Beiträge von Aulus Iunius Avianus

    Er hatte was gut bei ihr. Eindeutig, dachte er sich mit einem Lächeln. Und, was noch viel wichtiger war, ihr stand die Freude ins Gesicht geschrieben. Ein Nachmittag für eine glückliche Sibel. Er hatte ihn der Vergangenheit schon mehr für ihr Glück bezahlt. Am Stand des Händlers, dem sie ja bereits bekannt war, ließ er ihr selbstverständlich den Vortritt und hielt sich im Hintergrund.
    Dominus. Es konnte so sehr der Wahrheit entsprechen, wie es wollte, trotzdem fühlte es sich immer noch seltsam an, wenn Sibel ihn als jemanden bezeichnete, der sie besaß. Was rein theoretisch auch so war. Und vor dem Gesetz. Nur spürte er davon für gewöhnlich nicht viel, wenn sie beisammen waren.
    "Ja …", stimmte er mit ein paar Augenblicken Verspätung gezwungenermaßen zu. Was sollte er auch groß erwidern. Na wenigstens packte der Händler bereits die Gewürze ein. Hieß also, die für ihn etwas merkwürdige Situation hätte sich bald erledigt. Dem kleinen Gespräch der beiden schenkte er derweil nur mäßige Aufmerksamkeit.
    Avianus nickte knapp, bezahlte den Einkauf und verabschiedete sich von dem Händler mit einem kurzen, freundlichen "Vale", bevor er mit Sibel den Stand verließ. Was sie gekauft hatten, mussten sie noch den ganzen Weg bis zur Castra schleppen … wenn seiner Liebsten nur nicht noch eine Idee kam, was sie gebrauchen könnte. Die sah allerdings auch schon danach aus, als könnte sie den Heimweg vertragen. In Gedanken versunken stapfte er neben Sibel die Gasse entlang Richtung Castra Praetoria.
    "Ich mag's nicht, wenn du mich Dominus nennst", stellte er dabei lediglich nachdenklich fest. Jedenfalls nicht, wenn sie es ernst meinte. Späße waren natürlich was anderes.

    Avianus runzelte die Stirn beim Anblick des erwachsenen Mannes, der sich zu seinen Füßen im Straßendreck verkrümeln wollte. Er machte einen Schritt vor um den Abstand wieder wettzumachen, den der Kerl zu ihm gewonnen hatte, als er zurückgewichen war. Seine Hand hatte sich vom Griff des Gladius' gelöst. Und ausgerechnet jetzt, wo er den Mann noch einmal ansprechen wollte, nahm er neben sich den Octavius im Augenwinkel war.
    "Nicht jetzt, Tiro", sagte er automatisch, und wollte den Rekruten erst links liegen lassen. Gerade da fielen ihm aber die Gegenstände ins Auge, die er in der Hand hielt, hob noch einmal die Laterne, um sie besser sehen zu können. Ein Geldbeutel, eine Tabula. Kein armer Schlucker, der einfach so in einer Gasse abgestochen wurde, und ebenso war keiner hinter dem Geld her gewesen. Es sei denn, der Täter keine Zeit gehabt, es sich zu nehmen. Oder der Täter war vielleicht noch hier …
    Nur sah der Kerl, der in Fötusstellung vor sich hin wimmerte, nicht danach aus, als hätte er jemanden umgebracht – ganz abgesehen davon, dass er unbewaffnet schien – und wenn doch, war er ein brillanter Schauspieler. Das galt es natürlich herauszufinden. Avianus ging ein wenig in die Knie. Wäh, war ja alles nass auf dem Plaster. Ganz ohne Regenwetter. Von wegen Geschirr. Der Iunier seufzte leise. Ob Sibel ihm den Gefallen tun würde, am Morgen seine Caligae abzuwaschen? Oder eher: Würde er ihr das antun wollen?
    Bei dem miesen Licht sah man eben nicht, wo man hintrat. Blöd gelaufen. Wenn er nicht langsam in die Gänge kam, wäre er sowieso gar nicht vor Mittag heimkommen. Also, an die Arbeit …
    "Wenn du uns keinen Grund gibst, lässt sich das einrichten", kommentierte er endlich trocken das Gewimmer des Mannes und wollte sich noch einmal vorstellen, ein wenig freundlicher, da seine Worte zuvor scheinbar nicht bis zu seinem Gegenüber durchgedrungen waren: "Ich bin ein Centurio der Cohortes Urbanae. Wir wollen das hier klären … niemanden umbringen."
    Und gleich anschließend sah er noch einmal zu seinem Tiro, der noch immer mit seiner Ausbeute herumstand und dabei einen etwas verlorenen Eindruck machte. "Ist das alles? Seht euch mal seine Verletzungen an. Ich will wissen wo sie sind, welche Waffe es gewesen sein könnte ... was auch immer ihr herausfinden könnt", ordnete er an, und hielt den Rekruten die Laterne hin, damit er beim Absuchen des Toten mehr sah als nur Dunkelheit. Das potenzielle Beweismaterial würde er nachher noch genauer unter die Lupe nehmen.


