Beiträge von Lucius Tiberius Lepidus

    Direkt am Eingang der Curia lief Lepidus bereits dem ein oder anderen Salier über den Weg. Gemeinsam schritten sie hinein, man begrüßte sich freundlich, ohne jedoch Zeit zu haben für ein längeres Geplänkel. Zwar hätte der Tiberier es besser gefunden, wenn er vielleicht bereits den ein oder anderen gekannt hätte, aber er hoffte einfach, dass sich die Männer auf der Sitzung selbst, einen entsprechenden Eindruck von ihm verschaffen konnte, der ausreichen würde, ihn aufzunehmen.


    Im Sitzungssaal angekommen, erblickte er bereits seinen Patron. Ungünstigerweise wurden die Plätze in seiner unmittelbaren Nähe bereits besetzt, weshalb Lepidus seinen Patron mit einem Nicken begrüßte und anschließend einen der äußeren Plätze einnahm. Als potenzielles Neumitglied hatte er hier ohnehin noch nicht viel anzumelden.

    Die ausgesprochene Erhebung in den Ordo Senatorius wurde von Lepidus sichtlich zufrieden aufgenommen. Ein Lächeln verriet, wie lange er darauf gewartet hatte. Wenn er nur an diese schreckliche Zeit unter dem Usurpator zurückdachte, dann kam ihm die jetzige Ehre, die ihm zuteilwurde, gänzlich wie ein verschwommener Traum vor. "Ich werde dich und meinen Patron nicht enttäuschen. Ich werde daran arbeiten, dass das in mich gesetzte Vertrauen sich als eine gute Investition erweisen wird. Vielen Dank, mein Imperator." Sein Blick wanderte kurz zu seinem Patron, der ihn auf diesen Weg geführt hatte. Nach diesen bereits großartigen Zusagen in Bezug auf den Ordo und die Möglichkeit bald als Pontifex zu dienen, schien es dem Tiberier fast schon zu viel noch um eine weitere Sache zu bitten. Doch wie mit seinem Patron abgesprochen, so wollte er auch damit nicht hinterm Berg halten. Letztlich ging es ja auch diesmal überhaupt nicht um ihn selbst, sondern um den verstorbenen Durus. "Ein letztes Anliegen würde ich dann gern noch vortragen: Wo wir gerade über meine familiären Vorbilder sprachen, denen ich nacheifern möchte, so würde ich gerne darum bitten, dass meinem verstorbenen Vetter Manius Tiberius Durus ein Andenken zuteilwird. Ich dachte dabei an eine Inschrift, die mit deiner Genehmigung am Tempel des Tiberinus, unserer Stammgottheit, angebracht werden könnte. Seine Taten sollten nicht vergessen werden und die Einweihung einer solchen Inschrift würde sich sicherlich wunderbar in die von Senator Aurelius organisierte munera zu Ehren des Durus einfügen", brachte der Tiberier gleich noch die Vorteile des Anliegens zum Ausdruck. Lepidus hoffte, dass auch dieses letzte Anliegen im Sinne des Kaisers war. Die Ehrung eines Verstorbenen sollte in der Regel auch unproblematischer sein, als die Ehrung eines Lebenden. Denn das schuf keine Konkurrenten, die sich in der Öffentlichkeit beliebt machen konnten. Dem Prestige der Tiberier würde es allerdings durchaus nutzen, wenn die Erinnerung an ihre Taten die Zeiten überdauern würden.

    "Nun, wer die Götter ehrt und auf seiner Seite hat, der kann jede Schlacht und jeden Krieg für sich entscheiden. Selten haben wir wohl eine so deutliche Demonstration des göttlichen Willens gesehen", gab der Tiberier blauäuig gegenüber einem erfahrenen Militär zum Besten und hätte weder die Moral der Truppe, noch der taktischen Einstellung eine entscheidende Rolle beigemessen. "Ich konnte mich vor kurzem selbst von der frommen Haltung des Imperators überzeugen. Sein Staatsopfer nach seinem Einzug in Rom, welches ich mitorganisierte, zeigte einen Mann, der den Göttern den allerhöchsten Respekt erwies. Und die Eingeweide deuteten auf eine glänzende Zukunft hin." Daran glaubte der Tiberier auch sehr fest. Für ihn persönlich war im Vergleich zur Zeit des Vesculariers ohnehin schon das goldene Zeitalter angebrochen.


    Was er von der Villa halten sollte, wusste er noch nicht. Den Vergleich mit der Villa Rustica in Misenum fand Lepidus allerdings nicht treffend. Das tiberische Anwesen war selbstverständlich um ein vielfaches schöner. Aber allein durch die eigenen persönlichen Erinnerungen konnte es eine andere Villa wohl ohnehin nicht damit aufnehmen, weshalb der Vergleich wohl ohnehin hinkte. Ein nettes Kompliment von Lucias Seite aus, war es aber sicherlich dennoch. Da konnte der Duccier doch wahrlich froh sein, dass sein Gebäude einem edlen patrizischen in nichts nachzustehen schien.


    Endlich hatten sie ein Dach über dem Kopf. "Vielen Dank für den netten Empfang, Senator. Wir werden uns wohl in der Tat erst einmal auf unsere Gemächer zurückziehen. Zumindest mir hat die Reise sehr zu schaffen gemacht. Wie sehen uns dann zur Cena." Dem Bediensteten folgend, hielt Lepidus Einzug in sein Zimmer. In der Tat fand er hier nichts Aufregendes vor. Da er allgemein die Betrachtung von Landschaften eher langweilig fand, half ihm auch ein Blick aus dem Fenster nicht allzu viel. Nett anzusehen, aber mehr auch nicht. Kurz ging er noch zu seiner Schwester, die in einem anderen Gemacht unterkam. "Na, da haben wir uns ja auf etwas eingelassen", sprach der Tiberier mit dem skeptischen Blick auf das ganze Drumherum. "So richtig weiß ich noch nicht, was uns das hier letztlich bringen wird, aber ich selbst werde mich erst einmal für ein paar Minuten hinlegen, damit ich Kraft für die Gespräch bei der Cena habe. Nur damit du bescheid weißt."

