Der Kaiser hatte den ersten Teil des Opfers hinter sich gebracht, doch das Wichtigste stand erst noch bevor. Während der Kaiser drinnen noch sein Gebet sprach, wurde bereits Aufstellung genommen. Lepidus wies jeden auf seine Position, seien es nun die ministri, der victimarius oder die Musikanten. Um den Haruspex kümmerte sich ein weiterer Diener und versicherte sich, ob er alles haben würde, was er benötigte. Alle Besucher, die an diesem Tage erschienen waren, um das Staatsopfer und sicher auch Palma persönlich in Augenschein zu nehmen, konnten bisher noch locker plaudern, während der neue erste Mann in Rom noch seine Pflichten im Inneren des Tempels erfüllte. Noch war das allgemeine Schweigen noch nicht geboten. Die Leute konnten gleichsam beobachten wie man die Stiere hinweg von den Wasserschalen führte, woraus man sie die ganze Zeit seit ihrer Beschaffung hat trinken lassen. Erfahrene Opferdiener wussten, dass das Blut später ganz besonders gut fließt, wenn die Tiere vorher ausreichend getrunken hatten. Tja, und wenn das Blut gut spritzte und floss, war es schließlich immer ein gutes Zeichen. Man präsentierte die Tiere auf dem Tempelvorplatz. Von ihrer weißen Kreidebemalung konnte man unter den reichhaltigen Verzierungen kaum noch etwas sehen. Die Hörner waren vergoldet, was Licht, Glanz und Glück symbolisierte. Beiden Stieren wurden infulae um die Stirn gebunden, an denen wiederum einige Bändchen hinunter ragten, die einen scharlachroten Farbton hatten. Darüber hinaus wurde dem Tier eine Decke auf den Rücken gelegt, ein breites buntgerändertes Tuch, das in Fransen auslief. Kenner beobachteten mühsam, ob sich der Schwanz des jeweiligen Stieres mehr nach rechts oder links neigte. Tat er es nach rechts, so konnte man von einem guten Zeichen ausgehen. Lepidus konnte aber keine Tendenz ausmachen. Eindeutige Zeichen, ob das Opfer gelingen würde, offenbarten sich also noch nicht.
Als der Kaiser dann jedoch langsam nach draußen geführt wurde, nahm nun der wichtigste Teil des Opfers seinen Lauf. Noch einmal musste der Tiberier tief durchatmen, auf das sich das Opfer nun wirklich in einer angemessenen Weise zu Ende führen ließ. Diese Minuten würden ihm wie Stunden vorkommen. Sein Blick richtete sich auf jeden einzelnen Opferhelfer, auf jeden einzelnen Anwesenden. Die einen würden hoffentlich ihren Dienst leisten, die anderen ein erfolgreiches Opfer und einen von den Göttern bestätigen Kaiser sehen. Draußen angekommen konnte Palma nun auch selbst die in Position gegangenen Helfer und natürlich auch die zahlreichen Besucher begutachten. Viele seiner engsten Günstlinge würden wohl hier sein, ganz zu schweigen von den vielen Senatoren, die er vom Capitol mit hergebracht und die ein Opfer des Kaisers wohl auch kaum verpassen durften. Bevor es weiterging, ging Lepidus nun persönlich mit einem Schälchen Wasser an den Reihen der Schaulustigen vorbei und ließ immer wieder ein paar Tropfen über sie niederregnen. Damit wurden auch alle Anwesenden symbolisch gereinigt.
War dies vollzogen, so wurde nun gesprochen "Favete linguis!" Die Menge erkannte, dass sie nun still sein müsse, doch glücklicherweise wurde die Stille sogleich von den sanften Tönen der Musiker gebrochen, welche vor allem die störenden Hintergrundgeräusche übertönen sollten, die in einer Stadt wie Rom gern mal auftauchten.
