Verblüfft wölbte Dexter die Brauen. Ein Sklave, der sich erdreistete, mit einem Flavier zu rechten? Ein Sklave, der lieber dem Enkel des Flavius Felix die Türe wies, als sich dazu zu bemühen, einen kleinen Blick aus dem Fenster zu werfen, und sich zu vergewissern, dass draussen keine Verbrecherbande lauerte? Was für eine Farce.
Wie überaus... unpassend. Ist es denn möglich, dass meine Verwandten die Zügel so schleifen lassen?
"Es reicht. So du mich hier noch länger warten lässt wird es bei der Peitsche nicht bleiben. - Sieh einfach aus dem Fenster, Servus." forderte Dexter den Tölpel trocken auf. "Dann lass mich unverzüglich ein, und wecke meinen Bruder Scato."
Beiträge von Quintus Flavius Dexter
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Mannigfaltige Hindernisse hatte Dexter am heutigen Tage bereits überwunden, deutlich mehr Abenteuer erlebt als ihm lieb war, hatte sich zuletzt schon am Ziel gewähnt – und stand nun doch wieder vor verschlossenen Toren.
Da sie nicht länger marschierten, spürte er die Kälte der Nacht. Sowie seine nassen Füße. Es stellte eine bemerkenswerte Herausforderung dar, auch in dieser kuriosen Lage den Gleichmut zu bewahren.
"Höre, Sklave," raisonnierte er mit der Türe, durch die ihm die spöttische Abweisung entgegenschallte. Um es trotz alledem erst einmal mit den Tatsachen zu versuchen.
"...und gebrauche deinen kümmerlichen Verstand. Gesetzt den Fall ich sei ein Lügner, so würde ich, sobald ich eintrete, überführt, und du hättest einen Hochstapler dingfest gemacht. Sage ich aber die Wahrheit, und du weist mich ab - mich, Quintus Flavius Dexter, Sohn des Titus Flavius Milo, Enkel des Senators Secundus Flavius Felix – so werde ich dir am morgigen Tage ob deiner Frechheit das Fleisch vom Rücken peitschen lassen bis die Sonne deine blanken Knochen bescheint." -
...und stiegen nach all diesen Fährnissen in finsterster Nacht müde den Quirinal hinauf, tappten durch das stockdunkle Villenviertel, bis sie schlussendlich das flavische Anwesen erreichten. Drei müde Gestalten zogen da vor der Villa auf, die zierliche Tanit, der bullige Moloch, und der schlaksige Dexter, allesamt mit hängenden Schultern, Schlammklumpen an den Füßen, umweht von dem Geruch nach Pferd und Runkelrüben, sowie einer muffigen Note 'Odeur de Tibre'.
Obgleich Dexter sich schmeichelte ein bedürfnisloser Asket zu sein, für den heutigen Tag war sein Bedarf an Abhärtung mehr als gedeckt, und es verlangte ihn gehörig nach einem Dach über dem Kopf, trockenen Kleidern und einem Bett. Energisch ließ er den Türklopfer gegen die Türe knallen. Pochpoch. hallte es durch die Nacht. Dreimal und wieder.
"Macht auf! Quintus Flavius Dexter steht vor der Türe!" -
Dexters Wohnort bitte nach Rom verlegen. Danke!
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.....gen Rom, wo er sich, eine Tagesreise später, vor verschlossenen Toren wiederfand.
Zu Dexters größtem Erstaunen bahnte ihm dort auch die Tatsache, Enkel des großen, des ruhmreichen, des unvergleichlichen Senators Flavius Felix zu sein, nicht den Weg. Weder an der Porta Caelimontana, noch an der Porta Querquetulana, auch nicht an der Porta Capena oder Naevia zeigten die Stadtsoldaten sich angemessen beeindruckt. Selbstverständlich versuchte er sie zu bestechen, doch da war er nicht der einzige, und die Vorgesetzten passten auf wie die Luchse.
So stand er, als der Abend dämmerte, verblüfft und ratlos vor den verschlossene Toren, inmitten einer Menge von Menschen die dort an den Rändern der Strassen unter primitivsten Bedingungen ihre Nachtlager aufgeschlagen hatten und stumpf darauf hofften dass am nächsten Morgen der Spuk vorbei sein und alles wieder seinen gewohnten Gang gehen würde.So wunderlich diese Abriegelung der Stadt auch war – woher bekamen die Eingeschlossenen ihre Mahlzeiten und ihr Feuerholz, und und müsste die Stadt nicht schon längst in Müllbergen ersticken?? - Dexter ward nur von einem Gedanken beherrscht:
Ich will hier rein.
Er rief sich den Verlauf der Stadtmauer vor Augen. Die Stadt war ja längst über die Mauer hinausgewachsen, viele Viertel lagen ausserhalb (die Villa Flavia auf dem Quirinal unglücklicherweise nicht), und... in der Gegend des Forum Boarium gab es entlang des Tibers gar keine Mauer.
"Heureka."
Den entbehrlichsten seiner Begleiter schickte Dexter mit den Pferden nach Tusculum zurück. Bei ihm blieb die Sklavin Tanit, ein vortrefflich gelungenes Produkt flavischer Sklavenzucht, und der Sklave Moloch, ein gelinde gesagt weniger gut gelungenes Erzeugnis. Zumindest aber war Moloch sehr stark geraten.
Entlang der südlichen Stadtmauer schlugen die drei sich bis zum Tiber durch. Auf dem flachen Ufer, gerade ausserhalb der Sichtweite der Urbaner herrschte ein reges Treiben, Bauersleute aus der Umgebung kamen mit Karren und Körben an, wortkarge Flusschiffer stapften durch den abschüssigen Morast, verluden die Waren in Boote, und schoben diese in den Tiber. Eine wahre Flotte von Schmugglerbooten wartete dort darauf dass die Nacht hereinbrach. Die langen Stangen, welche die Schiffer zum Staken bereithielten zeichneten sich vor dem letzten Abendlicht ab, und von den Rudern tropfte die schlammige Brühe.Gegen ein gesalzenes Entgelt erhielten Dexter, Tanit und Moloch Passage auf einem dieser Kähne. Sie machten es sich zwischen Schweinehälften und Körben mit erdig riechenden Runkelrüben bequem, und Dexter vertrieb sich die Wartezeit, indem er über das Wesen des Nichts nachdachte, zum einen gesehen als die pure Abwesenheit des Seienden, zum anderen, als den sich zwischen den Körpern erstreckenden Raum, dem durchaus eine eigene Existenz innewohnte.
