Beiträge von Aulus Iunius Avianus

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    Narseh


    Er fühlte sich seltsam ruhig. Die Nervosität, die ihn noch am Tunneleingang im Griff gehabt hatte, hatte sich gelegt und seine kleine Unterhaltung mit Yishai nicht nur seinen Bruder bestärkt sondern auch ihn selbst. Narseh war sich sicher, er tat das richtige. Und wenn der Herr ihn dafür bestrafen würde, so würde er selbst das auf sich nehmen, hinabschreiten in die Hölle, wenn dafür diejenigen, die ihn ohne nach seiner Vergangenheit zu fragen in ihren Reihen aufgenommen hatten, ihn Bruder nannten und schon jahrelang treu an seiner Seite standen, sicher waren.
    Und dann hastete Arash zu ihm, und mit einem Mal kehrte seine Anspannung zurück. Er registrierte nur den Ausdruck in den Augen seines treuen Freundes und ahnte bereits, dass etwas nicht stimmte. Sein Verdacht bestätigte sich mit den wenigen Worten, die er ihm zuflüsterte. Sie kommen. Kurz hielt Narseh die Luft an und atmete betont ruhig aus, während sich sein Kiefer sichtlich anspannte, als er sich bemühte, weiterhin gelassen zu bleiben.
    "Die Urbaner?", fragte er. Natürlich die Urbaner, wer sonst. "Das wundert mich nicht einmal." Während er sprach ging er bereits auf die Holztür zu und wollte sie gerade öffnen, da trat Behnam zu ihnen, dem das Gespräch der beiden ebenso wenig entgangen war wie die Tür, die zuvor lautstark geschlossen worden war, und blickte die beiden hohen Tiere ihrer kleinen Bewegung neugierig an. "Stimmt etwas nicht?"
    "Halte dich bereit", antwortete Narseh lediglich, doch das reichte Benahm bei weitem nicht. Als Narseh die Tür einen Spalt breit öffnete, um zu horchen, ließ der Junge es sich nicht nehmen, ebenfalls zu lauschen. Klappern, Schritte … viele Schritte, fern, aber immer näher. Behnam brauchte nicht lange, um sich zusammenzureimen, was vorging.
    "Wir müssen sie stellen! Im Tunnel!", raunte er den beiden anderen zu, "Wie beim Kampf bei den Thermopylen! Das hat mir mein Großvater mal erzählt!"
    "Hast du sie gesehen, Arash? Weißt du, wie viele es sind?", fragte Narseh nur weiter Arash aus und hoffte auf gute Nachrichten.



    Nein, Urlaub wäre nicht unglaublich. Schön, aber nicht unglaublich. Dem Ordo Equester anzugehören und diese Zugehörigkeit an das Kind weitergeben zu können, nicht mehr Tag und Nacht in der Castra verbringen zu müssen, ein eigenes Landgut zu besitzen, bei Einsätzen nicht mehr in der vordersten Reihe den Kopf zu riskieren und oben drauf das Doppelte an Sold zu erhalten … das war unglaublich! Und außerdem mehr als er je zu träumen gewagt hätte, seit er damals Sibel geheiratet und beschlossen hatte, seine Karriere hintan zu stellen. Dass seine Frau den wahren Grund für seine Freude nicht erriet, verwunderte ihn absolut nicht, Avianus wäre ja selbst nie darauf gekommen. So schenkte er ihr nur erneut ein Lächeln, als sie ihm hoffnungsvoll entgegenblickte. Bereits die Vorstellung, man könnte ihm ein wenig Urlaub gewährt haben, verschlug ihr fast die Sprache und dabei ahnte sie gar nicht, welche Neuigkeiten sie tatsächlich erwarteten, so genügsam und bescheiden wie sie stets war und sich selbst über die kleinsten Dinge freute.
    "Nein … besser. Viel besser", entgegnete er und setzte sich neben Sibel wieder auf einen der Sessel, bevor er endlich seine Überraschung verkündete: "Es ist so: Decimus Livianus hat mit dem Augustus persönlich über mich gesprochen. Dabei hat er eine Erhebung in den Ordo Equester für mich bewirkt und lässt mir ein Landgut im Süden Italias zukommen. Und anschließend werde ich bei den Cohortes Urbanae nicht mehr in den Mannschaften dienen sondern im Stab als Tribunus", erklärte er, nahm unterdessen ihre Hand in seine und strich ihr mit dem Daumen sanft über den Handrücken. Noch dazu ging es Sibel und dem Ungeborenen gut, wie die Obstetrix gesagt hatte, sodass seine Sorge um sie wieder ein Stück weit in den Hintergrund gerückt war. Dieser Tag konnte gar nicht mehr besser werden. Ein entschuldigendes Lächeln und ein knappes Nicken ließ er Vitulus zukommen, der sich in dieser Situation wie das fünfte Rad am Wagen fühlen musste, und wandte sich wieder seiner Frau zu.
    "Na? Hab ich zuviel versprochen?", fragte er. Sowie er geendet hatte, ließ er sie auch nicht mehr aus den Augen, denn keine Sekunde ihrer Reaktion wollte er verpassen, wenn sie realisierte, dass das Kind nicht die einzige gewaltige Veränderung wäre, die in den nächsten Tagen auf sie zukam.

