Beiträge von Thaiis

    Morrigan dachte gerade an den aufdringlichen Ägypter als Menecrates begann eine Rede an Taira zu halten. Sie verleierte innerlich die Augen und beglückwünschte sich dazu, dass Linos ihr soweit Griechisch beigebracht hatte, der Neuen den ganzen Sermon zu übersetzen. Während sie weitergingen, erklärte Morrigan Taira also, was Menecrates gesagt hatte.


    "Hör zu, Menecrates hat gerade aufgezählt, was Deine Aufgaben sein werden. Zuerst wirst Du mir helfen wo immer es geht. Dann wirst Du sein Zimmer in Ordnung halten, das Wasser dort auffüllen, das Bett richten, ihm Kleidung zurechtmachen und anziehen. Dann sollst Du ihm auch beim Essen bedienen. Und damit ihm nicht der Appetit vergeht, werde ich Dich nacher in einen anschauenswerten Zustand bringen. Wasserscheu wirst Du ja hoffentlich nicht sein. Und dieser Zustand soll dann gefälligst erhalten bleiben. Also sieh zu, dass Du nicht nach einer Stunde schon wieder aussiehst als kämest Du aus einer Köhlerei. Mal sehen, wenn es sich lohnt gehen wir morgen vielleicht auch eine vernünftige Kleidung für Dich holen. Ausserdem werde ich Dich nachher durch das Haus führen. Das ist groß. Sieh zu, dass Du Dich schnell zurechtfindest. Und verdammt nochmal schleunigst Latein lernst. Verstanden?"


    Taira klingelten die Ohren. Nun, es schien als sollte sie all das tun, was früher ihre Zofe für sie selbst getan hatte. Gut. Das würde ihr Ariadnefaden sein können, an dem sie sich durch ihre Aufgaben hangeln könnte. Alles das tun, was sie selbst erwartet hätte ...


    Zum Zeichen dass sie verstanden hatte und das sie willig war selbst dieses unsägliche Latein zu lernen, nickte sie nachdem Morrigan fertig war und antwortete auf Latein "Ja, Herrin!" Die Antwort darauf war Morrigans Ellenbogen, der unsanft Tairas Rippen traf. Wütend zischte Morrigan Taira an: "Psst! Bring Dich nicht ins Verderben! Nenne mich nie nie nie Herrin, verstanden! Menecrates ist Dein Herr. Ihm hast Du zu antworten!" Auf Latein fuhr sie klar und deutlich sprechend fort: "Es heisst dominus .. nus!" Taira war gerade offensichtlich in ein schönes, großes Fettnäpfchen getreten. Schnell antwortete sie, lauter, damit ihr Herr sie verstünde, und natürlich wieder auf Latein: "Ja, Herr!"


    Morrigan atmete erleichtert durch.

    Bereits nach wenigen Schritten erreichte die Gruppe mit Taria in der Mitte eine Befestigung. Die Wachen am Tor salutierten als sie das Tor passierten. Wenn Menecrates der Stratege war, war das zu erwarten. Hinter dem Tor waren links und rechts einer Straße Baracken aufgestellt. Es wimmelte hier von Soldaten. Eisen glitzerte in der Sonne, Stimmen überall. War das Menecrates` Heer? Sicher. Vorbei an Werkstätten und Lagerhäusern führte die Straße auf ein riesiges Gebäude zu. Der säulengetragene Eingang des Gebäudes wurde wieder von Wachen flankiert, die, als Menecrates sich näherte, Haltung annahmen. Durch einen nur zwei Schritte messenden Vorraum, der links und rechts des Ganges von je einer Statue geschmückt wurde, trat die Gruppe hinaus auf einen Säulengang. Dieser führte um einen Garten herum, der Taria in Staunen versetzte. Nunja, auch daheim gab es Perystile, aber das hier war schon etwas Besonderes. Zum einen war es riesig. Um ein Wasserbecken im Zentrum des Lichthofes gruppierten sich ihr unbekannte, sicher einheimische und nach Höhe gestaffelte Pflanzen. In den Ecken des Lichthofes stand je eine Statue, die mit Tritonshörnern versehen, wohl Najaden darstellten. In zwei gegenüberliegenden Ecken gruppierten sich steinerne Bänke um Tische mit mosaikgeschmückten Platten. Durchzogen wurde der Innenhof von einigen gewundenen, mit Steinen gepflasterten Wegen.
    Der Säulengang zog sich um diesen Hof herum. Taria erkannte Durchgänge und Fenster links und rechts in den Wänden. Die gegenüberliegende Wand schien fensterlos, nur eine Tür war zu erkennen. Die Säulen entlang des Ganges trugen verschiedene Kapitelle. Einige davon, die auch einen schon ziemlich verschlissenen Eindruck machten, hätten dabei sogar aus Griechenland stammen können.


    Taria verhielt ihre Schritte, als sie fühlte, wie Morrigan ihren Arm griff.

    Morrigan nickte Menecrates zu und wandt sich auf Griechisch an Taria. "Hör zu und merke Dir, was ich Dir jetzt sage. Es ist wichtig! Erstens: Ab jetzt heisst Du Taria. Verstanden? Taria! Dein Herr heisst Menecrates, ich bin Morrigan. Du tust ab jetzt alles was er Dir sagt. Sofort. Ansonsten machst Du das was ich sage. Auch sofort. Klar soweit? Wenn Menecrates Dich etwas fragt, antworte schnell und möglichst auf Latein. Du wirst also zusehen, dass Du das schnell lernst. Wenn ich das vorhin richtig verstanden habe, sollte das für Dich ja aber kein Problem sein. Ansonsten hälst Du, wenn er dabei ist, die Klappe! Menecrates ist etwas wie ein Strategos. Entsprechend wirst Du ihn auch repräsentieren müssen. Das ist übrigens nicht das Schlechteste. Heisst aber auch, gewöhne Dich an die Sitten der Römer! Schaue, lerne! Das ist das, was ich Dir von ihm sagen soll. Von mir sage ich Dir, dass Du sicher einen ganz guten Fang gemacht hast. Wenn Du nicht rumzickst, wirst Du kaum etwas auszustehen haben." Morrigan zwinkerte Taria zu, dann schaute sie wieder nach vorn.


