mit dem Kaiser wahrnahm und nur kurz darauf selbst mit diesem in Kontakt getreten war. Da wäre es vielleicht hilfreich gewesen, wenn er nicht blind vor Glückseligkeit aus der Regia marschiert wäre und stattdessen die Augen offengehalten hätte. "Tja, und da der Kaiser meinen Willen vollstens unterstützt in die Politik zu gehen, so habe ich mich sogleich für eine Kandidatur zum Vigintivirat entschieden." In diesem Augenblick ahnte der Tiberier auch noch nicht, dass sein iulischer Freund nur wenige Minuten vor ihm beim Consul war, um seine eigene Kandidatur bekannt zu geben. Bisher gab es auch noch keinerlei Aushang, der über die Kandidaturen zum diesjährigen Cursus Honorum informiert hätte. "In Anbetracht dessen würde ich mich natürlich freuen, wenn du deine Kontakte oder die deiner senatorischen Verwandtschaft nutzen könntest, um meine Wahl im Senat wahrscheinlicher zu machen." Der Tiberier sprach natürlich erst einmal noch, als ginge es hier ganz um ihn selbst. "Zum Wohle unseres Bündnisses versteht sich natürlich, dass ich jederzeit auch im Gegenzug etwas für dich tun würde - sei es, was es wolle."

    Die Luftfeuchtigkeit stieg einem im Caldarium natürlich wieder gleich zu Kopf. Am liebsten hätte sich der Tiberier sofort hingesetzt, denn seine Muskeln schalteten in dieser Umgebung gern auf Entspannungs-Modus. Natürlich eine völlig gerechtfertigte körperliche Gewohnheit. Stattdessen blickte er sich erst einmal weiter um und ging ein paar Schritte, sah hier und da eine mehr oder weniger bekannte Person, grüßte fein und zog weiter. Dann sah er zum Glück den Iulier, der es sich schon allzu gemütlich gemacht hatte. Er wartete ab, bis der Sklave gerade seinen letzten Aufguss beendet hatte und Dives durch das heiße Wasser ausreichend befeuchtet war, bis er noch in Ankommen seine Stimmer erhob. "Na sieh mal einer an. Meine größte Entdeckung ist heute wohl ein Iulier mit erstaunlichem Ruhepuls." Lepidus ließ sich salopp neben den Iulier nieder, der die Augen entspannt geschlossen hatte und dessen Massage-Pläne dem Tiberier zum Glück nicht bekannt waren. Sowas konnte ja auch unmöglich wichtiger sein, als ein Treffen mit seiner geschätzten Persönlichkeit. "Salve Dives. Ich hoffe, es geht dir genauso gut, wie du aussiehst?" Man konnte diese Frage als Kompliment auffassen, doch es war wie immer nicht der direkteste Weg, den der Tiberier wählte. Zum Glück vermied er einen ironischen Unterton, der ihm schon fast zur Gewohnheit geworden war. "Meinen besten Dank, dass du dich so kurzfristig auf dieses Treffen einlassen konntest, aber wie dir ja inzwischen bekannt ist, lohnt sich ein solches mit mir doch immer wieder aufs Neue," witzelte der Tiberier und wies gleichsam einen Sklaven an, ihn nun ebenfalls des Öfteren mit einem warmen Aufguss zu versorgen.

    Wie bereits in seinem Schreiben angekündigt, so erschien der Tiberier auch tatsächlich zu den Salutationes. Die Kandidatur würde wohl das Hauptthema werden, wobei der Tiberier ebenso noch mit weiteren Punkten zu den bevorstehenden Spielen rechnete. In seinem Kopf geisterte derzeit aber wohl vor allem ersteres. Der Patron und Senator war ja ohnehin die beste Ansprechstation, wenn es darum ging, wie die Wahl auch ein Erfolg werden und wie der Tiberier sich am besten vorbereiten konnte.

    Warten, warten, warten... - daraus bestand das ganze Leben des Tiberiers. Ungeduldig blickte er stets in die Zukunft und es schien ihm stets, dass sein Leben schneller an ihm vorbeizog als ein Streitwagen. Auf Ewigkeiten schien er während der Salinator-Herrschaft verdammt zu sein, die voranschreitende Zeit mit jeder Faser seines Körpers zu spüren. Doch nun? Nicht nur die Herrschaftsverhältnisse änderten sich, sondern das ganze Leben des Tiberiers war die reine Christenjagd geworden. Plötzlich erhielt er das, wonach er sich so sehr sehnt - den wichtige und für einen Patrizier gänzlich unverzichtbare Ordo Senatorius. Er wäre wohl auf ewig Aedituus geblieben, wenn ihn sein sich bisher als äußerst und auch einflussreicher Patron ihm dies nicht ermöglicht hätte. Was sollte ein Patrizier ohne Ordo auch schon anfangen? Die religiösen Ämter waren ihm größtenteils verschlossen. Die Politik - das primäre Feld der Patrizier - ebenfalls ungangbar. Das Wirtschaften galt für einen Mann von Adel, der etwas auf sich hielt, als schändlich, ganz zu schweigen vom Beitritt in die Legion oder einer anderen militärischen Einheit. Nein, ohne Ordo Senatorius war ein Patrizier zu nichts zu gebrauchen - sein Wert war in diesem Fall noch deutlich geringer als der eines Plebeiers.


