Pittacus knirschte mit den Zähnen als dieser Frischling offenbar seine Fähigkeiten als Leibwächter in Frage stellte. Er ballte die Faust unter dem Tisch und betrachtete diese 'Askan', wie er sich nun vorstellte, noch argwöhnischer als vorher. Lepidus gefiel dagegen dieses mutige auftreten. Nein, Pittacus sollte sich erst einmal grämen. Dennoch sah dieser Askan nicht so aus, als hätte er schon wahnsinnig viel Erfahrung. Sein Gesicht wirkte er jünglich, aber naja. Zu was er fähig war, das würde Lepidus vielleicht noch irgendwann herausfinden. "Ja, bedauerlicherweise gibt es immer mal wieder Ballast und Müll. Von daher sind Menschen wie du ein wahrer Segen für unsere schöne Stadt, die dadurch sauber gehalten wird." Es war mal wieder die Zeit für metaphorisches Blabla bei Lepidus. Aber in welcher Situation wäre es je angemessener gewesen? Er hatte sicherlich keine Lust, dass jeder gleich allzu offensichtlich wusste, womit sie hier und da beschäftigt waren. "Deine Dienste wären mir in jedem Fall sehr willkommen, aber ich bin mir sicher, du bietest sie nicht kostenlos an? Das schöne ist, dass ich mehr zu bieten habe, als ein paar lächerliche Sesterzen. Mir kam zu Ohren, dass du oder mit wem du sonst noch zusammenarbeitest, vielleicht Hilfe gebrauchen könntet. Hilfe, die euch vielleicht nur ein römischer Bürger meines Standes zu bieten im Stande ist. Wenn dem so ist, so könnten wir leicht ins Geschäft kommen. Ein lockeres ‚eine Hand wäscht die andere‘. Bin ich denn richtig informiert?" Lepidus lehnte sich zurück, während er sein Gegenüber mit einem verschmitzten Grinsen betrachtete. Pittacus unterdessen hatte sich in der ganzen Zeit kaum gerührt. Stur blickte er Askan an wie eine Statue.
Beiträge von Lucius Tiberius Lepidus
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Allzu lange hatte es dann doch nicht gedauert, bis tatsächlich jemand auftauchte und die Feder auf den Tisch legte. Ein komischer Typ mit komischem Mantel und Kapuze. Hoffentlich kleidete er sich nicht immer so, dachte sich Lepidus nur, während er ihn ausführlich musterte und auf dessen Begrüßung erst einmal spät reagierte. Alles, was man nur machen konnte, um seinem Gegenüber ein wenig Unsicherheit zuzumuten. Das musste jemand, der Geschäfte machen wollte auch abkönnen. "Salve", ließ er dann nur kurz verlauten und richtete seinen Blick auf Pittacus. "Das hier, mein guter Freund, ist Pittacus. Ich weiß, die Abmachung war anders. Aber du glaubst ja wohl nicht im Ernst, dass ich ohne Leibwache aus dem Haus gehen." Lepidus lachte aufgrund dieses leichtfertigen Gedankens. "Aber er wird nicht weiter stören. Er garantiert nur für meine Sicherheit." Er nahm seinen Becher Wein, ließ ihn ein wenig umherschwanken, trank einen Schluck und richtete dann wieder seinen Blick auf den Neuankömmling: "Und wer bist du nun? Außer einer vagen Empfehlung weiß ich leider noch nichts von dir." Er deutet auf den Stuhl ihm gegenüber, auf dass sich sein 'neuer Freund' doch bitte setzen möge.
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Lepidus hatte die Taverne selbst ausgesucht. Sie war nicht so heruntergekommen, wie manch andere Lokalitäten in der Stadt, auch wenn sie dann doch noch weit entfernt davon war, in normalen Zeiten Menschen wie ihn anzulocken. Doch für diese Zwecke war sie geeignet. Sein Gesicht kannte hier niemand und er trat auch keineswegs so auf, wie er es sonst tat. Nur eine einfache Tunika schmückte sein Antlitz, auf sämtlichen Prunk und Zeichen des hohen Standes hatte er gänzlich verzichtet. Nur einen einzigen Sklaven hatte er als Leibwache mitgenommen: den stämmigen Pittacus, der seine Dienste schon mehr als einmal unter Beweis gestellt hatte.
