Beiträge von Aulus Iunius Avianus

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    Original von Manius Flavius Gracchus, Iunia Sibel und Caius Flavius Scato


    Avianus war offensichtlich nicht der einzige, der Schwierigkeiten hatte, die Lösung des Rätsels zu finden, aber der Flavius machte es ihnen auch nicht einfach. Schlussendlich kam die Lösung von einem anderen Tisch. Anerkennend nickte er Decimus Serapio zu und wandte sich anschließend wieder an Sibel. Wenn ich möchte? "Weshalb sollte ich das nicht wollen?", entgegnete er und erwiderte ihr Lächeln. Sie war seine Frau. Dafür, sie zu verstecken, war es längst zu spät. Einen kurzen Augenblick lang lenkte ihn der Gruß des jungen Scipio ab, der ihm von der anderen Seite des Raumes aus zunickte. Avianus erwiderte den Gruß. "Decimus Scipio. Er ist es, der uns eingeladen hat", erklärte er seiner Sibel knapp. Zu gerne würde er die beiden einander vorstellen. Hoffentlich bot sich später noch eine Möglichkeit dazu, denn sein Praefectus schien gerade nicht in ein Gespräch verwickelt zu sein und diese Chance wollte der Iunier nutzen.
    "So verlockend es auch klingt, noch ein wenig hier zu bleiben und den Verstand zu schulen, müssen meine Gattin und ich euch dennoch vorerst verlassen", erklärte er mit einem entschuldigenden Lächeln in die Runde blickend und erhob sich von seiner Kline. "Senator Flavius, Flavius Scato, werte Aurelia … vielleicht finden wir später noch einmal die Zeit für ein Gespräch", verabschiedete er sich knapp von der Runde und reichte gleichzeitig Sibel die Hand, um ihr aufzuhelfen. Beschützerisch legte er den Arm um ihre Taille und bahnte sich in gemächlichem Tempo den Weg durch die Festgesellschaft. "Du amüsierst dich doch gut, oder?", fragte er derweil beiläufig und ahnte natürlich, es gab sicherlich amüsanteres als in ihrem Zustand und vollkommen nüchtern zwischen Wein trinkenden Leuten und leicht bekleideten Tänzerinnen zu sitzen. Er hoffte einfach, dass sie der Feier dennoch etwas abgewinnen konnte. Immerhin gab es gutes Essen und interessante Gespräche.
    Am Tisch seines Vorgesetzten blieb er stehen. "Salve", grüßte er erst freundlich Livianus und dessen Frau, als ihm der Zeitpunkt richtig erschien und er glaubte, die Aufmerksamkeit des Praefectus zu haben, "Praefectus Decimus Livianus … wenn du einen Augenblick erübrigen kannst … Ich möchte dir – und bestimmt spreche ich auch für meine Gattin – gerne persönlich danken für deine Hilfe, durch die mir das Conubium verliehen wurde."

    "Die Eheschließung fand ANTE DIEM XI KAL DEC DCCCLXV A.U.C. (21.11.2015/112 n.Chr.) statt", beantwortete Avianus bereitwillig die erste Frage des Schreibers. Die Art der Eheschließung war im Grunde auch klar, Confarreatio und Coemptio fielen ja bereits durch seinen und Sibels Stand oder auch ihre Vergangenheit weg. "Per usum und nein, keine Manus-Ehe …" Damit, dass der Beamte sich über dasselbe Gentilnomen wundern würde, hatte er bereits gerechnet. "Meine Frau ist Libertina, freigelassen durch mich ... ähm ... ANTE DIEM V ID SEP DCCCLXV A.U.C. (9.9.2015/112 n.Chr.), soweit ich mich erinnere", erklärte er deshalb kurz die Situation.