    Thaiis atmete tief durch. Sie war jetzt also Taria. Taria.Taria.Taria. Ihr Herr hiess Menecrates und die Frau Morrigan, verstanden. Sie sollte nicht ungefragt reden. Das hatte sich nicht geändert. Latein sollte sie lernen. Das war zu befürchten. Repräsentieren sollte sie. Was immer Morrigan damit meinte ... Schauen und lernen sollte sie. Also hob Tha ... Taria etwas den Blick vom Boden und versuchte, möglichst viele Eindrücke entlang ihres Weges aufzunehmen. Schweigend folgte sie Menecrates.

    Obwohl Thaiis weiterhin zu Boden blickte, bemerkte sie trotzdem, wie der Soldat Siculus Münzen in die Hand drückte und einen Papyrus, vermutlich den Kaufvertrag, entgegennahm. Das war es dann also wirklich. Verkauft. Ihr neuer Herr musterte sie vom Kopf bis zu den vom Straßenschmutz verkrusteten Füßen. Obwohl er kein Wort sagte, schien er mit ihr alles andere als zufrieden zu sein. Natürlich. Thaiis war sich völlig bewusst, dass sie eher an eine Vogelscheuche erinnerte als an ein menschli ... an eine Sklavin.


    Thaiis neuer Herr wandt sich ab und einer der ihn begleitenden Soldaten schob Thaiis vorwärts, wohl um sie aufzufordern ihrem neuen Herren zu folgen. Thaiis fiel auf, das der Soldat dies fast vorsichtig tat, ganz anders, als sie es bisher gewohnt war. Nach wenigen Schritten sagte Thaiis neuer Herr etwas. Thaiis verstand nur das Wort "Name" und erriet daraus, dass er sie nach ihrem Namen fragte. Thaiis antwortete auf Lateinisch: "Thaiis, Herr." Und, auch wenn es jetzt vielleicht nicht richtig war ungefragt zu sprechen und es ihr Schläge einbringen würde, sagte sie noch in dem besten Latein, das sie zusammenbekam: "Latein nicht zusammentreiben gut." Sofort hätte sie sich am liebsten die Zunge abgebissen. Sicher war es ein Fehler, etwas zu sagen. Es musste einer sein. Was jetzt wohl kommen würde? Er war Soldat!


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    Siculus nahm – immernoch nicht wirklich zufrieden – die Münzen in Empfang und nachdem sich der Legat abgewandt hatte, ging auch er zurück zu seinem Stand. Der Käufer der Nubier sprach gerade mit der Sklavin des Legaten, natürlich wieder ohne dass er auch nur ein Wort verstand, und Siculus beschloss die Zeit zu nutzen, um den zweiten Kaufvertrag auszufüllen.


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    Morrigan bekam Augen groß wie ein Krater von einem culleus. Also sie müsste sich schon sehr in Menecrates täuschen, wenn dieser in seiner Bequemlichkeit sich die Waren nicht höchstpersönlich zu sich ins Haus bestellte! Und er hatte auch diese Sklavin gewollt. Diese! Dieser Ägypter log wie Ahriman persönlich!


    "Du bist sicher ein hervorragender Händler, "erwiederte Morrigan dem Ägypter, "Aber Du solltest Deine Kunden besser einschätzen. Der Legat Herius Claudius Menecrates ist es gewohnt, eine ganze Legion im Kampf zu führen, glaubst Du etwa er wird mit einer Sklavin die noch ein halbes Kind ist nicht fertig? Das ist nicht nur eine Beleidigung meines Herren sondern eine der ganzen Legion und damit der römischen Armee und ganz Roms! Nimm Dich also lieber mit Deinen Worten in acht! Und was Deine Waren angeht, so darfst Du gern eine angemessene Auswahl mit deren Preisen morgen zur fünften Stunde bei uns vorstellen. Bis dahin vale, ich sollte jetzt dem Legaten folgen." Mit diesen Worten, von denen sie das "Legat" besonders betonte, drehte sich Morrigan um und lief zügig hinter Menecrates her.

    Auch wenn Siculus mit dem Verlauf der Verhandlung alles andere als zufrieden war, nickte er dem Ägypter zu. "Also gut, 1200 für die Nubier." Da der Ägypter sich dann sofort der Sklavin des Claudiers zuwandt und mit ihr wieder in diesem unsäglichen Griechisch sprach, entschied sich Siculus, zuerst diese kleine Fehlinvestition loszuwerden. Er wandt sich an einen der Straßenjungen, die dem Treiben zuschauten, und sagte zu ihm: "Lauf zu den Ställen und sage den Maultiertreibern dort, sie sollen sofort aufbrechen und hierher kommen. Komme mit ihnen zurück und Du wirst Dir einen Sesterz verdient haben." Nachdem Siculus zufrieden sah wie der Junge losrannte, wandt er sich der kleinen griechischen Plappertasche zu.


    Thaiss versuchte zu verstehen, was hier vor sich ging. Jetzt war der Ägypter wieder zurück und bot 1200. Thaiis konnte sich aber nicht vorstellen, dass das nur für sie geboten würde. Der Preis stand bei 520, warum sollte er sofort 1500 bieten? Also doch zu dem Ägypter?
    Thaiis bekam einen Stoß zwischen die Schultern, der sie vorwärts warf. Sie verlor das Gleichgewicht, stolperte vorwärts und landete, halb fallend, halb springend vor dem Podest. Um nicht ganz hinzufallen federte sie den Sturz ab, indem sie in die Hocke ging und sich mit den Händen abstützte. Kaum wieder halbwegs sicher, spürte sie, wie die Reste ihrer Tunika zwischen ihren Schultern gepackt und sie hochgerissen wurde. Siculus stieß sie vorwärts. Mit Schrecken merkte Thaiis, dass ihr Ziel offensichtlich der alte Soldat war. Das war es dann also. Aus. Alle Kraft wich aus Thaiis und willenlos liess sie sich von Siculus voranschieben bis sie vor dem Soldaten stand.


