Beiträge von Lucius Tiberius Lepidus

    Zitat

    Original von Sextus Aurelius Lupus


    Nein. Wenn ich ein Problem habe, kläre ich das direkt mit derjenigen Person (oder in dem Fall wäre es die SL gewesen), ohne das ganze IR da mit um Meinung zu bitten, indem ich das in einem SimOff-Thread breittrete. Das finde ich einen äußerst unguten Weg, sowas auszutragen. Zu zweit kann man über Sachen vernünftig diskutieren. So öffentlich finde ich das äußerst kontraproduktiv und destruktiv, und es würde mir in meinem Anliegen nicht im mindesten weiterhelfen.


    Nun, um nur zu dieser Sache etwas zu sagen: Ich bin zutiefst dankbar, wenn jemand auch mal seine Meinung im SimOff-Thread sagt, so wie von Serapio und Proximus praktiziert, mir persönlich wird das nur noch viel zu selten gemacht. Des Weiteren möchte ich einer Diskussion, nur weil sie öffentlich ist, nicht das Mantra der Destruktivität auferlegen. Die Spieler haben sich in einem relativ vernünftigen Rahmen geäußert und dazu handelt es sich um elementare Dinge, die eben nicht nur den einzelnen Spieler, sondern fast jeden hier im IR betreffen, von daher fände ich es nicht schön, wenn die Spielleitung eben nur den beiden eine Antwort zuteilwerden lässt und nicht uns allen. Oder dass sie eben kundgibt, dass sie dazu nichts sagen kann/will, was ebenso legitim ist, denn eigentlich möchte ich über den Ausgang des Bürgerkriegs-Plots noch gar nichts wissen, mag sein, dass vielen das Ende bereits offensichtlich erscheint oder der ein oder andere hier schon über bessere Informationen verfügt, aber wie bei einem sehr gute Buch, so möchte ich auch hier das Ende noch nicht kennen, sondern lieber weiter spekulieren. Sicher können wir wohl aber davon ausgehen, dass nicht jede ID, die auf der falschen Seite steht, am Schluss geköpft wird und dass es immer noch einen Rahmen für ein vertretbares Spiel für jeden geben wird (ich denke eine berechtigte Vermutung).

    Lepidus beantwortete lediglich die kurze Nachfrage des Tasius, damit er sogleich den Iulier zu Wort kommen lassen konnte. An dessen Meinung war der Tiberier ohnehin mehr interessiert und mit der Beantwortung der Nachfrage, konnte dieser sich dann auch ein besseres Bild machen: "Mein Vorschlag beinhaltet in der Tat die jetzige Situation. Es können beide Posten von Iuliern und Claudiern besetzt sein, lediglich wenn jemand aus einer anderen Gens zum Magister gewählt wird, muss er sich bei der Auswahl der Person auf die genannten Iulier und Claudier beschränken." Lepidus hätte das in der Tat zuvor in seiner Erläuertung besser formulieren können. "In diesem Vorschlag ist also nur zu lesen, dass einer der beiden aus diesen beiden Gentes kommen muss, was soviel wie 'mindestens' bedeutet, gleichsam schließt es einen Nicht-Iulier oder -Claudier nicht von der Kandidatur zum Magister aus." Er hoffte, dass er es nun verständlich gemacht hatte. Er führte sich den Satz noch einmal vor Augen 'Entweder der Magister oder der Vicarius muss aus dem Geschlecht der IULIER oder aus dem der CLAUDIER stammen', also einer auf jeden Fall, der zweite war nicht ausgeschlossen. Juristisch hielt das der Tiberier für einwandfrei. Ein Advocauts war er war nicht, aber vielleicht ja bald. "Achja, und bei der Formulierung bezüglich des Magisters hast du natürlich recht, dies sollte dementsprechend auch noch in meinem Vorschlag geändert werden, ebenso wie die Formulierung 'Vollmitglieder', was ich in Anbetracht der Intention erst einmal das eine Thema zu behandeln noch nicht umgeändert habe." Er selbst wollte ja Schritt für Schritt vorgehen, nur leider musste ja Tasius den Versuch starten das eine Thema mit einem anderen zu übergehen.

    "Schwer zu sagen", sprach der Tiberier fürs erste auf die Frage. "Aber mir scheint, du fragst geradezu als wenn die Qualität des Kaiser schon immer eine Rolle gespielt hätte, dabei ist dies in der vergangen Kaiserfolge nun bei weitem nicht immer der Fall gewesen" Da sprach der Tiberier natürlich die dynastische Regelung an. "Im Prinzip verändert sich durch das Los kaum etwas, da es auch nur eine Form der Auswahl ist, die über Nachfolgeschwierigkeiten hinweg helfen kann. Ich persönlich sehe den Kaiser dabei dennoch keinesfalls nur als einen bloßen Repräsentanten, der nicht auch gegen den Senat Entscheidungen treffen kann, aber einen Kaiser, der gänzlich vom Senat entkoppelt ist - sozusagen 'Beratungsresistent', dies fände ich auch keine sinnvolle Lösung. Da liegt vielmehr meine Sorge um den Senat. Sicher mag sich noch nicht abzeichnen, wie der Vescularier sich in Zukunft verhalten wird und wie seine Regierungszeit besonders nach Beendigung des Bürgerkrieges aussehen wird, dennoch sollten solche Entwicklungen zur Kenntnis genommen werden und eventuell auf Verständigung hingearbeitet werden." Lepidus nahm einen Schluck des verdünnten Weines. In letzter Zeit musste er einfach viel zu viel sprechen, so dass seine arme Stimme kaum zur Ruhe kommen konnte. "Nach all deinen Aussagen, schließe ich, dass du ein genereller Befürworter eines Auswahlverfahrens bist, was den qualitativ 'Besten' für die Nachfolge eines Kaisers bestimmt, wie weit entfernt er vom Kaiserhaus auch immer entfernt sei? Würdest du es z.B. nicht gern sehen, wenn ein möglicher Sohn des Vesculariers ihm eines Tages folgen wird, er gar eine vescularische Dynastie einrichtet?"

