Beiträge von Lucius Tiberius Lepidus

    Ein Glück hatte sich Verus schnell beruhigt. Es war doch nichts wichtiger als einen kühlen Kopf zu behalten. Er nickte und war immerhinn wirklich schon ein wenig interessiert, welches Bild er sich denn nun der Frau machen würde.


    "Ach, keine Umstände", wank der Tiberier dann gleich ab. "Es ist für alles bestens gesorgt und Geschenke würden ja ohnehin in der Familie bleiben, nicht wahr?" Eine sehr nette Geste, aber dem Tiberier war auch beim besten Wille nicht eingefallen, was er sich wünschen würde. Abgesehen davon hatte er noch im Hinterkopf, dass es seinem neuen Verwandten in Anbetracht des Verlustes seiner Güter finanziell derzeit sicher nicht allzu gut gehen würde. Von daher konnte er da mit gutem Gewissen sagen, dass das schon in Ordnung gehe. "Ich nehme an, du wirst deine ursprüngliche Absicht eines Opfers nun nachgehen? Ich wünsche dir dafür in jedem Fall noch viel Glück und ich freue mich bereits auf den morgigen Tag." Soweit sein Zeichen, dass sie sich nun verabschieden konnten.

    "Haha", Lepidus lachte freudig in Anbetracht der Tatsache, dass er sein gegenüber ein wenig gereizt hatte. Er klopfte ihm nur ganz kurz auf die Schulter, bevor er ihm antwortete. "Ach, Verus, sei doch nicht gleich so gereizt. Meine Wortwahl ist manchmal etwas unpräzise, aber doch niemals böse gemeint." Das sollte jedenfalls glauben, wer wollte. "Ich bin sicher, da werden keine Schwierigkeiten bestehen. Ob sie mit jemandem bricht oder nicht, das überlass ich euch. Wenn der Kaiser Gnade walten lässt, dann bin ich niemand, der diese Autorität hinterfragen wird", fügte er noch hinzu. Das, was der Kaiser letztlich unternehmen würde, war noch nicht abzusehen. Man würde wohl einfach warten müssen, bis es geschah und sich dann beugen, zumindest hielt das Lepidus für den elegantesten Weg.


    Zufrieden stellte er fest, dass Verus seine Einladung akzeptierte. "Über die große Politik können wir uns dann gern auch noch beim Essen in der Villa unterhalten. Bis dahin werde ich mich einfach auf dein Erscheinen freuen. Ich werde Lucia veranlassen, euch einen sehr schönen Empfang zu bereiten. Es wird eine wahrhaft freudige Familienzusammenführung, dessen sei dir sicher."

    Iunia Diademata war also ihr Name. Zweifellos ein klangvoller Name, doch konnte sich Lepidus bei weitem nicht daran erinnern, dass ein Iunia in der letzten Zeit irgendetwas Großes vollbracht hätte. Sie zehrten wohl noch sehr von ihrem historischen Erbe. "Auch ich könnte wieder einmal etwas Abwechslung gebrauchen. Das ganze Gerede von Krieg hat mich sehr müde gemacht. So gut wie überall wird man damit konfrontiert." Von daher konnte der Tiberier nur beipflichten. "Mit etwas Glück, werden wir uns bald wieder der Vielseitigkeit des Lebens widmen können."


    Auch Lepidus hatte den Tribun bemerkt, schon seit er mit seinem Apfel das große Werfen auf die Leiche des Vescularier einleitete. Nun verließ er den Ort des Geschehens, nicht ohne in ihre Richtung zu sehen. Offensichtlich hatte er eine der Damen näher betrachtet und dann zwinkerte er auch noch. Welche hatte er wohl gemeint? Lepidus hatte es nicht klar identifizieren können, nutzt aber die Chance, um gleich beiden auf einmal ein Kompliment zu machen. "Eine hübsche Dame vermag es wohl leicht die Blicke auf sich zu ziehen." Welche der beiden gemeint war, blieb im Unklaren, er blickte dem Reiter hinterher, während er das sagte. Nichtsdestotrotz konnten sich sowohl die Iunierin, als auch Lucia einbilden, gemeint gewesen zu sein. Nunja, hoffentlich würde keine von ihnen dazu noch etwas sagen, sonst wäre Lepidus wohl schnell in der Bredouille und die beiden würden sich vielleicht mit Neid beäugen, bevor sie sich überhaupt kennengelernt hatten. Deshalb bemühte sich Lepidus schnell wieder etwas anderes zu sagen und schnell ein völlig bedeutungsloses Tratsch-Thema anzuschneiden, wo sie doch gerade schon von gesellschaftlichen Leben und Nachkriegszeit sprachen. "Schön wäre es ja, wenn der neue Kaiser zur Feier des Friedens wieder für eine lange Zeit der Spiele sorgt. Das sollte dem Kaiser auch gleich die nötige Beliebtheit im Volk sichern. Ich kann mich auch kaum noch an mein letztes Wagenrennen erinnern... Vielleicht könnte ich in der Friedenszeit sogar einen Rennstall finanziell unterstützen? Was meint ihr, welche Factio meine Unterstützung verdient hätte?" Mit der Fachkenntnis der Frauen rechnete er jetzt zwar nicht, aber vielleicht gab es ja eine Überraschung. Auch das Interesse seiner eigenen Schwester konnte er nicht wirklich gut einschätzen, sie hatten sich einfach schon viel zu lange nicht mehr gesehen. Zumindest verbal begann wohl immerhin wieder das normale Leben, auch wenn eine gammlige Usurpator-Leiche das Ganze noch untermalte.

