Nachdem Taira Menecrates angekleidet hatte ging sie, vielleicht zum letzten Mal, wer wusste das schon, in die Küche. Morrigan, die hier bleiben und sich um das Haus kümmern würde, und Taira umarmten sich und schauten sich traurig an. "Viel Glück, Taira! Und komm wieder, ja?" "Das wissen nur die Götter. Danke für alles!" Taira standen die Tränen in den Augen. Schnell wand sie sich um und lief ohne sich umzusehen hinaus.
Als sie aus dem Vestibulum heraustrat, standen dort sechs Sklaven. Drei Männer und drei Frauen, wie Taira in gutes, haltbares Leinen gekleidet. Diese sechs sollten gemeinsam mit Taira Menecrates auf dem Feldzug begleiten. Taira graute es davor. Nicht nur, dass sie mit Schrecken an den scheinbar ewigen Fußmarsch von Marsallia nach Mogontiacum dachte, nein, fast noch schlimmer war, dass sie, Taira, den anderen Sklaven vorstehen sollte. Natürlich machte sie diese Aufgabe nicht wenig stolz, aber ob sie ihr auch gewachsen war?
"Wo ist Troß?" fragte sie einen der Legionäre, die den Eingang des Vestibulums flankierten. Der Legionär nahm Haltung an und erwiederte "Auf dem Campus Drusii!" Taira war verwirrt. Der Soldat hatte ihr seine Ehrerbietung gezeigt. Ihr! Innerlich wuchs sie um mindestens einen Spann. Dann sagte sie: "Danke!" und zu den anderen Sklaven: "Na dann, kommt!"
Sie gingen über die Hauptstraße des Castellums zu dem Tor, das Taira seit sie von Menecrates gekauft worden war, nicht mehr durchquert hatte. Sie wies den Wachen das Schreiben vor, welches Menecrates ihr gegeben hatte und die sieben wurden ohne weiteres durchgelassen. Weiter ging es zum Forum und dann nach Süden, auf die Stadtmauer zu. Auch am dortigen Tor sorgte Menecrates Schreiben dafür, dass sie ohne behelligt zu werden passieren konnten
Jensets der äußeren Häuser, kurz vor der Stadt lag das Campus Drusi. Dort wimmelte es von Soldaten. Dort wollten sie ja aber gar nicht hin. Etwas abseits war ihr Ziel nicht zu übersehen. Etwa 250 ochsenbespannte Wagen, so schätze Taira, standen, aufgereiht wie auf einem Mosaikfussboden, bereit loszumarschieren. Taira schätzte, das sicher 1000 Männer – Treiber, Wagenknechte, Handwerker – nötig waren, um diese gewaltige Menge an Menschen, Tieren und Waren vorwärts zu bringen. 1000 Männer. Und das war nur ein kleiner Teil der Legion. Es war gewaltig, welche Maschinerie sich hier formierte um sich in Bewegung zu setzen und Tod und Verderben zu bringen. Welche Verschwendung!
Taira ging mit ihren Begleitern auf die Wagen zu. Auf den ersten Wagen die sie genauer sehen konnten, waren anscheinend Teile von Kriegsmaschinen verstaut. Taira erinnerte sich an die Besuche bei ihrem ältesten Bruder, der als Soldat eine Gruppe genau solcher Maschinen befehligte. Er sagte sie würden auskeilen wie wild gewordene Esel und daher auch Wildesel heissen. Den ersten Wagenlenker sprach Taira an. "Kannst Du sagen, wo Wagen des Legaten stehen?" Der Mann brummte irgendetwas, anscheinend unwillig, und deutete nach weiter hinten. "Dort irgendwo." Taira bedankte sich und die sieben machten sich auf die Suche. Irgendwann hatten sie die Wagen dann gefunden. Zwei Wagen, abgedeckt mit derbem Wachstuch, hatten Menecrates persönlichen Besitz geladen. Taira verließ sich darauf, dass die Legionäre und Morrigan gute Arbeit geleistet hatten und alles, was Menecrates mit sich führen wollte, auch dabei war. Die Wagen wurden von jeweils einem Lenker und zwei Treibern geführt, ausserdem waren zehn Soldaten damit beauftragt, Menecrates Besitz zu beschützen. Da sich Taira auch dazu zählte, hoffte sie, die Soldaten würden auch ihr etwas mehr Sicherheit auf dem Feldzug verschaffen.
Taira schaute ihre Begleiter an, denen es genau so unwohl war ihr. Sie waren gestern von Taira und Morrigan in die Unterkünfte bestellt worden und hatten Erfahren, dass sie Tairas Anordnungen zu folgen hatten als wären dies Menecrates eigene Wünsche. Taira wollte dies auch konsequent durchsetzen. Nur wusste sie nicht, ob es ihr gelingen würde.
In der Ferne, am Sammelpunkt der Legion, konnte man sehen, wie sich die Soldaten zu Abteilungen formierten. Taira erwartete, dass der Troß und damit auch sie am Ende der Legion marschieren würden. Jetzt hiess es also warten. Warten auf eine ungewisse Zukunft.