    Ja, sicher ging es hier um einen Kultverein. Der gute Lepidus hatte die Patrizier ja nicht ins Spiel gebracht und die Salii waren weder Apfel noch Birne, sondern irgendein anderes Obst, was sich hiermit vergleichen ließ. Überhaupt schien ihm der Sklave des Iuliers viel zu indoktriniert, seine Argumentation hing an allen Ecken und Enden. Die diplomatische Ausdrucksweise des Crassus gefiel ihm da deutlich mehr. Man merkte eben wer aus gutem Hause stammte und wer nicht. "Also lieber Tasius, Sklave, ich denke es geziemt sich nicht wahren Römern falsche Worte in den Mund zu legen." Und das sagte der Tiberier wirklich freundlich. "Wer sprach denn von 'absoluter Exklusivität'? Es war vielmehr vom Eindruck die Rede, der durch die jetzige Lage entsteht. Crassus war offensichtlich in der Lage meine Worte richtig zu verstehen, so gib dir bitte auch etwas mehr Mühe. Es geht hier schließlich um eine wichtige Angelegenheit." Warum dachte eigentlich jeder Sklave hier in der Societas er könne mit einem Patrizier reden, wie es ihm gerade passte?


    "Und die Zeichen der Götter sind in jenen Tagen keinesfalls eindeutig...", gab der Tiberier nur in einem bedenklichen Ton von sich. Dass die Götter glücklich waren ließ sich nicht einfach so sagen, nein, so mancher hätte die äußerst schwere Erkrankung des bisherigen Magister Centho auch als wirklich schlechtes Zeichen einschätzen können. So schwer wie er getroffen wurde, dass er gar über so lange Zeit die Casa nicht verlassen kann, ist ein besonders schwerer Fall und gab wohl nicht wenigen zur Verwunderung Anlass. "Nach wir vor stützen wir uns auch auf die Annahme, dass immer ein Iulier und Claudier vorhanden sein werden, aber es geht bekanntlich nicht nur um das Vorhandensein der Gentes, sondern auch um die Bereitschaft der Personen etwas für den Kultverein zu leisten, was nicht immer gegeben sein muss, denn wie Crassus schon bemerkte könnten deutlich mehr Iulier und Claudier Mitglied sein. Aber dies nur am Rande. Gern möchte ich die optimistische Denkweise in diesem einen Punkt teilen. Lepidus glaubte auch keinesfalls, dass sie die Societas in den Grundfesten erschütterten, das war doch arg übertrieben. Die Verehrung der Dynastie hängt auch nicht von der Existenz der Gentes Iulier und Claudier ab. Welchen Weg die Götter auch immer mit einem hypothetischen Verschwinden der Gentes gehen würden, die Verehrung für die Dynastie würde doch noch auf lange Zeit und sicher mit der größten Zustimmung der Götter fortleben, davon war der Tiberier überzeugt. Gerade diese Aussage des Tasius sprach ja dann schon wieder für eine gewisse Exklusivität, die die Mitgliedschaft von Personen anderer Gentes nicht zu schätzen wusste. "Wir sollten nicht vergessen, dass die Grundfeste, sozusagen der Kern der Societas nach wie vor die Verehrung der iulisch-claudischen Dynastie ist, sei es durch Opferung oder ins Bewusstsein rufen der großen Kaiser früherer Zeiten. Dies ist der Kern und dieser wird sicherlich auch niemals angetastet und wir sollten sichergehen, dass dieser Kern bestand hat, wozu eine Änderung der Regelung in der Satzung zweifellos beitragen würde. Sei es, dass die Societas damit für die Bürger attraktiver wird, sei es, dass dadurch organisatorische Schwierigkeite, die sich einstellen könnten, beseitigt wären."


    "Nun lasst mich euch aber einen Kompromissvorschlag machen, denn ich bin durchaus bereit eure Sorgen und Gegenargumente zu verarbeiten und eine für alle zufriedenstellende Lösung zu finden." Dies lohnte es sich noch einmal zu betonen. "Einem Kompromiss, der der herausragenden Stellung der Gentes der Iulier und Claudier ebenso gerecht wird, wie den organisatorischen Aspekten sowie den Eindruck der Exklusivität weitestgehend vermeidet. Ja, ich möchte meinen das diese Regelung nur Voteile hätte. In die Satzung sollte geschrieben werden: 'Die SOCIETAS CLAUDIANA ET IULIANA wird vom Magister des Vereins geleitet. Dieser wird durch einfache Mehrheit aller Vollmitglieder bestimmt. Er hat einen Vicarius Magistris zu ernennen, der ihn in Abwesenheit vertritt und die Geschäfte der Societas stellvertretend leitet. Entweder der Magister oder der Vicarius muss aus dem Geschlecht der IULIER oder aus dem der CLAUDIER stammen.'" Der Tiberier blickte beide entschlossen an. "Wenn jemand aus einer anderen Gens zum Magister gewählt wird, so muss sich dieser aus den Reihen der Iulier und Claudier einen Stellvertreter erwählen, umgekehrt muss der gewählte Iulier oder Claudier einen anderen als seinen Stellvertreter ernennen. Ein Mitglied dieser beiden Gentes befindet sich in jedem Fall immer in einer herausragenden Stellung. Ich denke dies ist die beste Lösung zum Wohle der Societas, die uns und doch allen am Herzen liegt."