    Homo novus... ja, in der Tat. Sofort wurden in Lepidus wieder Gedanken an abgehackte Hände an Senatstüren wach, worauf ihn sein Patron einst hinwies. Über die Herkunft des Ducciers würde er allerdings einfach mal unkommentiert hinweglächeln. "Da spricht große Bescheidenheit aus dir." Gerade jemand wie Lepidus hätte jeden noch so kleinen Verdienst als große Heldentat stilisiert, wenn er in einer entsprechenden Situation gewesen wäre. "Doch sicher gilt unser Dank auch allen anderen, die ihre Kraft und in Vielzahl auch ihr Leben für die Gerechtigkeit gegeben haben. Zu bedauern sind dagegen jene, die durch die Reden des früheren Usurpators verführt wurden und gegen ihre eigenen Brüder das Schwert erhoben." Obwohl man aus Lepidus Sicht wahrscheinlich genauso gut sagen konnte, dass sie nun einmal alle verräterisches Gesocks waren.


    Sie schritten weiter voran und Lepidus hoffte, dass mit dem Passieren des Wäldchens nun der größte Teil des Weges geschafft war. "Ist es das dort vorn?", sprach er mit Erblicken des Anwesens, sichtlich schon ein wenig erschöpft und in froher Erwartung sich bald irgendwo niederlegen zu können.

    http://s7.directupload.net/images/130903/c38fdo8d.jpgNachdem sogar in Villa Tiberia einer dieser "Flyer" landete und er sich ja vor kurzem noch ein wenig sehnsuchtsvoll über Gladiatoren-Spiele unterhalten hatte, war es doch nun wirklich einmal an der Zeit, die Arena aufzusuchen, zumal der kürzlich kennengelernte Duccius Vala sie ausrichtete. Lepidus klangen noch sehr die Worte im Ohr, die er allen Leuten während des Wahlkampfes zurufen ließ. Seinen besten Freund Mucius Scaevola nahm er bei der Gelegenheit gleich mit. Naja, er war ohnehin selbst auf die Idee gekommen. Schließlich kam die Werbung auch in seinem Hause an und er war bekannt als ein großer und leidenschaftlicher Fan der Spiele.


    Sie beide hatten noch die Opfer und die Pompa mitverfolgt, ehe sie dann auch in die Arena strömten. "Findest du nicht auch, dass der Felicitas kaum noch Beachtung geschenkt wird?"
    "Keine Ahnung. Ich selbst kam schon lange an keines ihrer Heiligtümer vorbei."
    "Ja eben, aber das dachte ich mir schon, dass du derzeit kein Bedarf an Fruchtbarkeit hast..."

    "...und mein Glück hol ich mir lieber von Fortuna."
    "Wenns doch nur so einfach wäre. Aber du bist ein gutes Beispiel dafür, dass Felicitas nur noch von solchen großen Vielgötter-Feiertagen lebt. Hätte sie Apollo und Diana nicht an ihrer Seite, würde sie wahrscheinlich schon ganz in Vergessenheit geraten."
    "Wann hast du denn das letzte mal der Felicitas geopfert?"
    "Ich..ähm..."
    "Siehst du! Machs erstmal besser. Aber los jetzt, wir brauchen gute Plätze!"


    So langsam füllte sich die Arena. Aber ob auch jeder Platz besetzt werden würde? Die beiden Männer waren allerdings noch früh genug dran, um noch halbwegs freie Auswahl zu haben. "Hast du jemals einen Bären bei einer Tierhatz gesehen?", fragte der Mucier mit einer gewissen Begeisterung in der Stimme.
    "Puh, nicht, dass ich mich erinnern könnte. Aber du bist der Experte. Ich kennen keinen, der so oft in Arenen rumhängt wie du."
    "Ach, übertreib nicht. Wie du merkst, hab selbst ich noch nicht alles gesehen. Umso besser: Ich hoffe der Bär zerreißt alles in Stücke."
    "Weißt du, ich selbst bin ja ein großer Freund von Elefanten."
    "Ich im Grunde auch, aber ich mag diese Tiere nicht in der Arena. Sie wirken so 'majestätisch' und sollten nicht getötet werden."
    "Sie sterben ja nicht immer."
    "Aber meistens irgendwie doch. Wir sollten sie lieber in die Armee integrieren."
    "Du alter Barbar. Guck lieber, was passiert. Nachher musst du mir auch noch ein paar Infos geben, welchen Gladiator es lohnt, ihn zu unterstützen."