    Es verstand sich von selbst, dass Lepidus die Erhebung in den Ordo sogleich nutzte, um sich für das Vigintivirat zu bewerben. Endlich in die Politik und seinen großen Verwandten nacheifern, die sich auf diesem Felde so hervortaten. Ein großer Wunsch ging in Erfüllung. Doch damit hatte die Arbeit gerade erst angefangen.


    Fieberhaft ging der Tiberier in seinem Cubiculum auf und ab. Was sollte er in seiner Rede vor dem Senat nur alles erzählen? Wie würde er die Senatoren von sich überzeugen können? Und für welche konkrete Arbeit innerhalb des 20-Männer-Kollegiums sollte er seine Präferenz äußern. Er schwankte in dieser Frage hin und her, letztlich beschränkte sich seine Wahl jedoch auf zwei Kollegien - auf die Tresviri capitales und die Decemviri. Erstaunlich, dass gerade der Tiberier zwischen diesen beiden Kollegien schwankte. Jeder wusste doch, dass die Decemviri deutlich angesehener waren und meist mit von Männern seines Standes besetzt wurden. Doch er konnte nicht leugnen, dass er durch seine Beschäftigung mit der Kriminalarbeit, inbesondere durch den von ihn absolvierten Cursus Iuris, eine gewisse Faszination für dieses Feld entwickelt hatte. Aber das war ohnehin nebensächlich. In dieser Frage musste er schließlich auch taktisch denken. Wie viele der Senatoren, die unter Salinator bereits eine Patrizierfeindliche Haltung angenommen hatte, würden sich nun noch im Senat befinden? Wie sollte er allgemein die Stimmen derjenigen gewinnen, die ihn noch nicht kannten? Würde man es nicht als mutige Besonderheit auffassen, dass ein Patrizier das Amt bei den Tresviri bevorzugte? Gut möglich, dass er dadurch Aufmerksamkeit erringen konnte. Letztlich würden aber ohnehin die Senatoren selbst über die Besetzung der Ämter entscheiden. Seine Präferenz würde da vielleicht nicht einmal etwas bedeuten. Lepidus musste seine Rede vielleicht so ausarbeiten, dass eine leichte Präferenz für die Tresviri erkennbar war, ohne dass er sich nicht bewusst wäre, dass die Decemviri im Grunde das natürliche Gremium für ihn waren. Letztlich würde er mit beiden sehr gut leben können, sollte er es denn überhaupt schaffen, die Senatoren von sich zu überzeugen. Nervös und nachdenklich blickte er auf einen seiner Sklaven, der bereits eine Tabula bereithielt, damit ihm Lepidus die Rede diktieren konnte. "Nun gut, dann fangen wir mal an..."

    Zur frühen Mittagsstunde tauchte Lepidus in den Agrippathermen auf, um seinen guten Freund und Verbündeten Iulius Dives zu treffen, wie sie es vereinbart hatten - oder vielmehr, wie er es ihm mitgeteilt hatte. Im Apodyterium streifte er seine Kleider ab und übergab einem Sklaven seine Wertsachen, die er bei sich führte. Mit angezogenen Badesandalen und dem Handtuch in der Hand ging es ins Innere der Thermen. Er hielt Ausschau nach dem Iulier und hoffte, dass dieser sich nicht gerade sein Handtuch über den Kopf gezogen hatte, weil es dann wohl sehr schwer wäre ihn zu identifizieren.

    Der Sklave lehnte den Becher verdünnten Wein leider schmerzverzehrten Gesichtes ab. Der Tiberier hatte doch tatsächlich wieder zu einer etwas merkwürdigen "Erziehungsmethode" gegriffen, die darin bestand, einem Sklaven solange Essen und Trinken zu untersagen, bis dieser seinen Auftrag erfüllt habe. Natürlich schossen ihm die Gedanken durch den Kopf, die ihm sagte, sein Herr würde es doch nun ganz sicher nicht mitbekommen, wenn er sich fern in der Casa Iulia einen kleinen Becher verdünnten Weines genehmigte, doch die Angst siegte dann letztlich doch. Wenn der Tiberier auch nur durch irgendeinen Umweg - und sei er noch so verzwickt - von diesem Ungehorsam erfahren würde, wäre das katastrophal für seine Person. So brachte er nur ein schüchternes "Nein, Danke" heraus, während er geduldig auf die Rückkehr und die Information wartete. Da war sie also, die Wachstafel, die er brauchte. "Vielen Dank", sprach er noch bevor er die Casa wieder in Richtung Esquilin verließ und dabei seine trockene Kehle in jeder Sekunde spürte.


    Sim-Off:

    Ausgezeichnete Idee. ; )

    "Mein Herr hätte gern so früh wie mögliche eine Antwort. Deshalb warte ich." Der Tiberier hatte dem Sklaven extra aufgetragen in jedem Fall eine Aussage zu einem Termin mitzunehmen. Hätte er die Information nicht schnell gebraucht, hätte der Tiberier wohl selbst den Weg der Post gewählt, mit dem Risiko, dass diese auf dem Arbeitstisch des Iuliers liegenblieb.

    Ein Sklave der Tiberier klopfe an die Porta der Casa Iulia, wo er sich mit folgender Botschaft an den Ianitor wandte: "Mein Herr Lucius Tiberius Lepidus wünscht einen möglichst zeitnahen Termin für ein Gespräch mit seinem Freund Marcus Iulius Dives. Solange der Termin innerhalb der nächsten drei Tage erfolgt, ist er mit jedem Vorschlag einverstanden."