    Avianus blickte sie ein wenig irritiert an, als sie ihm auf seine Frage zunächst nur mit einer weiteren, vorwurfsvollen Frage antwortete, als wäre er in irgendeiner Weise verantwortlich. Was wusste er schon? Er hatte lediglich den Brief. Nicht mehr, nicht weniger. Gleichzeitig verstand er irgendwie, dass ihr Zorn gar nicht ihm galt, sondern ihrer Familie – eine Familie die jahrelang, als Sibels auf sich warten ließ und anscheinend ausgerechnet dann wieder auftauchen wollte, als Sibels Leben sich wieder ordnete.
    "Ich weiß es nicht", gab er knapp zurück, "Vermutlich wusste er nicht, wo du bist … er meinte, er habe nach dir gesucht, aber nie gefunden und sein Sohn wäre dir erst kürzlich auf den Märkten begegnet ..." Er brach seine Erklärungen ab, als ihm auffiel, was er gerade tat: Er verteidigte einen Fremden, dessen konkrete Absichten er nicht kannte. Deshalb schlug er Sibel das seiner Meinung nach in dieser Situation einzig sinnvolle vor: "Am besten fragst du ihn selbst, falls er hier auftaucht."
    Wie Sibel ohne den geringsten Augenblick des Zögerns zu ihm und ihrem neuen Leben hielt, erfüllte ihn sogar ein wenig mit Stolz. Dabei begriff er auch, dass er nichts zu befürchten hatte. Er hatte erwartet, sie würde vielleicht erst den Brief lesen oder diesen Tychon treffen wollen, oder dass sie zumindest darüber nachdenken würde, aber das schien sie alles nicht zu brauchen. Sie war sich vollkommen sicher und das entlockte ihm ein leichtes Lächeln. Wie hätte er ahnen können, wie sie reagierte, wenn er nicht einmal wirklich begreifen, sondern sich allerhöchstens vorstellen konnte, wie sich anfühlte, was sie gerade durchmachte. Abgesehen davon, dass er seinen Vater nicht kannte, war er recht behütet aufgewachsen und es gab kaum etwas – oder sogar gar nichts, das ihm wichtiger war als seine Familie.
    Doch Sibel hatte seine Bedenken vorerst gekonnt fortgewischt. Was konnte schon passieren, solange sie auf derselben Seite standen. Sie wollte nicht gehen, und er würde nicht zulassen, dass irgendwer sie ihm wegnahm. Und wer es doch versuchte, würde sich anschließend die Zähne aus dem Rachen pflücken müssen, dachte er sich amüsiert, wurde kurz darauf aber wieder ernster:
    "Ich hatte nie vor, dich einfach aufzugeben, und gegen deinen Willen wird dich erst recht niemand von hier fortbringen", versicherte er ihr.

    Ein wenig zu dramatisch fiel die knappe Rede des Flaviers aus, zumindest für den Geschmack des Iunius. Da lächelte er trotz der ernsthaften Stimmung im Saal sogar ein wenig vor sich hin. Seit wann ging es bei Gerichtsverhandlungen nicht um Gesetze. Gerechtigkeit war stets subjektiv, davon hatte jeder eine eigene Vorstellung, vollkommen anders als Gesetze. Nein, sie waren nicht hier um irgendwelche subjektiven Vorstellungen von Gerechtigkeit durchzusetzen, sondern die geltenden Gesetze. Allerdings hatte der Iunius das Glück, dass sich zumindest in diesem Fall seine eigenen Ansichten von Gerechtigkeit mit den Gesetzen des Reiches übereinstimmten. Ein Vatermörder verdiente den Tod. Blieb nur abzuwarten, ob diese Anschuldigungen auch der Wahrheit entsprachen. Dementsprechend neugierig war er, welche Beweise der Patrizier für seine Anschuldigungen vorzubringen gedachte.
    Darauf folgte das Anfangsplädoyer des Atius, zumindest etwas nüchterner, aber ebenso knapp. Avianus sollte es recht sein. Die wirklichen Verhandlungen fingen ja erst noch an, und da würde dann sicherlich noch genug geredet. Er verblieb weiterhin bequem auf seinem Platz und sortierte derweil seine Unterlagen. Immerhin wurde nun wieder dem Flavier das Wort erteilt, es würde anschließend sicherlich nicht mehr lange dauern, bis eine Erklärung der Ermittlungen oder auch seine Einschätzung gefragt wäre und dann wollte er nicht eine halbe Ewigkeit lang die richtige Tabula suchen müssen. Noch immer war er recht entspannt und musste zugeben, er hatte sich alles ein wenig ... aufregender vorgestellt. Gut für ihn, würden die Verhandlungen aufregender ausfallen, geriet er vermutlich nur ins Stottern, sobald er an der Reihe war.