    So einfach wirds nicht gewesen sein, sonst hätte sich ja jeder in die angeseheneren ländlichen Tribus eintragen lassen. Ich gehe nicht davon aus, dass man sich seine Tribus einfach aussuchen konnte.


    Edit: Hab Axillas Post nicht gesehen. ;)
    Dann wird man den städtischen Tribus wohl in erster Linie neue Bürger zugeteilt haben, also Liberti und deren Nachkommen, Peregrine, die sich das Bürgerrecht erarbeitet haben, etc. und eben uneheliche Kinder? Der Rest hat die Tribus meist geerbt? Macht Sinn.

    Korrekt. Man behielt die alten Tribus bei, trotz neu eroberter Gebiete, was dann eben zur Folge hatte, dass es zwischen Heimatprovinz/Wohnort und Tribus irgendwann keinen Zusammenhang mehr gab. In einer Tribus eingeschrieben sein musste ja jeder römische Bürger, ganz egal wo er geboren war bzw. lebte.
    Nur findet sich an "Kriterien" anhand derer Bürger einer Tribus zugeteilt wurden praktisch nichts.

    In letzter Zeit gab es auffallend viele Besucher, fiel es vor allem dem Ianitor auf. Der musste sich in letzter Zeit sicher doppelt so oft von seinem Schemel erheben als sonst. Exakt das tat er auch jetzt, als mal wieder dieses Pochen von der anderen Seite der Porta zu ihm durchdrang, welches er sicherlich bereits tausende Male gehört hatte. Sein freundlichstes Ianitor-Gesicht aufsetzend, falls es so etwas denn gab, schob er den schweren Riegel zurück und öffnete die Tür, wie immer erst nur einen Spalt breit, und musterte die Herrschaften, die ihm da gegenüberstanden.
    "Wir geben nichts", waren die ersten Worte, die seinen Mund verließen, als er die Alte und die beiden Kinder vor sich hatte. Erst registrierte er, die eigentlich recht feinen Kleider, wenn sie auch - vermutlich durch eine Reise - etwas zerknittert waren, und sein Blick fiel auf die im Hintergrund wartende Sänfte. "Salve ... was kann ich für euch tun?", ersetzte der Türsklave seine Absage durch eine berechtigte Frage.