    Auch Lepidus fiel die Betonung seiner Schwester kaum auf - überhaupt registrierte er auch nichts von der Schuhproblematik, mit der sie zu kämpfen hatte. Er musste sich schließlich ganz auf den senatorischen Gastgeber konzentrieren. "Klingt eher, als hättest du dem Zufall etwas nachgeholfen. Aber du scheinst ein Mann zu sein, der sich konsequent holt, was er braucht. Eine Form von Durchsetzungsfähigkeit, die dir sicher auch politisch von Nutzen ist.", sprach der Tiberier und lächelte dabei etwas durchtrieben. Was dies allerdings noch für die kommenden Gespräche bedeuten würde, musste sich zeigen. Lepidus würde jedenfalls aufhorchen, sollte ihm der Senator 'Sicherheit' anbieten wollen. "Im Übrigen kann ich dich nur beglückwünschen für deinen erfolgreichen und ehrenhaften Kampf gegen den Usurpator. Lucia war auch hellauf begeistert, als ich ihr davon berichtete, dass wir einen Befreier Roms besuchen würden." Das hatte zwar so nicht direkt stattgefunden, aber seine intelligente Schwester würde sicherlich schnell verstehen, dass Lepidus dies verwendete, um dem Senator ein wenig Honig ums Maul zu schmieren. "Lucia und ich sind dir und jenen, die mit dir gekämpft haben, zu großem Dank verpflichtet, wo doch besonders unsere Familie unter der Herrschaft des Usurpators so sehr zu leiden hatte. Da ist die Inbesitznahme dieses bisschen Landes etwas, was du dir redlich verdient hast."

    Tatsächlich dachte Lepidus diesmal tatsächlich nicht an eine Neckerei. Für ihn war das tatsächlich eine nützliche Eigenschaft, auch wenn er sie sehr zweideutig umschrieb. Der Tiberier war manchmal schon so von schlechten Tugenden überzeugt, dass er sie ohne rot zu werden für gute hielt.


    Den Ausführungen zu Dives hörte er aufmerksam zu. War das allerdings eine nüchterne Beschreibung oder nicht schon fast Schwärmerei? Aber dann setzte sie noch eine nette Bemerkung hinzu, die Lepidus unweigerlich zum lachen brachte. "Ja, allerdings. Der wird bestimmt mal kugelrund!" Bei Dives' derzeitiger Statur konnte man sich das zwar nicht so ganz bildlich vorstellen, aber da sprach sicherlich so ein wenig der Neid auf den athletischen Körperbau des Iuliers. "Ich denke, sein Charme ist recht einzigartig und da hast du ihn wohl auch gut erfasst. Ich selbst halte natürlich nur Gutes von ihm. Ansonsten hätte ich diese freundschaftliche Verbindung auch nicht gesucht. Du weißt ja, die Zeit ist zu kostbar, um sie mit unbedeutenden Persönlichkeiten zu verbringen." So sprachs auch völlig aus der gehobenen Patrizier-Seele. "Und auch wenn ich dazu neige sehr vorsichtig zu sein, so denke ich, dass ich ihm in jeder Hinsicht volles Vertrauen schenken kann. Deshalb liegt mir natürlich auch viel an deiner Meinung, weil ich natürlich darum fürchte, selbst etwas nicht zu erkennen, was für einen anderen offensichtlich ist. Aber ich werde von Tag zu Tag zuversichtlicher. Dives wird jedenfalls ein favorisierter Gast dieser Villa sein und seine Post hat Vorrang vor anderen, eine Antwort zu erhalten. Das werde ich auch den bediensteten noch einmal mitteilen." Und dann schlug er auch gleich noch den Bogen zur Factio-Problematik. "Deshalb ist es mir auch so wichtig, dass Dives denkt, ich sei ein Opfer von ungünstigen Umständen. Es wäre doch kaum zu erklären, sein freundschaftliches Angebot aus gewissen, scheinbar selbstsüchtigen, Eigeninteressen und Profilierungsbedürfnissen abzulehnen. Ich möchte jedenfalls nicht den Eindruck erwecken, ihn im Stich zu lassen oder unhöflich zu sein. Doch leider habe ich auch die Verpflichtung unsere Familie wieder nach oben zu führen. Dies alles in Einklang zu bringen, ist eben manchmal recht kompliziert. Aber ich bin sicher, du verstehst das, Schwester." Es war schon manchmal wahrlich nicht einfach die richtige Fäden zu spinnen, doch wenn, dann wollte das Lepidus in seiner verqueren Welt natürlich ganz genau machen.

    Die Worte 'Meer' und 'Reling' sorgten allein schon wieder für wachsende Übelkeit. Leider konnte der Tiberier auch kaum irgendwo einen Blick hinwenden, wo er nicht gerade Wasser sah. Aber immerhin schien sich der Senator gut in seine Lage hineinversetzen zu können. Über die falschen Informationen schien er dagegen recht gelassen zu sein. "Wem sagst du das! Heutzutage noch gutes Menschenmaterial zu finden ist eine Qual. Alles trieft vor Inkompetenz!" Und da musste der Tiberier wahrlich nicht nur an seinen lächerlichen Leibwächter, Pittacus, denken. Muskeln - ja, Hirn - nein.


    Je weiter er von der Anlegestelle wegkam, desto besser, dachte sich der Tiberier nur und schritt mit seiner Schwester und dem Gastgeber mit, der gleich auch noch ein paar ortskundige fun facts parat hatte. "Objektiv gesehen... ist dies wahrlich ein besonderer und netter Ort zu dem du uns hier geladen hast. Sag, wie kommt man eigentlich an eine Villa auf einer solchen Insel? Gehört sie dir schon lange? Ich könnte mir vorstellen, der Ort ist durch seine exklusive Lage sehr begehrt und da er auch nicht allzu weit von Rom entfernt ist, würden sicherlich einige reiche Leute gern hier drauf irgendetwas als ihren Besitz bezeichnen." Zumindest konnte sich das der Tiberier gut denken. Sein Geschmack wäre es zwar nicht, aber das hatte ja bekanntlich nichts zu bedeuten. Nebenbei warf er Lucia einen Blick zu, um aus ihrem Gesicht ihr befinden abzulesen. Bisher schien sie eine deutliche bessere Figur zu machen als er selbst, allein schon, weil sie die Fahrt besser überstanden hatte. Der Senator schien ja auch auf den ersten Blick nicht unbeeindruckt von ihr. Gut, dass er sie als Stütze mitgenommen hatte.