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    Manius Triarius Seianus
    MILES · COHORTES URBANAE


    "Ja klar, die zwei dürfen sich wieder verziehen ... war ja klar ...", knurrte der Triarius, als er mit seinem Kameraden ans Ende der Gasse marschierte, während die anderen beiden Milites das andere Ende sichern würden.
    "Die zwei müssen wieder herkommen, das hast du schon mitgekriegt?", fragte der Rabuleius.
    "... und der kleine Pimpf und der Neue dürfen Lorbeeren bei der Ermittlungsarbeit einheimsen."
    Seianus' Kamerad seufzte mindestens so laut wie ihr Centurio, der in der Pisse kniete, und stellte sich am Ende der Gasse auf.
    "Wer's 'n das?", fragte er plötzlich. Im Dunkeln schlenderte irgendein Penner auf sie zu und bemerkte scheinbar gar nicht, dass da Urbaner standen. Natürlich hob er die Hand, um zu signalisieren, dass es hier kein Durchkommen geben würde. Der Triarius, für dessen Geschmack der Fremde schon gefährlich nah war, hob dem Typen unterdessen auch gleich die Spitze der Hasta unter die Nase.
    "Wir? Wenn hier wer was verbrochen hat, ist es Gesindel wie du. Wir ziehen ganz sicher nicht ab, aber dir würde ich raten genau das zu tun", knurrte Seianus und wich selbstverständlich keinen Schritt zurück. Der Kerl wollte sich doch sicher nicht mit einem ganzen Contubernium inklusive Centurio anlegen. Wurde ja immer dreister heutzutage, das Pack auf der Straße.

    Ein für ein paar Kröten als Bote missbrauchter Rekrut trug für seinen Centurio eine kurze Nachricht von den Baracken in die Principia und gab sie, wie es ihm zuvor aufgetragen worden war, im Officium des Praefectus Urbi Decimus ab:



    A. Iunius Avianus M. Decimo Liviano Praefecto Urbi s.d.


    Ich wende mich wegen eines wichtigen, persönlichen Anliegens an dich und hoffe auf deine Unterstützung.
    Nach den Jahren, die ich schon im Exercitus diene, hege ich nun den Wunsch zu heiraten. Dazu fehlt mir allerdings das Conubium, welches mir erst verliehen werden müsste. Deswegen, um die Erlaubnis zu erhalten, eine gültige Ehe führen zu können, erbitte ich deine Zustimmung. Solltest du mir diese zukommen lassen, stünde meinem Vorhaben sicherlich nichts mehr im Wege.
    Falls du ein persönliches Gespräch wünschst, spreche ich natürlich zu einem dir gelegen kommenden Zeitpunkt gerne in deinem Officium vor.
    Ich hoffe auf eine baldige Antwort und verbleibe mit besten Grüßen.



    Aulus Iunius Avianus
    CENTURIO COHORTIUM URBANARUM
    COHORS XII · CENTURIA III



    Nach Jahren in denen sie gehofft und gebangt hatten, nachdem sie sich verloren hatten und wieder vereint worden waren, nach den letzten Monaten der Zweisamkeit, war es endlich soweit. Und dennoch schrieb Avianus die Urkunde, die Sibel zu einer freien Frau erklären würde nicht ohne ein wenig Wehmut zu empfinden. Ein Kapitel ging damit zu Ende und damit auch die Zeit, während derer sie gemeinsam seine Habitatio bewohnt hatten. Er war sich dessen bewusst, dass kein Weg daran vorbei führte. Durch ihre Schwangerschaft war sie ohnehin gezwungen früher oder später zu gehen, und wenn er sie wirklich heiraten und das Kind sein eigenes nennen wollte, zählte jeder Tag. Es galt also nicht noch mehr Zeit zu verlieren, sondern ein knappes, formloses Schreiben aufzusetzen:



    MANUMISSIO
    der Sklavin Sibel aus dem Besitz des A. Iunius Avianus


    Hiermit soll meine Sklavin Sibel ANTE DIEM V ID SEP DCCCLXV A.U.C. die Freiheit erhalten. Ich erkläre sie damit, gemäß der geltenden Gesetze, zur Libertina und zur unter meinem Schutz stehenden Klientin.
    Als Zeichen für ihre verdiente Freiheit trägt sie von heute an den Namen Iunia Sibel.



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    Aulus Iunius Avianus
    CENTURIO COHORTIUM URBANARUM
    COHORS XII · CENTURIA III