    Als vorletzte der in Rom stationierten, urbanischen Cohorten, doch nicht weniger herausgeputzt als ihre Vorgänger und Nachfolger, zog seine durch die Straßen. Die kurze Zeit zwischen Erhebung in den Ordo Equester und Parade hatte Avianus nicht nur genutzt, um seine Leute auf Vordermann zu bringen, die nun in ihren einwandfreien Rüstungen durch die Straßen marschierten, sondern auch, um seine leicht eingerosteten Fähigkeiten als Reiter aufzufrischen, allerdings in erster Linie, um mit den Soldaten die Vorführung der Urbaner einzustudieren. Weshalb ausgerechnet ihm, dem frischgebackenen Eques, diese Aufgabe zugefallen war, war ihm schon ein kleines Rätsel, seit er damals mit dem breitesten Grinsen der Welt im Gesicht das Officium des Praefectus Urbi verlassen hatte, und hätte er sie nicht übernehmen müssen, hätte er heute vollkommen locker auf seinem Pferd gesessen. So war er aber doch ein wenig angespannt, nicht etwa, weil er sich Sorgen machte, seinen Soldaten könnten Fehler unterlaufen, viel eher, da der Praefectus von ihm eine bessere Einlage als jene der Praetorianer erwartete. Und die würden die Messlatte verdammt hoch legen, da war er sich sicher. Avianus sah es als eine Art Prüfung an, ob er den neuen Aufgaben, die als Tribun auf ihn zukamen, gewachsen war, und um jeden Preis wollte er einen guten Eindruck hinterlassen. Würde schon werden, irgendwie eben.
    Den Blick dennoch stolz geradeaus – man wollte sich ja nichts anmerken lassen -, erwischte der iunische Tribun sich dennoch hin und wieder dabei, wie er gerne einen Blick in die Menge werfen würde, um vielleicht zwischen den Menschen ein Bild von Sibel, Axilla oder Vitulus zu erhaschen, so hoffnungslos das Unterfangen auch wäre. Sie würden ihn sehen wie er seinen Soldaten vorausritt auf seinem Hengst mit makellos glatt gestriegeltem Fell, ein vergleichsweise junger Apfelschimmel, der in einigen Jahren vollends weiß werden würde, so hatte man ihm gesagt, wie er in seiner blank polierten Paraderüstung auf dem Marsfeld einzog, hinter und vor ihm das rhythmische Klacken der beschlagenen Caligae, zu beiden Seiten die staunende Menge und mit dem Anflug eines Lächelns auf den Zügen dort mit seiner Cohorte zum Stehen kam. Noch wollte er es genießen.
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    Edit: Gibt ja auch noch die Cohors XIV ... *grummel*[/SIZE]

    ~ Officium des Aulus Iunius Avianus ~


    Nun, da er sogar daheim sein eigenes Officium eingerichtet hatte, fühlte Avianus sich endgültig wie ein besserer Scriba, doch zugegebenermaßen genoss er es. Ein kleines bisschen. Selbst wenn er es sich nicht eingestehen wollte. Allerdings war es nicht einmal die Arbeit selbst, die er so genoss, vielmehr das abends nach Hause kommen zu Frau und Kind, seine Privatpost einzusehen, sich um diverse Geschäfte zu kümmern und das letzte bisschen Zeit, das ihm blieb, mit seiner Familie zu verbringen. Im Grunde war es ja sogar nur das zuletzt genannte. Und ausgerechnet ihm erging es so, dem, der damals noch in der Gegenwart seinen ruhiger werdenden Cousins Witze gerissen hatte. Apropos Cousin ... sein Blick fiel auf den Brief, der ihn in den Castra auf Umwegen erreicht hatte. Er durfte nich vergessen, in seiner Antwort davon zu schreiben, dass er seine Privatpost von jetzt an wieder in der Domus empfing und definitiv nicht als Centurio. Ha! Seneca würde die Kinnlade runterfallen, wenn er laß, was sich alles zugetragen hatte, während sein Schreiben im Schnee stecken geblieben war. Mit einem Grinsen im Gesicht öffnete er die Rolle und begann zu lesen, was es neues gab.

    Ein Sklave der Domus Iunia lieferte ein Schreiben für den Senator Iulius Dives ab:



    A. Iunius Avianus Senatori M. Iulio Diviti s.d.


    Mit großem Bedauern habe ich vor einiger Zeit erfahren, dass die Tochter meines ehemaligen Tribuns, die junge Vestalin Iulia Torquata, verstorben ist. Nicht nur, um dir mein herzlichstes Beileid auszudrücken, schicke ich dir diese Nachricht, sondern auch, um dich um ein persönliches Gespräch zu bitten. Es gibt einige Informationen zu deiner verstorbenen Tochter, die dich mit Sicherheit interessieren dürften, und vielleicht ein wenig Licht in die damaligen Vorkommnisse und Gerüchte, die über sie im Umlauf waren, bringen.