    "Gut, das ist doch schon einmal was.", kommentierte Cincinnatus zufrieden. "Und ja, der Betrieb geht dann in euren Besitz über, oder sagen wir besser: an einen von euch. Es wäre von Vorteil einen einzigen festen Eigentümer zu benennen", erläuterte er dann noch kurz. Allerdings sah er seine Tätigkeit in dieser Beratung damit eigentlich fast abgeschlossen, denn ihm schien das alles noch etwas unlogisch: "Gesetzt dem Fall, ihr bewegt den Mann alles zu tun, was ihr ihm sagt, wozu braucht ihr dann ein Testament? Ihr könnt ihn doch einfach so dazu "bewegen" euch den Betrieb zu überschreiben." Abgesehen davon, dass dann wohl niemand ins Gras beißen musste... Aber vielleicht verrieten die Herren ihm hier auch nicht alles. Cincinnatus konnte ja gern ein Testament schreiben, aber das wäre doch im Grunde ein unnötiger Aufwand, besonders, wenn der Pacensis das auch selbst machen konnte. Er könnte es dann maximal überprüfen, auf das Pacensis keine unerlaubte Spitzfindigkeit in die Papiere einbaute, weshalb die beiden dann letztlich doch keinen Betrieb erhalten würden.

    Der Sklave dachte kurz nach und kratzte sich stilecht den Kopf - eben ein echter Mann, der versucht aus seinen Gedanken noch etwas herauszukitzeln. Immerhin gelang dieses Unternehmen und er hatte für die Dame des Hauses dann tatsächlich noch ein paar nützliche Informationen: "Ähm ja, in jedem Fall wohl auch seine Frau. Sie werden zum Essen bleiben, aber nicht über Nacht." Einiges wurde dem Sklaven tatsächlich nicht direkt mitgeteilt, aber aus dem weitläufigen Geschwafel des Tiberiers konnte er dann tatsächlich noch einiges herleiten. Auch Sklaven schafften es manchmal noch eins und eins zusammenzuzählen.

    Es dauerte nicht lange bis ein Sklave bei Lucia einzug erhielt und eine Nachricht überbrachte. "Salve Herrin. Ich wurde von Tiberius Lepidus angewiesen dir zu sagen, dass wir morgen zur Mittagsstunde Besuch von einem entfernten Verwandten mit Namen Aulus Tiberius Verus und dessen Familie erhalten. Mit ihnen soll gemeinsam gespeist werden. Du sollst das nötige in Bewegung setzen, koordinieren und die Sklaven anweisen das nötige einzukaufen und herzurichten. Sie sind wohl zu zweit oder zu dritt."

    "Den Beistand können wir hier gut gebrauchen. Vielen Dank für deinen Willen zur Unterstützung", sprach er nur kurz nach dem Treueschwur von Verus. Dabei fasste er Lepidus auf die Schulter und leider musste dieser darauf wieder feststellen wie unangenehm ihm körperliche Berührungen waren. Zum Glück nahm er sie bald wieder runter. Immerhin kannte er diesen Menschen auch erst seit einigen Minuten. So viel verwandtschaftliche Zuneigung hätte er da noch gar nicht erwartet. Er würde sich deshalb wohl auch noch nicht allzu sehr auf ihn verlassen. Das brauchte bei Lepidus schon etwas mehr Zeit. Darüber hinaus hatte ein Neuankömmling in Rom auch erst einmal andere Sorgen. Das war Verus vielleicht noch gar nicht so richtig bewusst, dachte sich Lepidus jedenfalls.


    Als er von der mitgebrachten Verwandten erfuhr, spitzte er schon sehr die Ohren. "Du hast dir also eine Plebejerin gegönnt? So so. Wollen wir mal wirklich hoffen, dass sie keine allzu starken Verbindungen zu jenen haben, die derzeit im Kerker schmoren." Lepidus bekam das nicht wirklich. Nicht nur, dass er vielleicht auch noch heimliche Salinator-Treue in der Familie hatte, nein, auch Plebejer haben sich dazu geschlichen. Zumindest war ihm nicht bekannt, dass es eine patrizische Linie der Decima geben würde. Naja, die Zeiten, wo man es noch so genau nehmen konnte mit der Heirat aus edler Geburt waren ja auch längst nicht mehr so relevant, wie ja überhaupt der gesamte Patrizier-Stand marginalisiert wurde. Aber Lepidus hing gern einem großen Ideal hinterher, einem Ideal, was ihn als was Besseres auszeichnete und was ihn wohlweislich abgrenzte von allem üblichen. Doch womöglich konstruierte er sich da auch ein Ideal, welches es so niemals gegeben hat. Dennoch würde er Verus und ganz besonders dessen Frau sehr skeptisch betrachten. "In jedem Fall sehr schön, dass ihr untergekommen seid. Falls ihr meine Hilfe braucht - gerade was die Orientierung in Rom angeht, kann ich sicherlich behilflich sein. Was einen Advocatus angeht: Ich selbst bin zwar einer, aber bisher hatte ich noch nie einen Fall. Wenn du einen erfahrenen suchst, dann schau mal bei der Basilica Ulpia vorbei. Dort müsste irgendwo eine Liste aushängen. Ich bin mir aber gar nicht sicher, ob so etwas Bestand haben wird. Sobald Palma hier ist wird er wohl das ein oder andere Edikt erlassen, welches das Reich in die Nachkriegszeit überführt. Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, dass ein großes Mästen der Verräter geben wird. Wahrscheinlich wird Palma eher im Sinne der Clementia Caesaris vorgehen. Zumindest ist das meine bescheidene Vermutung."