Gemeinsam saß er mit ihm an einem Tisch in der Ecke, weiter weg von allen anderen Gestalten, die hier so herumliefen und wartete auf jemandem. Jemand, der ihm wärmsten empfohlen wurde. Lepidus hatte sich in letzter Zeit schon öfter mit Rattenfängern und anderem Gesocks abgegeben, um diese oder jene Tat zu vollbringen, für die er sich selbst die Hände nur ungern schmutzig machte. Aus diesem Kreise hatte er auch den Tipp erhalten, der ihn hierher führte. Jemand, der seine Hilfe ebenso gebrauchen konnte und der ihm vielleicht noch einmal nützlich sein konnte.
Gemütlich trank der Tiberier, der sich immer mal wieder umblickte. An die Tischkante hatte er eine Feder gelegt, die ihn zu erkennen geben sollte. Gespannt blickte er sich um und unterhielt sich mit Pittacus, der jedoch wie immer ein sehr launiger und wortkarger Gesprächspartner war...
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Als Lepidus von der Zurschaustellung des Salinator hörte, rieb er sich genüsslich die Hände. Sofort hatte er alles stehen und liegen gelassen und sich zu seiner Schwester, Tiberia Lucia, begeben und ihr die Nachricht mitgeteilt. Gemeinsam brachen die beiden auf in Richtung des Amphitheatrum Flavium, um sich gänzlich vom Tode des Tyrannen zu überzeugen und besonders Lepidus wollte sich in dessen erbärmlichen Anblick weiden. Natürlich war es ein besonderer Akt, wobei es immer für Verstimmung sorgte, wenn Römer einander so etwas antaten. Doch gerade Lepidus hatte keinen Grund hier ein Gefühl von Mitleid zu entwickeln.
Dort angekommen sah er bereits eine Reihe von Bürgern, die teils mit freudiger, aber auch mit nachdenklicher Miene den kümmerlichen Leichnam betrachteten, der völlig würdelos und dem nicht einmal im Ansatz noch etwas Kaiserliches anhaftete. Schon von weitem stieg dem Tiberier Zufriedenheit ins Gesicht. Ein letztes Mal sollte ihm noch die Erinnerungen kommen. Die Erinnerungen an seinen verstorbenen Cousin, Tiberius Durus, für dessen Tod der Ursurpator so verantwortlich war, wie für den Tod des Valerianus selbst. Dann die persönlichen Schmähungen, die er erlitt, indem Salinator und die Salinatortreuen im Cultus Deorum seinen Aufstieg verhinderten. Ja, was musste der Tiberier nicht alles erleiden und das nur wegen dieser unrechten Herrschaft.
Auch Lepidus hatte die Worte des Reiters vernommen, der (in Lepidus Ohren) so bedeutend verkündete, dass die Götter dem Mann das Leben ausgehaucht hätten. Lepidus, der dazu auch noch in seiner weißen Kluft erschienen war, die er auch stets als Aedituus im Tempel trug, konnte dies nur für absolut wahr ansehen. "So ist es: In Staub mit allen Feinden der Götter!", stieß er aus in einem Ton, der nur Abscheu für den Verstorbenen übrig hatte und in Lucias Richtung gewendet war, auch wenn die Lautstärke durch die Emotionen des Tiberiers etwas lauter war. Im allgemeinen Gemurmel ging dies aber ohnehin leicht unter, denn er war sicher nicht der einzige, der seine Abscheu kundtat oder seinem Erstaunen über diesen Vorgang Ausdruck verlieh.
So auch die junge Frau namens Iunia Diademata, die unmittelbar vor Lepidus und Lucia stand. Sie sprach wohl etwas leise vor sich hin, was der Tiberier aber nicht verstehen konnte. Er erkannte jedoch diejenige wieder, mit der er bei der letzten öffentlichen Rede des tote Ursurpators gespochen hatte. Sie stützte sich noch auf die Tapferkeit der Männer, die Rom und Salinator beschützen sollten. Doch die tapferen Männer entpuppten sich als Hasenfüße, die freiwillig die Tore öffneten. Aber immerhin schien die die Frau die nachfolgenden Unruhen überlebt zu haben, wie er es ihr einst gewünscht hatte. Er wandte sich zu ihr und spielte auf die frühere Unterhaltung an: "Wie du siehst: Sein Ende nahte und es kam." Währenddessen wandte Lepidus seinen Blick erneut auf Salinator. Hoffentlich wird man ihn bald vergessen - dieses unrühmliche Kapitel in der römischen Geschichte.