    Siculus trieb die Sklavin voran bis beide vor dem Legaten standen. "Ich beglückwünsche Dich, Legat, zu Deiner weisen Entscheidung! Es freut mich, dem Hause der Claudier und insbesondere Dir zu Diensten sein zu können. Hier ist die Urkunde und hier die Ware." Siculus reichte Menecrates das Dokument in Erwartung der Münzen, die der Claudier, wahrscheinlich schon abgezählt, in den Händen hielt.


    Sim-Off:

    Ich hatte soeben Kontakt zu Morrigan. Sie ist momentan privat zu sehr eingebunden um hier regelmäßig schreiben zu können. Daher hat sie mich gebeten, für sie als Morrigan mitzuschreiben.


    Morrigan schaute den arroganten Ägypter mißmutig an. Klar freute es sie, dass Menecrates ihr erneut die Verhandlungen für irgendwelche Einkäufe übertrug. Nun, sie würde sehen, was sich daraus ergeben würde. Morrigan sah, wie der Sklavenhändler ihre künftige Gehilfin zu Menecrates trieb. Irgendwie machte die Griechin dabei den Eindruck eines Schafes, das zur Schlachtbank getrieben wird. Naja, verstehen konnte Morrigan sie sehr gut, nur würde es sicher nicht so schlimm werden, wie die Neue jetzt dachte. Menecrates hatte anscheinend das Geld bereits abgezählt, also war Morrigan jetzt nicht mehr nötig. Sie wandt sich wieder dem Ägypter zu. "Ich werde hier auf Dich warten." Morrigan nickte dem Ägypter kurz zu und ging dann einige Schritte zur Seite.

    Alwina: Dein Posteingang ist voll! Ich will das aber noch wissen! ;) *stampf* ;)


    In Kapitel VI 3 (Voigt: Kult und Bestattungswesen) steht auch nichts Erhellendes ...

    Jetzt änderte sich die Situation. Thaiis verstand kaum Latein, die Zahlen aber sehr gut. Und was sie sich jetzt zusammenreimte war, daß Siculus erst einen sehr hohen Preis für sie forderte, dann immer niedriger ging, aber nicht so niedrig, dass die Frau, die Thaiis sich als neue Herrin wünschte, mitgehen wollte. Der Mann, der sie abgetastet hatte, schien inzwischen gar nicht mehr an ihr interessiert zu sein. Das hätte Thaiis Hoffnung geben können, wenn nicht plötzlich der alte Soldat etwas gerufen hätte. 520! Bot der jetzt mit? Gütige Isis, bitte nicht! Ein Soldat! Soldaten waren Mörder, agressiv, brutal ... sollten die Schläge denn wirklich nie ein Ende haben? Thaiis begann zu zittern.


    Siculus Miene verfinsterte sich weiter. Die Zeit lief ihm weg und die Münzen rannen wie Sand durch seine Finger. Der Ägypter sprach jetzt nur noch mit dem Claudier und schien mit seinem Gespräch durchaus zufrieden zu sein. Dann rief der Claudier seiner Sklavin 520 zu. 520! Andererseits waren 520 noch 20 mehr als 500, und in wenigen unica würde der Aedil hier auftauchen. "Also gut!" fauchte Siculus die Sklavin des Claudiers an. "520. Aber nur, weil es mir eine Ehre ist, dem Hause der Claudier zu Diensten sein zu können. Wert ist das da mindestens das Vierfache." Immernoch grimmig blickend griff sich Siculus eines der Papyri und füllte die fehlenden Stellen aus.

    Thaiis schlich sich hinunter zu Fluß. In einem kleinen Beutelchen trug sie Feuerstein, Stahl und Zunder und zwei Stierhoden. Glatt lag der Fluß in der Dunkelheit der Nacht. Auf seiner Oberfläche spiegelten sich der Vollmond und die Sterne. Sanft und ruhig würde er das Boot tragen, auf dem Isis nach Byblos fuhr, noch weiter im Süden als ihre Heimat gelegen. Ihr Weg wäre weit von hier aus, von irgendwo in Germanien. Zumal der Fluß gen Norden floß.


    Am Ufer suchte Thaiis sich ein paar trockene Stöcke und Rinde zusammen. Kurze Zeit später kniete sie vor einem kleinen, knisternden Feuer. Als es ihr groß genug erschien, legte sie die Stierhoden in die Flammen, wo sie unter Zischen erst runzelig und dann schwarz wurden. Ein ärmliches Opfer für die Göttin, aber woher sollte sie einen ganzen Stier nehmen wie es sich geziemt hätte. Thaiis war sich sicher, das Isis ihren guten Willen erkennen würde. Wenigstens waren die Teile gut gewählt. Das hoffte Thaiis zumindest. Die Prinzipien würden sich verbinden können und der Natur und allem in ihr die Wiedergeburt ermöglichen. Und auch wenn Thaiis heute nur einen winzigen Teil dazu beitragen würde, die Welt würde sich weiterdrehen ... langsam brannte das Feuer nieder und bald glomm nur noch das Holz der Ästchen in der Dunkelheit.

    Wieder sprachen die Frau und der Mann in dem demotischen Dialekt. Thaiis verstand so viel, dass die Frau sie wohl Haussklavin haben wollte. "Gütige Isis, lass es bitte so sein! BITTE!" betete Thaiis verzweifelt in Gedanken.