    Wer sagte außerdem, dass alle Iulier und Claudier so zwanghaft an der bestehenden Regelung festhalten mussten? Eine Kampfabstimmung war eigentlich kaum erforderlich, Lepidus wunderte sich auch, dass gerade der Sklave so unerbittlich an der bestehenden Regelung festhalten wollte. Ja, manchmal hatte er den Eindruck, dass Dives höchstpersönlich mit seinen häufig weitschweifenden Worten vor ihm sitzen würde. Hier bestätige sich auch wieder das Phänomen, dass Sklaven ihren Herren mit der Zeit immer ähnlicher wurden. Derzeit kam sich der Tiberier in der Diskussion einfach nur vor, als wenn er einen riesigen Stein schieben müsste und sich dieser auch nach größter Kraftanstrengung keinen Zentimeter bewegte.

    "Moment!", sprach der Tiberier sogleich, während er sich aus seiner lockeren Sitzhaltung etwas befreite und vorrückte. "Bevor wir ein neues Thema beginnen, sollten wir das erste und meiner Ansicht nach wichtigere erst abschließen. Es besteht weiterhin Klärungsbedarf und hier ist durchaus eine Verbesserung angebracht." Dann setzte der Tiberier mit ruhiger Stimme fort. Es sollte schließlich nicht der Eindruck entstehen, er wolle mit Gewalt seinen Willen durchsetzen. Stattdessen setzte er auf die Kraft des besseren Arguments.


    "Ich glaube nicht, dass man den Status der Patrizier mit der Situation hier vergleichen kann. Ein Apfel ist eben ein Apfel und eine Birne eine Birne. Des Weiteren werden die Patrizier derzeit mit jedem Tag ihrer Vorrechte mehr verlustig, wie das kürzlich aufgehobene Steuerdekret uns auch recht eindrucksvoll zeigte." Nicht, dass Lepidus diese Entwicklung gutgeheißen hätte, ganz im Gegenteil, wohl war er sich aber bewusst, dass diese Runde hier nun einmal nicht über die Rechte der Patrizier, sondern eben nur über die Societas zu entscheiden hatte. "Ich kann verstehen, dass es für euch ein großer Schritt sein mag und ihr leicht davor zurückschreckt. Doch ich glaube, die Societas muss sich überlegen, was sie sein möchte. Möchte sie ein Kultverein sein, der in erster Linie für iulische und claudische Gens-Mitglieder da ist oder möchte sie ein Kultverein sein, der alle römischen Bürger gleichermaßen anspricht, um diese großartige Dynastie zu verehren? Die Möglichkeit, dass nur ein Claudier oder ein Iulier die Geschäfte des Vereins leiten kann, suggeriert leider, dass es sich hierbei um einen Verein mit absoluter Exklusivität handelt, die nur von wenigen auf den ersten Blick durchschaut wird. Die Zulassung auch anderer Gens-Mitglieder für den Führungsposten würde diesen Anschein sicherlich etwas reduzieren."


    "Aber um auch gleich noch ein paar praktische Argumente einzuwerfen: Soweit ich weiß, besteht weder in der Gens der Claudier, noch in der Gens der Iulier..." Hier blickte Lepidus wieder Crassus an, um zu bestätigen, ob er hierbei richtig lag. "...einen Zwang zur Mitgliedschaft in der Societas. Dies bedeutet zweifellos, dass der Verein auch Phasen durchleben könnte, wo schlicht keine Personen jener Gentes zur Verfügung stehen. Was soll in diesem Fall geschehen? Soll der Verein etwa keinen Magister wählen können, obwohl es vielleicht durchaus fähige Personen gibt, die dies bewerkstelligen könnten? Der Verein befände sich dann wieder in einer recht ungeklärten Situation, ähnlich wie dies vor kurzem wohl auch durch die Erkrankung des Centho geschehen ist und es keine Stellvertreter-Regelung in der Satzung zu finden gab." Ganz klar, die Societas würde sich damit auch gut und gerne wieder selbst handlungsunfähig machen. An diese Eventualitäten musste man einfach denken, dachte sich Lepidus. "Traditionen sind auch mir äußerst wichtig, doch gerade die traditionelle Verehrung der iulisch-claudischen Dynastie möchte ich wahren und um dies sicherzustellen, muss jederzeit ein Magister, der die Führung über den Kultverein inne hat, wählbar sein. Gerade dies erreichen wir durch die Öffnung des Postens auch für Nicht-Iulier und Nicht-Claudier."


    Der Tiberier befand sich jetzt mitten in der angenehmen Diskussionslaune und würde auch hartnäckig bleiben, denn schließlich fand er sein Anliegen durchaus sinnvoll in jeglicher Hinsicht. Dazu machte es auch wahnsinnig viel Spaß und er war noch lange nicht am Ende mit seiner Argumentationskette. Das Abschaffen der Regelung hatte in seinen Augen einfach so viele Vorteile für die Societas, dass diese seiner Ansicht nach nur zum Wohle des Vereins sein konnte. Aber nun würde er wohl abwarten müssen, wie dogmatisch die beiden bleiben würden.