    Avianus war erleichtert, dass Axilla Sibel zu vermitteln versuchte, dass ihre Heirat ein Vorteil wäre und sein Vorhaben damit unterstützte, wenn sie schon etwas zu seinem für alle – abgesehen von ihm selbstverständlich – überraschenden Antrag sagte. So wirklich bei ihr war er allerdings nicht, er nahm Axillas Worte irgendwie am Rande wahr, registrierte sie, warf seiner Cousine einen flüchtigen Blick zu, nur um gleich darauf wieder abwartend zu Sibel zu sehen. Viel mehr wusste er nämlich nicht zu sagen. Er wollte seine Liebste nicht drängen. Sie sollte nicht ja sagen, weil er zuvor eine halbe Stunde auf sie einredete und mit allen möglichen Argumenten um sich warf. Außerdem musste Sibel doch selbst wissen, dass es das Beste für sie war, wenn sie zustimmte. Und sie liebte ihn doch, wie sie schon tausende Male beteuert hatte. Also saß er nur da und schluckte schwer als sie zu einer Antwort ansetzte. Ihre Antwort lähmte ihn. Er wusste nicht, was er sich erwartet hatte, aber was er sich erhofft und gewünscht hatte, war vollkommen klar, und ein nein war es nicht. Zum Glück brachte er kein Wort heraus, denn nur einen Augenblick später präzisierte sie ihre Antwort … und irritierte ihn damit erst recht.
    Erst als sie seine Hände ergriff, wurde ihm langsam bewusst worauf sie hinaus wollte. Dann kamen ihr endlich die erlösenden Worte über die Lippen, ein einziges Wort, um genau zu sein, und Avianus konnte es gar nicht recht fassen. Dieses eine Wort machte die gefühlte Ewigkeit, die er darauf hatte warten müssen, eindeutig wieder wett. Ja, sie sagte ja. Und er wusste gar nicht, was er jetzt tun sollte, weswegen er Sibel noch ein wenig länger mit großen Augen anblickte, und kam gar nicht auf die Idee, sich einfach wieder entspannt im Sessel zurückzulehnen. Langsam, ganz langsam breitete sich ein Lächeln auf seinen Zügen aus.
    "Wir sind also … verlobt?", stellte er fest und fuhr sich immer noch angespannt übers Gesicht. Sie war immer noch da, saß immer noch bei ihm, als er die Augen danach wieder aufschlug. Das hier war real. Breit grinsend wandte er sich nun auch an Axilla, die eine Hand seiner seit gerade eben Verlobten, die er noch hielt, drückend. Stand ihm die Freude zwar immer noch ins Gesicht geschrieben, so wurde sein Lächeln doch etwas verlegen. Er hatte sich alles etwas einfacher vorgestellt. Dass Sibel sich weniger Zeit lassen würde für eine Antwort zum Beispiel, oder dass er sich nicht mehrmals würde erklären müssen. Aber darauf wollte er gar nicht weiter eingehen, und hatte ohnehin schon wieder tausend andere Dinge im Kopf.
    "Wo … waren wir? Die Hochzeitsfeier …" Die brauchte keineswegs groß zu werden. Er wusste ja nicht einmal, wen er zu einer Feier einladen sollte. Die meisten seiner engeren Bekanntschaften ließen ohnehin nichts mehr von sich hören oder hatten sich nach Germania verzogen. Allen voran würde ihm wohl Seneca fehlen, der nicht dabei wäre. Aber ein kleines Fest schien durchaus angebracht. "Auch eine kleine Feier will organisiert sein ... wir werden ja sehen, ob wir deinen Rat brauchen." Wobei das Fest eigentlich eher nebensächlich war, solange Sibel seine Frau und für den Rest seines Lebens bei ihm sein würde. Dazu fiel ihm dann aber noch etwas anderes ein, das für ihn und Sibel eine große Veränderung bedeuten würde. Denn sie würde ja gar nicht direkt bei ihm bleiben können. "Wenn wir das also so machen ... dann sollten wir sehen, dass du auch morgen ... oder gleich heute ... in die Domus einziehst", sagte er zu seiner Liebsten, denn sobald sie frei wäre, wäre sie in der Castra nicht mehr willkommen.

    "Schön, Tirones!", rief Avianus den Rekruten ein halbherziges Lob zu. Nach leichten Anlaufschwierigkeiten hatte es funktioniert und der Centurio hatte einen halbwegs passablen Schildwall vor sich. Er fackelte auch gar nicht lange sondern ging gleich auf den Wall zu, trat mit aller Kraft gegen die Schilde, um wenigstens zu testen, ob die Tirones dahinter alle bei der Sache waren. "Ich will keine Lücke sehen, die breiter ist, als der Schaft eurer Hastae!"
    Verglichen mit einem Pferd, das den Schilden entgegen gehetzt wurde, war sein Tritt natürlich nichts. Vielleicht würde er das Üben der Formationen später wieder mal nutzen, um Rekruten gegen Rekruten zu hetzen. Das war nicht nur eine weitaus bessere Möglichkeit, die Wirksamkeit der Formationen zu überprüfen, sondern auch noch sehr viel amüsanter anzusehen. Wer wusste schon, was der heutige Tag noch bringen würde. Auf jeden Fall etwas Abwechslung.
    "In quattuor ordines*, Tirones!", bellte er ihnen den nächsten Befehl entgegen und gab ihnen Zeit, den Befehl mit hoffentlich möglichst wenig Durcheinander auszuführen. "State! Was wir soeben getestet haben, war die Reiterabwehr! Welche anderen Formationen kennt ihr?"