    Siculus schaute diese kleine Schlange von Käuferin wütend an. 500! Das war ja schon fast eine Beleidigung! Andererseits ... der Gaffer schickte seinen Sklaven los um den Aedil zu holen. Siculus schluckte und rechnete nach. Eine unicia, bis der Sklave in der curia war, eine bis er sein Anliegen vorgebracht hatte. Zwei, bis der Aedil sich auf den Weg machte und noch eine bis er wieder hier war. In spätestens einer halben Stunde wollte Siculus hier verschwunden sein. Diese intriganten Mogontianer! Das war sicher alles eine abgesprochene Intrige, die ihn um seinen Besitz bringen sollte! Und das wollte er sich auf keinen Fall gefallen lassen. Sicher die Idee eines dieser germanischen Waldmenschen! Roden sollte man ganz Germanien! Abholzen und aus den Stämmen einen Scheiterhaufen für die Einwohner machen!


    "600!" warf er der Frau entgegen und zu Malchus rief er: "1500 für die Nubier! 1800 wenn Du die beiden Germanen noch dazu nimmst!" Aus seinem Kästchen holte Siculus schon einmal zwei Papyri hervor, auf denen vorgefertigte Kaufverträge, natürlich noch ohne Preis und Namen, aufgezeichnet waren.

    Nachdem er kurz mit Siculus gesprochen hatte, wand sich der Mann ab. Hatte er doch kein Interesse an Thaiis mehr? Sie fragte sich, ob sie etwas falsches gesagt hatte. Dann sprachen er und die Frau kurz miteinander. Die Frau sprach den Mann auf einer neuen Sprache, nicht Griechisch jedenfalls, an. Einige Worte verstand Thaiis, es klang wie ein Dialekt des Demotisch, welches sie gelernt hatte. Thaiss verstand nicht alles, aber immerhin genug um herauszuhören, dass sie Thaiis unbedingt kaufen wollte. Thaiis wusste nicht, was die Frau mit ihr wollte, aber vielleicht würde es ja mit einer Herrin ja nicht ganz so schlimm werden wie das, was ihr mit einem Mann als neuen Besitzer sicherlich bevorstehen würde. Andererseits, wenn sie daran dachte wie ihre Schwester mit ihren Sklavinnen umgegangen war ... Dann gingen nacheinander beide zu einem sehr wichtig aussehenden Mann, der desinteressiert an den Vorgängen bei dem Sklavenhändler an einem Nachbarstand saß.


    Siculus sah seine Felle endgültig wegschwimmen. Er hatte inzwischen ernsthafte Bedenken, wie er hier wieder herauskommen würde. Mussten hier auch alle irgendwelche Sprachen sprechen, die er nicht verstand? Die heckten bestimmt eine Intrige gegen ihn aus. Mit Sicherheit!


    "Dreitausend! Für die Nubier und die Griechin zusammen!" schlug er Malchus vor, der jedoch nur abwinkte und zu einem sehr wichtig aussehenden Greis am Nachbarstand ging und mit ihm sprach. Leider konnte Siculus nicht verstehen, worüber. Erst drohte einer mit dem Aedil, jetzt noch dieser Militär dort. Das war sicher dieser Julianer! Und er sah wirklich sehr wichtig aus. Bloss weg hier!

    Statt Schläge zu verteilen stellte der Mann wieder Fragen auf Griechisch. Thaiis schluckte, als sie sie hörte, zwang sich aber zu antworten.


    "Mein Vater wurde verklagt und musste Sühne zahlen. Unser Gut reichte nicht aus, das Geld dafür aufzubringen, daher wurde die Familie verkauft. Ich weiß wie man einen Haushalt führt, ob gut, weiss ich nicht. Dafür hatten wir unsere Sklaven." Die dritte Frage war die schlimmste. Thaiis zögerte unmerklich. "Und nein, Herr." Hoffentlich sah er nicht, dass Thaiis wieder knallrot wurde.


    Siculus Laune wurde nicht besser. Nicht nur, dass jetzt wieder Frage und Antwort auf Griechisch hin und her gingen, nein, jetzt mischte sich noch ein weiterer Gaffer ein und schimpfte ihn einen Wucherer. Damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet. Dabei hatte der Markttag so vielversprechend begonnen. Siculus war doch nur ein braver Händler, der fast immer seine Steuern bezahlte und ansonsten versuchte, sein bescheidenes Einkommen zu sichern. Und für all die Freude, die er in die Welt brachte, war ihm doch wohl wenigstens ein bescheidenes Entgeld zu gönnen.


    "Guter Mann," wand er sich an den Rufer, "in Rom, ja, in Rom! Dort kommen aber auch jeden Tag ganze Schiffsladungen voller Sklaven an und sie überschwämmen die Stadt wie das Getreide aus Ägypten. Und das ist auch billig und wird sogar kostenlos an die Armen gegeben. Und wenn das so weitergeht, bekommt vielleicht bald jeder Bedürftige noch einen Sklaven auf Staatskosten, so viele wie es in Rom gibt! Aber hier! Wieviele Tagesmärsche hat es gedauert, bis wir von Marsallia aus hierhergelaufen sind? Germanen gibt es hier sicher genug, Du brauchst ja nur in den Wald gehen und Dir einen zu fangen. Aber das hier sind Nubier! Wann gibt es sowas hier schoneinmal? Und auch in Rom ist es so – Das Seltene ist Wertvoll! Wenn Du ein edles Pferd kaufen willst, zahlst Du doch auch mehr als für eine Schindmähre? Nein! Kaufpreis, Unterhalt, Transport, Pflege ... das alles kostet und macht mich arm! Hier, die beiden Germanen!" Siculus deudete auf die beiden Germanen, die noch auf dem Podest saßen, "Die kannst Du gern für 200 das Stück haben! Oder wenn Du es noch billiger haben willst – dort ist der Wald!"

    Die Regung des Mannes konnte Thaiis nur schwer aus seiner Mine ablesen als sie ihm seine Frage beantwortete. War er zufrieden? Oder nicht? Jedenfalls fragte er weiter. Und er wählte seine Worte und sprach, als käme er aus Ägypten. Vielleicht sollte Thaiis von Alexandria erzählen? Sie antwortete wieder auf Griechisch.