    Knifflige Fragen für den Tiberier, aber zumindest pflückte der Senator seine Darstellung der historischen Ereignisse und deren Vergleichbarkeit nicht auseinander. "Deine erste Frage ist natürlich nicht einfach zu beantworten, doch deine Formulierung 'nahezu' gleichberechtigt, sagt es im Prinzip schon aus, denn ein völlig gleichberechtigter Anspruch ist wirklich schwer denkbar, mag dies auch nicht ausgeschlossen sein. Denn wenn mit dem verstorbenen Herrscher diejenigen, die in Frage kommen, auf dieselbe Art und Weise mit demjenigen verwandt waren, so gilt für mich das Recht des Erstgeborenen, sollte nicht einer von ihnen - und das liegt ja ebenfalls im Bereich des Möglichen - freiwillig auf den Anspruch verzichten." Und dass diejenigen auch noch gleich alt waren, vielleicht sogar Zwillinge ist doch ein recht merkwürdiger Fall. "Qualität spielt für mich da wirklich eine untergeordnete Rolle, zumal diese auch überaus schwer messbar ist oder nicht wirklich miteinander aufgewogen werden kann. Ich meine: Der eine mag vielleicht ein großer Heerführer sein, der andere wiederum versteht sich hervorragend aufs verwalten, wen würde man denn in diesem Falle bevorzugen? Da stoße ich wohl in dieselbe Kerbe wie du und gleichsam ist mir da doch der Erbanspruch eine Sache, die deutlich solider ist, weil es keinerlei Maßstäbe bedarf." Die letzte Sache brachte den Tiberier natürlich zum grübeln, das perfekte Verfahren kannte er natürlich auch nicht, aber in so einem lockeren Gespräch konnte man ja durchaus den Gedanken freien Lauf lassen und auch einmal die utopischsten Vorschläge machen. "Nun, ich hielt ja, wie bereits gesagt, das Erbverfahren für die grundsätzlich beste und friedensstiftendste Lösung. Ein gesondertes Verfahren bedürfte es meiner Ansicht nach dann lediglich nur noch, wenn des Kaisers Gens erloschen ist und es gleichzeitig keinerlei sonstiger Nachfolgeregelung gibt, wie im Falle Salinators geschehen. Dann wüsste man nicht wer Kaiser werden könnte. Der mit dem größten Vertrauen der Armee? Derjenige, den der Senat auserwählt? Eigentlich beides keine befriedigenden Lösungen, da sie immer auch stark angezweifelt werden können. Ich selbst würde die Entscheidung in die Hände der Götter geben, denn diese sind nun wirklich nicht anzuzweifeln. Die Griechen sollen ja früher gern mit dem Los-Prinzip agiert haben, wahrscheinlich wird dies auch heute noch irgendwo betrieben. So könnte jeder, der den Anspruch hat Kaiser zu werden an jenem Verfahren teilnehmen. Selbstredend dürften es nur Personen von hohem Stand sein. Keinesfalls soll ein einfacher Bürger den Anspruch erheben Kaiser werden zu wollen." Lepidus lachte aufgrund der Lächerlichkeit des Gedankens, der eigentlich Teil eines vielleicht nicht weniger lächerlichen Gedankens war. "Auf wen dann das Los fällt, der ist der neue Herrscher Roms, was natürlich durch zusätzliche Befragung der Götter gesichert werden müsste und die Götter wissen zweifellos was für Rom das Beste ist." Lepidus war überzeugt. Ein Kaiser, der von der Armee ausgerufen wurde, konnte nicht dieselbe Legitimität haben, wie jemand, der sozusagen durch die Fügung des göttlichen Schicksals an die Macht kam, wie dies die Los-Entscheidung repräsentierte. Wenn ein Usurpator dann immer noch an der Legitimität des Kaisers zweifelte, hätte er wohl auch keine große Sympathien im Volk, denn das Volk achtet die Götter, so zumindest die blauäugige Vorstellung des Tiberiers.

    "Auch das noch...", dachte sich der ohnehin schon bis auf die Knochen nervöse Bote des Lepidus in Anbetracht des Pechs, welches er hatte. Hätte er denn nicht daheim sein können? So ganz unkompliziert? Aber ein Duumvir war nun einmal vielbeschäftigt, das hätte er sich durchaus denken können. Wieder folgten die Blicke nach links und rechts, dann wieder zurückgewandt auf den Ianitor. "Hier ist der Brief", sprach er schließlich: "Übergib diesen Brief an Iulius Dives! Ausschließlich diesem!" Anschließend drückte er ihm den Brief in die Hand, machte umgehend kehrt und verschwand. Der Bote verspürte einfach zu viel Druck, um den Brief noch weiter mit sich herumzuschleppen und in der Villa des Iuliers würde er bestimmt sicher sein. Auf dem Rückweg musste er sich überlegen, wie er seinem Herren am glaubhafsten die Ausführungen seiner Anordnungen bestätigte. Die Wahrheit, dass er dem Iulier nicht persönlich das Schreiben überreichte, konnte er ihm zweifellos nicht mitteilen.



    Ad
    Marcus Iulius Dives
    Villa Rustica Iuliana Ostiensis
    Ostia - Italia


    Salve Iulius,


    wie ich hörte, war deine Wahl zum Duumvir Ostias von Erfolg gekrönt. Ich übermittel dir hiermit natürlich meine besten Glückwünsche und hoffe für dich auf eine erfolgreiche Amtszeit.


    Es wird dich womöglich freuen zu lesen, dass ich bereits Gelegenheit hatte mit Senator Purgitius Macer zu sprechen. Weniger erfreulich wird wohl das Ergebnis sein, welches ich dir mitteile, denn es gab nur äußerst spärliche Informationen zu beschaffen.


    Der Senator weiß ebenfalls nichts über den Verbleib des Ulpius Probus. Er wog allerdings gleich ab und meinte, dass der Bruder des Iulianus für die Nachfolge ohnehin keine Rolle gespielt hätte, da es eine testamentarische Erbfolge gab. Soweit wissen wir ja auch Bescheid. Er sprach gar davon, dass es recht natürlich sei, dass Valerian einem persönlichen Vertrauten und nicht einem entfernten Verwandten die Nachfolge überließ. Das hat mich doch sehr verwirrt, weil dies bedeuten würde, dass im Testament keine Rede von der Verwandtschaft ist oder womöglich nur von Valerians Sohn, der ja mit ihm verstorben ist. In jedem Fall müsste nach Macer wohl im Testament eindeutig die Bevorzugung des Vesculariers gegenüber allen anderen Verwandten herauszulesen sein.


    Ich selbst kenne das Testament leider nicht und habe nur die Informationen, die du mir bei der Prozession gegeben hast. In jedem Fall scheinen sich aber die Aussagen des Senators mit den deinigen zu widersprechen. Du solltest deine Quellen vielleicht noch einmal überprüfen, denn mir ist dies alles derzeit wirklich ein Rätsel.