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Kam es ihm nur so vor oder veränderte sich der Ton seiner Schwester und ihre Sätze wurden etwas... vorsichtiger? Vielleicht war es nur ein Einbildung von Lucius, so dass er sich wie immer denken konnte, dass sein Wort tatsächlich so ein Gewicht hätte, dass alle anderen um ihn herum liebend gern nach seinem gutdünken sprachen und handelten. Mitunter vergas er dann auch mal schnell, dass er es hier eigentlich mit seiner Schwester zu tun hatte, blickte aber zufrieden drein. "Das klingt doch alles hervorragend, Lucia. Dann hoffe ich, dass wir bald gemeinsam auf das Capitol wandern werden. Es wird mir eine wahre Freude sein, dich ein wenig durch den Tempel zu führen." Lepidus machte nun anstalten zu gehen. "Wenn du mich nun entschudligen würdest: Ich muss in meinem Officium noch an dieser und jener Sache arbeiten. Gewöhn dich doch erstmal wieder an dein neues altes Zuhause, und wenn du etwas brauchst dann..." ...wende dich an mich wäre wohld as brüberlich familiäre gewesen, aber stattdessen kam ein "...wende dich an einen Sklaven. Sie sind alle sehr tüchtig. Ich werde dir dann bei Gelegenheit sagen, wann wir zum Tempel gehen." Lepidus warf seiner Schwester noch einen verabschiedenden Blick zu und verschwand dann in den Räumlichkeiten der Villa.
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Wunderbare Idee? Natürlich war sie das, schließlich hatte sie ja auch Lepidus. Aber offensichtlich verschwendete seine Schwester noch keinen wirklichen Gedanken an den Tempel. Sie schien jedenfalls erst einmal sehnsüchtig nach dem Wasser zu lechzen, dabei hatte sie doch bisher kaum wirklich viel gesprochen, um Mund und Kehle die Kraft zu rauben. Lepidus nickte erst einmal wohlwollend, war sich aber gleichsam darüber im Klaren, dass er mit seiner Schwester wohl sicher noch das ein oder andere Mal Schwierigkeiten haben würde. Etwas mühsam sprach er: "Ich werde alles für eine entsprechende Opferung vorbereiten. Als Aedituus des großen Iuppiter-Tempels kann ich schnell für den angemessenen Rahmen sorgen..." Ob sie wollte oder nicht. Lucia wird ihre Pflichten erfüllen müssen, dafür würde Lepidus schon sorgen. "Hab ich schon erwähnt, dass dein altes Cubiculum noch genauso hergerichtet ist, wie früher? Ich hoffe, es wird zu deiner Zufriedenheit sein, auf das du dich schnell wieder an die Villa gewöhnst und den Landsitz erst einmal wieder vergisst."
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~ CUBICULUM TIBERIA LUCIA ~
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Das war natürlich wieder der ein oder andere Effekt zu viel. Nicht, dass das Lepidus wirklich aufgefallen wäre, aber seine Schwester hatte er damit glücklicherweise etwas verunsichert. Glücklicherweise? Ja, wenn andere verunsichert sind, dann hat man selbst immer gleich ein viel besseres Gefühl. Deshalb machte ihm das Entschuldigen seiner Schwester überhaupt nicht aus, auch wenn er ihr natürlich versicherte, dass das überhaupt nicht notwendig sei. "Entschuldigen musst du dich bei mir natürlich nicht. Die Isolation in der Villa tat sicher ihr übriges zu deinem Befinden." Tja, das klang schon ein wenig unterschwellig danach als wenn Lucia die falsche Stimmung zur falschen Zeit hatte. "Vielleicht solltest du mich einmal zum Tempel begleiten. Ich kann dir meine Arbeitsstätte zeigen und wenn du dann noch ein kleines Opfer bringst, dann wäre es sicherlich gut für dich, für die Familie und sicher auch für Rom. was hältst du davon?"