    "Ich will in der Tat auch eine politische Laufbahn einschlagen", beantwortete er die Frage des Kaisers, dessen Worte dem Tiberier sehr geschmeichelt hatten "Ich sehe mich selbst der Tradition verpflichtet, die beispielsweise mein Onkel und Senator Publius Tiberius Maximus und natürlich mein Vetter, der Consular Manius Tiberius Durus, mitbegründeten. Den großen Dienst, den sie Rom erwiesen haben, möchte ich fortführen. Ihre verantwortungsvolle und staatstragende Haltung soll mir Vorbild sein. Zum Wohle des Reiches und dabei deiner Person stets treu und bedingungslos ergeben, würde ich mich freuen, wenn du zukünftige Kandidaturen meinerseits innerhalb des Cursus Honorum wohlwollenden Auges begrüßen würdest." Ob ein Tiberier jedoch grundsätzlich einem Kaiser immer so treu und bedingungslos ergeben war, war eine andere Frage. Lepidus kannte die Verwicklungen von Durus nicht und hielt, wie wohl zunehmend viele in Rom seit dem Sturz des Salinator, das über ihn gesagte für nichts als Propaganda. Ein großer Witz, dass ein Tiberier auch nur annähernd dazu fähig wäre, einen Kaiser zu morden.

    "Ich hasse Reisen...", grummelte der Tiberier in regelmäßigen Abständen vor sich hin. Freilich immer laut genug, damit es seine Schwester auch hören konnte. Man litt ja schließlich so ungern alleine. Sie hatten Rom kaum verlassen und Lepidus blickte schon voller Sehnsucht zurück und fühlte sich außerhalb der Stadt unwohl, einsam und verlassen. So quengelte er dann auch regelmäßig herum, erkundigte sich auf dem Boot stetig danach, wann sie denn wohl endlich da seien, was später nur von einer Phase unterbrochen wurde, in der der Tiberier einen sehr leidenden Gesichtsausdruck machte, da er feststellt, dass er offenbar nicht ganz seetauglich war. Das, was Lucia als Wiege empfand, war dem Tiberier wie ein großes hin und herschaukeln. Und dann dieses ganze Wasser um sie herum, was ihm stetig sagte, dass er in Ermangelung von guten Schwimmkünsten sicherlich draufgehen würde, wenn dieses Boot auch nur irgendwie Probleme machen würde. Bei den Götter, weshalb tat er sich so etwas nur an? "Erinnere mich daran, dass ich Rom sicherlich für die nächsten fünf Jahre nicht mehr verlassen werde!", sprach er dann auch noch als er bleich wie Kreide das Boot verließ - ein bisschen zufrieden, dass die Reise endlich vorbei war, ein bisschen enttäuscht, dass er den ganzen Weg auch noch einmal zurücklegen musste... und dabei handelte es sich gerade einmal um eine Tagesreise.


    Als sie dann dem Senator in seiner abgerissenen Kleidung erblickten. Wahrlich, in der Freizeit tat man sich wohl etwas lockerer. Lepidus trug dagegen eine seiner neuesten Tuniken, die man jedoch kaum sehen konnte, das sie unter einem Chlamys, einem Reisemantel, der Lepidus auch vor der Kälte auf See schützen sollte, verborgen war. "Salve, Senator Duccius. Die Reise war... erträglich", womit er sich noch sehr gewogen ausdrückte. In seinem Tonfall und seinem blassen Gerichst ließ sich jedoch schnell das Unbehagen des Tiberiers erraten. Eigentlich hätte er sich wohl jetzt noch förmlich für die Einladung bedanken sollen, doch das vergaß er sogleich, da er erst einmal ein Missverständnis aufklären musste: "Ehefrau? Da liegt leider ein Irrtum vor: Diese 'bezaubernde' Frau an meiner Seite ist meine Schwester, Tiberia Lucia." Dadurch konnte er sie jedenfalls gleich vorstellen. "Einer deiner Boten könnte der Anblick einer Peitsche sicherlich gut tun, habe ich ihm doch sehr klar gesagt, dass ich meine Schwester mitbringen werde." Dass Lepidus über diese Lapalie etwas ungehalten war und sogleich drakonische Strafen andeutete, war sicherlich seiner begrenzt guten Laune durch die Reise zuzuschreiben. Allerdings boten derartige Äußerungen auch im Allgemeinen schon einen sehr guten Einblick in den Charakter des Tiberiers.