    Ob dadurch nicht aber alle herabgewürdigt werden, die zum Cornelier gehalten haben, war wieder eine andere Frage. "Was hältst du davon, wenn ich dich für morgen zur Mittagsstunde in die Villa Tiberia auf dem Esquilin einlade? Ich würde mich freuen, deine Familie kennenzulernen und meine Schwester Lucia wäre sicherlich auch sehr begeistert von verwandtschaftlichem Besuch. Wir könnten uns dann über die Zukunft unterhalten und auch einen Blick in den Stammbaum werden."

    Der Tiberier hörte aufmerksam zu. So so, die beiden wollten also ein Geschäft übernehmen. Nicht ganz einfach, wenn man es wasserdicht machen wollte, aber naja, das würde sich schon irgendwie regeln lassen. "Klingt nach einer Aufgabe, die sich lösen lässt. Dieses 'Magnum-Irgendwas' kenne ich nicht." Es gab einfach zu viele dieser komischen Betriebe Rom und der Tiberier war nicht dafür bekannt, dass er sich sonderlich viel herumtreiben würde. "Aber das ist mir auch egal. Ich brauche jedenfalls einige Informationen über denjenigen, der so "gütig" sein soll, euch den Betrieb zu überlassen." So gütig konnte er jedenfalls nicht sein, sonst könne er ja gleich selbst den Betrieb überschreiben. "Für ein Testament brauche ich natürlich in jedem Fall den Namen des Besitzers. Ist er römischer Bürger?" Andernfalls würde es kompliziert werden... "Des Weiteren sollte euch klar sein, dass ihr keine Haupterben werden könnt, da ihr kein römisches Bürgerrecht besitzt. Ihr könnt lediglich ein Legat in Form des Betriebes erhalten, was vom restlichen Vermögen getrennt ist. Das bedeutet also: Irgendwer außer euch wird zusätzlich erben, in erster Linie wohl die Verwandtschaft. Anders ist es nicht möglich. Sollte derjenige schon ein Testament aufgesetzt haben, so wäre wohl der einfachste Weg euch dort einfach mit draufzusetzen. Für den Fall eines völlig neuen Testaments wird es natürlich dadurch komplizierter, dass ich die Namen der Verwandtschaft und eine Aufschlüsselung seines Vermögens brauche. Tja, und dann ist es ja für gewöhnlich üblich, dass römische Bürger ihr Testament im Atrium Vestae aufbewahrt werden. Ich weiß ja nicht, wie gern euch dieser Besitzer hat..." Ganz so einfach, wie die beiden es sich vorgestellt hatten, würde es vermutlich nicht werden. Aber vielleicht überraschten sie ihn ja noch.

    Auf die Nachricht des Iuliers folgte sogar ungewöhnlich schnell eine Antwort. Der Tiberier schien tatsächlich wieder etwas Zeit gefunden zu haben und so überbrachte ein Sklave pflichtbewusst die Tabula an der Villa Rustica ab.


    Roma, A.D. III NON IUN DCCCLXIII A.U.C.

    Ad
    Marcus Iulius Dives
    Villa Iuliana Ostiensis
    Ostia, Italia



    Salve, geschätzter Freund.


    Es war mir eine wahre Freude deine Nachricht zu lesen. Ich kann dir zum Glück gute und beruhigende Mitteilungen machen: Ich bin wohlauf und habe es tatsächlich geschafft, die Unruhen in Folge des Einmarsches der Palma-Truppen zu überstehen. Es war ein riesiges Durcheinander und die Stadt hat ihren Betrieb auch immer noch nicht wirklich aufgenommen. Wie ich zwischen den Zeilen lese, scheinst du wohl ebenfalls deine speziellen Erfahrungen gemacht zu haben. Ich hoffe, es geht die den Umständen entsprechend gut. Mich würde natürlich brennend interessieren, was dir wiederfuhr.


    Meine Villa sollte in jedem Fall dein erster Anlaufpunkt sein, wenn du nach Rom zurückkehrst. Du wirst hier freudig empfangen. Selten herrschte hier eine so gehobene Stimmung, denn ich kann dir versichern: Das "Scheusal", der Tyrann, der Mörder ist nun endlich gerichtet worden. Die Götter persönlich haben ihn verdammt und ihm das Leben ausgetrieben, so heißt es zumindest, doch ich halte es für eine sehr schöne Erzählung. Ich sah ihn mit eigenen Augen. Man hat ihn in der Stadt ausgestellt und der Plebs bewarf ihn mit Unrat. Ein großartiges Schauspiel und ein wahrhaft verdientes Ende für diesen Mann! Mir steigen jetzt noch Freudentränen ins Gesicht, wenn ich nur daran denke. Meine Erleichterung über diesen Umstand ist kaum in Worte zu fassen und ich bedauere dich sehr, dass du den Anblick dieser lächerlichen Gestalt wohl nicht mehr erleben wirst. Doch tröste dich mit dem Gedanken, dass uns nun eine neue Friedenszeit bevorsteht.