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"Gut, gut", sprach Lepdius nur, als seine Schwester zu verstehen gab, dass sie mit der Villa-Verwaltung erst einmal zufrieden war. Wenn ihr was einfiel, würde er sich schon kümmern. Nun das hieß zumindest, wenn er dann Zeit für sie hatte. Das wusste man ja nie und seine eigenen Angelegenheiten gingen selbstverständlich vor, aber dennoch konnte man ja erst einmal alles in den Raum stellen.
"Warum ich so 'abgespannt' wirke?" Lepidus lachte schon fast laut auf, während er wieder ruckartig aufstand und mit seinem Arm in Richtung eines Fensters in der Ferne zeigte. "Sieh doch nur, was da draußen los ist! Ein neues Zeitalter bricht an! Alles verändert sich und die Welt wird ordentlich durchgerüttelt. Liebe Lucia, mich wundert eher, wie du es schaffst, bei all dem so ruhig zu bleiben. Ein Hoch auf deine Abgeklärtheit, aber ich befinde mich in ständiger Sorge, was kommen wird und wie es weitergeht, auch wenn ich keine Antworten finden mag... Derzeit verbringe ich jeden Tag auf dem Capitol. Ich hege und pflege die Stätte Iuppiters und berate Menschen, die so unsicher sind wie ich über das, was kommen mag. Das erfordert meine ganze Kraft und Energie in diesen Zeiten des Umbruchs."
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"Ausgezeichnet." Lucius war sichtlich zufrieden. "Nein, etwas anderes habe ich tatsächlich nicht von dir erwartet. Nimm es als rhetorische Frage. Eine gute Tiberia kennt ihre Pflichten, da warst du bisher ja immer ein Vorbild." Ob seine Schwester aber wirklich so bedinungslos bei allem zustimmen würde? Wer weiß, mit was für einem ekligen alten Typen er sie verkuppeln musste. Da gab es sicherlich schmerzgrenzen, die Lepidus aber nicht wirklich zu kümmern hatten. Er hoffte nur, dass seine Schwester es auch so meinte, wie sie es sagte.
"Es gibt kaum noch Patrizier in der Stadt. Wenn, dann nur sehr unbedeutende. Die wirklich Wichtigen haben sich alle aus dem Staub gemacht. Zurecht, wenn man bedenkt, dass viele von ihnen auf den Proskriptionslisten des Vesculariers standen. Ich nehme an, dass mit Palma auch wieder die ehrwürdigen Familien in die Stadt einkehren werden. Wenn du aber noch alte Freunde hast, dann solltest du dich bei Gelegenheit erkundigen, was aus ihnen geworden ist." Lepidus nahm derweil wieder neben Lucis platz. "Bis wir dir einen vernünftigen Mann besorgt haben, brauchst du aber sicher noch etwas zu tun. Ich werde dir in jedem Fall die Obhut unserer Villa überlassen. Du kannst die Besorungen organisieren, Einkäufe tätigen und bei Bedarf neue Sklaven anschaffen. Das sei alles ganz dir überlassen. Du nimmst mir damit viel Arbeit ab und ich kann mich um andere Sachen kümmern. Hast du sonst bisher eine Vorstellung, womit du dich zur Überbrückung beschäftigen könntest? Ich würde dir natürlich helfen, egal, was du für Wünsche hast, sie in die Wege zu leiten."
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Lepidus nahm das Mitleid natürlich dankend an. Balsam für den Geist eines Gequälten. Er sah das Funkeln in den Augen seiner Schwester, welches den Tatendrank verkündete, der in ihr ruhte. Lepidus wusste es. Die Ankunft seiner Schwester würde ihm wieder neuen Schwung geben, wenn in Rom wieder die politischen Kämpfe gefochten wurden. Sie könnte sich noch als sehr nützlich erweisen...