    'Mit vielen Worten nichts sagen' Seine Schwester schien noch in die Haut eines Politikers zu schlüpfen, was Lepidus ein angenehmes Lächeln auf die Lippen zauberte. "Ich habe vollstes Vertrauen in deine Fähigkeiten zur nichtssagenden Kommunikation." Schade, dass er das wiederum nicht selbst miterleben würde. Was die Veneta anging: Tja, das war ein heikles Thema. "Nun, die Veneta ist eine nette Factio - zweifellos. Aber in einen bloßen Rennstall sollte man jetzt auch nicht allzu viel Tradition hineinlesen. Richtig, Durus war dort Mitglied. Doch es geschieht immer mal wieder, dass Menschen derselben Familie unterschiedlichen Factios angehören. Und so wie die Fahrer auch einmal wechseln, so wechselt manchmal auch die Anhängerschaft oder die betreuenden Personen." Dass in der Veneta nicht unbedingt die edelsten Patrizier zu finden waren, sparte er jetzt einfach mal komplett aus. "Ich hatte eine Unterredung mit meinem Patron und mein Ziel sollte es eher sein, aus einer der etwas brachliegenden Factiones etwas neues zu schaffen. Die Veneta hat schon genug Mitglieder und ich brauche wirklich nicht noch mehr Konkurrenz. Wo kämen wir denn auch hin, wenn es nur noch eine einzige 'Einheits-Factio' gäbe, wo auch wirklich jedes Gesindel unterkommen kann?" Allein um die Vielfalt zu bewahren musste der Tiberier schon woanders Mitglied werden, obwohl er das sicher weniger für die Allgemeinheit als für sich selbst tat. "Letztlich denke ich, bietet mir eine andere Factio deutlich bessere Profilierungsmöglichkeiten. Aber wie gesagt: Wenn du gelöchert wirst, halt dich vage und sag zur Not, dass ich durch meinen Patron möglicherweise, aber noch nicht endgültig feststehend, an eine andere Factio gebunden sein könnte." Was wohl Dives letztlich davon halten würde? Nun gut, er wäre sicherlich ein echter Sportsmann. "Wenn du selbst allerdings durch die Veneta überzeugt wirst: Eine Mitgliedschaft steht dir sicherlich offen. Wie gesagt, für mich bedeutet eine Factio nichts Politisches. Es sind nette Vereinigungen für den Sport und für das soziale Miteinander, mehr aber auch nicht. Ich schließe selbst nicht aus, dass ich im Laufe meines Lebens vielleicht sogar das ein oder andere Mal die Factio wechseln werde, vielleicht nur um mich am Aufbau eines brachliegenden Rennstalls zu beteiligen."


    "Apropos Dives", führte er dann gleich noch an. "Welchen Eindruck hattest du eigentlich vom Iulier, als er hier bei uns speiste? Ich denke manchmal, du bist eine bessere Menschenkennerin als ich. Glaubst du, ich bin dort eine sinnvolle Freundschaft eingegangen?"

    Es lag schon ein wenig Spannung in der Luft. Während der Kaiser selbst natürlich gelassen vor seinen vielen Bittstellern auftreten konnte, standen Lupus und Lepidus natürlich unter Druck. Der eine fürchtete, um das Auftreten seines Klienten, für den anderen war es schlicht die erste Begegnung mit dem mächtigsten Mann der Welt, die das Herz höher schlagen ließ.


    Als sie an der Reihe waren, freute sich Lepidus, dass ihn der Kaiser sogar namentlich ansprach. Er hätte genauso gut nur Lupus und dessen "Klienten" begrüßen können. Doch jeder Kaiser mit einem gewissen Gespür für Macht, wusste sicherlich, dass selbst solche kleineren Nettigkeiten Loyalitäten sichern konnten. Dass Lupus durch die Ansprache des Kaisers außer Konzept gebracht wurde, fiel dem Tiberier nicht weiter auf. Der Aurelier schien in seinen ersten Worten die ganze Vertraulichkeit hineinzupacken, die er als Klient des Kaisers sicherlich hatte. In der Tat fand er die Vorlage auch recht dankbar. "Salve, mein Imperator", begrüßte er den Kaiser mit demselben Titel, den auch sein Patron wählte. "Lass mich dir sagen, dass ich mich sehr geehrt fühle, heute zu dir sprechen zu dürfen", raspelte er das respektvolle Süßholz, kam dann aber auch gleich zur Sache. "Die warmen Worte, die mein geschätzter Patron für mich hatte, möchte ich natürlich gern in deinem Angesicht unterstreichen. In meiner nun bereits über Jahre absolvierten Tätigkeit als Aedituus in der heiligsten unserer Kultstätten, dem Tempel des Iuppiter Optimus Maximus, habe ich mir viel Erfahrung angeeignet, die mich wohl ohne größeres Selbstlob als einen Kenner der religiösen Belange ausweisen. In der Tat konntest du auch bereits selbst Zeuge meines Schaffens werden: Die Organisation des erst kürzlich von dir durchgeführte Staatsopfers oblag innerhalb des Iuppiter-Tempels meiner Verantwortung. Es war ein eindrucksvolles und reibungsloses Opfer, welches natürlich auch durch deine gute Handhabung der kultischen Praxis und deines bewegenden Gebetes ein solches wurde. Sollte dir die Organisation gefallen haben, so verschafft dir dies vielleicht einen Eindruck davon, dass ich mich auch im Collegium Pontificum durch diese Sorgfalt auszeichnen würde und das selbiges sicher von meiner Erfahrung und religiösen Kenntnis profitieren kann. Somit möchte ich dich auch noch einmal persönlich um die Unterstützung zur Kooptation als Pontifex und um die dafür notwendige Erhebung in den Ordo Senatorius bitten, auf das ich den Göttern und dir mit meinen Fähigkeiten treu dienen kann." Immerhin, dachte sich Lepidus. Für seine Verhältnisse hatte er sich doch noch relativ kurz gehalten. Die wesentlichen Informationen mussten ja auch einfach enthalten sein. Die bisherige Tätigkeit war dabei ebenso hervorzuheben, wie natürlich der gute Umstand, dass der Kaiser selbst bereits einmal hautnah seine Arbeit bewundert hatte, was dann hoffentlich gemeinsam mit dem Zuspruch seines Patrons noch die nötige Überzeugung leisten sollte. Vielleicht trug der Tiberier bei den netten Worten manchmal etwas zu dick auf, aber gegenüber Personen, die über ihm standen, war der gute Lepidus nun einmal ein ziemlich unterwürfiger Kriecher. Gerade bei der Autorität des Kaisers ließ sich diese Eigenschaft kaum unterdrücken.

    Einen Tag vor der eigentlichen Versammlung kam dann zum Glück noch die Antwort des Tiberiers, die sicher eine Überraschung für den Iulier bereithielt.