    Eine kleine Sache fehlte noch, um die Ehe mit Sibel endlich offiziell zu machen - dieses kleine, aber notwendige Übel, mit dem auch jeglicher Papierkram abgehakt wäre: Der Gang in die Eheregistratur. Dabei war Avianus' Laune gar nicht einmal schlecht, als sie die Regia betraten, ganz im Gegenteil, erstens war sowieso nicht er derjenige, der heute die Schreibarbeit leisten müsste, sondern irgendein kleiner Sciba im Officium der Eheregistratur, und zweitens ging es um Sibel, das Kind und ihre Zukunft, was dazu führte, dass er sogar ein Lächeln im Gesicht hatte.
    "Wenn wir den Papierkram und das ganze Vertragsgedöns endlich hinter uns haben, können wir von mir aus gleich noch ein Fest feiern …", meinte Avianus zu seiner Frau, bevor sie in das Officium traten.
    "Salve", grüßte er dort den Schreiber, "Wir möchten unsere Ehe eintragen lassen. Mein Name ist Aulus Iunius Avianus, der meiner Frau Iunia Sibel."

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    Original von Manius Flavius Gracchus, Iunia Sibel und Caius Flavius Scato


    "Nicht nur hübsch ist sie, meine Frau, nein, klug auch noch", schmeichelte er Sibel fröhlich grinsend. Und noch so viele Dinge mehr, fügte Avianus in Gedanken hinzu. Bescheiden, liebevoll, großzügig ... Wie angenehm es doch war, sie einfach mitbringen zu können, wohin auch immer er ging, und wie gut sie sich noch dazu einlebte. Trotz ihres inzwischen unübersehbaren Bauches hatte sie ihn begleiten wollen und schien das Fest zu genießen, so glaubte er jedenfalls. Dass sie beim Anblick mancher der Anwesenden ganz und gar nicht entspannt war, entging ihm vollkommen und er war ohnehin überzeugt, sie würde es ihn wissen lassen, falls sie sich nicht wohl fühlte.
    "Ein steinernes Haus … ein Berg? Felsen? Schlimmster Feind der Stadt … hmhmhm", dachte er laut über das nächste Rätsel nach und gönnte sich noch einen Schluck Wein. "Hat es irgendetwas mit dem Vesuv oder dergleichen zu tun? Dann ergeben aber das unscheinbar und schwach keinen Sinn." Nachdenklich blickte er in den Becher, fand aber logischerweise auch dort keine Antwort, dann noch immer grübelnd zu Sibel und musste sich irgendwann eingestehen, dass er die Lösung ganz so schnell nicht finden würde. Vermutlich dachte er viel zu kompliziert. "Ich gebe zu, ich weiß es nicht."
    Dieses kleine Geständnis hielt ihn selbstverständlich nicht davon ab, sich weiter den Kopf wegen des Rätsels zu zerbrechen, während er ein weiteres Mal die restlichen Gäste beobachtete. Selbstverständlich waren ein paar bekannte Gesichter anwesend. Germanicus Aculeo, den er in letzter Zeit überall sah, Decimus Serapio, Tolmides, der seine schönsten Weiber mitgebracht hatte … und der Praefectus Urbi. Bei dessen Anblick stellte der Iunius sogleich den Weinbecher ab. Unbedingt wollte er mit ihm noch ein paar Worte wechseln, möglichst ohne dabei zu lallen. Er wandte sich an seine Liebste: "Ich werde nachher noch kurz den Praefectus Decimus Livianus sprechen … falls er die Zeit erübrigen möchte. Was hältst du davon, mich zu begleiten?"
    Oh, vermutlich hielt sie es für eine absolut fabelhafte Idee! Seine sichtlich schwangere, freigelassene Ehefrau sollte einen der mächtigsten Männer des Reiches kennenlernen, etwas Besseres könnte sie sich wahrscheinlich gar nicht vorstellen, dachte er sich mit einer ordentlichen Portion Ironie. Aber natürlich sollte sie mit ihm kommen. Wenn er dem Decimer schon für seine Hilfe bei der Verleihung des Conubiums dankte, sollte seine Frau möglichst dabei sein, wenn sie schon im selben Raum saß.