Lepidus sprang auf, lief ein wenig umher und blieb vor der Büste des Marcus Tiberius Allodius stehen, der die Familie einst nach Rom führte. Er grübelte ein wenig: "Nun, wie es weitergeht? Das wissen wohl nur die Götter, wobei es natürlich viel Raum zur Spekulation gibt. Wenn Palma erst einmal hier aufgetaucht ist, wird die Ordnung wiederhergestellt. Es wird wahrscheinlich ein großes Fest auf das Ende des Bürgerkrieges geben. Wir müssen darauf hoffen, dass Palma die angeblichen "Verschwörer" um Durus wieder ins rechte Licht rückt. Dann wäre unser Ruf wieder reingewaschen. Im Folgenden müssen wir uns Verbündete schaffen. Wir müssen uns insbesondere ein gutes Netz aus adligen Freunden schaffen. Unter Salinator wurden die Patrizier sehr geschwächt. Es wird gemeinsame Anstrengungen benötigen, das wieder umzukehren. Des Weiteren müssen wir uns schlau machen, welche Familien dem Kaiser nahe stehen und uns diese ganz besonders zu Freunden machen." Lepidus blickte nun wieder seine Schwester an. "Ich denke, wir müssen die eine nützliche Partie verschaffen, damit wie langfristige Bündnisse schmieden könnten." Mit einem etwas strengerem, aber keinesfalls rüden, sondern nur den Ernst der Lage transportierenden, Ton fügte er noch an: "Ich erwarte deine vollste Bereitschaft dazu, wer auch immer sich als der für uns Nützlichste erweisen sollte."
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"Ja, es ist alles ein riesiges Durcheinander", bestätige Lepidus den Eindruck, den Lucia hatte. "Aber sei nur froh, dass du das alles nur aus der Entfernung mitbekommen hast. Ich glaube kaum, dass du das alles vertragen hättest, was hier so auf dich eingeprasselte wäre." Das leidvolle Gesicht des Lepidus drückte die Erfahrungen der vergangen Zeit recht gut aus, obwohl er natürlich gern zur Übertreibung neigte. Schließlich war doch sein Leid immer das größte und niemand machte so schreckliche Sachen durch wie der arme Lepidus. Das musste natürlich am besten die ganze Welt wissen und ganz besonders seine Schwester. Aber immerhin, so ganz unrecht hatte er ja nicht. Für einen Tiberia war dies sicher keine leichte Zeit.
"Du kannst es dir einfach nicht vorstellen. Man konnte nicht einmal die Thermen aufsuchen. Sobald man seinen Namen genannt hat, verstummten die Leute oder tuschelten klammheimlich. Doch ich konnte hören, was sie immer und immer wieder sagten: 'Tiberier? Sind das nicht die Kaisermörder? Die Verräter?' Bei den Göttern, wie oft musste ich mich rechtfertigen und lavieren. Mehr als einmal war ich gezwungen mich von meinem eigenen Verwandten zu distanzieren: Einem gewesenen Consul! Keinen Respekt haben die Leute, das kann ich dir sagen..." Lepidus hatte sich gleich mal ein wenig in Rage geredet. "Du merkst schon anhand meiner Worte: Es gibt viel wieder aufzubauen. Wir werden fast von Null anfangen müssen..."
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Offensichtlich wirkte sich seine innere Anspannung auch deutlich auf sein äußeres aus. Lucia hatte es jedenfalls sofort erkannt. "Unter die Arme greifen? Ich weiß nicht, was du meinst. Es gibt doch kaum etwas zu tun", sprach er vollkommen ironisch. "Aber ich bin mir sicher, dass wenn selbst die edelsten Damen wieder nach Rom finden, auch der Stern Roms wieder heller strahlen wird. Wollen wir hoffen, dass sich bald wieder alles in gemäßigtere Bahnen bewegt und der Geist der Normalität wieder regiert."
Lepidus sah sich kurz um. "Sag deinen Sklaven doch, dass sie dein ganzes Zeug in dein Cubiculum schaffen können. Es ist fast alles noch genauso erhalten wie damals, als du es verlassen hast. Wir selbst sollten uns unterdessen ausführlich über unsere derzeitige Lage unterhalten." Für etwas Small-Talk war sicherlich auch noch Zeit. "Komm, wir wollen ins angrenzende Tablinum und unter den Augen der Bilder und Büsten unserer Vorfahren über alles reden."