Irgendwann war die Hand vor Augen nicht mehr zu erkennen und der Schmugglerkahn legte ab, es schaukelte, es wurde gestakt und stromaufwärts gerudert, muffiges Flusswasser sickerte durch die Planken, von weit her waren gedämpft Stimmen zu vernehmen, 'Pssst!' machte der Bootsführer, es schaukelte, Dexter sah nur schwarze Nacht, und dann glitt das Boot unter einen Brückenbogen, verhielt dort an der gerölligen Uferkante.Der Pons Aemilius musste das sein. Eine Laterne flackerte auf, die Passagiere sprangen an Land, aus der Dunkelheit traten Helfer herbei und entluden rasch das Boot, Münzen klimperten in die Hand des Fährmannes, da hatten Dexter und seine Begleiter sich schon davongemacht. Sie schlichen eine dunkle Gasse entlang, drückten sich in den Schatten, als ein Trupp mit hallenden Caligae sich näherte, atmeten auf als diese vorüberzogen.
Dies alles dünkte Dexter recht unnötig, und eher wie ein Bubenspiel als wie eine wirkliche Strapaze. Nichtsdestotrotz gelangten sie auf diese Weise unbemerkt in die Stadt, sei es durch Glück, sei es weil Rom sich nun einmal nicht vollständig abriegeln ließ, oder sei es weil die Stadtsoldaten gegenüber dem Schmuggel ein Auge zudrückten. Am Rande des Forum Boarium erlangte das Trio die Orientierung wieder, und ab da gingen sie aufrecht, durchquerten das Stadtzentrum und stiegen müde den Quirinal hinauf.... -
Eine beschwerliche Reise lag hinter dem jungen Flavier, ein gewaltiger Gewittersturm im Ionischen Meer, am Höhepunkt dessen eine gigantische Wasserhose, von den Wolken bis zum Meer reichend, gierig nach dem Schiff gegriffen hatte, welches diesen Urgewalten nur mit knapper Not entkommen war, hatte Dexters philosophische Gelassenheit in nicht geringem Maße erodiert. Auch als der junge Flavier nach der Landung in Tarentum endlich wieder festen Boden unter den Füßen hatte, und in einem geräumigen Reisewagen die Via Appia entlang durch die trockene campanische Landschaft fuhr, inmitten seiner Bücherkisten, da meinte er, über das Rattern der Räder hinweg, noch immer das wimmernde Beten der Seeleute hören zu können, erstickt im tosenden Brausen der Naturgewalten , welche begierig waren das stolze Schiff zu zerschmettern, so mühelos als wäre es eine Nußschale... oder eines der Rindenboote, die er einst als Knabe mit seinen Brüdern in den sardischen Bergbächen hatten schwimmen lassen.
Im Tusculum, dem Wohnsitz seiner Mutter, machte er halt, und verweilte in dieser lieblichen kleinen Stadt einige Tage bei ihr, bei seinem Stiefvater, der dort Duumvir war, und seinen jungen Halbgeschwistern. Ungestüm ward er in die Arme geschlossen von seiner Mutter Aemilia Lepida. Obschon Flavius Dexter sie freilich auf gebührende Weise liebte und achtete, und er in seiner Kindheit hitzig mit den Brüdern, insbesondere Fusus, um ihre Zuneigung gebuhlt hatte, so war seine Frau Mama ihm doch solange er zurückdenken konnte auf eine unbestimmbare Weise fremd gewesen. Ihre warmherzige Freundlichkeit gegenüber Jedermann, dazu ihre Freude an künstlerischen Ergüssen (welche Dexter wertlos und unsinnig, ja, an der Schwelle zur frivolen Nichtigkeit dünkten), zudem die Großzügigkeit mit der sie ihr Vermögen aufwendete um nichtsnutzige arme Künstler zu fördern, und nicht zuletzt eine gewisses laissez-faire in der Führung ihres feudalen Anwesens.... all dies war Dexters strengem, grüblerischen und bisweilen schwerfälligen Wesen fern.
Er müsse wohl mehr nach seinem Vater kommen, sagte er sich (und hörte es auch immer wieder aus dem Munde der Familie seit langen Jahren dienender, vertrauter Sklaven.) Eine Einschätzung, welche seine Mutter wiederum nicht gerne hörte, denn sie hielt wenig von der Familie ihres früheren Gemahls, sprach es zwar nie direkt aus, wurde jedoch uncharakteristisch ingrimmig wenn die Sprache auf die Gens Flavia kam. Obschon sie ihre Söhne in der Politik der Hauptstadt reüssieren sehen wollte, und die Vorteile der Verbindung zu jener einflussreichen Gens nicht leugnete, so hatte sie bereits die zwei älteren nur ungerne ziehen lassen, bei Dexter war es nicht anders.
Der betagte Tarquitius hingegen versah den Stiefsohn freundlich mit allerlei Ratschlägen darüber wie man sich 'zu seiner Zeit' in Rom gut geschlagen hatte, und die kleinen Stiefgeschwister gingen ihm mit ihrem Gerenne und Gezanke auf den Geist, wurden auch nicht müde nach abenteuerlichen Geschichten aus dem fernen Ägypten zu verlangen.
Gerüchte über den Sturz des Kaisers waren nach Tusculum gelangt, die Tore seien verschlossen hieß es, die Republik sei ausgerufen worden. Aemilia und Tarquitius beschworen Dexter, die Zeit der Unruhen in Tusculum abzuwarten, doch gerade diese Zeiten exzeptioneller Umwälzungen wollte er nicht verpassen. Alsbald brach er wieder auf, ließ lediglich das schwere Gepäck vorerst zurück, entzog sich zügig der allzu gefühlvollen Verabschiedung, und ritt, nur von drei Sklaven begleitet, gen Rom...
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Die Natur und die Erziehung sind ähnlich. Denn die Erziehung formt zwar den Menschen um, aber durch diese Umformung schafft sie eine zweite Natur.
Also sprach Demokrit über die Erziehung.Was es dies, war es eine zweite Natur, welche sich in jenen Studienjahren, die der junge Flavier am Museion verbrachte, herausbildete? Dass er sich veränderte, war nicht zu leugnen. Er wurde ein wenig wissender und ein (klein) wenig bescheidener. Er verbrachte seine Zeit mit Co-Akroatoi aus aller Herren Provinzen, mit vornehmen und mit ganz und gar unstandesgemässen, wobei er zu seinem Erstaunen feststellen musste, dass die vornehmen tatsächlich nicht automatisch die klügeren waren. Sogar Frauen waren in der Schar der Studenten (und der Lehrenden!) zu finden. Aussergewöhnliche Frauen. Eine davon brachte den jungen Dexter sogar sehr weit ab von seinem Streben nach dem leidenschaftslosen Gleichmut des wahren Philosophen... zuletzt entkam er, mit einem blauen Auge.