    Avianus saß da, lauschte und versuchte schlicht und ergreifend so zu tun, als wäre er vollkommen entspannt, wobei er ziemlich sicher war, spätestens wenn er selbst seine Meinung abgeben musste, würden sich jegliche Bemühungen als zwecklos erweisen. Und da schließlich der Iulier seine Ansichten offengelegt hatte und anscheinend kein anderer Anstalten machte, dasselbe zu tun, überwand sich der Iunier zu dem Entschluss, dass nun eben er an der Reihe war.
    "Mein Imperator …", begann er und signalisierte so, dass er sich zu Wort melden wollte. Was für eine Schnapsidee, dachte er sich zwar einen Moment später, aber da musste er jetzt durch.
    "Ich sehe das ähnlich wie mein Vorredner Iulius Dives. Die Consularen Cicero Octavius Anton und Gaius Prudentius Commodus betreffend stimme ich für eine Aufnahme. Bei den Consularen Tiberius Durus und Vinicius Lucianus … sehe ich ebenfalls die Notwendigkeit ihre Namen erst von jeglichen Anschuldigungen oder Verurteilungen des Hochverrats reinzuwaschen ... selbstverständlich nach sorgfältiger Überprüfung dieser. Solltest du dann die Entscheidung treffen, ebendies zu tun, ... würde ich bei ihnen für eine Aufnahme stimmen", erklärte er, "Ebenso sehe ich Lucius Annaeus Florus und Tiberia Livia betreffend nichts, was einer Aufnahme im Wege stünde. Traianus Germanicus Sedulus hingegen ... hier fällt mir eine Entscheidung schwer, da er für keine seiner Leistungen geehrt oder ausgezeichnet wurde und ich über ihn kaum mehr weiß, als in seinem Werdegang festgehalten ist. Ich stimme hier vorerst gegen eine Aufnahme. Die Equites Primus Decimus Magnus und Quintus Decimus Mercator … auch hier stimme ich gegen eine Aufnahme. Im Fall von Tiberius Prudentius Balbus wiederum für eine Aufnahme." Damit hatte er dann alle Kandidaten durch und hoffte einfach, in keine allzu tiefen Fettnäpfchen getreten zu sein. Im Grunde war ja der Senator Germanicus Sedulus nicht der einzige, von dem er nur den Werdegang kannte, dasselbe galt für alle anderen Kandidaten. Zudem war es ihm sowieso unangenehm als kleiner Fisch über die Leistungen angesehener Senatoren und Ritter zu urteilen.


    Sim-Off:

    @Dives: Gerne können die zwei sich nacher noch weiter unterhalten

    "Es tut mir leid, dass ich dir all diese Fragen stelle", sagte er mit einem leichten Kopfschütteln. So recht würde er es wohl nie fassen können und bis Sibel sagte, dass dieser Tychon ihr Onkel war, würde er sich vermutlich immer wieder einreden, dass das alles Unsinn war. Er setzte sich auf, strich ihr über die Wange und machte eine kleine Pause. Nachdenklich biss er sich auf die Lippe. Sibel musste sagen, was sie davon hielt, dazu musste sie wissen, was noch in dem Brief stand, und dann musste ein Plan her, wie sie mit dieser Situation umgehen würden.
    "Was er mir von seinem Bruder und Cibele schrieb … das ist genau dieselbe Geschichte, die du mir immer erzählt hast … von einer Verwandte auf Rhodus, die das Mädchen nach dem Tod der Mutter aufnehmen sollte, und dem Schiff, das sank. Vor sechzehn Jahren", fuhr er betont ruhig fort. Auch das passte zu Sibels Alter. "Sag' mir was ich davon halten soll, Sibel … und was ich diesem Mann sagen soll, falls er irgendwann wirklich vor meiner Tür steht." Sie sollte selbst entscheiden, ob sie ein solches Treffen wollte oder nicht. Es ging um ihre Vergangenheit, um ihre Familie. Avianus würde lediglich darauf bestehen, dabei zu sein, falls sie diesen Tychon kennenlernen wollte.
    "Er will nach Rom kommen, er will dich treffen und wenn er zu dem Schluss kommt, dass du seine Nichte sein musst, wird er dich möglicherweise mitnehmen wollen." Das war das eigentliche Problem. Der Mann konnte nach Rom reisen, wann und sooft er wollte, er konnte Sibel – in seiner Gegenwart – treffen, sofern er keine Zweifel daran aufkommen ließ, dass seine Absichten gut waren, und wenn es sein musste, konnte er in ihr auch seine Nichte sehen, solange seine Frau sich wohl dabei fühlte, aber wenn jemand seine Frau und das Ungeborene aus Rom fortbringen wollte, fand seine Gutmütigkeit verständlicherweise ganz schnell ihr Ende.