    Sofern du PRIDIE NON FEB DCCCLXVI A.U.C. (4.2.2016/113 n.Chr.) nachmittags etwas Zeit erübrigen kannst, würde ich dich gerne in mein Officium in den Castra Praetoria einladen.
    Sollte dir zu diesem Tag ein Treffen ungelegen kommen oder falls du auf ein Gespräch verzichten willst, bitte ich um Rückmeldung.


    So bleibt mir nur, dir erneut meine ausdrückliche Anteilnahme mitzuteilen, und mit besten Grüßen zu verbleiben.



    Aulus Iunius Avianus
    TRIBVNVS · COHORS XII VRBANA



    Die Iunii klein machen? Avianus erkannte lediglich, wenn ihm jemand gegenüberstand, mit dem er sich nicht grundlos anlegen sollte. Denn natürlich konnten die Decimi ihnen schaden. Wäre es nicht bereits Schaden genug, einen starken Gegner anstatt eines starken Verbündeten zu haben? Ein klein wenig hatte er vielleicht übertrieben, aber zumindest für ihn persönlich konnten die Decimi einen gewaltigen Unterschied bedeuten, was seine Karriere anging, denn dass die Decimer Einfluss hatten, konnte doch selbst Axilla nicht leugnen, vollkommen egal, was sie ansonsten von ihnen halten mochte.
    "Versteh' mich nicht falsch, wenn einer von denen einem Iunius grundlos in die Suppe spuckt, bin ich der erste, der auf deiner Seite steht, um dagegen vorzugehen. Nur seh ich nicht, wie das im Moment der Fall sein soll … Decimus Livianus unterstützt Silanus und mich noch dazu, Seiana heiratet Seneca … die einzige, die Streit mit den Decimi hat, bist du, selbst wenn du es nicht hören oder verstehen willst. Und anstatt ihn zu beenden, willst du ihn in die Länge ziehen …"
    Seufzend fuhr er sich durch die Haare und ließ anschließend beide Hände resigniert auf den Schenkeln landen. Das würde heute nichts mehr werden, soviel stand fest. Ob es daran lag, dass er sie nicht recht verstand, so sehr er es auch versuchte, oder daran, dass sie ihre Meinung gar nicht erst ändern wollte … wer wusste das schon. Er hatte ohnehin keine Nerven mehr für weitere Diskussionen, so leid ihm das für Seneca auch tat, doch selbst der hatte es ja schon längst aufgegeben, irgendetwas an der Situation zu ändern. Nun musste sich auch Avianus eingestehen, dass was er sich vorgenommen hatte, ein hoffnungsloses Unterfangen war.
    "Dann hat sich das hier erledigt, würde ich sagen. Wenn du meine Hilfe brauchst, kannst du immer auf mich zählen Axilla, aber was auch immer du wegen dieser Sache vorhast, wirst du allein durchziehen müssen", zog er einen Schlussstrich unter das Gespräch und schenkte ihr verständnislose Blicke kombiniert mit einem leichten Kopfschütteln, bevor er sich erhob. Eine Entschuldigung. Das würde ausreichen, um seine Cousine umzustimmen, aber kein einziges rationales Argument. Dass es hier in erster Linie darum ging, dass die Decima infam war, kaufte er ihr exakt wegen solcher Aussagen nach wie vor nicht ab. Was bei den Göttern würde da eine Entschuldigung wieder gut machen. Die war lediglich nötig, wenn es mindestens so sehr um persönliche Angelegenheiten und alte Streitereien ging, oder zumindest war es wohl kaum verwunderlich, wenn Avianus so dachte. Als er noch den Stuhl zurechtrückte, sah er erneut etwas zerknirscht auf, brachte sich allerdings dazu, auf andere Gedanken zu kommen.
    "Ich habe Sibels Freilassung veranlasst und Kontakt zum Praefectus Urbi wegen des Conubiums aufgenommen … wenn in den nächsten Tagen die Hochzeit stattfindet, bestehe ich selbstverständlich darauf, dass du uns Gesellschaft leistest", verkündete er wesentlich weniger euphorisch, als er es vorgehabt hatte, noch die jüngsten Neuigkeiten, bevor er sich verziehen würde.