    Ich kann allerdings auch nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sagen, ob der Senator wirklich die Wahrheit spricht. Er schien mir nie der stärkste Verfechter des Salinator zu sein, aber da könnte ich mich auch durchaus irren. Immerhin hat er auch kürzlich die Aufhebung eines Dekrets unterstützt, welches Salinator befürwortete, die Mehrheit des Senats jedoch ablehnte. Dies spricht eher für eine Nähe des Purgitiers zum Vescularier, auch wenn seine Unterstützung natürlich auch rein pragmatischer Natur sein könnte, zumal mir der Senator Purgitius manchmal als der Pragmatiker schlechthin erscheint. Die Tatsache, dass sich der Senat nicht auf einer Linie mit dem Vescularier befindet, ist wohl ebenfalls das Zeichen, dass es noch genug kritische Stimmen in Rom gibt.


    Im Moment weiß ich nicht, was wir genau mit den Informationen anfangen können, aber die Tatsache, dass auch Macer nichts über den Verbleib von Probus weiß, macht es vielleicht durchaus wahrscheinlicher, dass dieser wirklich noch leben sein könnte. Was dies im Zusammenhang mit der von dir offenbarten Version des Testaments bedeuten könnte, brauch ich dir wohl gar nicht erst zu schildern. Im Moment bin ich jedoch völlig ratlos über das weitere Vorgehen. Falls dir noch etwas einfällt, was ich hier in Rom in dieser Sache unternehmen kann, melde dich bei mir. Nach anfänglicher Skepsis hat diese Angelegenheit mein höchstes Interesse geweckt.


    Vale,
    Lucius Tiberius Lepidus


    P.S.: Wenn du mir eine Nachricht sendest, schicke ausschließlich deinen zuverlässigsten Boten.

    Irgendwie freute sich Lepidus, dass bereits zu diesem Thema sehr viel Diskussionsstoff gab. Was würde erst passieren, wenn er die wirklich großen Themen anschnitt? Es würde wohl noch ein langer Tag werden, doch der Tiberier hatte bereits jetzt großen Spaß. "Ich teile deine Sorge, dass sich nur ein Kandidat aufstellen lässt, Iulius. Es ist zweifellos nie schön, wenn man unter keinerlei Alternativen wählen kann, jedoch müssen wir da die Realitäten im Auge behalten und es ist nun einmal leider nicht üblich, dass sich allzu viele um diesen Führungsposten reißen würden." Zumindest meinte der Tiberier das zu wissen. "Ja, und selbst wenn nicht, so müssten wir doch die Eventualität ins Auge fassen, dass es gar nur einen einzigen Bewerber für das Amt gibt. Sollen wir deshalb keine Wahl stattfinden lassen, den Posten damit unbesetzt und somit die Societas ohne Führung lassen? Nein, das kann nicht der Weg sein. Eine Mindesanzahl an Bewerbern in die Satzung mit aufzunehmen, fände ich deshalb nicht praktikabel." In der Frage der Ernennung des Vicarius durch den Magister schienen aber alle recht einig zu sein. "Ich freue mich aber, dass wir wohl alle die Ernennung des Vicarius durch den gewählten Magister befürworten. Ich finde wir sollten dies so in die Satzung übernehmen. Der Satz sollte vielleicht lauten: 'Der Magister muss einen Vicarius ernennen, der ihn in Abwesenheit vertritt und die Geschäfte der Societas stellvertretend leitet.' Diesen Satz würde ich dann als letzten im Punkt IV anfügen."


    Der Tiberier ließ sich etwas Zeit, damit die beiden eventuell noch Änderungen vornehmen konnten und schien dann verbal den Bogen langsam zu spannen. "Gut, dass du die Voraussetzungen des Vicarius ansprichst. Ich würde bevorzugen, dass für den Vicarius keinerlei Bedingungen, die sich beispielsweise an eine Gens-Mitgliedschaft knüpfen, aufgestellt werden. Vicarius soll jedes Mitglied der Societas werden können. Vielmehr sollten sich die Bedingungen für den Magister selbst ändern." Bogen spannen, Bogen spannen... "Ich bin der Ansicht, dass der Magister nicht länger nur aus der Gens Claudia oder der Iulia stammen sollte." Pfeil abgefeuert! "Uns im Führungspersonal so zu beschränken ist leider zutiefst veraltet und entspricht nicht mehr den Realitäten. Ich kann natürlich das besondere Anliegen jener Gentes verstehen, es ist ja ganz offensichtlich, doch ein Monopol auf die Verehrung der Iulisch-Claudischen Dynastie haben diese nicht. So sollte, wenn schon jeder römische Bürger Mitglied der Societas werden kann, auch jeder in der Lage sein Magister zu werden. Augustus war unser aller Pater patriae und die Verbundenheit mit ihm und seiner Dynastie geht weit über die Gentes der Iulia und Claudia hinaus; dies sollten wir durch das Streichen der Zeilen 'und muss aus dem Geschlecht der IULIER oder aus dem der CLAUDIER stammen' deutlich machen." Lepidus lächelte und lehnte sich selbstzufrieden zurück. Nicht, dass er ein besonderes Anliegen hatte oder gar selbst irgendwann nach der Magister-Würde streben wollte, aber es hätte seinem Charakter einfach nicht entsprochen sich von irgendetwas auch nur theoretisch ausgrenzen zu lassen und darüber hinaus gab es durchaus gute Gründe nicht an dieser starren Ordnung festzuhalten.

    Noch ein letztes Mal blickte Lepidus der hübschen Ägypterin nach. Sie schien sogar noch hübscher geworden zu sein, als bei seinem ersten Besuch. Höchst bedauerlich, dass sie einfach weggeschickt wurde, wäre ihr Anblick doch immer eine willkommene und erholsame Abwechslung gewesen, besonders im Vergleich zum Greis, der vor ihm saß. Bei seinem ersten Besuch im Vereinshaus hatte Evax sie ebenfalls recht abrupt hinaus gebeten, wenn sich der Tiberier recht entsann. Vielleicht störte es ja auch einige, dass er sie gern mal ansah, aber wozu schafft man sich auch eine solche Sklavin an, wenn sie durch ihr Aussehen nicht unterhalten soll? Aber nun gut, zurück zum Wesentlichen.