    "Mein Vater liess sich Schriftrollen aus Alexandria kommen, die ich ihm vorlesen sollte. Und er wollte mich nach Alexandria verheiraten. Daher lehrte man mich noch Demotisch lesen und ein wenig sprechen. Im Latein kenne ich nur die Zahlen und sehr wenige Worte. Außerdem hatte ich noch Unterricht in Mathematik, Musik und Astronomie. Und im Aeskleipedion lernte ich die Riten und meinem Vater zur Hand zu gehen."


    Thaiis erschrak. Sie hatte viel zu viel gesprochen. Viel mehr, als es ihr zustand. Was hatte ihre Zunge ihr jetzt wohl eingebracht, bloss weil sie nach so langer Zeit wieder einmal sprechen durfte? In Erwartung einer Strafe verstummte Thaiis und machte sich zumindest auf Schelte, vielleicht auch auf Schläge gefasst.


    Kaum war Thaiis verstummt, trat eine Frau zu der Gruppe und sagte etwas, was Thaiis nicht verstand. Darauf sprach der Mann ziemlich unfreundlich zu ihrem Besitzer und dann, wieder auf Griechisch, zu der Frau. Das was er sagte zeigte Thaiis, dass er nicht wollte, dass ihr Besitzer seine Worte verstünde. Aber es hiesse auch, dass die Frau ebenfalls Griechisch können müsste. Zwei! Hier, fast am Rande der Welt! Was er sagte, war zwar nicht wie es war, aber er sagte es. Auf Griechisch. Ein winziges Fünkchen Hoffnung warf seinen schwachen Schein in Thaiis Innerstes.


    Siculus Mine verfinsterte sich immer mehr. Dieses kleine Stück Frischfleisch plapperte drauflos wie ein sprudelnde Quelle! Soviel hatte sie nichteinmal gesagt, als er ihren Namen aus ihr herausprügeln wollte. Wenn die heute Nacht noch die seine wäre, würde sie ein paar unvergessliche Stunden haben, gleich ob Siculus sie dann noch verkaufen könnte oder nicht. Siculus schäumte innerlich vor Wut. Und dann wagte dieser dahergelaufenen Möchtegernkunde auch noch, ihm unlautere oder gar verbrecherische Mittel zu unterstellen. Und nun sprach er auch noch mit diesem Gesindel des Menecrates. Auf Griechisch! Das war eine bodenlose Frechheit! Grimmig fuhr er Malchus an:"Was soll das heissen? Neue Wege? Ich habe mir diese Plage ganz legal erworben. Für gutes Geld in Massalia erstanden, von einem ägyptischen Händler, so wie ich es schon gesagt habe!" Siculus zog eine Papyrusrolle aus einem etwas abseits stehenden Holzkästchen, welches einige Rollen Papyrus, Schreibzeug und seine Siegelkapsel enthielt. "Hier bitte! Ein rechtmäßiger Vertrag über den Kauf von 11 Nubiern und einer Griechin von Sextus Naukratikus!" Siculus wedelte mit dem Papyrus vor Malchus Gesicht herum. Er wollte verhindern, dass dieser zu genau daraufschauen könnte. Immerhin stand dort ja auch der Kaufpreis für die ganze Gruppe! Und wenn herauskäme, dass er keine 2000 für die ganze Gruppe gezahlt hatte, wäre sein erhoffter Gewinn endgültig dahin.

    Während Siculus sichtlich zufrieden war, daß sein Kunde seinen Ladenhüter eingehend prüfte und durchaus Interesse an ihr zu haben schien, zog sich ein breites Grinsen über sein Gesicht. Dieses verschwand augenblicklich, als der potentielle Käufer die kleine Kröte in einer ihm fremden Sprache, anscheinend Griechisch, ansprach und sie in der gleichen Sprache, wenn auch schüchtern so doch klar und deutlich, antwortete. Das machte ihn, Siculus, und seine Geschichte in den Augen des Kunden sicher unglaubwürdig. Innerlich strich er seine erhoffte Einnahme auf 1000 Denare zusammen. Am liebsten hätte er diesem kleinen Stückchen griechischen Pferdedungs ... aber hier in aller Öffentlichkeit ... das wäre geschäftsschädigend. Aber der Abend würde schon noch kommen. Und 1000 Denare waren immernoch genau 1000 mehr, als er für diese Zugabe zu den Nubiern bezahlt hatte. 3000 dagegen ...


    Plötzlich zeigte sich doch wieder ein rosiger Schein durch die düsteren Wolken, die Siculus seine Schatulle umschweben sah. Eine ... ja, was wohl ... Römerin? Griechin? Perserin? Egal ... trat heran und forderte mit einer Stimme, die keinen Widerspruch erwarten ließ, daß er ihr einen Preis für genau dieses Stück nenne, das der andere gerade betrachtete. Gleich zwei Kunden für die Sklavin, die bisher keiner haben wollte! Und der Name, den die Frau nannte, verhieß Reichtum. Einer aus der Gens Claudia ... da saß Geld!


    Mit einem breiten Lächeln wand er sich an sie: "Sei gegrüßt! Ich bewundere den guten Geschmack des Herius Claudius Menecrates. Ja, das ist wirklich ein auserlesenes Stück! Aus Griechenland und damit völlig des Griechischen mächtig! Jung, willig und zu allen Diensten gern bereit! Dieser Herr hier" Siculus deudete auf Malchus, "hat ebenfalls bereits Interesse an diesem Kleinod griechischer Kultur gezeigt. Und", Siculus Stimme nahm einen fast beiläufigen Ton an, "wir sprachen gerade über 3000 Denare für dieses hier in Germania sicher nicht noch einmal zu findene Schmuckstück einer jeden Villa." Während Siculus immernoch der Frau zugewandt blieb, beobachtete er aus den Augenwinkeln heraus, wie Malchus auf die neue Situation reagieren würde.

