Ehrfürchtig betrat der junge Tiberier den Tempel des Jupiter Optimus Maximus Capitolinus, jenem Heiligtum, welches einem durch seinen bloßen Anblick in Atemlosigkeit versetzen kann. Dort ragten die korinthischen Säulen hoch in die Luft und die Türen erstrahlten in goldenem Prunk. Ein großer Tag, um sich Huld und Beistand des alles überragenden Iuppiter zu sichern.
Lepidus hatte sich besonders darum bemüht ein passendes Lamm zu finden. Er bevorzugte das Lamm, wie so viele, weil es ein friedliches Opfertier war, welches sich in den meisten Fällen willig seinem Schicksal fügte. Dies war auch bitternötig, ein Tier, was sich allzu sehr wehrte, wurde von den Göttern nicht angenommen und hatte gute Aussichten den Tag zu überleben. Das Tier sollte optimalerweise schon etwas Dicker sein und so nahm er das fetteste Tier, welches er beim Händler kaufen konnte und von dem ihm versichert wurde, dass es nur auf den besten Weiden gemästet wurde. Die Größe stellte ihn zufrieden, ging ihm das Lamm doch ein paar gute Zentimeter über die Kniekehlen. Für die Opferung wurde das Tier mit kleinen Zierden geschmückt.
Lepidus wurde von ein paar Sklaven begleitet, die ihm bei der Opferung halfen und das Lamm mit sich führten und in die entsprechende Position auf den Tempelvorplatz brachten. Der Tiberier selbst wusch sich am Eingang des Tempels sorgsam die Hände. wieder und wieder ließ er seine Hände ins kühle Nass eintauchen. Wahrscheinlich tat er dies ein wenig zu oft, aber irgendwie hatte er diesen Tick und wollte für das Opfer so rein wie möglich sein. Er war in weißer Toga erschienen und zog einen Teil davon über den Kopf. Durch die capitis velatio war er für alle als der Opfernde zu erkennen, gleichsam half ihm die Abdeckung sich vor Ablenkungen zu schützen. Des Weiteren überließ er einem Sklaven seine calceus patricius, um das Opfer barfüßig durchzuführen.
Im Inneren ging er auf den foculus des Iuppiter zu. An der Feuerstelle ließ er den Weihrauch seinen Duft versprühen und nahm Verbindung zu den Göttern auf. Nachdem Ianus die Verbindung zu Iuppitter herstellen sollte, sprach er sein Gebet und richtete Handflächen nach oben.
"Oh, gewaltiger Iuppiter Opitmus Maximus. Herrscher des Himmels. Beschützer des Staates, des Hauses, des Hofes und der Familie, der du Rom zu Ganz und Größe verholfen hast. Stets erbrachte ich dir treu meine Ehrerbietung und bin derjenige, der dir immer loyal dienen und opfern wird. Auch heute möchte ich dir opfern und dich bitten, oh großer Iuppiter, so wie du stets in das Wirken und Schaffen Roms eingegriffen hast, so lege auch über mein Haupt und den Häuptern meiner Familie deine schützende Hand. Gib mir Kraft in diesen schweren Zeiten, wo ein Mann wie ich, von edler Familie stammend, sich seinen Platz erkämpfen muss. Ebne mir den Weg und lass die Gens Tiberia wieder in Glanz erstrahlen und ich werde dir noch viel größere und gewaltigere Opfer darbieten. Was heute mit einem Lamm beginnt, soll mit 1000 Stieren seinen Fortlauf nehmen. Großer Iuppiter, ich ehre dich!"
Lepidus wandte sich nach rechts ab. Bevor er auf den Vorplatz des Tempels schritt, verneigte er sich noch einmal vor der Statue des Iuppiter. Am Opferaltar angekommen, auf dem sich traditionell die caespites lagen, stand bereits das Lamm seelenruhig da. Es wurde nun mit Wein und gesalzenem Dinkel übergossen. Anschließend wurde dem Tier sämtlicher schmuck abgenommen und Lepidus, der sich von einem Sklaven das Opfermesser hatte reichen lassen, zeichnete nur symbolisch einen strich von Kopf bis zum Schwanz, was die Entkleidung andeutete. Wieder richtete Lepidus seine Handflächen nach oben.
"Oh, gewaltiger Iuppiter Opitmus Maximus. Herrscher des Himmels. Beschützer des Staates, des Hauses, des Hofes und der Familie. Nimm dieses Opfer als Zeichen meiner uneingeschränkten Ergebenheit. Ich danke dir für das Erhören meiner Gebete. Lass mich der willige Vollstrecker deines Willens sein."
Der Tiberier ließ seine Hände sinken und wandte sich erneut nach rechts ab. Er war geradezu ergriffen von diesem Augenblick und überließ das Opfermesser dem cultarii. Nun würde der victimarius die alles entscheidende Frage stellen: "Agone?" und auf diese gab es nur eine Antwort: "Age!" rief Lepidus mit voller Inbrunst und der Hammer viel auf den Kopf des Lammes nieder, welches sofort in Ohnmacht fiel. Sehr schnell war der cultarii und setzte einen tiefen Schnitt und das Blut spritzte. Welch herrlicher Anblick. Nun müssten nur noch die Eingeweide auch gute Nachrichten überbringen...