    In der Tat bin ich auch noch auf dem Capitol als Aedituus tätig. Soweit hat sich kaum etwas verändert. Wie sieht es denn derzeit in Ostia aus? Wie ist die Stimmung im Volke gegenüber Palma? Es ist auch sehr interessant, dass du meine Verwandten erwähnst. Vor kurzem holte ich meine Schwester aus dem freiwillig gewählten Exil. Ihr scheint etwas langweilig seit sie hier ist, aber aus ihr ist eine wirklich edle Römerin geworden. Ich hoffe, du ergreifst die Chance sie einmal kennenzulernen, wenn du bei mir zum Essen einkehrst. Was die Terminfindung angeht: Wahrscheinlich würde es mir ANTE DIEM V ID IUN DCCCLXIII A.U.C.? In jedem Fall solltest du dich nicht mehr allzu lange aus Rom fernhalten - trotz schlechter Erfahrungen. Hier wird bald eine neue Ära beginnen. Wer weiß, welche Möglichkeiten sie bietet. Ich werde dich in jedem Fall erwarten und verbleibe mit aufrichtiger Freude auf ein Wiedersehen.


    Vale bene!


    Lucius Tiberius Lepidus

    Lepidus hatte sich einmal mehr in einige Rechtsschriften vertieft. Sein Cursus Iuris war schon wieder einige Zeit und obwohl ihm die Juristerei sehr viel Freude bereitete, hatte er bisher noch nicht die Möglichkeit erhalten, sich einmal als Advocatus zu beweisen. Von daher schadete es nicht, seinen Wissenstand einigermaßen aktuell zu halten.


    Zwischendurch wurde ihm von einem Sklaven eine Tabula gebracht, die nun aber erst einmal noch auf seinem Schreibtisch verweilte. Zu sehr war der Tiberier in Gedanken. Er versuchte sich zurückzulehnen, stand auf, ging umher. Irgendwann landeten seine Augen dann doch eimal auf der Tabula und er konnte den Absender erkennen: Iulius Dives. Lepidus schmunzelte, begab sich wieder auf seinen Platz und nahm sich die Tabula vor. Was hatte der gute Duumvir wohl auf dem Herzen? In der Tat hatten sie sich schon lange nicht mehr gesehen. Seit die Truppen Palmas einmarschierten war ohnehin alles recht unübersichtlich, so dass nicht viel Zeit für ausgedehnte Brieffreundschaften bleiben konnte.


    Erneut lachte der Tiberier als er über "Glückwünsche" an seine Person las. Die Abmachung hatte er natürlich nicht vergessen, obwohl es Lepidus natürlich nicht wunderte, dass der Iulier so schnell wie möglich darauf zurückkommen musste. Noch belustigter schaute Lepidus drein, wenn er bedachte, dass der gute Iulier es jetzt sicher nicht einfach haben würde, nachdem der Vescularier das zeitliche gesegnet hatte. Die Erwähnung eines "düsteren Aufenthalts" ließ jedenfalls Raum für Deutungen. Wer wusste schon, was man dem armen Mann angetan hatte? Zu gut hatte er noch den Mob in Erinnerung, der auf die Jagd nach Salinator-Anhängern ging. Die Vorstellung eines durch die Straßen gescheuchten Dives war - trotz aller Freundschaft - doch ziemlich amüsant. Naja, er würde wohl sein Wort halten. Er war ja niemand, der gute Freunde vergas, nur weil sich seine eigene Situation ein wenig verbesserte. Oder vielleicht doch? Zumindest im Fall von Dives war er es nicht. Und so diktierte er gleich das Geschreibsel für die Tabula, die bald Dives erreichen sollte.