    Sim-Off:

    * In vier Reihen aufstellen

    Da sich mit der Hasta selbst nicht sonderlich viel üben ließ, abgesehen vom Rumstochern an Pfählen, beschloss der Centurio tags darauf zu testen, wie die gut die Tirones darin abschnitten, die Lanze für verschiedene Formationen zu nutzen.
    Erneut mit Übungswaffen ausgerüstet durften die Rekruten sich in einer hübschen Reihe aufstellen - wenigstens das hatten sie nach etlichen Wochen einwandfrei drauf - und dessen harren was nun kommen würde. Avianus jedenfalls freute sich. Mal was anderes als Liegestütze, Ausdauertraining und Pfähle. Denn das konnte auch für ihn, der lediglich zusehen musste, mit der Zeit fad werden. Ein paar Aufwärmrunden wie jeden Morgen hatte er seine Leute natürlich trotzdem drehen lassen, aber jetzt kam dafür mal was neues dran:
    "Tirones! Wir üben heute Formationen! Zeigt mir also mal, was ihr könnt! AD FULCUM*!", rief er seinen Leuten ohne große Erklärungen zu und wartete mal ab, ob die wussten wie die Reiterabwehr funktionierte. Besonders schnell würde das aufstellen der Formation vermutlich nicht vonstatten gehen, aber ihm reichte schon, wenn sie irgendeinen zweireihigen Schildwall zusammenbrachten und dabei nicht vergaßen, ihre Hastae durch die Spalten zu schieben.


    Sim-Off:

    * Schildwall formen

    "Liebend gern", stimmte Avianus zu, dachte aber selbstverständlich gar nicht daran, Lucia von seinen bisherigen abenteuerlichen Erlebnissen zu erzählen. Erstens hätte das der ganzen Wette die Spannung genommen, denn dann hätte er ohnehin schon gewonnen, so glaubte er, zweitens müsste er dann übermorgen noch hier rumstehen, und drittens, was außerdem am allerwichtigsten war, ging es die Tiberia weniger als absolut gar nichts an.
    Die Lösung des mittlerweile uralten Rätsels stimmte ihn dann nachdenklich. Wäre seine eigene Situation nicht so, wie sie gerade war, hätte er sich wohl noch länger mit ihr darüber unterhalten oder auch einen bissigen Kommentar auf ihren Scherz zurückgegeben.
    "Ein Kind? Wie … schön", gab er stattdessen gedankenverloren zurück und runzelte die Stirn. Es war Zeit. Zeit wieder nach drinnen zu gehen. Lucia hatte ihn daran erinnert, was da drinnen im Haus auf ihn wartete. Ursprünglich hatte er nur etwas frische Luft schnappen wollen und jetzt tratschte er schon eine gefühlte Ewigkeit mit der Tiberia. Vielleicht war Sibel inzwischen aufgewacht und ihr war wieder schlecht, oder sie fror. Oder ihr war mal wieder viel zu warm.
    "Ich sollte dann wieder gehen", verabschiedete er sich trotzdem etwas zögerlich, bevor er sich abwandte, "Vale, Lucia. Man hört ... oder liest wohl von einander …"

    Wie sich sein Magen zusammen krampfte, als Sibels erste Reaktion dieses Kopfschütteln war … wie ewig lang sich die Sekunden anfühlten, während derer er einfach nur dasaß und auf eine Antwort ihrerseits wartete … wie er sie unschlüssig anblickte, als sie noch einmal fragte. Das war es, was die wenigen Augenblicke, nachdem er es ausgesprochen hatte, ausmachte. Und wie peinlich es war, Sibel stotternd und stammelnd vor Axillas Augen einen Antrag zu machen und am Ende nicht einmal eine eindeutige Antwort zu bekommen. Kein ja, kein nein … nichts davon verließ ihren Mund, nur ihr ewig gleicher Einwand und eine simple Frage.
    Avianus setzte sich in seinem Sessel auf, wollte ein weiteres Mal seinen Mut zusammenkratzen. Nur was sollte er ihr sagen? Sich lang und breit erklären? Vor Axilla einen Vortrag halten, dass er sie doch liebte, seine Familie hinter ihm stand und ihn im Grunde nichts mehr zurückhielt? Von seiner Karriere abgesehen. Aber die war damit ja nicht vorbei. Es würde schwieriger werden, dessen war er sich bewusst, aber ihm war im Leben bisher kaum etwas in den Schoß gefallen. Dann würde es eben so bleiben, oder noch schwerer werden und er würde hart arbeiten müssen, für das, was er erreichen wollte. Und wenn er es nicht schaffte, würde er es sicher nicht bereuen, für die Frau dagewesen zu sein, die er liebte, und für das Kind, das die Götter hoffentlich gesund zur Welt kommen ließen. Er hatte das Gefühl, Sibel stellte ihn stets auf dieses Podest, als könnte er mit Leichtigkeit alles erreichen, wenn er nur sie losließe … auf dieses Podest, welches in der Form eigentlich nicht existierte. Er war nicht als Kind reicher Eltern im Überfluss aufgewachsen, hatte für seinen Erfolg gearbeitet und konnte stolz darauf sein, es bis zum Centurio geschafft zu haben.
    Jetzt da er nur noch zwischen seiner Familie – denn nichts anderes war ja dieses Kind, das ihn Sibel heranwuchs – und seiner Karriere zu entscheiden hatte, fiel es ihm mit einem mal ganz leicht. Und Sibel würde an seiner Stelle sicherlich dasselbe tun und das Wohlergehen des geliebten Menschen und des hoffentlich baldigen gemeinsamen Kindes einer schnellen Karriere vorziehen.
    Nein, kein Vortrag, beschloss er. Sie hatte ihn doch verstanden. Ganz eindeutig hatte sie das.
    "Ja ... das will ich", antwortete er, und fummelte mit der einen Hand immer noch nervös am Stoff seiner Tunika herum. "Wenn es dir lieber ist, können wir das auch unter vier Augen besprechen. Oder wenn du noch ein wenig Zeit brauchst …" … er lief solange sicher nicht davon. Ein flüchtiges, gequältes Lächeln glitt über seine Züge.
    "Oder du sagst, dass du meine Frau werden willst, hältst morgen deine Freilassungsurkunde in der Hand, ich werde den Praefectus wegen der Verleihung des Conubium ansprechen, und du kannst dich … vielleicht mit Axillas Hilfe …" – Ein kurzer Blick ging zu seiner Cousine, die immerhin schon in der zweiten Ehe steckte, und mit Sicherheit wusste, wie man eine Hochzeit organisierte. – "… um die ersten Vorbereitungen kümmern."

