Ganz Rom muss auf den Beinen gewesen sein. Zumindest war dies der Eindruck von Lepidus. Wer wollte sich schon dieses Ereignis entgehen lassen? Die Nachricht von der Ankunft Palmas verbreitete sich rasend und die Neugier war unbezwingbar, den Mann in Empfang zu nehmen, von dem man bisher so viel gehört, aber so wenig gesehen hatte. Es schien als würde er nur als Geist existieren, eine Legende, die sich an den Häuserwänden schriftlich verewigte, in Mundpropaganda, in vielen Nachrichten von der Front. Den dicken Vescularier, ja, den hatten hier alle gesehen, der hielt seine Reden, der rief zum Kampf auf und er dachte nicht daran diese Stadt zu verlassen band sie an sie wie eine Klette. Doch nun erschien das Gesicht, welches Frieden versprach.
Lepidus hatte eher weiter hinten einen Platz in der Menge erhalten. Dort, wo es sich noch nicht so dicht drängte, er aber trotzdem noch die Stimme des Corneliers hören konnte und es sich nicht weitersagen lassen musste. Immerhin, sein Auftritt war selbstbewusst, so wie man es wohl von einem erwarten musste, der in der Vergangenheit von Sieg zu Sieg eilte und nun den Titel eines Kaisers beanspruchte. Des Rätsels Lösung sprach er aus, indem er das Testament des Valerianus als Fälschung titulierte. Doch wo war der Beweis? Der Mann verstand es die Spannung hochzuhalten und für die große Masse war die folgende Szene wohl höchst unerwartet.
Eine Frau stieg auf die Rostra hinauf. Ein schlankes Geschöpf und noch recht jung. Wie konnte sie eine Zeugin sein? Doch ihren Namen gab sie schon bald kund. Iunia Axialla also. Da dämmerte es dem Tiberier irgendwie. Ob sie näher verwandt mit jener Iunia Diademata war, die er vor kurzem noch kennengelernt hatte? Wenn, dann wäre diese Welt wahrlich klein. Nachdem sie meinte, dass ihr Mann ein Klient des Salinator war, stieß Lepidus spontan und halblaut aus: "Verräter!" Der übermäßige Teil in seiner Umgebung ließ sich davon nicht ablenken, denn es war wohl zu spannend, warum gerade die Frau eines Klienten von Salinator nun die Erlösung bringen sollte. Die Erklärung indes, die fand der Tiberier irgendwie nicht ganz schlüssig. Dieser Imperiosus hatte das Testament also nicht vernichtet? Er hatte es aufbewahrt und seiner Frau übergeben? Aber wieso? Warum haben sie es nicht gleich den Senatoren gezeigt? Wenigstens denen, die nicht im Verdacht standen, treue Anhänger Salinators zu sein. Lepidus dachte da an beispielsweise an Purgitius Macer. Viel blutvergießen hätte sich doch verhindern lassen, wenn nur die Wahrheit früher ans Licht gekommen wäre. Oder hielten sowohl die Axilla, als auch ihr Mann es für richtig erst einmal zu warten, für wen das Pendel ausschlagen würde? Verwunderlich wär das natürlich nicht, auch wenn dem Conrelier dann nicht zu raten wäre, jenen Personen recht zu trauen. Zumindest die Virgo Maxima hätte doch damals schon stutzig werden müssen, als sie das Testament nicht traditionsgemäß in den Senat bringen konnte. Da stellte sich natürlich die Frage, warum den Senatoren dieses unredliche Verfahren nicht auffiel - zumindest jenen, die keine vollständigen Anhänger des Vesculariers waren, denn davon gab es ja immerhin noch einige, wie sich auch noch zu späterer Zeit herausstellte.
Fragen über Frage mit denen Lepidus erst einmal zurückblieb. Aber musste ihn das auch noch wirkich interessieren? Der Krieg war wohl vorbei und der richtige Mann würde wohl Kaiser werden - auch wenn dies wohl alles mit deutlicher Verzögerung geschah. Gern hätte er auch noch ehrende Worte für diejenigen gehört, die durch die Schreckensherrschaft Salinators ihr Leben lassen mussten. Ein bisschen Würdigung dieser armen Männer, die Palma die Treue hielten und dafür den Tod fanden, wäre sicher absolut angebracht. In erster Linie dachte er natürlich an seinen Cousin Tiberius Durus, der als ehemaliger Consul auch einen nicht unbekannten Namen hatte und an dessen offizieller Reinwaschung Lepidus sehr interessiert war.
Tja, und da war auch noch die schöne Passage im Testament bezüglich des Erlöschens der Gens Ulpia. Das rief natürlich gleich wieder die Erinnerungen an eine Diskussion mit Dives über den Verbleib eines gewissen Ulpius Probus in Erinnerung. Vielleicht würde Palma ja heute gar nicht selbst die Kaiserschaft beanspruchen? Aber nachdem selbst Nachforschungen keinen Hinweis auf das Überleben dieses Mannes ergeben hatten, machte sich der Tiberier auf keine allzu große Überraschung gefasst.