Nach den vorbereitenden Kursen bei Charilaos, gelang es ihm, als Schüler des Ariston von Salamis, des kühnen Denkers, aufgenommen zu werden. Wie Dexter es sich erträumt hatte, wurde er eingeführt in die Schule der Pyrrhonisten, und sog ihre, so alten und doch immer wieder neu entdeckten, revolutionären Lehren durstig in sich auf, fühlte sich erleuchtet, kam letztlich an den Punkt, an dem er an der Unmöglichkeit, die Lehren in der praktischen Lebensführung wahrhaft umzusetzen, verzweifelte, verwarf alles radikal, gesellte sich für kurze Zeit zu den Kynikern, erkrankte furchtbar an der Krätze, verwarf das Kynikerdasein, machte eine Badekur, beschloss Hedonist zu sein, erforschte staunend Alexandrias Lasterhöhlen - und wurde zuletzt doch wieder Asket und Pyrrhoneer. Wenn auch beides gemäßigter als zuvor.
Er studierte die Staatskunde und die Verfassungslehre, trainierte im Gymnasion, machte ein Tirocinium bei dem Prytanen Philidas Krateidos während dessen Zeit als Exegetes, und lernte die fremdartigen Bräuche und Mechanismen der Ekklesia kennen. Mit einer Gruppe von Co-Akroatoi unternahm er eine Reise zu den großen Pyramiden, und hin und wieder erstattete er seiner Familie in nüchternen Briefen Bericht über das erlebte.So hätte es immer weitergehen können. Doch als Enkel des großen Flavius Felix war Dexter selbstverständlich nicht zum Gelehrten vorherbestimmt. Nein, alles Wissen und alle Kenntnisse sollten nur Vorbereitung sein für eine glänzende Laufbahn in der Politik Roms. Und so trennte er sich, nach drei Jahren, in denen das Museion, welches ihn einst so bürokratisch empfangen hatte, ihm Heimat geworden war, von all dem. Seine Lehrmeister entließen ihn, er beschenkte sie gebührend, und in einem letzten bürokratischen Akt meldete er sich bei den phlegmatischen Schreibern ab. Er verteilte Siegel der Gastfreundschaft an seine Freunde, welche ihm versprachen, ihn ganz bestimmt irgendwann in Rom zu besuchen, er erhielt selbst Einladungen (zum Teil in die entlegensten Winkel des Reiches), und er erwarb einige Kisten voll Abschriften rarer Werke aus der Museionsbibliothek.
Unaufhaltsam kam der Tag der Abreise. Quintus Flavius Dexter konnte sich der Wehmut nicht erwehren, als er an Bord des Schiffes ging. Mit höchster Wahrscheinlichkeit würde er niemals wieder einen Fuß nach Ägypten setzen. Die Leinen wurden gelöst, das Schiff stach in See, und der Pharos entschwand achtern im unbestimmten Gleissen des Himmels über dem endlos wogenden Blau... -
IV
Im gemeinsamen Fisch sind keine Gräten.
Kein zeusgesandter Blitz, der nicht die reine Ätherhelle bewahrte.
Es bringt Schaden, seinen Nachbarn gefallen zu wollen.
Die Menschen sind auf dem Wege der Nachahmung in den wichtigsten Dingen Schüler der Tiere geworden: der Spinne im Weben und Stopfen, der Schwalbe im Bauen und der Singvögel, des Schwans und der Nachtigall im Gesang.
Wenn ein Kegel parallel zur Grundfläche durch eine Ebene geschnitten wird, wie soll man sich die entstehenden Schnittflächen vorstellen, gleich oder ungleich? Sind sie ungleich, dann werden sie den Kegel ungleichmäßig machen, da er treppenartige Einschnitte und Vorsprünge erhält; sind sie dagegen gleich, so werden auch die Schnitte gleich sein und der Kegel wird die Erscheinung eines Zylinders darbieten, insofern er aus gleichen, nicht aus ungleichen Kreisen bestehen wird, was doch sehr ungereimt ist.
Das Nichts existiert ebenso sehr wie das Ichts. (sic!)
Die Staatskunst dieser Männer (wie Parmenides, Melissos...) rät Demokrit als die höchste zu erlernen und die Mühen auf sich zu nehmen, aus denen das Große und Herrliche in der Welt erwächst.
Wenn der Leib gegen die Seele einen Prozeß anhängig machte wegen der Schmerzen und Mißhandlungen, die er von ihr zeitlebens erfahren, und Demokrit selbst als Richter über die Anklage zu entscheiden hätte, so würde er die Seele mit Vergnügen verurteilen, weil sie den Leib teils durch Vernachlässigung zugrunde richtete und durch Trunksucht schwächte, teils durch Wollüste vernichtete und verlotterte, etwa wie er einen rücksichtslosen Benutzer verantwortlich machen würde, wenn ein Instrument oder Gerät sich im schlechten Zustande befände.
Das böse, unverständige, unkeusche und unheilige Leben sei nicht ein böses Leben, sondern ein langwieriges Sterben.
Denn alle Lebewesen gesellen sich zu ihrer Art wie Tauben zu Tauben, Kraniche zu Kranichen und so bei den übrigen Tieren. Ebenso ist es aber auch bei den leblosen Dingen, wie man es sehen kann bei dem Durchsieben der Samen und bei den Steinen an der Brandung. Denn dort ordnet sich durch das Wirbeln des Siebes gesondert Linse zu Linse, Gerste zu Gerste und Weizen zu Weizen, hier dagegen werden durch den Wogenschlag die länglichen Steine zu den länglichen gerollt, die runden zu den runden, als ob die Ähnlichkeit der Dinge eine gewisse Vereinigungskraft auf sie ausübe.
Ich behaupte Folgendes über das All . . . Mensch ist, was allen bekannt ist.
Ein Wirbel mannigfaltiger Formen sei von dem All abgesondert worden.
Bemüh' dich nicht alles wissen zu wollen, sonst lernst du nichts.
Seligkeit und Unseligkeit ruht in der Seele.
Seligkeit wohnt nicht in Herden oder Gold: die Seele ist seligen Wesens Wohnsitz.
Von wannen uns das Gute kommt, eben daher wird uns auch das Schlimme zuteil und das Mittel es zu meiden. Tiefes Wasser z.B. ist zu vielem nütze und auch wieder schädlich; denn man läuft Gefahr darin zu ertrinken. Dagegen hat man nun ein Mittel erfunden: Schwimmunterricht.
Den Menschen erwächst Schlimmes aus Gutem, wenn man das Gute nicht zu lenken und wohl zu tragen versteht. Es ist nicht billig, solche Dinge unter die Übel zu rechnen, vielmehr unter das Gute; und man kann auch das Gute, wenn man will, zur Abwehr gegen die Übel verwenden.