    Die Worte des Verus wogen schwer. Offensichtlich hatte sich das Leid der Tiberier über große Distanzen ausgebreitet, so dass nicht einmal eine gute Familie in der Provinz verschont blieb. All dies hätte wahrlich Anlass zu pessimistischer Verstimmung geben können, doch Lepidus fühlte sich in der Nähe des Minerva-Tempels äußerst wohl und mit diesem wohligen Gefühl stellte sich eher eine trotzige Euphorie ein. "Ich bedauere dein Unglück. Es ist eines von vielen in einer langen Kette, die dieser Bürgerkrieg mitgezogen hat. Doch Kopf hoch, wir sind immer noch die Tiberii und mit dem Tode Salinators sind wir von einer großen Plage befreit worden." Lepidus war sich zwar bewusst, dass dies die Landgüter des Verus auch nicht mehr zurückbringen konnte, aber was half in diesen Tagen alles Klagen? Hauptsache war wohl, dass sie überlebt hatten."Marcus Tiberius Antoninus" wiederholte Lepidus leise und dachte nach. "Nein, ich kann mich auch an den Namen deines Vaters nicht erinnern. Wir sollten bei Gelegenheit einen Blick in den Familienstammbaum werfen. Meinen Cousin Durus habe ich im Übrigen kaum gekannt, weshalb er mir nie von euch erzählen konnte, doch als ich zu Beginn des Krieges von seinem Tode erfuhr, bin ich umgehend nach Rom zurückgekehrt, um mich um alles zu kümmern. Ich war zu dieser Zeit ebenfalls in Achaia, um meine Ausbildung abzuschließen. Nach dem hohen Blutzoll, den unsere Familie mit Durus, Tiberia Arvinia und letztlich auch mit Tiberia Albina zu zahlen hatte, gab es niemanden mehr, der unsere römischen Besitzungen verwalten konnte. Als Cousin von Durus war ich dafür noch der naheliegendste Verwandte." So hatte er Verus auch gleich einen Eindruck verschafft, wie es derzeit aussah und was er hier in Rom tat. "Ich musste mich um die Wiederherstellung unseres Rufes kümmern und jetzt mit dem Tode Salinators wird wohl auch das Bild von Durus, der bislang als Verräter gebrandmarkt war, weil er angeblich irgendetwas mit dem Tode Valerians zu tun gehabt haben soll, wieder ins rechte Licht gerückt. Zumindest hoffe ich das inständig." Es sprach zumindest nicht viel dagegen und auch für diese geschichtliche Bereinigung wurde die Ankunft Palmas seitens der Tiberia sehnsüchtig erwartet. "Derzeit wird die Villa Tiberia nur von mir und meiner Schwester Tiberia Lucia bewohnt - sozusagen die letzten Überlebenden der Tyrannei Salinators. Hast du ebenfalls noch weitere Familie mit nach Rom gebracht? In welchem Teile Roms bist du untergekommen?"

    Lepidus hatte nun sehr genau die Ohren gespitzt. Kein Wort sollte ihm mehr entgehen. Wenn irgendetwas sein Interesse immerhin etwas weckte, dann war es ein entfernter Verwandter. Dieser wiederholte den Namen und es war wohl eindeutig: Er hatte hier einen weiteren Tiberier vor sich. Oh, Minerva. Was hast du dir da nun wieder ausgedacht?


    "Tiberius Verus also" wiederholte Lepidus immer noch etwas ungläubig. "Auch wenn ich gern glauben möchte, dass die Götter ihre Finger im Spiel hatte, so ist es vielleicht doch kein so großer Zufall mehr, dass wir uns am Tempel unserer Schutzgöttin treffen." Sein Gesicht hellte sich etwas auf und fing an zu lachen aufgrund dieser merkwürdigen Situation. "Wie kommt es mir, dass du mir so gänzlich unbekannt bist. Ich war der Ansicht, zumindest in Rom alle Tiberier zu kennen. Du kommst nicht von hier, oder?" Lepidus grübelte immer noch. Bei einem so breiten Familienstamm war es natürlich klar, dass man nicht jedes Gensmitglied kennen konnte. In der Tat hatte sich der Stamm meist so verstrickt, dass man sich wirklich nur noch auf sehr entfernte gemeinsame Vorfahren berufen konnte. Von daher hatten sie zwar denselben Namen, hatten darüber hinaus aber nicht viel miteinander zu tun. Dennoch interessierte Lepidus natürlich auf welche Art er wohl mit diesem Menschen in der weiteren Familienverzweigung verbunden war. "Lass uns doch ein wenig um den Tempel spazieren. Ich habe Minerva bereits reich auch im Namen unserer Gens geopfert, so dass sie es sicher verzeihen wird, wenn du noch etwas damit wartest." Lepidus wies auf die Stufen nach unten setzte sich bereits in Bewegung: "Sag, wie hieß dein Vater?", fragte er nun neugierig. Introvertiert hätte er sich dagegen wohl selbst nie bezeichnet. Desinteresse beschrieb dagegen schon eher, was er empfand, hätte er es hier nur mit einem gewöhnlichen Mann von der Straße zu tun gehabt.

    Ohne ausdrucksvolle Miene hörte sich Lepidus das sophistische Gewäsch seines Gegenübers an. Nein, Münzen waren doch wirklich manchmal viel interessanter als Menschen. Er wartete ab, bis dieser Mann seine Worte gesprochen hatte und hoffte dadurch seiner Schuldigkeit genüg getan zu haben. Welch Opfer an Zeit und Aufmerksamkeit man nicht bringen musste, nur um nicht anstößig zu wirken. Lepidus lächelte sogleich als er annahm, dass der Man ihm gegenüber fertig war. Er wollte schon fast ansetzen, sich nun zu verabschieden, als sein Gegenüber sich auch noch vorstellte. Da es ihm eigentlich herzlich egal war, mit wem er es da zu tun hatte, hörte er auch überhaupt nicht richtig hin, so dass eine Reaktion im ersten Moment ausblieb. Doch schon im zweiten Moment ratterte es in Lepidus Hirn und er wurde sich darüber bewusst, was er gerade gehört hatte. Hatte er gerade Tiberius Verus gesagt? Lepidus konnte nun tatsächlich seine Münze aus den Augen lassen und sah den Fremdling stattdessen eindringlich an - noch immer kam ihm der Mann nicht bekannt vor. Aber vielleicht hatte er sich auch nur verhört? "Hast du Tiberius Verus gesagt? Mein Name ist Lucius Tiberius Lepidus." Hatte er hier einen entfernten Verwandten getroffen? Wie konnte das sein? Alles Zufall? Oder hatten hier die Götter, wenn nicht Minerva höchst persönlich ihre Hand im Spiel? Lepidus konnte erst einmal nichts weiter sagen. Sein Blick blieb skeptisch. Wahrscheinlich wartete er immer noch darauf, dass der Fremde sagen würde: "Nein, nein, das hast du falsch verstanden: Ich heiße soundso." So richtig glauben, konnte er es jedenfalls noch nicht.