    Uneheliche Kinder gehören zwangsläufig zur Gens der Mutter, waren aber sui iuris. Da das Kind dann rechtlich gesehen nicht das des biologischen Vaters ist, gibt es, um es in die eigene Gens aufzunehmen, lediglich die Adrogation. Irgendwie logisch, denn rechtlich gesehen hatte es keine engere Beziehung zum Vater als das Kind irgendeines Fremden.
    Und Adrogation deshalb, weil bei der Adoption das Kind ja im Prinzip von einer Patria potestas in eine andere wechselte.

    Sein breites Lächeln würde Avianus vermutlich noch für eine ganze Weile nicht loswerden, selbst wenn er es schon seit Tagen mit sich herumschleppte, und heute erst recht nicht, wo ihm seine Centurie sogar noch zujubelte, bevor er sich abwenden würde. Große Reden würde er heute nicht mehr schwingen wollen, das hatte er ja eben in ausreichendem Umfang getan, so dachte er, und würde ohnehin sicherlich erneut dazu kommen, wenn er seiner ehemaligen Truppe beim versprochenen Ausgang Wein spendierte.
    "Gut … dann gehören die Jungs vorerst dir. Pass mir gut auf die Kindsköpfe auf", schloss er und klopfte dem Optio Rubrius Pennus auf die Schulter, der während der kleinen Ansprache neben dem frisch gebackenen Tribunus Stellung bezogen hatte.
    Zum Abschiedsgruß hob er noch die Hand und wandte sich schließlich ab. Alles Wichtige war geklärt, die Habitatio geräumt, seine Ansprache erledigt und er wusste, seine Leute waren in guten Händen. Damit blieben nur noch der Ausgang und ein ausreichend großer Vorrat an Wein übrig, die er für seine ehemalige Centuria zu organisieren hatte, sein kleines Geschenk für die Jahre, in denen seine Jungs ihm den Rücken frei gehalten hatten. Das war ja wohl das mindeste.

    Der Centurio hatte bei den Liegestützen selbstverständlich den Takt angegeben und mitgezählt, sodass jeder, der sich unerlaubt eine Pause gönnte oder vor den verlangten 40 Liegestützen vom Acker machen wollte, mehr als nur angesäuerte Blicke zu spüren bekam. Die Vitis schleppte Avianus ja nicht umsonst mit sich rum.
    Als die ganze Plackerei vorbei war, die Tirones den Befehl zum Wegtreten erhielten und der Iunius glaubte, sich ebenfalls eine Pause gönnen zu können, bemerkte er aber wenig später, dass er sich da gewaltig irrte. Der Exerzierplatz war kein Pausenhof. Klang eigentlich logisch, war es aber offenbar nicht. Leise seufzend stieß Avianus mit dem Fuß die beiden Tirones an, die es sich auf dem Boden gemütlich gemacht hatten.
    "Wegtreten war der Befehl. Abi. Zu den Barracken, Tirones", stellte er noch einmal klar, "Gönnt euch euer Ientaculum und reinigt eure Ausrüstung. Na los."