Der Wohlgemute fühlt sich stets zu gerechten und gesetzlichen Handlungen hingetrieben und ist darum Tag und Nacht heiter und stark und unbekümmert. Doch wer der Gerechtigkeit spottet und seine Pflichten nicht erfüllt, dem wird das alles zur Unlust, wenn er sich an irgend ein Vergehen erinnert, und er befindet sich in steter Angst und Selbstpeinigung.
Die Götter aber gewähren den Menschen alles Gute, jetzt und ehedem. Nur alles, was schlimm, schädlich und unnütz ist, das schenken die Götter weder jetzt noch ehedem den Menschen, sondern sie selbst tappen hinein infolge ihrer Sinnesverblendung und Torheit.
Der Zufall ist freigebig, aber unzuverlässig, die Natur dagegen ruht auf sich selbst. Und darum trägt sie mit ihren geringeren aber zuverlässigen Mitteln doch den Sieg davon über die größeren Verheißungen der Hoffnung.
Eine treffliche Rede verdunkelt nicht eine schlechte Tat, und eine gute Tat wird nicht durch eine lästernde Rede zu schanden.
Das allerschlimmste, was man die Jugend lehren kann, ist der Leichtsinn. Denn er ist es, der jene Lüste großzieht, aus denen die Lasterhaftigkeit erwächst.
Wenn die Knaben sich irgend zu etwas anderem als zum Arbeiten gehen lassen dürfen, werden sie weder Lesen noch Musik, noch Sport, noch, was vor allen Dingen die Tüchtigkeit bedingt, Respekt lernen. Denn aus jenen drei Schulen pflegt besonders der Respekt zu erwachsen.
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III
Ein liebenswürdiger Greis ist, wer in Scherz und Ernst zu plaudern weiß.
Körperschönheit ist etwas Tierisches, wenn sich nicht Verstand dahinter birgt.
Im Glück einen Freund zu finden ist leicht, im Unglück aber das Allerschwierigste.
Freunde sind nicht alle Verwandten, sondern die, welche gemeinsame Interessen haben.
Es geziemt sich als Menschen über Menschen Unglück nicht zu lachen, sondern zu wehklagen.
Wer das Gute sucht, findet's nur mit Mühe, das Schlimme aber auch wer es nicht sucht.
Tadelsüchtige sind nicht geschaffen zur Freundschaft.
Das Weib soll seine Zunge nicht üben, denn das wäre arg.
Einem Weib zu gehorchen ist für einen Mann wohl die äußerste Schmach.
Stets etwas Schönes sich auszudenken ist der Beruf eines göttlichen Geistes.
Wer Unverständige lobt, schadet ihnen gewaltig.
Andrer Lob ist besser als Eigenlob.
Kannst du die Lobsprüche nicht anerkennen, so nimm an, es sei Schmeichelei.
Denn ich kam nach Athen: da kannte mich keiner.
In Wirklichkeit wissen wir nichts, denn die Wahrheit liegt in der Tiefe.
Lieber einen einzigen Beweis finden, als den Perserthron gewinnen.
Die Menschen haben sich ein Idol des Zufalls gebildet zur Beschönigung ihrer eigenen Ratlosigkeit. Denn nur in seltenen Fällen wirkt der Zufall der Klugheit entgegen: das meiste im Leben weiß ein wohlverständiger Scharfblick ins Grade zu richten.
"Scheinbar ist Farbe, scheinbar Süßigkeit, scheinbar Bitterkeit: wirklich nur Atome und Leeres" Die Sinne gegen den Verstand reden: "Du armer Verstand von uns nimmst du deine Beweisstücke und willst uns damit besiegen? Dein Sieg ist dein Fall!"
Wenn die Menschen sich kratzen, haben sie ein Wohlgefühl, und es wird ihnen wie beim Liebesgenuß.
Die Worte sind redende Bilder.
Das Wort ist der Schatten der Tat.
Der Geist, der sich gewöhnt, aus sich selbst die Freuden zu schöpfen.
Schweine tollen sich auf dem Miste.
Zuerst bildet sich in der Gebärmutter der Nabel, ein Ankerplatz gegen Brandung und Irrfahrt, Haltseil und Ranke für die entstehende und werdende Frucht.
Wenn du dein Inneres öffnest, wirst du darin eine Vorrats- und Schatzkammer von allerlei bösen Leidenschaften finden.
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II
Allen Menschen gilt wohl dasselbe als gut und wahr: angenehm aber ist dem einen dies, dem andern das.
Unbegrenzte Wünsche sind Kindes, nicht Mannes Sache.
Unzeitige Genüsse erzeugen Ekel.
Die auf irgend ein Ziel heftig gerichteten Begierden verblenden die Seele gegen alles Übrige.
Nur die Liebe ist berechtigt, die ohne Frevel der Schönheit nachjagt.
Versage dir jeden Genuß, der nicht zuträglich ist.
Es ist besser für die Unverständigen zu gehorchen als zu herrschen.
Nicht Wort, sondern Unglück ist der Lehrmeister der Toren.
Ruhm und Reichtum ohne Einsicht sind unsichere Besitztümer.
Geld zu erwerben ist nicht unnützlich, auf ungerechte Weise aber ist es das Allerschlimmste.
Den Bösen nachzuahmen, den Guten aber nicht, ja nicht einmal ihnen nachahmen zu wollen, ist schlimm.
Es ist schimpflich, sich um das Fremde überflüssige Mühe zu geben und das Eigne nicht zu kennen.
Immer zaudern läßt die Taten nicht zur Vollendung kommen.
Falsche und heuchlerische Gesellen sind die, welche alles mit dem Mund und in Wirklichkeit nichts tun.
Die Unkenntnis des Besseren ist die Ursache der Verfehlung.
Wer Schamloses tut, muß sich vor allem vor sich selbst schämen.
Wer widerspricht und viel schwatzt, ist unfähig zum Lernen dessen, was not tut.
Habgier ist es, alles reden und nichts hören zu wollen.
Man muß den Schlechten überwachen, sonst nimmt er seine Gelegenheit wahr.
Der Neider bereitet sich selbst Schmerzen wie einem Feind.
Feind ist nicht jeder der Unrecht tut, sondern nur der es mit Willen tut.
Die Feindschaft mit Verwandten ist viel drückender als mit Fremden.
Zeige dich nicht argwöhnisch gegen alle, sondern vorsichtig und fest.
Man soll Wohltaten nur mit dem Vorsatze annehmen, größere wieder zu erstatten.
Sieh dich vor, wenn du Wohltaten erweist, daß der Empfänger dir nicht heimtückisch Gutes mit Bösem vergelte.