Lepidus führe seine Schwester nach nebenan. Währenddessen gab er einem Sklaven ein Handzeichen, was sich im Hause der Tiberier für "Hol Wein!" eingebürgert hat. Beide setzten sich auf eine angenehme Bank. "Achja, hat sich Pittacus als angemessener Weggefährte erwiesen? Er war das beste, was ich hier in Rom entbehren konnte und hat seine Aufgaben hoffentlich zu deiner Zufriedenheit erfüllt."
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Es dauerte zwar schon noch ein paar Minuten, aber bald schon konnte man aus der Entfernung einige Schritte hören, begleitet von harschen Worten: "Nein, nein und nochmals nein! Ist mir egal, wie schwierig das ist. Es wird so gemacht!" Es war eindeutig die Stimme von Lepidus, der nun gemeinsam mit dem Villicus das Atrium betrat. "Kümmer dich darum! Und keine Ausreden mehr!", der Vilicius verließ daraufhin das Atrium durch einen anderen Eingang, während Lepidus nun seine Schwester erblickte und sich bemühte ein freudiges Gesicht zu machen.
Dennoch war dessen Lächeln irgendwie gequält, was wahrscheinlich an seinen dicken Ringen lag, die seine blutunterlaufenen Augen so passend umrahmten. Seine Gesichtsfarbe sah sicherlich auch nicht so gut aus. Er hatte seit Tagen nur äußerst dürftig geschlafen und war ohnehin ständig unterwegs. Es war ein Wunder, dass man ihn überhaupt gerade antreffen konnte. Und jetzt kam auch noch seine Schwester, um die er sich ja auch irgendwie kümmern musste. Aber gut, das würde ihn vermutlich die nötige Pause verschaffen, die er sich doch schon seit ein paar Stunden wieder gönnen wollte.
"Lucia, was für eine Freude dich zu sehen." Er ergriff ihre Hände, drückt sie fest und schaute ihr ins Gesicht. "Bei den Göttern, sieh dich nur an, du bist ja eine richtige Frau geworden. Was für eine Überraschung. So früh hätte ich dich jetzt dann doch gar nicht zurück erwartet. Wie war deine Reise? War es schwer nach Rom zu kommen?" Der Tiberier hoffte, dass seine Bergüßung als "herzlich" durchgehen würde. Sein Spezialgebiet war dies ja bekanntermaßen nicht.
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| Stesichoros
Freudestrahlend blickte der Sklave drein, als er sogar mit Namen angesprochen wurde. Es war schon ein echtes Highlight im Leben des Stesichoros wenn er überhaupt wahrgenommen wurde und dann auch noch namentlich von der Herrin, die hier schon seit so langer Zeit nicht mehr gesehen wurde. Dass die Tiberia auch nur von ihrer Sekunda informiert wurde, blieb dem Ianitor natürlich verborgen und er hätte es auch gar nicht wissen wollen.
Freudig führte er sie ins Atrium.
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| Stesichoros
"Dein Bruder Lepidus ist bereits informiert. Der Herr hat bis eben noch in seinem Cubiculum gearbeitet. Er sollte aber gleich hier auftauchen. Ach, es ist ja so eine hektische Zeit", sprach Stesichoros etwas beschwichtigend, weil es natürlich schon etwas komisch war, dass die so lange abwesende Schwester nicht sofort umfangreich von der übriggebliebenen Verwandtschaft begrüßt wurde. "Möchtest du erst einmal kurz Platz nehmen?" Der Ianitor verwies auf ein paar Schemel, die eigentlich für wartende Besucher gedacht waren, was die Lucia natürlich eigentlich nicht war. "Ich kann dir auch etwas Wein besorgen, damit du dich ganz wie Zuhause fühlst... ich meine, damit du dich wieder wie Zuhause fühlst... ich meine natürlich fühlst du dich schon wie Zuhause, weil es ja dein Zuhause ist." Oh weh, der arme Ianitor. Wortgewandt war er noch nie. Deshalb machte er in der Villa auch nur Türen auf und zu...