    Der Interessent griff sich wie schon vorher Siculus Thaiis Kinn und zwang sie damit, ihm erneut in die Augen zu schauen. Thaiis fühlte, dass sich jetzt etwas wichtiges in ihrem Leben ändern könnte. Und davor hatte sie Angst. Schreckliche Angst. Dann wurde ihr der Mund geöffnet und hineingeschaut wie bei einem zum Verkauf stehenden Maultier. Thaiis spürte, wie ihre Augen feucht wurden. Sie wollte das nicht, wollte sich nicht diese Blöße geben, konnte sich aber nicht dagegen wehren. Als ihr Gegenüber sie dann abtastete und dabei auch an Stellen griff, die ihm bei einer Freien sicher verwehrt geblieben wären, schoss Thaiis auch noch das Blut in die Wangen. Jetzt würde er merken, dass er das, was er dort sicher zu finden hoffte, nicht in dem erwarteten Maße finden konnte. Thaiis wünschte sich in den tiefsten Hades, nur weg von hier! Und schnell wieder den Blick zu Boden gerichtet, damit es nicht auffiel. Dabei war ihr Gegenüber weder gierig noch lüstern. Er untersuchte Thaiis so, wie ihr Vater einen Patienten untersucht hätte, ohne dabei auf dessen Alter oder Geschlecht zu achten. Vielleicht war er ja auch Arzt?


    Dann geschah etwas, womit Thaiis in keinster Weise gerechnet hatte. Der Mann hob wieder ihren Kopf und sprach sie an. Auf Griechisch! Nie hätte Thaiis erwartet, so fern der Heimat vertraute Laute zu hören. Und so antwortete sie ihm überrascht und ebenso auf Griechisch wie er sie angesprochen hatte.


    "Ich verstehe Dich sehr gut, Herr. Ob ich dumm bin, weiß ich nicht. Meine Lehrer sagten das nicht."

    Siculus Saguntus hatte so eine Frage erwartet. Immer wieder passierte ihm das, aber er war lange genug in der Branche, um darauf schnell eine Antwort zu finden oder auch zu erfinden. Nachdem er eine Einheimische, die anscheinend nicht einmal genügend Geld hatte, sich ein Huhn zu kaufen, als uninteressant abgetan hatte, wand er sich wieder an Malchus Magonidas.


    "Diese kleine Blume kommt aus der Provinz Asia. Aus der Gegend von Ephesos. Ist sie nicht wirklich eine Augenweide. Nunja, die lange Reise sieht man ihr sicher an, aber gib ihr ein paar Tage ohne anstrengenden Fußmarsch und sie wird erblühen wie eine Chrysantheme in der Augustsonne. Ich habe sie von einem Ägypter nach langen, erbitterten Verhandlungen und nur unter großem finanziellen Einsatz erhalten können. Der sagte, er hätte sie direkt von einem Tempel, der sie loswerden wollte, weil sie für den Dienst dort zu alt sei. Du verstehst, was ich meine? Und dort in dem Tempel ist sie wohl ausgebildet und aufgezogen worden. Und das sicher auch sehr gut, denn sie ist wirklich eine Berreicherung für jedes Haus." Siculus legte einen Zeigefinger unter Thaiis Kinn und schob es hoch, damit ihr Gesicht wieder zu sehen war. Thaiis musste Malchus direkt in die Augen sehen. Sie waren ohne jede freundliche Regung. Ihr Gegenüber hätte ein Maultier oder einen Teller sicher nicht anders angeschaut als er es jetzt mit Thaiis tat. "Schau Dir dieses Geschöpf doch einmal an!" fuhr Siculus fort. "Diese Augen! Diese Nase! Der Mund! Ist es nicht wie bei den Statuen, die aus Achaia nach Rom gebracht werden, um dort die Straßen, die Plätze und die prächtigsten Villen zu schmücken? Gib diesem Juwel eine neue Tunika und Dein Haus wird sich mit den prächtigsten Villen Roms messen können!" Deutlich leiser sprach er weiter: "So sehr sie auch eine Freude für das Auge ist, einen Ärger wirst Du vorerst mit ihr haben. Sie ist schrecklich dumm. Das kann ja oft gut sein, gerade bei Sklavinnen, mit denen man etwas anderes vorhat, als mit ihnen zu reden. Aber bei ihr ist es so schlimm, dass sie nicht vernünftig sprechen kann. Nichteinmal ihren Namen habe ich bisher herausbekommen. Na gut, aber, ich sage mal genau wegen dieses Fehlers, würde ich sie Dir ... und das ist genau der Preis, den ich selbst bezahlt habe ... für gerade einmal 3000 überlassen. Ist das ein Angebot? Und was für ein Angebot das ist! Da kannst Du nicht nein sagen! Bitte! Schau sie Dir an! Da!" Siculus stieß Thaiis etwas nach vorn, so dass sie jetzt direkt vor Malchus stand.

    Siculus Saguntus, der Händler, schaute zufrieden über die Schaulustigen, die sich vor seinem Stand versammelt hatten. Schnell war im klar geworden, dass er wohl der einzige mit einem Angebot an Sklaven war und – noch viel besser – dass er anscheinend seit langem auch der Erste damit in Mogontiacum war. Gaffer aller Art und jedes Geldbeutels hatten sich eingefunden. Sogar sichtlich hochgestellte Persönlichkeiten der Stadt. Innerlich rieb sich Siculus bereits die Hände ob des zu erwartenden guten Geschäftes. Bereits als er in Vesontio die drei Weiber an das dortige Lupanar verkaufte, hatte er den Preis, den er dem schmierigen Ägyper für den ganzen Haufen gezahlt hatte, wieder eingenommen. Inklusive den des Gelages, mit dem er den Ägypter übertölpelte. Da konnte er sich leisten, die beiden Männer in Vesontio fast verschenkt abzugeben. Alles was er jetzt einnehmen würde, wäre reiner Gewinn. Und der sollte ihm die lange Reise gebürlich ersetzen.