Kleine Wohltaten zur richtigen Zeit sind für die Empfänger die wertvollsten.
Ehrenbezeugungen fallen auf fruchtbaren Boden bei den Verständigen, die sich der Ehre bewußt sind.
Wohltätig ist nicht wer auf Erwiderung schaut, sondern wer entschlossen ist, aus freiem Antrieb wohlzutun.
Viele, die Freunde scheinen, sind es nicht: und viele, die es nicht scheinen, sind es.
Eines einzigen verständigen Mannes Freundschaft ist besser als die aller Unverständigen zusammen.
Wer keinen einzigen braven Freund besitzt, ist nicht wert zu leben.
Bei wem die erprobten Freunde nicht lange ausharren der ist unverträglich.
Viele gehen ihren Freunden aus dem Wege, wenn diese aus Wohlhabenheit in Armut geraten sind.
Schön ist überall das Gleichmaß, Übermaß und Mangel rnißfällt mir.
Wer niemanden liebt, kann meines Bedünkens auch von niemandem geliebt werden.
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Weisheiten und Aphorismen in großer Zahl notierte Dexter sich in dieser Zeit, zu seinem eigenen Erkenntniszuwachs, und um, wie Demokrit versprach "viele Taten zu tun, die eines trefflichen Mannes würdig sind, und viele schlechte zu unterlassen" (und nicht zuletzt, um später einmal seine Reden damit zu schmücken und Eindruck auf seine Zuhörer zu machen.)
I
Wer nach geistigen Gütern strebt, strebt nach göttlicherem Gewinn, wer nach leiblichen, nach irdischem.
Pflicht ist's, den Frevler zu hindern, auf alle Fälle aber nicht mitzufreveln.
Man muß entweder gut sein oder die Guten nachahmen.
Nicht Leibeskraft oder Geld macht den Menschen glücklich, sondern Geradsinnigkeit und Vielseitigkeit.
Nicht aus Furcht, sondern aus Pflichtgefühl meide die Sünden.
Es ist etwas Großes um Pflichttreue im Unglück.
Reue über schimpfliche Handlungen ist Lebensrettung.
Wer Unrecht tut ist unglücklicher als wer unrecht leidet.
Hohen Sinn bekundet es, Taktlosigkeit gelassen zu ertragen.
Vor Gesetz, Obrigkeit und dem Klügeren sich zu beugen zeugt von Selbstzucht.
Schlechter Leute Tadel ficht den Guten nicht an.
Einem geringeren Manne zu gehorchen ist schlimm.
Wer allerwegen bestechlich ist, wird nie gerecht sein.
Oft erweist sich ein Wort viel stärker zur Überredung als Gold.
Wer den, der sich einbildet Verstand zu haben, zu Verstand bringen will, vergeudet seine Zeit.
Viele, die nichts Vernünftiges gelernt haben, leben trotzdem vernünftig.
Viele, die die schändlichsten Handlungen begehen, führen höchst vernünftige Reden.
Durch Schaden werden die Toren klug.
Tugendhafter Werke und Taten soll man sich befleißigen, nicht tugendhafter Worte.
Das Edle erkennen und erstreben nur die von Natur dazu Befähigten.
Rassigkeit der Zugtiere besteht in der Wohlbeschaffenheit ihres Körpers, die der Menschen in der guten Richtung ihres Charakters.
Die Hoffnungen der richtig Denkenden sind erfüllbar, die der Unverständigen unerfüllbar.
Keine Kunst, keine Wissenschaft ist erreichbar ohne Lernen.
Es ist besser, die eigenen als die fremden Fehler zu rügen.
Diejenigen, die einen wohlgeordneten Charakter besitzen, haben auch ein wohlgeordnetes Leben.
Gut ist nicht Nichtfreveln, sondern nicht einmal freveln wollen.
Schön ist's, bei schönen Handlungen Beifall zu spenden; denn bei schlechten es zu tun, ist das Werk eines Fälschers und Betrügers.
Viele Vielwisser haben keinen Verstand.
Viel Denken, nicht viel Wissen ist zu pflegen.
Bei seinen Handlungen ist vorzubedenken besser als nachzubedenken.
Trau nicht allen, sondern den Bewährten. Denn jenes ist einfältig, dies verständig.
Nicht bloß aus seinem Tun, sondern auch aus seinem Wollen, erkennt man den bewährten und den unbewährten Mann.
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~ Charilaos von Smyrna ~Auch von den ethischen Schriften des Demokrit war in der darauf folgenden Zeit des Lernens die Rede, von den Prinzipien des:
"Wohl denken, wohl reden, recht handeln."
Und von den Wegen zur Ataraxie:
"Wer wohlgemut leben will, soll nicht vielerlei treiben weder im eigenen noch im Staatswesen und, was immer er treibt, nicht über seine Kraft und Natur streben, sondern so sehr auf seiner Hut sein, daß, selbst wenn das Glück einschlägt und dem Scheine nach ihn in die Höhe führen will, er dessen nicht achtet und nicht über die Kraft anfaßt. Denn mäßige Fülle ist sicherer als Überfülle. Denn Lust und Unlust ist die Grenzbestimmung des Zuträglichen und Abträglichen."
(Ein Ratschlag der Dexter, angesicht dessen dass er aus griechischem Munde stammte, überraschend praktisch dünkte.)
Auch von den mathematischen Erkenntnissen des großen Weisen sprach Charilaos: von den Weltjahren, und dass die Erde nicht rund war, sondern länglich gestreckt, und dass ihre Länge das anderthalbfache der Breite betrug.
Von der Poesie, den Rhythmen und Harmonien hatte Demokrit auch ein Buch geschrieben - wobei Dexter dieses Thema sehr langweilte, und er sich später nur noch an die vielsagende Ausage würde erinnern können:
"Kein Dichter sei ohne einen gewissen Wahnsinn zu denken." -
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~ Charilaos von Smyrna ~Am folgenden Tag sprach der Gelehrte vom An Sich der Dinge:
"Was lehrt uns Demokrit über die Wahrnehmung? Er lehrt uns vor allem: an ihr zu zweifeln. Denn so wie wir bei jedem Atemzug einen Teil unserer Seele erneuern, ebenso strömen beständig feine Ausflüsse der Dinge, welche uns umgeben, auf uns ein. Unsere Sinne sind das Tor, die Öffnungen, durch welche jene Gebilde zu unserer Seele gelangen, und dort durch Eindruck ihnen ähnliche Bilder erzeugen. Dies nennen wir die Sinneswahrnehmungen.
Vielfältig sind die Umgestaltungen, die jene Ausflüsse auf ihrem Weg von den Dingen hin zu unseren Seelen erfahren. Und zudem: je nach dem Zustand unserer Seelen wird der Eindruck den jene Ausflüsse erzeugen ein anderer sein.