    Lepidus versuchte aufmerksam zuzuhören, doch das ganze klang in seinen Ohren noch sehr diffus. Rechtliche Unterstützung für eine Übernahme eines Unternehmens? Das konnte ja heiter werden. "Was genau habt ihr euch denn dabei gedacht und wie soll ich euch dabei genau 'rechtlich' unterstützen? Ich meine: Ihr wollt demjenigen sicher nicht den Schädel einschlagen, auf das ich euch danach in einem Mordprozess aus der Schlinge ziehe?" Lepidus lachte laut auf aufgrund dieses absurden Gedankens. "Was genau soll meine Rolle in diesem Stück sein?" Es war natürlich klar, dass er von diesen Leuten kein Geld brauchte und er sie im Gegenzug für andere Zwecke einspannen würde. Genau deshalb hatte er ja überhaupt den Kontakt gesucht. "Ich erklärte schon deinem Freund hier..." Und er verwies auf Askan "...zu beginn, dass es immer hier und da Probleme gibt, die aus dem Weg geschafft werden müssen - am liebsten natürlich mit euren Methoden." Ein zwinkern von Lepidus war zu vernehmen. "In Zukunft werde ich euch sicherlich den einen oder anderen Auftrag erteilen, der eurem Handwerk gerecht wird. Bei einfacheren Angelegenheiten..." und damit meinte Lepidus wohl die Bedeutung und die Schwierigkeit an eine bestimmte Zielperson heranzukommen "...sollten meine juristischen und sonstigen Beihilfen, die ich euch leiste, Bezahlung genug sein. Bei schwierigeren Fällen wird euch zweifellos auch eine angemessene zusätzliche Entlohnung zuteil werden. Doch dies können wir gerne aushandeln, wenn es einmal so weit ist. Wichtig ist natürlich, dass alles fair und in beiderseitigem Vorteil geschieht." Den letzten Satz sprach Lepidus etwas langsamer, fast schon geschwollen.

    Noch etwas grimmig hatte Lepidus der hinfortgefallenen Münze hinterher gesehen, doch schon war sein Gesicht wieder ganz entspannt, als dieser jemand, der wohl das Glück oder Unglück hatte sich für diese Münze hinunterzubeugen, ihm sogleich entgegentrat, um sie Lepidus auszuhändigen. "Geld wandert normalerweise nicht so leicht aus meinen Händen", kommentierte der Tiberier durchaus wahrheitsgemäß. Mit Ausgaben hatte er sich in letzter Zeit stark zurückgehalten. Es kam ja auch lange nicht mehr allzu viel in die Kassen. Die Ländereien machten nicht die nötigen Erträge und vom Sold eines Aedituus konnte man mehr sterben als leben. Die Lage war für einen Patrizier durchaus schon einmal angenehmer.


    "Ein so schönen Tag könnten wir uns vielleicht nicht kaufen, aber mit genug Geld könnte ich jeden trüben Tag bestens überstehen", so die Meinung des Lepidus, der wohl auch bereit wäre Sol für immer zu verstecken, wenn es dafür einen Berg an Sesterzen geben würde. Als er die Münze wieder in Besitz nahm, sah er die ganze Zeit mehr auf die Münze, als wäre sie deutlich interessanter als der Mensch der sie zurückbrachte. Der interessierte ihn kaum, von seinem Aussehren registrierte er nur das nötigste, war sich aber fast sicher, dass er diesen Menschen in seinem Leben noch nie gesehen hatte. Irgendwie musste Lepidus natürlich die nette Geste zu schätzen wissen und so entschloss er sich zu ein paar Allgemeinplätzen. Ein kurzer Plausch der Höfflichkeit wegen und dann konnte er wieder seinen Geschäften nachgehen. So sprach er immerhin noch: "Ich nehme an, du bist hier um der guten Minerva ein Opfer darzubringen? Sie wird dir sicher sehr dankbar sein." Eine Nichtssagende Phrase - eben die wahrhaftigste Höflichkeit, die Lepidus aufbringen konnte.

    In diesen Tagen war der Tiberier wieder einmal viel unterwegs. Immer noch war er recht aufgeregt, was die Ankunft des neuen Kaisers betraf und so kam es, dass er in diesen Tagen den Göttern ganz besonders huldigte. Natürlich vor allem den Schutzgöttern der Gens Tiberia, worunter auch Minerva zählte. Schon in seinem 'eigenen' Tempel - dem capiolinischen, wo er seiner Tätigkeit als Aedituus nachging - kümmerte er sich liebevoll um die Stätte der Minerva, freilich ohne die der Iuno und ganz besonders des Iuppiter nicht zu vernachlässigen. Die Götter blickten doch schließlich auch gern mit Neid aufeinander.