    Ein rüstiger Mittfünfziger mit hoffentlich gut gefülltem Geldbeutel war der Erste, der ihn ansprach und nach seinem Angebot fragte. "Oh, willkommen hoher Herr! Ihr habt ein wirklich gutes Auge für das Besondere!" antwortete der Händler auf seine Frage. "Schaut sie Euch ruhig an, sie beissen nicht mehr! Hier! "Siculus zog einen der Nubier an der Kette hoch, "Ist das nicht ein Prachtexemplar? Groß wie eine Pyramide und stark wie ein Löwe aus der nubischen Wüste! Der rodet allein an einem Tag eine clima dieses schrecklichen Waldes hier und bringt dann noch das Holz ins Haus! Er macht sich sicher auch sehr dekorativ an der Tür und hält unliebsame Gäste fern. Der hier, " Siculus zog den nächsten hoch, "war Fischer auf dem Nil, wo er nicht nur die größten Fische fing, sondern auch die Krokodile mit bloßer Hand erwürgte. Der zieht einen Pflug mit einer Hand über den Acker! Die beiden dort" die nächsten mussten aufstehen, "waren Bauern und machten den besten Wein ganz Ägyptens. Und der hier," der letzte Nubier wurde hochgerissen, "baute an den Wundern Alexandrias mit! Eure Villa wird die schönste weit und breit werden, wenn er daran baut!" Siculus wand sich den beiden Germanen zu. "Vorsicht bei den beiden hier! Sie sind noch aufsässig, Germanen von der Meeresküste. Zu nichts zu gebrauchen als zu Handlangerdiensten, aber mit Potential. Eine harte und klare Hand kann aus ihnen sicher noch etwas werden lassen."


    Thaiss spürte, wie der Händler in ihre Haare griff und nach oben riss. Sie musste sich zusammenreißen, um nicht vor Schmerzen aufzuschreien. Mit zittrigen Knien stand sie vor dem potentiellen Käufer. Siculus griff Thaiis Kinn und drehte ihren Kopf so, dass der Interessent ihr Gesicht sehen konnte.


    "Das hier, hoher Herr, das ist mein Schätzchen, meine Perle! Jung, unverbraucht, frisch und knackig wie gerade geerntetes Gemüse. Ich hätte sie schon so oft verkaufen können, aber ich dachte mir, nein, Siculus, dachte ich, die musst Du mit nach Mogontiacum nehmen, die darf nicht in irgendeiner unbedeutenden Stadt vor das gemeine Volk geworfen werden! Sie wird eine Zierde Eurer Villa sein! Sie kann alle Arbeiten im Haus erledigen, Kochen, Waschen, den Besen schwingen. Und wenn ihr selbst Euren Besen schwingen wollt, wird sie Euch ein unvergleichliches Vergnügen bereiten!"


    Siculus grinste breit und versuchte aus dem Gesicht seines Gegenübers zu lesen, wie seine Anzüglichkeit angekommen wäre. Er ließ Thaiis los und sie schaute sofort wieder zu Boden. Tausend Gedanken schossen durch ihren Kopf. Wieder hatte sie nur wenig von dem Wortschwall des Händlers verstanden. Und das, was sie verstanden hatte, hatte etwas mit Essen zu tun. Bitte nicht die Wölfe! Bitte Isis, Artemis und alle anderen des Pantheons, nicht die Wölfe!


    "Und all das," fuhr Siculus fort, "all meine auserlesenste Ware, die ich nur unter schwersten Widrigkeiten bekommen und hier her bringen konnte, kann für einen Spottpreis bald die Eure sein. Schaut sie Euch an! Prüft sie! Und ihr werdet sehen, dass ich bei allen nur die Hälfte der Vorzüge genannt habe, weil alle zu nennen sicher bis heute Abend dauern würde."

    Thaiis saß auf dem Boden, den Rücken an die Wand gelehnt, die Arme um die Beine geschlungen und die Stirn auf die Knie gelegt. Die Geräusche des Marktes drangen in ihre Ohren und machten ihr Angst. Zwar waren sie nicht anders als die auf dem Markt daheim in Platáni, aber viel viel lauter. Und dann diese barbarische Sprache, die hier gesprochen wurde. Schrecklich!


    Platáni, wie lange war das her? Gerade drei mal war Selene wiedergeboren worden, seit ihre Familie abgeholt und in alle Winde verstreut wurde. Thaiis konnte sich noch immer nicht vorstellen, was Vater getan haben haben sollte, dass all das Hab und Gut der Familie und am Ende auch die Familie selbst verkauft werden mussten, um die Sühne dafür zu zahlen. Dabei war Vater so ein guter Arzt. War. Thaiis war sich sicher, dass er inzwischen nicht mehr auf dieser Welt weilte.


    Auch Thaiis wünschte sich seither oft, dieses Leben verlassen zu können. Vom Gut ihrer Familie war sie zum Hafen der Insel gebracht worden und dort auf ein Schiff. Ihre Begrüßung an Bord bestand aus einer eisernen Schelle, die sich um ihre Fessel schloß und einer Kette, die sie mit einem guten Dutzend anderer Sklaven verband. Thaiss lernte schnell. Sprechen bedeudete Schläge. Aufschauen bedeudete Schläge. Ihren Herren, einen fetten Ägypter, anzuschauen, bedeudete Schläge. Nach zwei Tagen war Thaiis Tunika so zerissen wie die Haut ihres Rückens und ihrer Arme. Ihre Welt bestand aus Schweigen, den Planken des Bootes, die sie anstarrte, und aus Warten.