Bedenkt, meiner Schüler, was uns dies über die Güte der Wahrnehmungen, den Quell unserer äusseren Erkenntnis, sagt: sie sind weder zuverlässig noch objektiv. Im Grunde sind sie lediglich Wahrscheinlichkeiten."
Dexter spitzte die Ohren. Unverhofft war hier einen der Grundgedanken des Pyrrhonismus vor ihm aufgetaucht!Mit eigenen Worten hatte Charilaos den Akroaktoi den Zugang gebahnt, nun konfrontierte er sie mit den überlieferten Texten:
"Der Mensch soll aus dieser Regel erkennen, daß er fern ist von der Wirklichkeit. Auch diese Darlegung zeigt ja, daß wir von nichts etwas wirklich wissen, sondern Zustrom der Wahrnehmungsbilder ist jeglichem sein Meinen.
Und doch wird es klar werden, daß es seine Schwierigkeit hat zu erkennen, wie jedes Ding wirklich beschaffen ist.
Wir nehmen aber in Wirklichkeit nichts untrügliches wahr, sondern nur was nach der jeweiligen Verfassung unseres Körpers und der ihm zuströmenden oder entgegenwirkenden Einflüsse sich wandelt.
Daß wir nun, wie jedes Ding in Wahrheit beschaffen, oder nicht beschaffen ist, nicht wahrnehmen können, ist oft dargelegt worden.""Es gibt zwei Formen der Erkenntnis, die echte und die unechte. Zur unechten gehören folgende allesamt: Gesicht, Gehör, Geruch, Geschmack, Gefühl. Die andere Form aber ist die echte, die vorrangige, die von jener jedoch völlig geschieden ist. Wenn die unechte nicht mehr ins Kleinere sehen oder hören oder riechen oder schmecken oder tasten kann, sondern die Untersuchung ins Feinere geführt werden muß, dann tritt an ihre Stelle die echte, die ein feineres Denkorgan besitzt."
Im höchsten Maße fasziniert lauschte der junge Flavier. Schon lange hatte er eine Ahnung von all dem mit sich herumgetragen, eine Ahnung wie trügerisch der Schein des Äusseren war, wie vernachlässigbar die Erscheinungen, das Vage und Gaukelnde, doch seinen Verdacht in jenem bestechend klar geschliffenen Gedankengebilde so brilliant ausgeformt wiederzufinden begeisterte ihn."Zu der Seele, die von Natur aus die Erkenntnis möglich macht, verhält sich der übrige Mensch - und damit ist gemeint: sein Leib..." so erklärte Charilaos – "...nur wie ein „Zelt“. Wer die Gaben der Ersteren liebt, liebt das Göttliche, wer die des Leibes liebt, das Menschliche.
Erkenntnis aber gewährt Einsicht in das An-Sich der Dinge, das heist: die Atome und das Leere, und in die gesetzliche Notwendigkeit des Verlaufs der Dinge, die weder einer Leitung durch außenstehende Mächte bedürftig noch einer Störung durch solche zugänglich ist. Während alle Unterschiede für uns nur Einsicht in die sinnlichen Erscheinungen sind, befreit die Erkenntnis von törichter Furcht wie von eitler Hoffnung und bewirkt jene Gelassenheit , welche das höchste Gut und zugleich die wahre Glückseligkeit ist. Die Ataraxie."Die Ataraxie.
hallte es andächtig in Dexters Seelenatomen nach. Dies war es, was er erreichen wollte. Kühl wie ein Gletscher wollte er sein. Wissend. Unbeeindruckt vom täglichen Gewimmel des Lebens, dem Auf- und Ab, und all den sumpfigen Gefühlen, die da so verwirrend umherschwirrten."Anders ausgedrückt: Die Arzneikunst heilt die Gebrechen des Leibes, die Philosophie befreit die Seele von Leidenschaften."
zitierte Charilaos, der leidenschaftliche Philosophiegeschichtler, mit seinem feinem Schmunzeln. -
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~ Charilaos von Smyrna ~Eine grenzenlose Anzahl von Welten postulierte Charilaos, und Dexter fragte sich:
Wenn die Anzahl der Welten unendlich ist, müsste es andere geben, die dieser sehr ähnlich sind, ihr gar bis auf Haar gleichen. Ob andere Dexter auf anderen Welten in diesem Augenblick den gleichen Gedanken wie ich nachhänge?
Er spürte den Schwindel des Grenzenlosen."Conclusio:
Es gibt nur Atome und leeren Raum. Dies ist das erste Prinzip.
Alles Werden beruht auf Druck und Stoß. Dies ist das zweite Prinzip.
Nichts geschieht ohne zwingenden Grund. Dies ist das dritte Prinzip."
schloß der Gelehrte seinen Vortrag für diesen Tag, darauf ging er zur Diskussion mit den Akroatoi über.
"Was ist mit der Seele?" fragte Dexter. Wo in diesen Wirbeln und Zusammenballungen von Teilchen, von Ursachen und Wirkungen, fand sie ihren Platz? Gab es sie in dieser rein im Materiellen wurzelnden... 'materialistischen'... Lehre überhaupt noch?
Charilaos antwortete:
"Ob Feuer, ob Wasser, ob Pflanze oder Mensch, alles ist aus Atomen zusammengesetzt. 'Etwa auch die Seele?', fragte ihr mich. Demokrit antwortet: Ja. Sie besteht aus Seelenatomen, und dies sind die vollkommensten, feinsten, glattesten und kugelförmigsten Teilchen. Sie entsprechen dem Wesen alles Feurigen. Und solange wir leben, werden Teile der Seele durch Ausatmen an die Luft abgegeben, und durch das Einatmen neuer Teilchen ersetzt, so erneuert die Seele sich fortwährend.
Wenn wir sterben, so verströmen die Seelenatome. Sie können sich einer neuen Seele, die sich gerade bildet anschließen.
Ist die Seele unsterblich? Die uralte Frage erfährt hier eine neue Antwort: Sie ist es, und sie ist es nicht."
Der Philosoph lächelte. Verwirrung war das Tor zur Erkenntnis. -
Dexter bitte wieder reaktivieren. Danke!
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~ Charilaos von Smyrna ~"Bei den Atomen handelt es sich um Körper, abgespalten aus dem Unendlichen. Körper, so winzig klein, dass sie für unsere Augen unsichtbar sind!" fuhr Charilaos lebhaft fort.
"Sie sind unteilbar. Damit wendet Demokrit sich klar gegen die Thesen des Zenon von Elea, der, wie wir uns erinnern, die unendliche Teilbarkeit der Dinge postuliert. Achilles und die Schildkröte, etcetera."
