Ja, sicher ging es hier um einen Kultverein. Der gute Lepidus hatte die Patrizier ja nicht ins Spiel gebracht und die Salii waren weder Apfel noch Birne, sondern irgendein anderes Obst, was sich hiermit vergleichen ließ. Überhaupt schien ihm der Sklave des Iuliers viel zu indoktriniert, seine Argumentation hing an allen Ecken und Enden. Die diplomatische Ausdrucksweise des Crassus gefiel ihm da deutlich mehr. Man merkte eben wer aus gutem Hause stammte und wer nicht. "Also lieber Tasius, Sklave, ich denke es geziemt sich nicht wahren Römern falsche Worte in den Mund zu legen." Und das sagte der Tiberier wirklich freundlich. "Wer sprach denn von 'absoluter Exklusivität'? Es war vielmehr vom Eindruck die Rede, der durch die jetzige Lage entsteht. Crassus war offensichtlich in der Lage meine Worte richtig zu verstehen, so gib dir bitte auch etwas mehr Mühe. Es geht hier schließlich um eine wichtige Angelegenheit." Warum dachte eigentlich jeder Sklave hier in der Societas er könne mit einem Patrizier reden, wie es ihm gerade passte?
"Und die Zeichen der Götter sind in jenen Tagen keinesfalls eindeutig...", gab der Tiberier nur in einem bedenklichen Ton von sich. Dass die Götter glücklich waren ließ sich nicht einfach so sagen, nein, so mancher hätte die äußerst schwere Erkrankung des bisherigen Magister Centho auch als wirklich schlechtes Zeichen einschätzen können. So schwer wie er getroffen wurde, dass er gar über so lange Zeit die Casa nicht verlassen kann, ist ein besonders schwerer Fall und gab wohl nicht wenigen zur Verwunderung Anlass. "Nach wir vor stützen wir uns auch auf die Annahme, dass immer ein Iulier und Claudier vorhanden sein werden, aber es geht bekanntlich nicht nur um das Vorhandensein der Gentes, sondern auch um die Bereitschaft der Personen etwas für den Kultverein zu leisten, was nicht immer gegeben sein muss, denn wie Crassus schon bemerkte könnten deutlich mehr Iulier und Claudier Mitglied sein. Aber dies nur am Rande. Gern möchte ich die optimistische Denkweise in diesem einen Punkt teilen. Lepidus glaubte auch keinesfalls, dass sie die Societas in den Grundfesten erschütterten, das war doch arg übertrieben. Die Verehrung der Dynastie hängt auch nicht von der Existenz der Gentes Iulier und Claudier ab. Welchen Weg die Götter auch immer mit einem hypothetischen Verschwinden der Gentes gehen würden, die Verehrung für die Dynastie würde doch noch auf lange Zeit und sicher mit der größten Zustimmung der Götter fortleben, davon war der Tiberier überzeugt. Gerade diese Aussage des Tasius sprach ja dann schon wieder für eine gewisse Exklusivität, die die Mitgliedschaft von Personen anderer Gentes nicht zu schätzen wusste. "Wir sollten nicht vergessen, dass die Grundfeste, sozusagen der Kern der Societas nach wie vor die Verehrung der iulisch-claudischen Dynastie ist, sei es durch Opferung oder ins Bewusstsein rufen der großen Kaiser früherer Zeiten. Dies ist der Kern und dieser wird sicherlich auch niemals angetastet und wir sollten sichergehen, dass dieser Kern bestand hat, wozu eine Änderung der Regelung in der Satzung zweifellos beitragen würde. Sei es, dass die Societas damit für die Bürger attraktiver wird, sei es, dass dadurch organisatorische Schwierigkeite, die sich einstellen könnten, beseitigt wären."
"Nun lasst mich euch aber einen Kompromissvorschlag machen, denn ich bin durchaus bereit eure Sorgen und Gegenargumente zu verarbeiten und eine für alle zufriedenstellende Lösung zu finden." Dies lohnte es sich noch einmal zu betonen. "Einem Kompromiss, der der herausragenden Stellung der Gentes der Iulier und Claudier ebenso gerecht wird, wie den organisatorischen Aspekten sowie den Eindruck der Exklusivität weitestgehend vermeidet. Ja, ich möchte meinen das diese Regelung nur Voteile hätte. In die Satzung sollte geschrieben werden: 'Die SOCIETAS CLAUDIANA ET IULIANA wird vom Magister des Vereins geleitet. Dieser wird durch einfache Mehrheit aller Vollmitglieder bestimmt. Er hat einen Vicarius Magistris zu ernennen, der ihn in Abwesenheit vertritt und die Geschäfte der Societas stellvertretend leitet. Entweder der Magister oder der Vicarius muss aus dem Geschlecht der IULIER oder aus dem der CLAUDIER stammen.'" Der Tiberier blickte beide entschlossen an. "Wenn jemand aus einer anderen Gens zum Magister gewählt wird, so muss sich dieser aus den Reihen der Iulier und Claudier einen Stellvertreter erwählen, umgekehrt muss der gewählte Iulier oder Claudier einen anderen als seinen Stellvertreter ernennen. Ein Mitglied dieser beiden Gentes befindet sich in jedem Fall immer in einer herausragenden Stellung. Ich denke dies ist die beste Lösung zum Wohle der Societas, die uns und doch allen am Herzen liegt."
Wer sagte außerdem, dass alle Iulier und Claudier so zwanghaft an der bestehenden Regelung festhalten mussten? Eine Kampfabstimmung war eigentlich kaum erforderlich, Lepidus wunderte sich auch, dass gerade der Sklave so unerbittlich an der bestehenden Regelung festhalten wollte. Ja, manchmal hatte er den Eindruck, dass Dives höchstpersönlich mit seinen häufig weitschweifenden Worten vor ihm sitzen würde. Hier bestätige sich auch wieder das Phänomen, dass Sklaven ihren Herren mit der Zeit immer ähnlicher wurden. Derzeit kam sich der Tiberier in der Diskussion einfach nur vor, als wenn er einen riesigen Stein schieben müsste und sich dieser auch nach größter Kraftanstrengung keinen Zentimeter bewegte.