    Sobald er Sibel registrierte, erhellte sich seine Miene und Avianus stand von seinem Sessel auf, da er in den letzten Wochen und Tagen immer das Gefühl hatte, ihr irgendwie helfen zu müssen, so wie sie sie schon allein das Gehen anstrengte, und seufzte gleichzeitig leise. Sie hätte ihn informieren sollen, dass sie fertig war und für ein Gespräch Zeit hatte. Aber nein, stattdessen mühte sie sich ab herunterzukommen und das, obwohl sie es nicht einmal ohne Zwischenstopp von einer Seite der Domus zur anderen schaffte.
    "Keine Sorge, alles gut", winkte er ab, als sie besorgt fragte, ob etwas vorgefallen war, und schenkte ihr ein breites Lächeln. Auch war er gespannt, ob die Hebamme möglicherweise etwas Neues zu berichten gehabt hatte. Das Kind ließ nun doch schon eine Weile auf sich warten. "Bei dir? Auch alles in Ordnung?", fragte er deshalb erst nicht nur neugierig, sondern auch ein klein wenig besorgt, und wurde sich anschließend wieder seiner Verpflichtungen als Gastgeber bewusst.
    "Oh, natürlich … Iunius Vitulus, ein Vetter. Er wird in Zukunft in der Domus wohnen." – Zumindest sofern er nicht in die Castra Praetoria umzog. "Vitulus … meine Frau Sibel. Sie könnte uns nachher im Triclinium ja Gesellschaft leisten. Dann könntet ihr beiden euch ein wenig kennenlernen." Beim letzten Satz wandte er sich wieder Sibel zu, um zu erfahren, was sie von der Idee wohl hielt, vielmehr aber, weil er sie nicht länger auf die Folter spannen wollte. Dafür, dass er eigentlich in erster Linie hier war, um ihr von den guten Neuigkeiten zu erzählen, hatte er schon lange genug herumgesessen und gewartet. "Na jedenfalls … du kommst nie im Leben drauf, welchen riesengroßen Gefallen mir der Praefectus Urbi getan hat! Ja … vielleicht solltest du dich sogar setzen", schlug er vor und strahlte dabei, wie es sonst wohl nur Honigkuchenpferde taten. "Was hältst du davon, wenn ich in Zukunft ebenfalls regelmäßig hier bin? Oder wenn wir mal wieder einen Ausflug raus aufs Land machen?", tastete er sich an das Thema heran, während er ihr einen Sessel anbot. Wenn es ihr so ergehen würde, wie ihm im Officium des Decimus, sollte sie sich definitiv setzen und ganz davon abgesehen sollte sie sich mit der gewaltigen Kugel, die sie inzwischen vor sich herschleppte, ohnehin nicht die Beine in den Bauch stehen. Ein kurzer Blick ging dabei zu Vitulus, der ja bereits von seinem bevorstehenden Aufstieg zum Ritter wusste, seinem Verwandten aber besser nicht das Vergnügen nahm, es der Gattin persönlich zu verkünden.

    Selbst jetzt, als Avianus den Ritterring bereits trug und seine neue Uniform auf ihn wartete, war es noch surreal. Mit einer großen Karriere hatte er eigentlich für die nächsten paar Jahre abgeschlossen gehabt und sich damit abgefunden, sich stattdessen um seine Familie zu kümmern. Aber aus heiterem Himmel war ihm die Erhebung in den Ordo Equester und ein Tribunat zugeflogen und selbstverständlich hatte er nicht Nein gesagt, als er seine Sprache wiedergefunden hatte. Er war ja nicht blöd. Nur gerechnet hatte er damit nicht. Nein, im Leben nicht. Und jetzt stand er eben da und wurde sich dessen bewusst, dass er sich von den Mannschaften, von seiner Truppe, praktisch seiner zweiten Familie verabschieden musste. Im Grunde war er nur am anderen Ende der Lagerstraße, dennoch wurde er fast ein wenig sentimental, da es doch zweifellos eine gewaltige Veränderung war, die da mit rasendem Tempo auf ihn zukam. Vor einigen Tagen hatte er nicht einmal gewusst, was Sache war, und heute musste er bereits seinen Krempel einpacken, aus seiner Habitatio aus- und in sein neues Officium in der Principia einziehen. Keine große Überraschung also, dass er, Gewohnheitsmensch wie er eben war, noch ein klitzekleines bisschen überfordert war.
    Obwohl was er jetzt gerade vorhatte, ihm noch recht leicht fallen würde. Damit, mit seinen Soldaten zu sprechen hatte er noch nie ein großes Problem gehabt. Also wartete er, bis der Optio Pennus die Centuria zusammengetrommelt hatte und drehte derweil lächelnd den Ring am Finger.
    "Milites! Tirones! Venite!", forderte Avianus die Männer auf geordnet anzutreten, als er das Gefühl hatte, dass alle anwesend waren. "Steht bequem. Wie die meisten von euch schon mitbekommen haben, finden zurzeit ein paar Veränderungen statt. Eine davon wird sein, dass ich diese Centuria verlassen werde, da ich dank unseres Praefectus Urbi die Möglichkeit erhalten habe, von nun an als Tribun der Cohors XII zu dienen. Das werde ich selbstverständlich nicht tun, ohne mich gebührend von euch zu verabschieden." Grinsend blickte er in die Runde. Er hatte schon so seine Pläne wie er das bewerkstelligen würde. "Bevor ich allerdings dazu komme ... es war mir eine Ehre, euch angeführt zu haben, und die Jahre als Teil dieser Centuria, ohne die ich im Leben nicht so weit gekommen wäre, werde ich, wie auch euch, nicht vergessen. Ich danke euch allen." Bekräftigend und nach wie vor mit einem Lächeln auf den Zügen nickte er und klopfte sich mit der Faust auf die Brust. "Aber gut ... ihr hattet schon länger keinen zusätzlichen freien Abend mehr und den habt ihr euch redlich verdient. Ich rate euch also: Habt einen Blick auf die Aushänge." Erneut grinste er breit. Damit war den meisten Milites wohl klar, was gemeint war. Und viel länger wollte er seinen Abschied nicht in die Länge ziehen. Stattdessen wartete er, ob von den Soldaten noch irgendeine Reaktion kam.