Die Akroatoi machten verständige Gesten. Dexters Gedanken schweiften von jenem Paradoxon zum sportlichen Wettstreit. Er war für später mit Freunden im Gymnasion verabredet, und hoffte dass der Gelehrte heute früh Schluß machte.
"Die 'Forderungen an das Sein' des Parmenides von Elea hingegen werden durch die Natur jedes einzelnen Atoms erfüllt. - Diese Forderungen sind?""Das Seiende ist vollendet, unveränderbar und unzerstörbar!" rief sogleich der eifrige Abarim. Dexter warf seinem Mitstudenten einen Blick gut verholener Abneigung zu. Darauf lehnte er sich auf der sonnenwarmen Steinstufe zurück und dachte still bei sich:
Schon etwas kurios, diese Atomtheorie. Bestimmt kräht schon bald kein Hahn mehr danach."Vielfältig sind die Formen und Größen der Atome. 'Takt, Ordnung und Lage' nennt Demokrit die Zustände, in denen sie sich voneinander unterscheiden. Ihre Bewegung entsteht aus dem An- und Abprallen der Atome untereinander, dabei gesellt sich gleiches zu gleichem, und daraus entstehen die Welten!"
Charilaos zitierte: "Sie sammelten sich und bildeten einen einzigen Wirbel, in dem sich, weil sie aneinander stoßen und vielfach kreisen, die gleichen zu den gleichen aussondern. Da sie sich infolge ihrer Menge nicht mehr im Gleichgewicht herumbewegen konnten, wichen die feinen in die äußere Leere, wie durchgesiebt. Die restlichen blieben beisammen und liefen miteinander verflochten zusammen umher und bildeten ein erstes kugelartiges Gebilde:"
Weitausholend wies er auf Gebäude und Gärten, auf seine Schüler und den leuchtendblauen Himmel der dies alles überspannte. "Himmel und Erde. Zuerst entstanden, aus den inneren, schwereren Teilchen. Die äusseren haben sich später zu den Gestirnen verbunden. Unendlich ist das All, und grenzenlos ist die Zahl der Welten. Einige dehnen sich aus. Andere schwinden. Einige beherbergen Leben, andere nicht." -
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~ Charilaos von Smyrna ~"Das All bezeichnet Demokrit von Abdera als unendlich" dozierte der Philosophiegeschichtler vor der Schar seiner Schüler. "Darin existiert sowohl die Fülle als auch die Leere: die Atome und der leere Raum. Daraus entsteht eine unendliche Zahl von Welten, und löst sich auch wieder in diese auf. Wie ist das möglich?"
Sein brennender, von der Glut des Wissens beseelter Blick schweifte über die Akroatai. Sie hatten sich auf einer der Terassen des Hauptgebäudes versammelt, sassen auf den breiten Mamorstufen, welche harmonisch übergingen in die weitläufigen Gärten des Museions. Es war ein schöner Tag, die Sonne wärmte die Versammelten mit ihren milden Strahlen.
"Und vor allem: welchen entscheidenden Schritt hat Demokrit hier getan, zurückblickend auf die großen Vordenker der Naturphilosophie vor ihm?"Dexter sah ausdruckslos vor sich hin, darauf bedacht, dem Blick des Gelehrten nicht zu begegnen, denn ihm lag die Antwort keineswegs auf der Zunge. Was waren ihm die Atomisten? Dexter war hierher gekommen mit dem Drang, die kühnen, vor dem Umsturz keiner geistigen Autorität und keines Paradigmas haltmachenden Gedankengänge der Pyrrhonisten zu studieren.... doch der Meister Ariston hatte es abgelehnt ihn aufzunehmen, in den erlauchten Zirkel seiner Schüler, bevor er sich nicht ausgiebig mit den vorhergehenden Geistesströmungen, und ganz besonders den Schulen des Atomismus und des Sophismus beschäftigt hatte.
Und darum saß er nun hier, obgleich ihm das Streben nach Erkenntnis über die Prinzipien der Natur stets viel weniger nutzbringend dünkte, als die Beschäftigung mit den Kräften, welche in einer Gruppe von Menschen, einem Volk, einer Polis oder einem Reich, oder im Inneren des Individuums herrschten. Den Umfang der Erde zu kennen, beispielsweise, die Welt vermessen zu können, die Bestandteile der Materie zu identifizieren, dies alles war fraglos interessant, doch nützte es rein garnichts bei der Beantwortung der Frage, welche nach Meinung des jungen Römers Dreh- und Angelpunkt und Berechtigung der philosophischen Wissenschaft war.
Die Frage nämlich: Was sollen wir tun? Beziehungsweise: Was soll ich tun?
Doch es war ihm, in der Zeit, die er nun schon hier am Museion verweilte, sehr deutlich geworden, dass in seiner Umgebung eine wesentlich innigere Liebe zur Theorie, und zum Denken um der reinen Erkenntnis willen, vorherrschte, als er es ihm von seiner heimischen Kultur her vertraut war."Demokrit löst sich hier von der Vorstellung eines elementaren Urstoffes... wie dem Wasser bei Thales. Oder der Luft bei Anaximenes." meldete sich Abarim zu Wort, ein fleissiger und so gut wie nie um eine Antwort verlegener Mitakroates Dexters. Es war für den jungen Flavier im Übrigen eine neue, und keineswegs angenehme Erfahrung, hier unter den Akroatoi nicht länger so wie früher mühelos zu den Besten zu gehören... sondern ständig von irgendwelchen Überfliegern – wie jenem Abarim (einem armen und ungehobelten Peregrinen!) – auf einen weniger glanzvollen Platz verwiesen zu werden.
"So ist es." sprach gravitätisch Charilaos. "Auch Anaxagoras Idee des nous verwirft Demokrit. Zur Wiederholung: Was hat es damit auf sich?"
"Der nous ist der Geist am Anfang der Bewegung," sagte Dexter, und war dabei einen Hauch schneller als Abarim.
"Er ist unendlich und unvermischt, er ist laut Anaxagoras Urheber jeglicher Bewegung und ordnet die Welt." fügte jener dann freilich noch hinzu.
Charilaos nickte und strich sich den wirren Denkerbart.