    So fügte es sich aber, dass Lepidus heute auch einmal in einem anderen Tempel vorbeischaute, der nur Minerva geweiht war. Ein Austausch unter den Aeditui hielt er ohnehin immer für sehr ratsam. Auch sie waren in Anbetracht der Umstände sehr aufgeregt und hatten viel zu tun. Nachdem sich die Unruhen wieder halbwegs gelegt hatten, strömten die Leute natürlich gleich wieder in Scharen in die Tempel, um sich der Gunst der Götter zu vergewissern.


    Auch Lepidus wollte an diesem Tage einfach nur ein kleines Opfer darbringen. Nichts Aufregendes. Ein wenig Gebäck da, ein bisschen Wein hier. Minerva sollte sich der stetigen Aufmerksamkeit sicher sein und er hoffte, dass die Göttin diese Kontinuität würdigen würde. Doch ob man es glaubte oder nicht, so war das Highlight an diesem Tage wohl keineswegs die kleine Opferung an Minerva, sondern etwas ganz anderes.


    Als der Tiberier aus dem Tempel kam, blieb er für einen Augenblick auf den Stufen stehen und blickte zur Sonne. Es war ein herrlicher Tag. Keine Wolke schien sich am Himmel zu bewegen. Er stand für eine Weile einfach nur so da, während hier und da jemand an ihm vorbeilief. Währenddessen ließ er immer wieder eine Münze in seiner Hand auf und ab fliegen, indem er sie mit dem Daumen schnippte. Er sah nicht einmal hin, was er da tat, sondern machte es rein aus Gefühl. Leider reichte sein Gefühl dann leider nicht aus, um für ähnliche Beständigkeit zu sorgen, wie Lepidus es mit den Opferungen hielt. So glitt ihm mit einem Male die Münze aus der Hand und klirrte auf ein paar Treppenstufen nach unten, wo sie jemandem vor die Füße fiel...

    Der Mann hatte schnell verstanden, was er wohl gleich durch die Nennung des neuen Namens unterstreichen wollte. Ausgezeichnet, dachte sich Lepidus - oder Cincinnatus? Die Drohung dagegen verstand der Tiberier ganz gut. Aber wie hieß es so schön: Kein gutes Geschäft ohne Risiko. Aber in seinen Augen waren es eben immer noch kleine perigrine Maden, mit denen er es zu tun hatte und von daher fürchtete er sie derweil noch nicht wirklich. Warum auch? Seine Intentionen waren ja auch ganz auf eine Zusammenarbeit zum gegenseitigen Vorteil gerichtet, da machte er sich um Verwerfungen erst einmal keine Gedanken. Und wenn diese Leute klug genug waren, ihren Vorteil zu sehen, dann sollte es hier keine Schwierigkeiten geben. "Nachrichten an mich steckt ihr in ein kleines Loch an der Häuserwand auf dem südlichen Viminal. Mein guter Pittacus hier..." dabei klopfte er dem breitschultrigen gleich einmal auf die Schulter "...wird euch dort im Anschluss gern hinbringen, auf das ihr die Stelle einmal gesehen habt und demnach wisst, wie ihr mich zukünftig kontaktieren könnt. Selbstverständlich wird dies auch der Weg sein, über den ich euch kontaktieren werde. Also sollte einer von euch ab und zu dort vorbeischauen. Ich selbst werde regelmäßig einen Sklaven nach dem Rechten sehen lassen."

    Ein Sklave von Lepidus hatte lange nach einem geeigneten Ort gesucht, wo man zukünftig Post erhalten konnte, die nicht unbedingt direkt an seine Villa gesandt werden musste. Fernab der manchmal allzu neugierigen Verwandtschaft, konnte er hier ganz gepflegt einen vertrauten Sklaven entsenden, um Briefe abzuholen oder hier zu verstauen, alles im Namen eines gewissen Cincinnatus, der hier mit der weniger feinen Gesellschaft jederzeit Kontakt aufnehmen konnte und der auf diesem Wege ebenso leicht, aber unpersönlich zu erreichen war.


    Die Stelle befand sich auf dem südlichen Viminal. Hier gab es im Grunde nur Wohnungen und kaum öffentliche Bauten. In einer Seitengasse, die nicht allzu oft belaufen wurde, gab es einen kleinen Riss im unteren Mauerwerk - sehr fein und unscheinbar von weitem, aber bei genauerer Betrachtung ausreichend groß, um sogar die ein oder andere Wachstafel darin verschwinden zu lassen. Ein paar poröse kleine Steine konnten den Zugang einigermaßen verschließen, so dass hoffentlich niemand einfach mal ausversehen seine Hand dort hineinlegte.

    Die nun sich zahlreich über und auf die die Leiche fliegenden Wurfgeschosse machten das ganze natürlich noch mehr zu einer Unterhaltungsveranstaltung, als es für den Tiberier ohnehin war. Er selbst begnügte sich mit dem Anblick, ohne selbst Teil der Werfermassen zu werden.