    Zitat

    Original von Aulus Iunius Avianus
    Ich melde mich vorsichtshalber bis Sonntagabend/Montag ab. Morgen hab ich ne Prüfung zu schreiben und übers WE bin ich unterwegs.
    Kann sein, dass ich dazwischen was hinkriege, drauf wetten würd ich aber nicht. ;)


    Wie versprochen wieder da. Mal schauen, wie weit ich heute noch komme und vor allem, wie viele Threads ich in den nächsten Tagen beim Posts nachholen vergesse. :hmm: ;)

    Avianus sah dem Tiro noch eine Weile zu und nickte dann knapp. Dabei entging ihm aber nicht, dass dem Germanicus ab und an fast die Selbstkontrolle zu entgleiten schien. Warum? Gute Frage. Der Gegner war schließlich nur ein Pfahl. Dass manche während der Übungen am Pfahl einfach abschalteten, war nichts Neues. Was der Germanicus da machte, war aber das komplette Gegenteil, hätte aber vermutlich dasselbe Ergebnis: Hirnloses Herumgestocher, ohne dass der Kopf benutzt wurde.
    "Ich hab kein Problem mit übermotivierten Rekruten, aber konzentriert bleiben klar?", mahnte er Peticus deshalb und setzte seine Runde fort. Noch ein wenig länger beobachtete er die Soldaten und rief sie schließlich zusammen. "Übungswaffen ablegen, Tirones! In aciem venite! XL Liegestütze und im Anschluss V Runden im Laufschritt um den Platz! Anfangen!" Und als auch der letzte seine fünfte Runde um den Platz hinter sich gebracht hatte, hatten die Rekruten die Erlaubnis wegzutreten und sich eine Pause zu gönnen.

    Klassisch, soweit ich weiß, jo, wurde das "ae" als "ai" gesprochen, obwohl sich die Aussprache angeblich schon zu spätlateinischer Zeit langsam zu einem "ä" oder "e" verschob, wie man, soweit ich mich erinnere, aus antiken Graffitis herauslesen kann, weil sich bei eben dem Laut sogar Ottonormalrömer nicht mehr sicher waren, wie man den denn schreibt. Da ist also nicht nur das Schullatein schuld. ;)


    Und sonst? Vor "s" und "f" war das "n" tatsächlich stumm oder kaum hörbar.
    Gibt ja noch ein paar andere Eigenheiten, etwa das "gn" (z.B. in magnus) wurde eher wie im deutschen Wort "Ding" ausgesprochen, also eher nasal und ohne das man das "g" stark herausgehört hätte.


    Hach ja, da könnt ich stundenlang drüber fachsimpeln ... muss aber auch schon wieder weg. :D