    Es war weit nach Mitternacht, die nächtliche Patrouille, die ein paar Urbaner, angeführt von ihrem Centurio, noch hinter sich brachten, fast schon vorbei, und die Soldaten folglich nicht mehr bei bester Laune. Allen voran der Centurio selbst. Mit mäßiger Begeisterung stapfte Avianus voran, hätte dunkle Seitenstraßen am liebsten bewusst unbeachtet gelassen, und wollte eigentlich nur schnellstmöglich raus aus der Subura und zurück in die Castra. Damit, dass dann plötzlich eine Tür auffliegen könnte, ein altes Weib ihm ein Öllämpchen ins Gesicht halten und panisch irgendetwas von toten Leuten und Geschirr faseln würde, rechnete er gar nicht. Nur geschah exakt das. Ausgerechnet ihnen. Auf dem Heimweg.
    "Da hinten! Ich habs genau gehört! Da haben welche geschrien! Und geklirrt hat's auch! Da hat einer was aus dem Fenster geschmissen! Geschirr oder so! Und dann schau ich aus dem Fenster, und dann ist da einer tot und noch einer, der kriecht noch auf dem Boden herum!"
    Avianus antwortete zunächst gar nicht, sondern blickte nur entschuldigend über die Schulter zu seinen Männern. Pflicht war eben Pflicht. Sie konnten es sich ja mal ansehen. Vielleicht war der zweite inzwischen auch tot und mehr als ein Leichentransport war gar nicht nötig. Abwartend stand da noch immer das Weib mit dem Lämpchen und wartete darauf, dass er etwas sagte.
    "Wir kümmern uns darum", versicherte er schließlich seufzend, "Milites! Tiro! Pergite! Folgt mir!" Ja, ganz recht. Tiro. Denn der Tiro Octavius war auch mit dabei, der, dem er versprochen hatte, ihn in nächster Zeit öfter aus den Castra rauszuholen. Das hier war vermutlich nicht, was sich Frugi unter Außeneinsätzen vorgestellt hatte, aber beschweren konnte er sich zumindest nicht mehr. Richtig schön würde es dann werden, wenn der Rekru sich morgens nach der nächtlichen Patrouille durch die Grundausbildung zu kämpfen hätte. Wenn das mal keine Chance war, sich zu beweisen.
    Noch immer nicht ganz sicher, in welche Richtung es gehen sollte, führte der Centurio seine Truppe in die Gasse. Ein nervöses Deuten mit dem Finger in die Nebengasse, kombiniert mit den Worten "Da hinten" war nicht direkt, was man als genaue Beschreibung bezeichnen würde. Und um erneut nachzufragen hatte Avianus' Motivation nicht gereicht. Glücklicherweise war die Sauerei, die sie da hinten fanden, kaum zu übersehen.
    "Consistite!", rief er und ließ seinen Blick über das Bild schweifen, dass sich ihm im Schein der Laterne, die einer seiner Soldaten trug, in der Gasse bot. Ein Toter lehnte in sich zusammengesunken an der Wand eines der Häuser, seine Kleider glänzten feucht. Der Boden unter ihm war feucht. Blut, realisierte der Iunier, nahm dem Miles Carnulius die Laterne aus der Hand, und ging ein paar Schritte näher auf die Schweinerei zu. Er verzog kurz das Gesicht. Und Pisse. Scheiße, wie das stank. Und der zweite Kerl lebte wohl immer noch. Aber alles nach der Reihe.
    "Milites Visellius, Triarius, Numicius und Carnulius! Die Gasse abriegeln! Ich will hier niemanden durchkommen sehen, und wenn euch jemand verdächtiges über den Weg läuft: Festnehmen! Milites Fannius und Rabuleius, ihr geht zu den Castra und organisiert etwas, um die Leiche wegzuschaffen. Tiro Octavius, Miles Matinius, untersucht solange den Toten", gab er ein paar Anweisungen, wandte sich dann, eine Hand am Griff des Gladius, an den, der entgegen aller Erwartungen gar nicht tot war, vielleicht nicht einmal verletzt, und beugte sich ein wenig zu ihm hinab.
    "Centurio Iunius Avianus von den Cohortes Urbanae. Brauchst du Hilfe? Weißt du was hier geschehen ist?", sprach er den Mann an, hob die Laterne und musterte ihn dabei eingehend. Tot sah definitiv anders aus, aber wie so ziemlich alles in der Gasse stank auch er wie Sau. Nach Blut, Urin und Alkohol. Na wenn das mal keine nette Kombination war.