    Ad
    Marcus Iulius Dives
    Casa Iuliua
    Roma, Italia


    Salve Dives.


    Mit Freude hab ich deine Einladung zur Vollversammlung der Veneta zur Kenntnis genommen. Sei dir versichert, ich hätte nichts lieber getan, als all die wichtigen Mitglieder der Veneta kennenzulernen. Interessanterweise befand sich auch einige Tage zuvor schon eine Einladung des Consulars Aelius Quarto in unserer Post, die allerdings meinem Vetter Tiberius Ahala galt. Nun habe ich auch erfahren, dass dieser ebenfalls in der Veneta ist und es schön anmutet, dass die Tiberier der Veneta auch mit noch lebenden Mitgliedern vertreten ist.


    Doch bedauerlicherweise wird weder mein Vetter noch ich selbst der Vollversammlung beiwohnen können. Während mein Vetter immer noch in Mantua weilt, behindern mich wichtige Termine, die keinen Aufschub dulden. Ach, wäre doch die Vollversammlung ein paar Tage später gewesen! Doch das Schicksal hat es wohl nicht gewollt. Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr mich dieser zufällige Umstand verärgert, hätte ich doch sicher sehr viel Freude auf dieser Veranstaltung gefunden.


    Doch um meine eigene Abwesenheit zu verschmerzen, richte ich dir gern aus, dass meine liebe Schwester gern bereit ist deiner Einladung zu folgen und dir als Begleitung zur Verfügung stehen wird. Sie interessiert sich ja bekanntlich ebenso sehr für Wagenrennen und auf ein solches gesellschaftliches Ereignis freut sie sich schon sehr. Da ihr euch bei unserem letzten Treffen auch sehr gut verstanden habt, wie es mein geschicktes Auge richtig erkannt zu haben glaubt, denke ich, dass du sie ebenfalls als angenehme Begleitung für diesen wichtigen Tag empfinden wirst.


    In Ermangelung von Zeit für weitere Korrespondenz wirst du sie dann wohl direkt im Domus der Factio antreffen. Ich baue darauf, dass du sie gut in empfang nimmst und ihr ein wenig hilfst sich zurechtzufinden. Schließlich wird sie ja nicht nur zu deinem sozialen Vergnügen dort sein, sondern mir anschließend auch ausführlich berichten, wie es auf eurer Versammlung gelaufen ist, damit ich mir dann auch durch ihre Schilderungen ein gutes Bild von der Factio machen kann.


    Ich wünsche dir jedenfalls eine erfolgreiche Sitzung und au bald!


    Vale bene.
    Lucius Tiberius Lepidus
    Villa Tiberia
    Italia, Roma


    "Eine sehr gute Frage. Leider weiß ich das auch nicht. Ich weiß nur, dass er schon sehr spät dran ist. Er bekam von Aurelius Lupus den Auftrag dessen Cousinen nach Rom zu geleiten, auf spätere Nachrichten hat er sich leider nicht mehr gemeldet. Wollen wir hoffen, dass es ihm gut geht..." Wenn man bedachte, was Lepidus gerade eben noch gesagt hatte, dann klang gerade der letzte Satz wohl ein wenig ironisch.


    Das war natürlich klar, dass Lucia diese Situation gleich nutzen würde, um sich neu einzukleiden. Wie gerissen sie doch manchmal war... Aber da konnte Lepidus wohl schwerlich nein sagen. "Ich werde dir etwas Geld geben, um dich neu einzukleiden. Dives schreibe ich dann, dass du seine Begleitung sein wirst. Schau dich in jedem Fall dort ein wenig um und berichte mir von der Lage. Wenn es um meine eigene Mitgliedschaft geht, dann bleibe so vage wie möglich. Falls dich gerade der Iulier diesbezüglich löchert, dann sag ihm einfach, dass mein Patron womöglich darauf besteht, dass ich einer bestimmten Factio beitrete, du allerdings nicht wüsstest, welche das sein würde. In jedem Fall richte ihm aus, dass ich es unheimlich und zutiefst bedauere an diesem Tage nicht dabei sein können, ich mich aber auf ein baldiges Wiedersehen freue." Lepidus hoffte, dass seine Schwester das schon irgendwie hinbekommen würde. Sie war ja durchaus sprachlich geschickt und würde sich schon etwas einfallen lassen, um den Bruder im besten Licht dastehen zu lassen.

    Ach, meine kleine naive Schwester, dachte sich Lepidus nur. Das Leben war hart und selbst vor der eigenen Verwandtschaft schreckt die Gier nach Macht nicht zurück. Das sah man in der Geschichte nur leider immer wieder allzu gut. "Bisher können wir wohl nur abwarten und sehen, wie unser Vetter reagieren wird, was seine Pläne sind und wie er zu uns steht. Vorbereiten können wir uns wohl nur, indem wir von Anfang an klar machen, dass wir auf einer Seite stehen und dass es für ihn ein großer Verlust wäre, wenn er uns mit Almosen abspeist. Wir müssen zeigen, dass diese Familie ohne ihn bisher perfekt zurechtgekommen ist und dass das derzeitige Gefüge und der derzeitige Ruf der Tiberier im Wesentlichen durch uns begründet ist." Dies war zumindest ein Anfang. Wenn Ahala erst einmal hier wäre, würden Lepidus und Lucia sicherlich noch deutlich öfter ähnliche Gespräche wie jetzt führen, einfach damit sie immer auf dem neuesten Stand waren und auf alles angemessen reagieren konnten, was sich in der nächsten Zeit so abspielen würde. "Zumindest wäre dies ein Anfang. Alles Weitere hängt von unserem Vetter ab, aber es ist gut zu wissen, dass ich unter allen Umständen auf dich zählen kann, selbst wenn die Fronten innerhalb der Familie verlaufen."