"Bei Demokrit jedoch gibt es keinen nous, lediglich Materie. Die Atome und den leeren Raum. Wie kommt es nun zum Werden der Dinge?" Er hob den Zeigefinger. "Bevor wir dies beantworten, sehen wir uns die Eigenschaften der Atome einmal genauer an..." -
Vor die erhabenen Wohnstätten der Musen, vor die kristallklaren Quellen der Weisheit, hatten die Götter diesen Ort der Auslese, der Wägung und Bewährung (man hätte ihn auch 'das Studentensekretariat' nennen können) gesetzt. Junge Helden in der Blüte ihres Wissensdurstes waren hier zuhauf an den Klippen der Universitätsbürokratie zerschellt, ihre bleichenden Gebeine säumten den Weg des tapferen Flaviers, der nun unerschrocken ein weiteres Mal auf den furchterregenden Hüter der Schwelle (manche nannten ihn auch 'den phlegmatischen Schreiber') traf. Doch Quintus Flavius Dexter zeigte weder Zaudern noch Zagen, weder wich er noch wankte er, denn diesmal kam er nicht unbewaffnet. Errungen hatte der junge Held den Schlüssel, und der Name des Schlüssels war "die Proxenie", und so groß war seine Macht, dass auch der furchterregende Wächter zurückwich, und die Tore der waffenstarrenden Festung weit aufschwangen vor dem dürstenden Flavier, auf dass er eintrete, um sich an den sprudelnden Wassern des Wissens zu laben.
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Zitat
Original von Narrator Aegypti
Hier entwickelte sich offensichtlich kein flüssiges Gespräch, weswegen sich der Gymnasiarchos darauf beschränkte, seine notwendigste Arbeit zu tun. Die Rhomäer konnte er allesamt eigentlich eher weniger leiden, aber man musste eben mit ihnen auskommen. Auch wenn sie sich nicht einmal Mühe gaben, sondern wie immer so... so... knapp waren. Zackig. Militärisch. Barbarisch.
Kapaneos vermerkte also die Namen auf einer Tabula, um sie später ins Archiv übertragen zu können.
“Gut, dann sei dir hiermit die Ehrenbürgerschaft der Stadt Alexandria verliehen, die dich dazu berechtigt, in der Ekklesia zu sprechen, dich wählen zu lassen und am Museion zu studieren. Eine entsprechende Urkunde werde ich anfertigen lassen.“Soweit er zurückdenken konnte, hatte der Name seines Großvaters dem jungen Patrizier stets alle Türen geöffnet. So nahm er es auch jetzt als selbstverständlich hin, dass der Prytan, sobald er "Senator Flavius Felix" vernahm, sogleich sehr viel beflissener als zuvor wirkte, sich weiterer Abschweifungen enthielt, und Dexters Begehr nachkam.
"Sei bedankt für diese Ehre, werter Gymnasiarchos."Dexter erhob sich, verabschiedete sich höflich und verließ das Gymnasion - wohlgemut, sich in dieser fremden Stadt zurechtgefunden, und sogar die Hürde der verwirrenden städtischen Bürokratie bereits überwunden zu haben. Man bedenke, ganz alleine, ohne Unterstützung seiner Sklaven. Es war doch richtig gewesen, sie auf Skios zurückzulassen... auch wenn seine Eltern sicherlich indigniert über diesen Schritt sein würden. Doch ein wahrer Anhänger der Askese ließ sich nicht von einer Dienerschar umsorgen. Ein wahrer Asket band nicht nur seine Calcei patricii selbst, sondern bot auch phlegmatischen Schreibern und geschwätzigen Prytanen höchstpersönlich die Stirn.
Dem Leben selbst die Stirn bieten...
Ein heimliches Frohlocken erhellte Dexters sonst so verschlossene Züge, und nahezu beschwingt überquerte er die Agora, zurück zum Museion, um auch der muffigen Schreibstube dort ein weiteres Mal unverdrossen die Stirn zu bieten. -
Zitat
Original von Narrator Aegypti
“Und ich bin Kapaneos Thebaios. Setz dich doch, Flavios Dekster“ antwortete der Mann freundlich in einem deutlich vom Koine beeinflussten Attisch und kramte in seinen Listen herum.
“Der göttliche Basileos hat vor langer Zeit verfügt, dass alle römischen Bürger in Alexandria Ehrenbürgerrechte erhalten sollen. Ich entnehme deinen Worten, dass du römischer Bürger bist?“ Kapaneos hatte keine Ahnung, wer oder was die Flavier waren. Vor einiger Zeit hatte mal ein kranker Mann in der Nähe von Alexandria gewohnt, der soweit der Gymnasiarchos sich erinnerte, ebenfalls diesen Namen getragen hatte und der vom damaligen Kosmetes Anthimos Bantotakis gesund gepflegt worden war. Aber vielleicht verwechselte er da auch etwas, daher fragte er lieber einmal nach.
“Wenn ja, bräuchte ich für die Liste einmal den Namen deines Vaters und deinen Wohnort innerhalb von Alexandria. Danach erhältst du dann das Recht eines alexandrinischen Bürgers. Das heißt, du darfst dich auf deine rechte als Bürger der Stadt berufen und in der Volksversammlung sprechen. Solltest du das Vertrauen der Menschen hier gewinnen, kannst du auch eines Tages ein Amt bekleiden. Oder eben im Museion studieren.“Ein spaßiger Gesell war Kapaneos Thebaios. Fragte er doch, scheinbar ganz ernsthaft, ob der edle Flavier römischer Bürger sei. Dexter, der gerade Platz nahm, war für einen Augenblick aus der Fassung gebracht, jedoch fing er sich schnell wieder und rang sich - der Höflichkeit halber, er war ja gut erzogen und gar nicht eingebildet - ein kleines Lachen ab.
"Hahaha. Wie amüsant."
Mit aufmerksamer Miene lauschte er dem Griechen. Verbarg seine Enttäuschung, auch aus dem Munde dieses hochstehenden Bürgers der Stadt nur ein bastardisiertes Attisch zu hören, und dachte:
Meine armen Ohren.
Eine Volksversammlung zu besuchen, verlockte ihn allerdings sehr. Es war sicher ganz faszinierend, die Einheimischen bei dieser antiquierten Form der Selbstregierung zu studieren... als begegne man einem "lebenden Fossil". Er nickte wohlwollend, als der Gymnasiarchos die Möglichkeiten weiter ausführte, auch wenn die Vorstellung, ein junger aufstebender Patrizier wie er könne sich dazu herablassen, sich hier in die Niederungen der Provinzpolitik zu begeben, ihn zu einem, diesmal ehrlich empfundenen, Lachen reizen wollte. Um jene unbotmäßige Regung zu verschleiern, fuhr er sich erneut mit dem Leinentüchlein über das erhitzte Gesicht.
Dann sprach er ganz sachlich (Dexter hatte es nicht nicht nötig sich zu brüsten, er wußte ja allzugut über seine Größe bescheid):
"Quintus Flavius Dexter ist mein Name, Sohn des Titus Flavius Milo bin ich, und Enkel des Senators und früheren Proconsul Achaias Secundus Flavius Felix. Ich gedenke auf dem Campus des Museions zu res... zu wohnen."