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    Faustus Villius Carbo


    Der Miles wollte sich bereits um den nächsten kümmern, der durchs Tor wollte, da tratschte der Marcius immer noch weiter. Solange sich die Leute dahinter nicht beschwerten ging's ja noch, dachte er sich. Ja, zweifellos am richtigen Tag hatte der Kerl ihn erwischt.
    "Gern geschehen ...", antwortete Carbo und lehnte sich auf seine Hasta. Bequemer ging es ja leider nicht als Wache. "Die Cohortes Urbanae rekrutieren eigentlich immer. Es ist nicht immer lustig ..." - Um nicht zu sagen: Fast nie. - "... aber es ist eine ehrbare Arbeit, man hat ein Dach über dem Kopf, etwas zwischen den Zähnen und kriegt nebenbei noch seinen Sold."



    Glücklich über die Entscheidung seines Vorgesetzten, sah der Octavius nicht gerade aus. Avianus blickte seinen Soldaten stirnrunzelnd an. Gut, Latrinendienst für ein paar Tage war nicht gerade der Hammer, aber es hätte auch schlimmer kommen können. Und noch dazu würde er aus den Castra rauskommen. Frugi demnächst wieder bei Einsätzen mitzunehmen hatte der Centurio zwar nicht erst heute beschlossen, aber genauso gut hätte er den Entschluss auch streichen und den Octavius stattdessen als Strafe weiterhin im Lager versauern lassen können.
    "Fehler gehören bestraft, Tiro. Trotzdem will ich dir auch die Möglichkeit geben, dich zu beweisen. Ich hoffe du weißt das zu schätzen", bemerkte er deshalb, lehnte sich in seinem Stuhl etwas zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.
    "Und ich rate dir, solltest du jemals ein solches Gespräch mit einem anderen Vorgesetzten führen, lass dir einen besseren Grund einfallen als 'Meine Ausbildung wird mir zu blöd'. Es gibt Centuriones, die dir schon allein dafür die Vitis über den Helm ziehen." Mit einem erneuten dünnen Lächeln unterstrich er seine letzte Aussage, musterte seinen Gegenüber ein letztes Mal und würde den Tiro dann gehen lassen: "Wenn du keine weiteren Fragen mehr hast, kannst du wegtreten, Tiro Octavius Frugi."

    Während der Tiro ihm eine Erklärung anbot, machte Avianus es sich hinter seinem Schreibtisch bequem … und hatte dabei Mühe, seine gefasste Centurionen-Miene zu wahren. Nicht aber vor Wut oder Ärger ... Sobald Frugi ausgesprochen hatte, hielt er es einfach nicht mehr aus. Erst gluckste er nur amüsiert vor sich hin und fing dann doch noch an, herzlich zu lachen. Hach, das war ja mal wieder richtig genial. Ein Tiro, der keinen Bock auf seine Arbeit hatte. Wenn das mal keine Premiere war, dachte er sich mit einer anständigen Portion Sarkasmus. Und er hatte schon gedacht, es gäbe ernsthafte Probleme. So langsam musste er sich wieder am Riemen reißen, was er dann auch tat, und noch immer mit einem dünnen Lächeln im Gesicht, nachdem er sich geräuspert hatte, setzte er zu einer Antwort an:
    "Also, Octavius … ist das wirklich alles? Du hast einfach nur keine Lust? Denkst du, du bist der erste Tiro, dem seine Grundausbildung auf den Sack geht? Du bist fast durch, also reiß dich gefälligst zusammen. Danach kriegst du dann deine freien Abende und Ausgang."
    Wenn er nicht dazu in der Lage war, sich auch noch durch die letzten paar Einheiten seiner Grundausbildung durchzubeißen, war er im Exercitus vielleicht einfach falsch. Aber all die vergeudete Zeit, das verschwendete Können, nur um noch als Rekrut wieder auszusteigen, das wäre doch verrückt … und gelacht, wenn er als Centurio es nicht schaffen würde, einen seiner Männer noch für ein paar klitzekleine Wochen zu motivieren.
    "Du bist kein schlechter Rekrut, und so schnell lass ich halbwegs gute Leute nicht gehen. Aber ich werde schon dafür sorgen, dass dir hier drin so schnell nicht mehr die Decke auf den Kopf fällt. Für den Rest der Woche kannst du dich mit den Latrinen vertraut machen, da lernst du ganz neue Eindrücke kennen … kann ich garantieren. Außerdem wirst du bei den nächsten Einsätzen außerhalb der Castra dabei sein. Und da will ich dann sehen, was noch so in dir steckt. Verstehen wir uns?"