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| Stesichoros
Die Porta war bereits geöffnet, nachdem ein Sklave die Ankunft von Tiberia Lucia angekündigt hatte. Im Haus verbreitete sich die Nachricht sehr schnell unter den Sklaven und einige tuschelten über das Wiederkehren der Herrin, die hier schon so lange nicht mehr gesehen wurde. Wie es seine Aufgabe war, trat ihr zuerst Stesichoros entgegen, um sie hineinzubegleiten. Der fragte sich, ob sich die Dame überhaupt noch an ihn erinnern konnte.
Ganz gewöhnlich war hier allerdings nicht wirklich etwas. Die Villa Tiberia sah zwar noch ganz hübsch aus, aber die Straßen davor waren irgendwie dreckig, aufgewühlt und teilweise verschmiert vom Mob, der ewig durch Rom marschierte. Weniger oft waren es die letzten Anhänger des Salinator, als des Öfteren die neuen Untergebenen des Cornelius Palma. Doch die Zeit der Aufruhr wich einer Zeit der Vorsicht. Auf den Straßen Roms war immer noch nicht sehr viel los. Viele trauten sich nicht oder wussten auch schlecht nicht besser, was zu tun. Das würde wohl solange gehen, bis sich endlich Cornelius Palma persönlich in der Stadt blicken lassen würde und damit die Ordnung endgültig wiederherstellte.
In all dieser Unübersichtlichkeit war es dann schon etwas Besonderes, eine Patrizierin in ihrer Sänfte zu sehen. Zumindest, wenn mal jemand da war, der sie sehen konnte. "Ehrwürdige Tiberia", sprach Stesichoros letztlich so unterwürfig wie möglich. "Wie schön, dich zu sehen. Lass mich dich gleich ins Haus begleiten. Du musst wahrlich eine lange und schwere Reise hinter dir haben bei all der Unruhe, von der wir derzeit geplagt sind."
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Gerade kam der Tiberier wieder nach Hause, nachdem er gemeinsam mit Helvetius Varus und Purgitius Macer gesprochen hatte. Belagerung, das hieß Versorgungsnot. Schnell ließ er sich von seinen Sklaven einen Überblick verschaffen, was noch im Haus zur Verfügung stand. Gleichsam schickte er sofort ein paar Leute los, die auf den Märkten holen sollten, was man noch bekommen konnte. Entsprechend viel Geld musste er ihnen mitgeben, denn falls überhaupt noch etwas zu holen war, dann würde es sicher ein halbes Vermögen kosten. Doch überleben hatte ja auch bekanntlich seinen Preis.
Aber Lepidus ließ nicht nur nach Gütern Ausschau halten, sondern schickte einen weiteren Sklaven in die etwas abscheulicheren Viertel Roms. Im Tiberier war eine Idee gewachsen, als er gemeinsam mit Macer und Varus sprach. Für ihn stand fest, dass er irgendetwas unternehmen musste. Einfach herumsitzen und nichts tun, hätte ihn umgebracht. Salinator war fast geschlagen, seine Schreckensherrschaft, die der Tiberier als solche empfand, bald beendet. Nur noch ein klein wenig Zeit musste vergehen und alles wäre vorbei. Macer hatte völlig recht, wenn er sagte, dass es sicher Unruhen geben würde, wenn diese Belagerung mehr als ein paar Tage anhalten würde. Er hielt dann beides für möglich, sowohl, dass sich die Unruhen gegen den Vescularier wandten oder dass die Bürger einfach versuchen würden aus der Stadt hinauszukommen. Doch für den Tiberier stand natürlich fest, dass es nur eine Möglichkeit geben durfte. Die Gleichung war doch auch recht einfach: Stürze den Tyrannen, der Krieg ist vorüber, die Belagerung hat ein Ende und die Münder werden wieder gestopft. Das musste den Menschen klar werden und warum sollte man extra warten bis in einigen Tagen der Hunger einsetzen würde, wenn man sich der ausweglosen Lage doch schon jetzt bewusst war?