    Das Warten war schlimm. Thaiis Gedanken kreisten immer und immer wieder um ihren Vater, ihre Familie, ihre Zukunft. Die sah wohl so aus, dass sie nach Rom gebracht würden. Wohin sonst? Ihre Mitsklaven waren allesamt dunkelhäutig. Nubier. Und die waren oben im Norden wertvoll. Sie als hellhäutigere Griechin fiel als vorletztes Glied in der Kette auf. Zum Glück schien der Händler eine Vorliebe für dunkle Haut zu haben, so dass er sich Nacht für Nacht eine der drei Nubierinnen holte und Thaiis nicht einmal beachtete. Warten. Tag für Tag auf See, Nacht für Nacht in irgendeinem namenlosen Hafen. Warten auf Rom.


    Schlimmer als das Warten war nur noch, dass es kein Wasser gab. Zwar litten sie keinen Durst, aber der Ägypter schien es nicht für nötig zu halten, seine Ware auch zu pflegen. Nach und nach bildete sich eine Schicht aus Schweiß, Staub und Blut auf Thaiis, so dass ihr eigener Geruch ihr Ekel erregte. Ihre Zöpfe waren schon längst zerfallen, ihr Haar verfilzt und nur die Fliegen hatten noch Interesse an ihr. Dann legten sie in Rom an.


    Ostia, der Hafen, war riesig. Hier mussten tausende und abertausende Menschen leben. Wie groß musste dann erst Rom sein! Sie wurden über eine schmale Planke an Land getrieben. In einem Schuppen am Hafen wurden sie angeschlossen und dann hiess es im Halbdunkel wieder warten. Am nächsten Tag wurde die Kette von der Wand gelöst und die Gruppe der Sklaven in das gleißende Tageslicht geführt. Draußen begutachtete ein Mann die Nubier, umschmeichelt und hofiert von dem Ägypter, der offensichtlich seine Ware in den höchsten Tönen anprieß.


    Als die Reihe an Thaiis kam, griff der Ägypter ihre Haare und zog ihren Kopf daran zurück, dass sie aufschauen musste. Schnell wand sie den Blick zur Seite, zum einen, um nicht wieder Schläge einzustecken, zum anderen, weil das grelle Sonnenlicht sie blendete. Der Käufer lachte auf und winkte ab. Es entstand ein kurzer Wortwechsel, den Thaiis so verstand, dass der Ägypter sie anprieß wie sauren Wein und der Andere keinerlei Interesse an ihr zeigte. Thaiis verstand so gut wie nichts von dem, was die beiden sagten. Und das was sie sagten, hatte sie hofffentlich falsch verstanden. Bergwerk. Thaiis wollte nicht in der Steinmühle enden! Und Wölfe. Sollte sie den Wölfen vorgeworfen werden?


    Der Ägypter stiess Thaiis zurück auf ihren Platz und redete weiter auf den anderen ein. Sie verschwanden und kamen am Nachmittag, sichtlich angetrunken, wieder. Die Kette wurde gelöst und die Gruppe und mit ihr auch Thaiis in einen anderen Schuppen gebracht. Thaiis hoffte, dass sie das mit den Wölfen wirklich nur falsch verstanden hatte.


    Am nächsten Morgen verliessen sie Ostia. Nein, nicht Ostia. Thaiis wusste inzwischen, dass dieses nicht Ostia war, sondern eine andere Stadt. Eine ehemals griechische. Massalia. Fast wie ein Stück verlorene Heimat.


    Die Sklaven, ihr neuer Herr und zwei Maultiertreiber mit ihren vollbeladenen Tieren gingen einen Fluß aufwärts in Richtung Norden. Der Fluss sollte die nächsten Wochen ihr Begleiter werden. Er gab die Sicherheit einer Richtung, wenn auch Thaiis das Ziel, welches sie anstrebten, nicht kannte. Und er brachte noch eine Erleichterung – die Sklaven durften, nein, mussten sich waschen! Wasser so viel sie wollten. Thaiis genoss das eisige Flußwasser, welches all die schrecklichen Gerüche von ihr wusch. Sogar ihr Haar konnte sie wieder in einen halbwegs leidlichen Zustand bringen, wenn sie es auch immernoch unanständig offen tragen musste. Aber bei einer Sklavin würde das wohl keiner anstößig finden. Nach vielen Tagen der Wanderung verließen sie den Fluß, durchquerten ein bergiges Stück unheimlichen Waldes und folgten dann einem anderen Fluß, diesmal abwärts und jetzt eher in Richtung Nordosten. Inzwischen war ein nubischer Junge, der drei Schellen vor ihr lief, gestorben und ihr Hintermann hatte seinen Platz in der Reihe eingenommen, so dass Thaiis jetzt den Abschluß der Kette bildete. Hinter ihr lief nur noch einer der Maultiertreiber mit seinem Tier, während der andere gemeinsam mit dem neuen Herren die Spitze bildete. In Vesontio wurden die drei Frauen und zwei Männer verkauft, so dass jetzt nur noch fünf Sklaven und Thaiis in der Kette liefen. Später kamen zwei neue Männer ihr unbekannter Herkunft hinzu. Viel größer als die Römer und mit hellen Haaren. Solche Menschen trafen sie jetzt immer öfter. Selbst die hellhaarigen Frauen waren oft größer als die Römer. Gingen sie in ein Land der Riesen? Bis Hyperborea?


    Irgendwann betraten der Römer, die Maultiertreiber und die Sklaven eine Stadt. Und diese acht Sklaven saßen jetzt hier in genau dieser Stadt, die wohl den unaussprechlichen Namen Mogontiacum trug, auf dem Markt und warteten darauf, verkauft zu werden und einer ungewissen Zukunft entgegenzugehen. Wieder hatten Thaiis Gedanken einen Kreis geschlossen. Sie wusste nicht, wie oft sie all das schon gedacht hatte. Immer wieder und wieder und wieder. Und wieder drangen die Geräusche des Marktes in ihre Ohren und diese barbarische Sprache und machten sie benommen. Was würde sie wohl für ein Schicksal ereilen. Noch vor drei Monaten hätte sie sich davon nichts träumen lassen, damals in Platáni, als erst ihr Vater und dann alle der Familie abgeholt wurden ...