    Die Mutter tot, die Reise nach Rhodos, das Schiffsunglück, selbstverständlich kannte er die Geschichte. "Ja, natürlich habe ich das nicht vergessen", stellte Avianus gedankenverloren klar und blickte auf das Stück Brot in seiner Hand. Nein, er hatte vorerst keinen Hunger mehr. Sibels Augen glänzten bereits, und das ausgerechnet heute, was allerdings nicht verwunderlich war. Darin sie zum Weinen zu bringen, war er leider schon immer ein Experte gewesen.
    Was aber in diesem Augenblick für ihn viel wichtiger war, als ihre Eltern, waren ihre restlichen Verwandten. Die Informationslage war recht dürftig, aber eine Aussage seiner Frau ließ ihn die Brauen noch etwas nachdenklicher zusammenschieben. So unglaubhaft und bizarr die Geschichte noch gewirkt haben mochte, als er die Nachricht immer und immer wieder durchgelesen hatte, - dass irgendein Mann aus Myra seine jahrelang verschollene Nichte in Rom ausfindig gemacht haben könnte - es tauchten keine Widersprüche auf. Alles passte zusammen. "Der Bruder deines Vaters also …", murmelte er mehr zu sich selbst, rieb sich kurz die Schläfe und sah wieder zu Sibel auf. Warum musste bei ihnen immer alles so verflucht kompliziert sein? Wenn dieser Tychon recht hatte ... er musterte den Ausdruck in ihrem Gesicht, um irgendwie einschätzen zu können, wie sie reagieren würde und tat es nach wie vor, als er weitersprach:
    "Warum ich frage? Ich sollte dir wohl erzählen ... ich habe einen Brief erhalten. Von einem Tychon, der seine Nichte Cibele sucht", überwand er sich zu erzählen, "Sibel … kann es sein, dass dein Vater Philipos hieß, und dein Onkel Tychon?"

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    Original von Manius Flavius Gracchus


    Durch den Vorschlag des Flaviers wurde seine Aufmerksamkeit wieder weg von den hübschen Mädchen und zurück zur mehr oder weniger heiteren Gesellschaft an seinem Tisch gelenkt. "Wie?", fragte Avianus erst ein wenig verpeilt, ließ dann endlich den Becher sinken und lachte, leicht angeheitert wie er war, leise auf, wegen seiner eigenen kurzzeitigen, geistigen Abwesenheit. "Ein Rätsel? Eine gute Idee", meinte er dann lächelnd. Ein wenig Unterhaltung und Denkarbeit schadete nie.
    … Gewaltiger als Iuppiter Optimus Maximus und destruierender als Pluto selbst. Die Armen haben es reichlich, die Glücklichen begehren es. Und wer es isst, der geht daran zugrunde … Grübelnd saß er da, blickte zu seiner Frau, die sich vielleicht auch zu Wort melden wollte, und glaubte, die Lösung bereits zu kennen. Wenn man die Hinweise nicht einzeln betrachtete, sondern verband und, was am wichtigsten war, ganz simpel dachte, war es im Grunde kinderleicht. Was könnten Arme essen, was ihnen das Leben kosten würde? Was begehrte ein Glücklicher, was ein Armer hatte? Und gab es überhaupt etwas Mächtigeres als die Götter? Ein einfaches Ding, ein Gegenstand, konnte es dadurch schon einmal nicht sein, auch keine Person, etwas Abstraktes also. Und welche abstrakte Sache war essbar, aber tödlich? Keine.
    Kurz räusperte er sich, wissend lächelnd, und bemühte sich, trotz der Wirkung des Alkohols in der Gegenwart der Patrizier elegantere Sätze zu formulieren als noch zuvor:
    "Der wichtigste Hinweis scheint mir der erste zu sein. Denn welche weltliche Sache soll mächtiger sein als die Götter selbst?", warf er seine Gedanken in die Runde ohne die Antwort direkt zu verraten.