    Lepidus beendete seinen Gang durch den Raum und setzte sich wieder auf seinen Platz. Dabei griff er zu einer Tabula, die offen auf seinem Schreibtisch herumlag. "Übrigens... ich habe vor kurzem Post von unserem geschätzten Iulius Dives erhalten. Er läd mich zu dieser Vollversammlung der Factio Veneta ein. Vielleicht erinnerst du dich noch, dass er selbiges einmal erwähnte? Nun, wie das Schicksal so will, bin ich an diesem Tage leider terminlich völlig überlastet. Allerdings werden dort einige interessante Persönlichkeiten auftauchen und da Dives dich wortwörtlich ebenso eingeladen hat, dachte ich, du könntest dort allein hingehen und ein paar Kontakte knüpfen... und vielleicht bist du ja auch an der Intensivierung der Beziehungen zum Iulier interessiert. Du würdest mir damit jedenfalls einen großen Gefallen tun." Das war derzeit die eleganteste Lösung, die Lepidus aufzubieten hatte, denn er selbst war bereits in einer ganz anderen Factio tätig. Dennoch musste er auf die Veneta-Kontakte nicht verzichten und musste ebenso nicht die Einladung des Dives komplett ausschlagen.

    Welch geräumiger Bau, dachte sich Lepidus nur, der den kaiserlichen Palast das erste Mal von innen sah und neben Aurelius durch die Gänge streifte, bis sie sogleich die Aula Regia erreichten. Einige sicherlich gewichtige Gestalten hatten bereits ebenso den Weg hierhergefunden. In gewisser Hinsicht beruhigte dies den Tiberier, denn auch wenn eine Audienz unter 4 bis 6 Augen deutlich gewichtiger erschien, so sorgte die geringere Exklusivität an dieser Stelle dafür, dass Lepidus sich als einer von vielen fühlen konnte und demzufolge auch nur halb so nervös sein brauchte. Aber diese Nervosität hielt sich dank seinen selbstsicher daher schreitenden Patrons ohnehin stark in Grenzen. So ein Verhalten konnte ja durchaus abfärben und brachte mehr Sicherheit in die eigenen Aktionen des Tiberiers. Überhaupt hatte er sich an diesem Tage vorgenommen, einfach weitgehend das gleiche zu tun, wie der Senator. Auf diese Weise war er immer auf der richtigen Seite. Überhaupt war es wohl immer dann die beste Methode, wenn man sich in einem völlig neuen gesellschaftlichen Kreis bewegte.


    Aufmerksam hörte er den Anregungen seines Patrons zu. Den Faden aufgreifen? Naja, zum Glück wussten ja alle Beteiligten auf welche Themen es hinauslaufen würde. Er solle sich nicht zu weitschweifig fassen? Was dachte der Aurelier denn? Dass er dem Kaiser gleich ein Ohr abkauen würde? Ihn mit langen Geschichten über römische Geschichte und göttliche Mythen langweilen? Ihn so lange mit seiner Stimme einschläfern würde, bis er schnarchend auf dem Boden der Aula lag? Nunja, die Sorge war natürlich absolut berechtigt! Wenn Lepidus etwas weniger gut konnte, dann war es sich kurz und präzise zu fassen. Rhetorik-Ausbildung hin oder her. Das war schlicht eine persönliche Neigung, in der nur allzu leicht verfiel. Dennoch quittierte er die Worte des Aureliers nur mit einem Satz in leicht ironischem Unterton "Dann hoffen wir mal, dass meine Worte wie die spitzen Pfeile eines parthischer Bogenschützen direkt ins Schwarze treffen." Seine tückischen Augen und sein leichtes Lächeln sprachen nicht unbedingt dafür, dass sich Lepidus dem ernst der Lage bewusst war. Aber warum sollte seinem Paron nicht auch ein klein wenig das Herz schlagen, wie ihm selbst auch? In der Tat konnte man wohl gerade jetzt kaum ahnen, wie sich der Tiberier nun genau verhalten würde, wobei sich Lepidus in der Tat nichts allzu großartiges vorgenommen hatte, auch wenn er gern so wichtig tat. Beim ersten Treffen mit dem Kaiser sollte es wohl in erster Linie auf einen grundlegend soliden Eindruck ankommen. Die entsprechenden Anliegen sollten sein Wohlwollen finden. Als übereifriger Himmelsstürmer brauchte er sich nicht unbedingt präsentieren, auch wenn er diesbezüglich vielleicht sogar noch das ein oder andere in der Hinterhand hatte, aber ob er das hervorholen würde, kam auf den Verlauf des Gesprächs an - was er letztlich auch zur besonderen Überraschung seines Patrons tun würde.

    Die Einladung des Kaisers erfolgte nun doch schon recht rasch - etwas, was seitens des Tiberiers sehr begrüßt wurde. Ursprünglich dachte er, dass er wohl noch lange auf diesen Tag warten müsse, denn man kennt das Geschäft der Machthabenden, welche nach einer Ankündigung noch längst keine Tat folgen lassen mussten. Doch in diesem Punkte erwies sich Palma wohl als zuverlässig, was wohl auch nicht weniger mit der Tatsache zusammenhing, dass der Aurelier schließlich auch dessen Klient war.