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    Faustus Villius Carbo


    "Salve, Cives", grüßte der Miles am Tor und lachte etwas rauh, "Schnell geht da schonmal gar nichts, wenn man auf die andere Seite der Stadt will."
    Aber Carbo hatte heute mal einen guten Tag, sodass er davon absah, den Neuankömmling ohne weitere Erklärungen abzuspeisen.
    "Wenn du dich nicht in irgendwelchen abgelegenen Gassen herumtreiben willst, folgst du der Straße am besten weiter Richtung Circus Maximus und bis zum Amphitheatrum Flavium, dann einmal quer übers Forum und dort zwischen Mercatus Traiani und dem Forum Augusti die Straße Straße rein und rauf zur Porta Sanquaris. Da kannst du dich notfalls auch durchfragen."



    Avianus öffnete dem Octavius.
    "Tiro Octavius Frugi", stellte er fest,"Komm herein." Der Centurio machte seinem Tiro Platz und führte ihn auch gleich durch eine weitere Tür in sein Arbeitszimmer.
    Ob Frugi wusste, weshalb er hier war? Wahrscheinlich. So viel Verstand traute er seinen Rekruten zu. Wer während seiner Grundausbildung zwei mal hintereinander auffiel, brauchte sich nicht zu wundern, wenn der Vorgesetzte ein Wörtchen mit einem zu reden hatte. Außerdem hatte der Miles Triarius Seianus berichtet, dass der Octavius sich auch während des Transports des toten Optios nur als mäßig hilfreich erwiesen hatte. Irgendein anderer Centurio hätte vielleicht einfach Strafen verteilt. Avianus hingegen wollte wissen was los war. Eine Strafe löste meist nicht das Problem, bevor er also irgendwem die Vitis über den Kopf zog, wollte er verstehen, weshalb ein Tiro, der sonst seine Arbeit nicht schlecht machte, es letztens mit der Disziplin nicht so genau nahm. Vielleicht steckte ja mehr dahinter.
    Der Iunius sortierte den Kram, der auf seinem Schreibtisch lag und begann unterdessen zu erklären: "Tiro ... du bist mit deiner Grundausbildung so gut wie durch, und ausgerechnet jetzt muss ich feststellen, dass du in letzter Zeit nicht ganz bei der Sache bist, auffällst ... deine Aufgaben nicht so gut ausführst wie sonst. Willst du dazu etwas sagen?"

    Voller Zuneigung beobachtete er Sibel dabei, wie sie zu einer Antwort ansetzte und sich über den Bauch strich. Avianus hatte in den letzten Tagen beobachtet, wie er langsam gewachsen war, wie das, was zu Beginn noch so surreal gewirkt hatte, und es eigentlich noch immer war, stetig realer wurde.
    Nur wenig später verblasste sein Lächeln allerdings. Bei den ganzen Schwangerschaftsgeschichten blieb er bewusst stumm, von solchen Dingen hatte er logischerweise gar keine Ahnung. Der Grund weshalb ihm seine gute Laune etwas vergangen war, war aber ein anderer: Sibel hatte auf seinen kleinen Wink mit dem Zaunpfahl kein bisschen reagiert. Vermutlich hatte er sich einfach nicht klar genug ausgedrückt und sie hatte ihn nicht richtig verstanden. Vielleicht wollte sie auch gar nicht mehr darüber reden und hatte seine Worte deswegen ganz bewusst ignoriert. Seine Cousine hingegen hatte verstanden worauf er hinaus wollte.
    "Ja, ich weiß … ich muss auch nichts mehr entscheiden", antwortete er Axilla knapp und sah dann sich ewig lang anfühlende Augenblicke fragend zu seiner Liebsten hinüber. Er öffnete den Mund um etwas zu sagen, doch die richtigen Worte fehlten ihm gerade. Vom Herumsitzen und blöd Schauen wurde aber auch nichts besser. Wenn er das hier durchziehen wollte, führte kein Weg daran vorbei, sich so eindeutig auszudrücken, dass sie einfach verstehen musste, und keine andere Wahl hatte, als etwas dazu zu sagen. Also wagte er einen Versuch:
    "Was ich sagen wollte ist … ich möchte dieses Kind gerne annehmen, Sibel … das heißt aber auch … also … dass wir heiraten müssten, du und ich … bald." Was wurde ihm plötzlich so warm? Und Angst machte sich in ihm breit. Das gab's doch gar nicht. In Vicetia hatte er sich von Seneca übers Feld scheuchen lassen und vor lauter Adrenalin nicht einen Gedanken an Angst verschwendet, und kaum saß er neben seiner eigenen Sklavin und begann, von einem gemeinsamen Leben zu reden, machte er sich fast ins Hemd. Noch bevor Sibel reagieren konnte, hatte er das Gefühl sich um Kopf und Kragen reden zu müssen, weil sie ja sonst immer gleich die Nerven verlor bei dem Thema. Verlegen kratzte er sich im Nacken und versuchte, die richtigen Worte zusammenzuklauben, was bei dem Durcheinander, das sich ganz unverhofft in seinem Kopf breit gemacht hatte, bei weitem kein leichtes Unterfangen war.
    "Alles, was ich immer wollte, war, dich bei mir zu haben und dass es dir an nichts fehlt. Das hätte ich auch ohne Ehe haben können. Aber ich habe auch nie mit diesem Kind gerechnet … diesem Kind, dem es genauso an nichts fehlen soll, und das es am besten haben wird, wenn es einen Vater hat. Und eine Mutter. Und für dich wäre es auch besser, wenn du mit dem Kind nicht alleine dastehst. Wenn ich jetzt also das Beste für euch beide will, dann … naja ..." Da gingen ihm doch glatt die Worte aus. Ein wenig betreten blickte er Sibel an und hoffte darauf, dass eine Reaktion käme, mit der er leben könnte.