    "Guten Morgen", sagte auch er und lächelte unwillkürlich wieder. Sibel wirkte so unfassbar glücklich, dass selbst der Gedanke an den seltsamen Brief das nicht zu verhindern vermochte. Und glücklich war natürlich auch er, er befürchtete nur, dass es mit der sorgenlosen, harmonischen Zweisamkeit gleich wieder vorbei sein könnte. Denn dass Sibel es gefasst nehmen würde, wenn sie von dem Brief erfuhr, daran wollte er nicht so recht glauben, selbst wenn er sich schon hunderte Male gesagt hatte, dass er Sibel nicht mehr wie zerbrechliches Glas sehen und behandeln sollte. Genau das war sie aber jahrelang gewesen und nur langsam wurde es besser. Zudem wurde man alte Gewohnheiten nur schwer wieder los. Und das sie erst jetzt von Tychon und seiner Nachricht erfahren würde, kam noch hinzu.
    "Du musst ja auch für zwei essen", scherzte er, biss von seinem Brot ab und nahm sich noch etwas mehr Moretum. Währenddessen kehrte ein nachdenklicher Ausdruck auf seine Züge zurück. Er wusste nicht recht, wie er das bevorstehende Gespräch beginnen sollte. "Wenn ich dich danach fragen darf … möchtest du mir ein wenig von deiner Familie erzählen? Was ich meine ist … erinnerst du dich an deine Eltern? Oder andere Verwandte?", fragte er vorsichtig nach. Vielleicht sagte sie ja einfach, es gab keinen Onkel, alles entpuppte sich als Missverständnis und damit wäre die Sache erledigt. In erster Linie wollte er aber einfach nicht mit der Tür ins Haus fallen.

    "Selbstverständlich, die große Karriere viel schließlich verdient sein", entgegnete Avianus lächelnd. Da war untätig zu bleiben keine Option für Scipio. Decimus Serapio hatte im Gegensatz zu seinem jungen Verwandten offenbar wenig Interesse an einem Gespräch und kümmerte sich inzwischen um seine neue Sklavin. Aber wer konnte es dem Tribun verübeln, wenn er seine Beute endlich aus der Nähe sehen wollte.
    "Dein Verwandter hat es wohl eilig", stellte Avianus deshalb fest, "Und zugegebenermaßen geht es mir nicht anders, ich will ja nicht die nächsten Angebote auch noch verpassen. Ich hoffe aber, wir sehen uns irgendwann für ein längeres Gespräch wieder." Ein paar Dinge hatte er noch zu erledigen und wollte nicht den halben Tag auf den Märkten verbringen, wenn es sich vermeiden ließ. Mit einem knappen Gruß verabschiedete er sich also, und machte sich wieder auf den Weg.

    Vom Dessert brachte Avianus kaum noch etwas hinunter. Bei den Göttern, wenn das so weiter ging, würde man ihn nach Hause tragen müssen. Er ließ vom Essen ab, nippte stattdessen weiter am Wein und betrachtete die Mädchen, die der Bordellbesitzer, dieser Tolmides, mitgebracht hatte. Gar keine blöde Idee … bessere Werbung gabs vermutlich nicht. Und zu verachten waren sie auch nicht, nein, auf gar keinen Fall, dachte er sich, als er sie weiterhin über den Rand des Bechers hinweg musterte. Dabei blieb es dann aber auch, er hatte ja seine noch um einiges hübschere Ehefrau.
    Zweifellos hatten die Decimer ein berauschendes Fest organisiert, welches er sich glücklicherweise nicht entgehen ließ. Hier und da hatte er schon die Möglichkeit genutzt, ein paar interessante Gespräche zu führen, und mit Sicherheit würden sich noch mehr Gelegenheiten bieten, die Speisen waren köstlich und der Wein ebenso - von dem er eventuell schon ein kleines bisschen zu viel getrunken hatte. Kurz gesagt: Er amüsierte sich prächtig.

    Wie schön sie doch sein konnten, die Saturnalien, Leute feierten, beschenkten sich, feierten noch etwas mehr ... und er war im Dienst. Avianus warf einen mitleidigen Blick auf seine Soldaten, die dasselbe Schicksal traf, wenn auch gleichzeitig mit einem leichten Lächeln, denn das Fest dauerte ja glücklicherweise mehrere Tage, und nicht jeden einzelnen davon würden sie in voller Montur verbringen. Anstatt also mit übellauniger Miene durch die Märkte zu stapfen, konzentrierte er sich viel lieber darauf, sich auf die Tage zu freuen, an denen er genau das nicht würde tun müssen, vor allem aber darauf, seine Arbeit zu machen. Allein ihre Präsenz würde vermutlich schon einige Taschendiebe und Gauner davon abhalten, ihren Tätigkeiten nachzugehen und jene, die sich nicht abschrecken ließen, würden es mit ihnen zu tun bekommen. Das was zumindest der Plan.
    "Haltet eure Augen offen", mahnte er deshalb seine Milites, als er sie durch die Marktstände führte. "Sobald ihr etwas Verdächtiges seht - melden!", stellte er das mehr oder weniger Offensichtliche klar. Einfach war es allerdings bei weitem nicht, mitten im Gewusel und Lärm der Märkte Gauner von unschuldigen Zivilisten zu unterscheiden.