    In der vorherigen Nacht benötigte der Tiberier auch kaum Schlaf. Zu sehr wog in ihm die bloße Erwartung. Er hatte sich an diesem Morgen freilich deutlich länger Zeit genommen, um sich entsprechend in seiner besten und neuesten Toga einzukleiden und frisch zu machen. Heute würde er durch Aussehen und Auftreten den Geist der Aristokratie verkörpern. Als seine Sänfte den Palatin hinaufwanderte, konnte schon der wartende Aurelius erspäht werden. Langsam ließ sich Lepidus aus seinem Transportmittel helfen, damit er auch ja nicht stürzte oder irgendetwas allzu sehr verrutschte. "Guten Morgen, Senator. Ich bin bereit für die Audienz", sprach er nur kurz und bestimmt eine Selbstverständlichkeit aus. Für einen Moment wollte er noch eine Floskel nachschieben, doch auf etwaiges Geschwafel verzichtete der Tiberier dann lieber gern. Immerhin war es ein wichtiger Anlass und er hoffte, dass sie lieber früher als später zum Kaiser gelangten, damit er von ihrer Pünktlichkeit noch ausreichend Notiz nehmen konnte.

    Mit ein wenig Erleichterung sah der Tiberier dem Ende des Gesprächs entgegen. Nicht, dass er sich nicht gern mit dem Senator unterhielt, denn er konnte ja auch sehr zufrieden sowohl mit Verlauf, als auch Ergebnis sein, aber lange Gespräche raubten dem Tiberier manchmal viel zu viel Kraft. Darüber hinaus musste er mit der Packung an Aufgaben, die noch vor ihm standen, mit seiner Zeit sehr gut haushalten. Sowohl mit den offiziellen, was die Factio angeht, als auch mit der vollständigen Ausarbeitung seines religiösen Programmes. Tja, und wenn er nicht ganz unvorbereitet in die Audienz mit dem Kaiser gehen würde, wäre das sicherlich auch sehr hilfreich. Dennoch bemühte er sich nicht allzu gestresst und übermotiviert zu wirken. Das ziemt sich kaum und passte auch nicht zu dem Selbstbild, welches der Tiberier von sich hatte. "Ich danke auch", gab er nur lakonisch zurück mit einem zufriedenen Lächeln. "Vale Bene, Senator." Über Brotmarken hätte er sich sicherlich gefreut. Natürlich nicht über das Brot, sondern über den offensichtlichen Witz, aber der Aurelier war sicher nicht der humorvollste Charakter. Von daher hätte den Tiberier eine solche Aktion sicherlich überrascht. Ruhig und gelassen verließ er das Anwesen seines Patrons, nur um anschließend noch einmal tief durchzuatmen, als ihn niemand wichtiges mehr sehen konnte. "Wer hätte vor einem Jahr noch gedacht, dass ein Tiberier jemals wieder vor einem Kaiser stehen würde? 'Lebend' - wohlgemerkt", ging es ihm durch den Kopf, worauf er schelmisch lachen musste.

    Als die Zeit es einmal hergab, versuchte sich Lepidus einen Überblick über den derzeitigen Stand zu verschaffen. Die hauseigenen Factio-Sklaven waren dabei nur bedingt eine Hilfe. Offensichtlich hatte man sich aus Kostengründen mit besonders sprachfaulen Exemplaren eingedeckt oder sie waren ganz einfach schon so lange aus der Übung, dass sie ihr Latein fast gänzlich vergessen hatten. Auch wenn sich Lepidus in seiner Jugend hin und wieder den Wagenrennen widmete, so hatte sich während seines langen Aufenthalts in Achaia so einiges getan. Von den Fahrern, die damals das Renngeschehen dominierten, schien heute generell kaum noch jemand aktiv zu sein und die Fahrer der Aurata sagten ihm erst recht nichts.


    Überhaupt besaß die Aurata nur zwei aktive Fahrer mittleren Alters. Einer davon, Pythocles, hatte bisher kaum etwas gerissen. Sotion konnte immerhin bei den Ludi Carmentaliae einen zweiten Platz verbuchen. In Anbetracht seiner vorherigen Ergebnisse, wo er doch gerne auch den Finallauf gleich gänzlich verpasste, schien das jedoch fast so etwas wie Zufall gewesen zu sein. Tja, wenn das alles war, was die Aurata aufbieten konnte, na dann gute Nacht. Vielleicht hatte der Tiberier doch den Mund etwas zu voll genommen, als er seinem Patron lauthals verkündete, sich um die Geschäfte der Aurata zu kümmern. Zum Glück schien der Aurelier ohnehin erstens keine Ahnung von den Rennen und zweitens auch nicht viel Interesse zu haben. Ohnehin beschränkten sich Lepidus Pläne ja durchaus darauf, die Factio zu einem sinnvollen sozialen Treffpunkt zu machen, die sich allein dadurch schon von den anderen unterscheiden würde, dass sie nicht auf stupides Herumbrüllen und geistlose Sportunterhaltungen fixiert war. Die Rennen sollten mehr das Beiwerk sein. Eine nette Abwechslung und ein Grund für das Aufrechterhalten von Kommunikation zwischen den hoffentlich edlen Mitgliedern.


    Tja, aber auch die edelsten Leute würden wohl kaum von der Aurata angezogen werden, wenn sie als Verlierer-Factio verschrien wäre. Ohne den Rennstall also sportlich ein wenig fit zu machen, wäre wohl alles weitere völlig hinfällig. Hier musste einfach grundlegend einiges saniert werden, wenn man überhaupt weitergehende Pläne fassen konnte. Darüber hinaus, musste er sich auch unbedingt einen Überblick über die Unterstützer der Factio verschaffen. Er ließ sich die schon etwas verstaubte Mitglieder-Liste reichen und entstaubte sie erst einmal gehörig. Wollen wir doch mal sehen, ob davon überhaupt noch einer am Leben ist...