Im Fokus standen nun der Kaiser und die Opfertiere. Bisher schienen diese keine Anstalten zu machen. Gerade für das Staatsopfer hatte man sie wieder und wieder geprüft. Jedes kleinste Zeichen einer Krankheit musste dazu führen, dass man sie lieber nicht geopfert hätte. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass es schlechte Zeichen geben würde, war einfach zu groß. Äußerlich schienen sie also hostia optima zu sein und der victimarius, der vordergründig die Opfertiere überprüfte und in den Lepidus sein ganzes Vertrauen setzte, befand die Stiere eines Staatsopfers würdig.
Sie hatten wohl ihr letztes Schaulaufen auf dem Tempelvorplatz. Nun wurden sie zum Altar geführt, wo man sie ankettet, langsam und ohne, dass man sie dazu drängte. Jeder wusste, dass die Götter sich nicht durch Opfertiere besänftigen ließen, die sich gegen die Opferung sträubten. Auch ein hinkendes Tier wäre schon im Vorhinein zum Scheitern verurteilt gewesen. Kein Wunder, dass die Opferdiener immer besonders sorgsam und fürsorglich mit ihnen umgingen. Das Tier wurde solange geschont und selbst fast göttlich behandelt, bis sie sich dann hoffentlich mühelos dem Tod ergaben.
Dem Kaiser wurde nun eine Schüssel Wasser gereicht, wo er erneut die Reinigung seiner Hände vornehmen musste, bevor er sich anschließend mit einem weißen Tuch (mallium latum) abtrocknen konnte. Nun wurde ein Behältnis mit mola salsa überbracht, auf das der Kaiser diese über beide Opfertiere, aber auch über die Opferinstrumente streute, wozu sowohl das Opfermesser, als auch der Opferhammer gehörten, die dem Kaiser zum bestreuen ausgestreckt wurden. Nun kam der Weinträger herbei und übergoss das Tier mit dem edlen Getränk. Die Weihung war somit vollzogen und dem Tier konnte nun sämtlicher Schmuck abgenommen werden. Dem Cornelier wurde daraufhin das Opfermesser dargereicht. Er wurde noch zuvor auf dem Weg nach draußen darauf hingewiesen, dass er das Bestreichen mit der rechten Hand vollziehen musste. Denn für die Götter des Himmels war die Rechte vorzuziehen, während für die Götter der Unterwelt die Linke vorbehalten war. Und Iuppiter wollte sicherlich nicht für einen Gott der Unterwelt gehalten werden. So achtete der Opferdiener, dass er das Messer auch in die richtige Hand übergab.
Er würde das bereits faktisch entkleidete Tier nun auch symbolisch entkleiden, indem er vom Kopfe des Tieres bis zum Rücken und Schwanzansatz streichen würde. Anschließend konnte er das Messer wieder abgeben. Den Hammer fallen lassen oder das Messer ansetzen, würde der Kaiser wahrscheinlich nicht persönlich.
Währenddessen nahm bereits der Diener Aufstellung, der Palma sein Gebet präsentieren würde, auf das er es ohne Fehler darbringen konnte. Man hatte ihn darauf hingewiesen, dass er sich dem Tempel und dem darin befindlichen Kultbild zuwenden müsste. Deshalb stand auch der Mann mit dem geschriebenen Gebet mit dem Rücken dazu. Speziell für das Gebet in der Öffentlichkeit, so hatte ihm ein Opferdiener noch vorgeschlagen, sei es zu empfehlen bei Beendigung die rechte Hand auf die Lippen zu legen, bevor die Wendung nach rechts erfolgt. Es ist eine alte feinsinnige Geste bei Abschluss des Gebetes, welcher die Rückkehr zum alltäglichen Leben bedeutete.
Gespannt durften die Zuschauer aufhorchen, was der Kaiser sprechen würde. Es wäre ein Gebet an Iuppiter, aber jeder wusste, dass es hierbei auch um das anwesende Publikum ging. Sie wollten beeindruckt werden und so hatte das öffentliche Gebet meist einen ganz anderen Charakter, als das Gebet, welches man im Persönlichen an die Götter richtete.