    "Ja ja, ich weiß Bescheid", erwiderte er nur kurz auf die Frage zum Codex. Mit Gesetzestexten hatte sich der Tiberier im Rahmen des Cursus Iuris in letzter Zeit wirklich genug auseinanderszusetzen. Paragraphen mochte er fast nicht mehr sehen. "Zumindest das Vereinsgesetz lässt uns zum Glück viele Freiheiten zur Ausgestaltung unseres Vereins." Gleichsam wurde der Sklave offensichtlich schon über eine wesentliche Neuerung informiert. "Ganz recht. Wir müssen in jedem Fall die Frage des Stellvertreters in der Satzung klären. Ein Zustand, wie er teilweise nach der Erkrankung Centhos herrschte, darf nicht wieder vorkommen. Ich würde also vorschlagen unter Punkt IV der Satzung neben dem Magistris auch einen stellvertretenden Vicarius Magistris einzufügen." Lepidus streichelte sich kurz sein Kinn. "Die Frage ist nur, wie wir ihn legitimieren lassen. Es bietet sich die Möglichkeit an ihn ebenfalls durch die Mehrheit der Mitglieder wählen zu lassen oder wir legen fest, dass der Magistris nach seiner Wahl einen Stellvertreter zu ernennen hat. Letzteres würde wohl eine gewisse Flexibilität zulassen." Gerade mit dem Schlusssatz äußerte Lepidus wohl auch seine Symptahie für diese Variante. Einmal wählen reicht, dachte er sich, aber vielleicht gab es ja hier auch einige Verfechter der grenzenlosen Partizipation. Er blickte auf Crassus und einmal nur ganz kurz auf Tasilus. Die Meinung des Iuliers interessierte ihn natürlich deutlich mehr als die Gedanken eines Sklaven.

    Freudestrahlend blickte der Tiberier auf die herbeigeschafften Getränke. Dies war genau das, was seine trockene Kehle jetzt gebrauchen konnte. "Oh, ich bin wohl auch weit davon entfernt ein anerkannter Philosoph oder Historiker zu sein." Aber immerhin studierte Lepidus hin und wieder in den Werken des Livius. Ein hervorragender Schreiber, wie er fand, doch für das jetzige Thema konnte auch Livius den beiden wohl nicht weiterhelfen, schlicht, weil er diese Zeiten des aufblühenden Kaisertums nicht mehr wirklich erlebt hatte. "Aber ich denke schon, dass sich auch aus wenigen Beispielen Schlüsse ziehen lassen, sogar ziehen lassen müssen. Wie viele Bürgerkriege brauchen wir denn, um zu sagen: So wie es gemacht wurde, scheint es nicht richtig gewesen zu sein. Müsste unser Anspruch nicht schon nach einer einzigen Katastrophe sein zu sagen: "So etwas darf nie wieder passieren"? Denken wir doch nur an das unrühmliche Ende der Dynastie der Iulier und Claudier, mit der ich mich natürlich ganz besonders auseinandergesetzt habe, seit ich Mitglied in der Societas Claudiana et Iuliana bin." Wenn Lepidus sich recht erinnert, hatte er das gegenüber Macer sogar schon einmal in seinem letzten Brief erwähnt. "Sicher ein etwas anderer Fall, als wir ihn heute vorfinden, doch war auch das Ende jener Dynastie von einem schweren Bürgerkrieg gekennzeichnet. Wer sich in der Folgezeit nicht alles plötzlich als Kaiser fühlte sowie Tod und Verderben über Rom brachte. Und selbst als Vespasian die Macht an sich nahm, kam auch schon schnell jemand, der seinen dynastischen Anspruch geltend machen wollte. Ich glaube er hieß Iulius Sabinus und behauptete der Enkel Caesars zu sein. So etwas kann natürlich nicht passieren, wenn der Princeps dynastisch legitimiert ist." Lepidus wusste zwar, dass seine Argumentation äußerst wacklig war. Schließlich konnte Vespasian ja auch gerade als positives Beispiel für einen Kaiser gelten, der eben nicht mit dem früheren Machthaber verwandt war und ob es eine legitimere Nachfolge nach Nero in den Augen des Tiberiers hätte geben können? Wohl eher unwahrscheinlich. Doch er hatte nun einmal eine sehr festgefahrene Meinung und war überzeugt, dass das Erbe nach einer mehr oder weniger entfernten Blutlinie besser war, als alle Alternativen.

    Der Ianitor öffnete die Tür. Noch ein Blick nach links, ein Blick nach rechts und in einem etwas leisen, aber nicht flüsternden Ton sprach der Bote: "Eine wichtige Mitteilung für Duumvir Iulius Dives aus Roma. Ich bin beauftragt die Nachricht persönlich an ihn zu übergeben. Falls Zweifel bestehen, kannst du ihm ausrichten Lucius Tiberius Lepidus schickt mich. Er wird dir dann sicher die Erlaubnis erteilen, mich zu ihm zu führen." Soweit die Anweisungen. Der Bote konnte wohl nur hoffen, dass neben der Schürzenjägerei auch das Pflichtbewusstsein Teil der Persönlichkeit des Ianitors war.