    Sim-Off:

    Wer auch immer sich beklauen lassen möchte (oder eine andere Idee hat), ist gerne gesehen ;)

    Der Preis war in Höhen getrieben worden, die Avianus schon länger nicht mehr gesehen hatte, was vermutlich auch am vergleichsweise guten Angebot lag. Aber 4500 Sesterzen? Lange bevor Tranquillus die Versteigerung für beendet erklärte, hatte er deswegen das Mitbieten aufgegeben. Er war ja bei weitem nicht arm, doch irgendwann stellte sich eben die simple Frage, ob die Sklavin das viele Geld wirklich wert war. Gut, die Decimer gehörten vermutlich nicht zu der Sorte Leute, die sich übermäßig viele Gedanken über Geld zu machen brauchten.
    Da er eine Sklavin nicht dringend nötig hatte, musste er sich zum Glück auch nicht darüber ärgern, dass sein ehemaliger Praefectus das Mädchen einsackte, sondern nahm es gelassen.
    "Salve", grüßte er knapp die kleine Gruppe, in der auch die beiden ihm bekannten Decimi standen, wartete einen Augenblick um keinem der Männer (und Jungen) ins Wort zu fallen. "Decimus Serapio", meinte er dann. Wann hatte er den Mann zum letzten Mal gesehen? Damals hinter der Theaterbühne? "Hoffentlich stellt sich heraus, dass sich der Preis gelohnt hat", scherzte er mit einem Lächeln, "Und Scipio, hat sich karrieremäßig bereits etwas getan?"

    Von seinem ... ihrem Cubiculum kommend, zog es Avianus ins Triclinium und ließ sich dort nieder. Einem Sklaven gab er den Auftrag ein kleines Ientaculum zu bringen. Je länger er wach war, desto mehr hielt die Realität Einzug, nicht die Realität, dass er eine Ehefrau hatte - so weit war er schon -, sondern die, dass damit noch einiges mehr zusammenhing. Noch immer hatte er ihr nichts von diesem merkwürdigen Brief erzählt. Er war versucht es weiter hinauszuzögern, denn mit jedem Tag, an dem er über das Thema schwieg, wuchs der Wunsch, es doch einfach vollends zu meiden, und gleichzeitig sein schlechtes Gewissen. Vielleicht war ja auch alles ein Irrtum, ein simples Missverständnis. Wie groß war schon die Chance, dass dieser Mann, der den Brief geschickt hatte, tatsächlich mit Sibel verwandt war? Das war allerdings längst keine Entschuldigung, ihr das Schreiben gänzlich zu verschweigen. Und das schlimmste war ja, dass er gleichzeitig noch immer glücklich war, nein, nicht nur er, Sibel war es auch, und das wollte er auf keinen Fall zerstören. Eigentlich.
    Glücklicherweise brachte der Sklave bereits frisches Brot, dazu Wasser und anschließend Moretum und etwas frisches Obst, womit sich seine Gedankengänge vorerst hinunterschlucken ließen, damit er ein wenig länger in den Erinnerungen an den vergangenen Abend schwelgen konnte.

    Anscheinend hatte sich heute halb Rom vor Tranqillus' Stand versammelt. Da waren etwa der junge Decimus, der derzeit mit satten 1000 Sesterzen aufwartete, der Germanicus, der wie er am Consilium teilgenommen hatte, dazu kam jetzt noch Decimus Serapio, und so langsam fragte er sich, ob er bei der Konkurrenz überhaupt mithalten wollte. Denn wenn er den Zuschlag bekam, würde es definitiv nicht billig werden.
    Keine weiteren Fragen stellend, weil der Decimus sie aufforderte, ihr Wissen und Können zur Schau zu stellen, meinte Avianus nur, bevor er ein wenig vom Podium zurücktrat: "Gut, zeig uns was du kannst."
    Wenn er sich entschloss, Scipio zu überbieten, würde das griechische Mädchen auf jedenfall ein Saturnaliengeschenk werden. Er war bei weitem nicht arm, aber nur so aus einer Laune heraus würde er kein kleines Vermögen ausgeben.