    Seine alte Bekannte ließ nun auch mit ihren Worten verlauten, dass sie wohlauf war. Und sie legte einen erstaunlichen Opportunismus an den Tag. Zwar konnte er sich nicht mehr im Einzelnen an all das erinnern, über was sie damals sprachen, aber er hatte es wesentlich Salinatorfreundlicher in Erinnerung als ihre jetzige Hoffnung auf einen neuen Gesandten der Götter. Doch genau das gefiel dem Tiberier, der selbst in den meisten Fällen zum Opportunismus neigte und die Prinzipientreuen belächelte. Was hat man schließlich noch von Prinzipien, wenn man tot war?


    "Ich denke, dass nun der richtige Kaiser genannt werden wird und ich denke weiter, dass wir nach all dem Krieg nun eine neue Ära des Friedens erhalten werden. Hoffen wir, dass die Götter es so wollen." Lepidus fühlte sich darüber hinaus zutiefst geschmeichelt, von der Aussage, dass Männer wie er in den Senat kommen sollten. Ach, da fühlte sich der Tiberier gleich 10 Meter groß. Er musste wirklich aufpassen, dass er nicht seine eigene viel zu vermessene Überheblichkeit an den Tag legte und schaffte es dann im letzten kleinen Gedankengang immerhin noch eine bescheidene Aussage zu tätigen: "Ein Platz im Senat würde mich natürlich ehren, doch der Weg dorthin ist bekanntlich steinig und lang. Aber wer weiß schon, was die Zukunft bringt. Da fällt mir ein, dass wir uns bedauerlicherweise nie richtig vorgestellt haben: Ich bin Lucius Tiberius Lepidus und dies hier zu meiner Seite ist meine Schwester Tiberia Lucia. Wie lautet dein Name?" Lepidus war schon gespannt, wer nun diese Frau eigentlich war, die ihm nun schon wiederholt über den Weg gelaufen war. Gleichsam blickte er auf seine Schwester, die hier vielleicht ebenso nette Kontakte knüpfen könnte, auf das sie ihren Weg in die Gesellschaft finden würde, wo sie doch erst vor kurzem in Rom eingetroffen ist.

    Etwas verblüfft darüber, dass sein Gegenüber mit der Hand herumfuchtelte, riss der Tiberier die Augenbrauen ein wenig hoch. Er sah in Richtung einer anderen Gestalt, die sich nun näherte. Ganz offenbar war Lepidus nicht der einzige, der hier Vorsicht walten ließ. Der hochnäsige Patrizier fand es aber völlig natürlich, dass er einen Schutzgefährten mitbrachte, während die anderen doch nun wirklich kaum Gefahr liefen in ihren billigen Klamotten ausgebaut zu werden. "Clevere Kerlchen seid ihr mir ja. Und dem guten Pittacus hier ist nicht einmal aufgefallen, dass wir noch von anderer Seite beobachtet werden." Ein vorwurfsvoller Blick erreichte den Leibwächter, der daraufhin so reagierte, wie im Grunde auf alles: Mit Schweigen. Wieder wandte er sich an seine neuen Kollegen: "Meinen Namen kennt ihr ja bereits tatsächlich schon. Doch ihr solltet ihn besser schnell wieder vergessen. Eure Namen kennt in Rom wohl niemand von Rang. Bei mir, so könnt ihr verstehen, ist das immerhin noch ein wenig anders." Auch wenn Lepidus weit weit davon entfernt war, dass seine Taten tatsächlich für irgendjemanden von Interesse waren. Aber er bildete es sich natürlich gern ein. "Ihr werdet mich also in Zukunft unter einem anderen Namen ansprechen." Hatte sich Lepidus schon genug Gedanken um einen Decknamen gemacht? Vielleicht Catilina? Ha, das wäre wohl zu offensichtlich und vielleicht würde ihm ja ein ähnliches Schicksal erwarten. Vielleicht nach einem großen Helden, wie Capitolinus oder Mucius Scaevola? Hmm... nein... Das war es auch noch nicht so wirklich. Ah, ja genau, jetzt hatte er es. "Nennt mich sowohl im Gespräch als auch in unserer Korrespondenz einfach Cincinnatus." Lepidus dachte dabei natürlich an den Dictator Lucius Quinctius Cincinnatus, einem ausgewiesenen Feind der Plebejer, gleichsam so bescheiden und Tugendhaft, dass der Name sich absolut lohnte vom Tiberier geführt zu werden. Nicht, dass irgendjemand anderes je auf die Idee gekommen wäre, dass er viel mit diesem gemein gehabt hätte, aber das wäre nicht das erste Mal das Lepidus eine Meinung gänzlich Exklusiv gehabt hätte. "Unser zukünftiger Schriftverkehr wird im Übrigen über eine geheime Stelle in der Stadt laufen, die von meinem Sklaven regelmäßig aufgesucht werden wird, um eventuelle Briefe zu empfangen. Seid ihr damit soweit erst einmal einverstanden?" Lepidus betrachtete ganz besonders den neuen in der Runde. In der Tat sah dieser etwas Erfahrener aus. Offensichtlich hatte er seinen Grünschnabel vorgeschickt, um die Lage zu sondieren. Er war gespannt, was er dieser Unterhaltung beizusteuern hatte.