    Ein noch relativ junger Bote, recht flink und gleichsam unauffällig erreichte die Villa Rustica. Er hatte Anweisungen bekommen, sich so vorsichtig wie möglich zu bewegen, den Brief den er bei sich trug mit Adleraugen zu bewachen und ihn bei geringstem Anzeichen von Gefahr zu vernichten. Des Weiten wurde der Bote angewiesen den Brief nur seinem Adressaten persönlich zu übergeben. Es war fast ein wenig zu paranoid, aber Lepidus wollte in dieser Sache auf Nummer sicher gehen, immerhin konnten fremde Augen sich aus der Botschaft des Lepidus durchaus dieses und jenes zusammenreimen und er hatte wahrlich keinen Lust, dass die Stadtwachen schon wieder vor seiner Villa in Rom aufkreuzen würden... diesmal aber womöglich mit einem anderen Ausgang als beim letzte Mal.


    Der Bote klopfte an die Tür und hoffte, dass ihm so bald wie möglich geöffnet wurde. Die Paranoia seines Herren hatten ihn zweifellos ein wenig angesteckt, weshalb er sich immer wieder umzudrehen pflegte, um nach dem Rechten zu sehen.

    "Aber sicher doch, ich bin fit wie eine Legionärssandale", entgegnete Tiberius auf die Erkundigung nach seinem Schlafrhythmus, mehr um zu belustigen, als wirkliche Informationen zu geben. Irgendwie war er heute ohnehin nicht ganz ernst aufgelegt. Wie sollte er auch? Dieser Alte schien jeden Augenblick ins Gras zu beiße und geistig hatte er wohl seine besten Tage längst hinter sich. Da bot er ihm doch tatsächlich einen Platz an, obwohl Lepidus sich doch schon längst hingesetzt hatte. Was für ein verstreuter Alter. Das konnte wirklich noch ein lustiger Tag werden. Ob es Dives gefiel, dass er hier als "schlampig" bezeichnet wurde? Lepidus selbst hatte es ja nicht allzu gern, wenn Sklaven sich anmaßten über ihre Herren Urteile zu fällen, aber offensichtlich führte Dives ein lockeres Regiment... vielleicht zu locker.


    Gerade wollte er Tasius offenbaren, weshalb er hier sei, da platzte auch schon Iulius Crassus herein. "Salve Crassus, keine Sorge, du hast noch nicht viel verpasst." Er deute auf den Platz neben sich, damit Crassus sich dort setzten möge. "Das hier ist der Stellvertreter von Dives. Man nennt ihn Tasius. Rede am besten laut und deutlich." Den Grund brauchte Lepidus nicht zu erwähnen, es war offensichtlich, dass der Tiberier damit auf das Alter ihres Gegenüber anspielen wollte, zu dem er sich nun wieder wandte: "Nun, wir beide sind hier, weil wir einen Entwurf einer neuen Satzung der Societas erstellen wollen. Das alte Stück Papier bedarf ein paar Neuerungen."

    Der Tiberier gähnte noch ein wenig als er den Raum betrat und sich auf einen Sitzplatz niedersetzte. "Lucius Tiberius Lepidus", sprach er ohne den Sklaven wirklich anzusehen. Ihn interessierte mehr die Räumlichkeit, nachdem Dives endlich alles eingerichtet hatte. Als er das letzte Mal hier war, war schließlich alles noch etwas unaufgeräumt. "Und mit wem hab ich es zu tun?" Naja, seinen unbedeutenden Namen kannte der Tiberier ja nicht, aber er wusste ja, dass Dives einen Sklaven mitreden lassen wollte, warum auch immer? Ohne diesen Greis würde es sicherlich auch um einiges schneller gehen. Apropos schneller, wo blieb eigentlich Crassus?

    Kaum war Evax weg, wartete auf den Tiberier auch schon die nächste Überraschung. Was für ein 'Fossil' schritt denn dort auf ihn zu? Langsam bekam Lepidus den Eindruck, die Societas hatte ihre Sklaven bisher nicht danach ausgesucht, wie sie am hilfreichsten waren, sondern danach in wie weit sie belustigend auf ihre Besucher wirkten. Der Tiberier fing jedenfalls an zu Schmunzeln. Manieren schien er dann auch noch genauso wenig zu haben, wie Evax. Seit wann sprach man mit einem Patrizier in diesem Befehlston. Unerhört! Der Sklave hatte wohl nur Glück, dass er in seinem Zustand wohl keine Bestrafung mehr durchstehen würde. Lepidus jedenfalls ließ sich extra viel Zeit, bis er folgte, streckte sich noch ein wenig und ging dann langsamen Schrittes (fast noch langsamer als der gebrechliche Alte) in das Officium.

    Die Reaktion des Purgitiers trug eher dazu bei, dass der Tiberier noch verwirrter schien als vorher. War es wirklich ein großes Rätsel, welches es hier zu lösen galt oder handelte es sich einfach nur um noch ein viel größeres Missverständnis? Hatte der Kaiser tatsächlich die Adoption der Blutsverwandtschaft vorgezogen? Das war möglicherweise der große Widerspruch, dem sich der Tiberier entgegensah zwischen dem, was er von Macer und dem, was er von seinem guten Iulischen Freund gehört hatte. Denn das Argument, dass bereits Valerian adoptiert war, zog nicht wirklich, denn trotz Adoption war Valerian mit Iulianus Blutsverwandt. So war Valerian der Sohn des Gaius Aelius Maccalus. Der wiederum war Sohn der Ulpia, der Tochter des Marcus Ulpius Traianus, der wiederum der Großvater von Probus und Iulianus war. Sie stammten also beide von Traianus ab. Was für den einen der Großvater war, war für den anderen der Urgroßvater. Aber sollte man den Purgitier mit diesen dynastischen Feinheiten konfrontieren? Immerhin gab er bereits zu, dass er so genau über die Verwandtschaftsverhältnisse in der Gens Ulpia nicht Bescheid wüsste. Würde man nun feststellen, Probus sei tot, so wäre es im Grunde alles völlig egal, aber da selbst Macer nichts mit Sicherheit über den Verbleib des Ulpiers sagen konnte, blieben hier immer noch Zweifel übrig. "Nun, die meisten Herrscher lassen sich erst rückwirkend wirklich beurteilen, aber ich bin grundsätzlich der Auffassung, dass eine dynastische Regelung langfristig stabiler ist, als die stetige Auswahl eines neuen Emporkömmlings." Was er natürlich generell verstanden wissen wollte, auch wenn dies natürlich etwas ungeschickt formuliert wurde und leicht auch auf Salinator als Person zutreffen konnte. "Selbst wenn uns die ausgeführte Verfahrensweise kurzfristig als sinnvoll erscheinen sollte, so ist es doch zweifelhaft, ob sie langfristig auch die beste ist. Ich meine, die Gefahr, die eine relativ offene Nachfolgeregelung einschließt, ist doch gerade diejenige, dass wir es womöglich in Zukunft noch mit mehr als einem dieser Art von Bürgerkriegen zu tun bekommen könnten. Eine dynastische Legitimität mag für viele Anerkennenswert sein, aber die Auswahl eines beliebigen Kandidaten stößt leicht auf Neider und Personen, die dem Nachfolger eben nicht die Treue halten würden und schon ruft sich ein neuer Feldherr irgendwo in den fernen Provinzen zum Kaiser aus. Ich glaube nicht, dass dies im Interesse Roms liegt. Stabilität sollte doch für uns das oberste Gebot sein, findest du nicht? Eben deshalb hoffe ich, dass der Kaisertitel in Zukunft innerhalb einer akzeptieren Dynastie bleibt." Es schien für Lepidus wirklich bedauerlich, dass die Zeit der Ulpier nun für immer vorbei sein sollte.