Lepidus hatte sich in der Vergangenheit schon öfter mit etwas skurilen Gestalten eingelassen. Da verwunderte es kaum, dass er sich wieder mit dem ein oder anderen Kleinkriminellen einließ. Die Leute, die er hatte auffinden lassen, waren von ganz ähnlicher Gestalt. Bei den Göttern, wie er es hätte verfluchen können, sich mit solchem Gesindel abzugeben, doch die Not erforderte nun einmal eine etwas geringere Hemmschwelle und die Fähigkeit sich die Hände schmutzig zu machen. Fast ewig musste er mit ihnen verhandeln. Geld sei während einer Belagerung nichts wert, sprachen sie und Lepidus konnte immer nur antworten, wenn die Belagerung vorbei ist, wäre das absolut genug. Sie trieben den Preis immer weiter in die Höhe und der gute Patrizier musste für ihre beschaulichen Dienste mehr hingeben, als ihm jemals lieb gewesen wäre, wenn es die Situation nicht absolut erfordert hätte.
Wie dem auch sei, er hatte einen kleinen Plan für diese Leute. Im Prinzip ein minimaler und beschaulicher Beitrag. Die Idee war fast schon lächerlich, aber irgendetwas musste der Tiberier tun. Diese Leute waren dazu da, ein wenig Stimmung zu machen und ein paar Parolen auszurufen. Es war nur eine Handvoll, weshalb die Wirkung womöglich absolut gering war, aber es war vielleicht ein kleiner Beitrag, um den Hass und die Verzweiflung in Anbetracht der Belagerung in die richtige Richtung zu lenken, zumindest dachte sich das der Tiberier...
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Lepidus wartete weiterhin gespannt. In der Tat sah er heute besonders gut aus, hatte er doch seine strahlendste und schönste Toga zu diesem Anlass angezogen. Bei ihrem Eintritt senkte der Tiberier ein Haupt ein wenig, um seine Ehrerbietung auszudrücken. Zuvor hatte er noch nie eine Vestalin von so nahem gesehen. Sie schien ungefähr in seinem Alter zu sein, was nicht selbstverständlich war. Er hätte genauso gut an eine ältere Dame geraten können, die hier schon seit 30 Jahren ihren Dienst leistete. Ihre ersten Worte waren auch mehr als angenehm. "Ehrwürdige Vestalin, vielen Dank, dass du mich empfängst. Es ist mir eine große Ehre." Das meinte diesmal sogar Lepidus ernst, denn der Respekt gegenüber einer Dienerin der Vesta war für jeden tugendhaften Römer ein Muss und naja, tugendhaft war er doch, dieser Lepidus... irgendwie. "Es ist selten geworden, dass sich jemand über den Namen meiner Familie freut, das bedeutet mir sehr viel. Offensichtlich wurde dir bereits zugeflüstert, wie ich heiße, doch ich stelle mich noch einmal ganz offiziell vor: Lucius Tiberius Lepidus, Aedtiuus des mächtigen Iuppiter-Tempels auf dem Capitol. Ich bin gekommen, um den Vestalinnen einige Geschenke zu machen und hoffe, dass sie zu euer aller Zufriedenheit sein werden." Und Lepidus deutete auf die beiden Sklaven, die er mitgebracht hatte. Der eine davon hielt eine Art Tablett vor sich, worauf sich wohl ein Gegenstand befanden, doch diesen konnte man nicht sehen, da er von einem Tuch ganz verhüllt war. Der andere Sklave schleppte lediglic ein Säckelchen, das hin und wieder klirrte.
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Lepidus ließ sich ins Vestibulum führen. Während der andere Aedituus die Vestalinnen unterrichtete, konnte er hier mit seinen Sklaven und den Waren ausharren. Als einer von Ihnen sein Geschenk abstellen wollte, wies ihn Lepidus gleich zurecht. Das Zeug wird solange in den Händen gehalten, bis es enthüllt werden kann, sprach der unbarmherzige Tiberier und ließ die Sklaven weiter schwitzen.
Das Vestibulum war überaus schön, welches durch die sechs Fenster sehr schön ausgeleuchtet war. Lepidus betrachtete die reichen Mosaik-Verzierungen und vertrieb sich so ein wenig die Zeit. Ein wenig nervös war er ja schon, war es doch für ihn einmalig im Atrium Vestae zu sein, ganz zu schweigen von der Tatsache, dass er noch nie mit einer Vestalin gesprochen hatte.