    Ach Evax, dachte dich der Tiberier nur. Es wäre ja auch schon fast unnatürlich gewesen, wenn der Sklave den Patrizier nach seinem Eintreten einfach in Ruhe gelassen hätte. Nein, Evax wollte sich natürlich gleich wieder um alles kümmern und ließ sich dann natürlich auch gleich wieder zu unnötigen Bemerkungen hinreißen. Ja, er war eben ein Schwätzer. Auf welchem Sklavenmarkt hatten sie den wohl erstanden und welche Talente hatte ihm der Händler wohl attestiert? Schwätzt ununterbrochen und unaufgefordert? Hat meist immer einen unpassenden Kommentar parat? Lepidus schmunzelte in sich hinein, als er sich das vorstellte. Nun musste er wieder staubtrocken dem Sklaven entgegnen: "Ich weiß, dass der Magister nicht da ist..." Schade, um die gute Luft, die Lepidus atmete und die durch seine patrizischen Lungen doch viel zu schade war, beliebig in zu großer Masse ausgestoßen zu werden. Eine Ehre, die einem Sklaven nur selten zuteilwerden sollte.


    "Ich bin hier, um mit einem Neumitglied, Iulius Crassus, über die Satzung des Vereins zu diskutieren." Ob es dem Tiberier gefallen hätte, dass hinter seinem Rücken Geschichten erzählt wurden? Im Grunde ist diese Frage wohl nur mit 'Ja' zu beantworten, denn der Patrizier konnte es doch nur zu gern haben, wenn über ihn diese und jene Legende kursierte, am besten noch hunderte von Jahren nach seinem Tode, dann hätte er seinem Leben wahrlich einen Sinn gegeben. Der Name Ingeniosus hätte ihm aber weniger zugesagt, denn Lepidus war er doch recht zufrieden und wenn sich schon Legenden um seine Person bilden, dann doch auch mit seinem richtigen Namen. Nun gut, es würde wohl noch viel Zeit zur Legendenbildung übrig sein, die nicht von einem Sklaven der Societas erzählt würde. Bisher gab es auch wenig erfreuliches zu überliefern. "Und ja, Früchte, Wein - nicht zu stark verdünnt. Schaff alles her."

    Lepidus betrat das Atrium und ließ sich auf demselben Platz nieder, den er einst schon einmal für sich beansprucht hatte. Einem Sklaven gab er dem Auftrag ihm die Satzung zu bringen, damit er sie sich in Ruhe ansehen konnten. Derweil sollten auch einige Früchte herbeigeschafft werden, denn ohne ein paar 'Snacks' zwischendurch ließe es sich immer so schlecht arbeiten, zumindest empfand dies der Tiberier so. Während er das Schriftstück, welches ihm gebracht wurde an sich nahm und betrachtete, wartete er gleichsam auf den Cousin des Iulius Dives.

    Etwas früher als zum vereinbarten Treffpunkt kam Lepidus beim Vereinshaus an. Er wollte sich schon einmal allein einen kleinen Überblick über die Satzung verschaffen, bevor Crassus eintreffen würde. Dann könnten sie womöglich schneller ins inhaltliche übergehen. An der Tür empfing ihn der Ianitor Evax. Gern dachte er an seinen ersten Besuch bei der Societas zurück, als dieser ihn ein wenig ins Vereinsleben eingeführt hatte und der Lepidus für einen Sklaven schon immer etwas zu viel zu sagen hatte. Welch amüsantes Gespräch sie damals nicht geführt hatten. Sogleich ging der Tiberier ins Atrium.


    Ad
    Tiberius Iulius Crassus
    Casa Iulia
    Roma - Italia


    Salve Sodales Iulius Crassus,


    ich hoffe du hattest nach der Opferung am Tempel des Apollon ein paar angenehme Tage. Wie abgesprochen, sende ich dir hiermit eine Einladung, um uns gemeinsam in den Hallen des Vereinshauses der Societas zu treffen und über die Satzung zu debattieren. Ich würde mich freuen wenn du ANTE DIEM VI KAL NOV DCCCLXII A.U.C. (27.10.2012/109 n.Chr.) zur neunten Stunde des Tages Zeit hättest. Falls nicht, sende mir einen Alternativ-Termin. Ansonsten freue ich mich dich an diesem Tage zu sehen.


    Vale,
    Lucius Tiberius Lepidus