    Fertig. Hörte sich gut an. Jetzt noch nach Hause, ein paar Arbeiten erledigen, dann ein wenig entspannen und vielleicht abends eine kleine Belohnung für den gelungenen Einkaufsbummel einheimsen. Mit dem zufriedenen Lächeln im Gesicht, weil er heute scheinbar alles halbwegs richtig gemacht hatte, ging er weiter neben ihr her.
    Auf die Leute um sie herum achtete er kaum. Die Märkte waren ja voller Menschen, die sich auf den Straßen herumtrieben, vor den Ständen bummelten oder durch die Gassen eilten … Dass ein alter Mann plötzlich Sibel anrempelte mochte also unangenehm sein, war aber bei weitem nicht verwunderlich. Nur dass es ausgerechnet jemand war, der Sibel kannte. Vom Gewürzstand, wie er nur einen Augenblick später feststellte. Der Iunius erinnerte sich daran, wie Sibel ihn in letzter Zeit immer wieder mit neuen Gerichten überrascht hatte. Und damit sie es einmal mehr tun könnte, sollte ihr Weg durch die Märkte sie also auch dorthin noch führen: Zum Gewürzhändler.
    "Ja? Ja … gut", stimmte er zu, nahm ihr noch den einen oder anderen Einkauf ab, damit beim nächsten kleinen Rempler nicht wieder etwas auf dem Boden landete und zwang sich einmal mehr ein Lächeln auf. Was sollte er auch anderes machen. Zu Beginn des Ausflugs hatte er Sibel gefragt, ob es ihr an etwas fehlte und sie hatte ihm keine wirkliche Antwort gegeben. Von ihrem Unwohlsein spürte er jetzt nichts mehr, aber in Wohlgefallen hatte es sich sicherlich auch nicht aufgelöst. Da blieb ihm ja gar nichts anderes übrig, als ihr einfach die wenigen Wünsche zu erfüllen, die sie offen äußerte, und zu hoffen, dass es half. Und vom leckeren Essen hätte er auch etwas, sagte er sich selbst. Vor allem aber: Wie lange konnte es schon dauern, ein paar Gewürze zu kaufen?

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    Narseh


    Narseh ließ den Blick über die nahe Umgebung gleiten. Seit Sarah verschwunden war, war ihm nicht mehr wohl. Was auch immer sie damals in der Küche der Taberna mit dem Optio besprochen hatte und wie sie sich anschließend verhalten hatte, hatten ihn ihr gegenüber skeptisch werden lassen. Und dass sie sich jetzt nicht einmal mehr zu den Versammlungen blicken ließ, verstärkte das mulmige Gefühl. Aber sie waren vorbereitet. Längere Klingen, die bei einer unvorsichtigen Bewegung unter dem Mantel hervorblitzen, trugen nur die erfahrensten unter ihnen. Kleine, unscheinbare Waffen hingegen, die keiner kommen sah, konnte jeder Junge in seiner Kleidung verstecken. Und mehr waren sie inzwischen auch geworden. Zu ihm, Arash, Yishai, David und Amal hatten sich Abram und Behnam, der Sohn seines persischen Bekannten Javed, gesellt.
    "Gehen wir", murmelte Narseh, der nichts Auffälliges hatte entdecken können, drei seiner Gefährten zu. Der Rest hatte sich schon zuvor auf den Weg durch den engen Tunnel gemacht. Zerknirscht stapfte der Perser voraus, gleich darauf wurde er aber von Amal eingeholt.
    "Hast du Angst vor dem Mädchen?", fragte er seinen Freund, der sich zu ihrem Anführer aufgeschwungen hatte, ernst.
    "Nein, nicht vor dem Mädchen", korrigierte Narseh, "Vor den Leuten, mit denen sie zusammenarbeitet."
    "Dazu hat sie nicht den Mut." Amal wusste genau, wovon Narseh sprach. Wie oft hatten sie bereits darüber diskutiert, wie oft hatte er dem Perser bereits versichert, dass er sich umsonst sorgte. Auch heute lächelte er schmal. Für solche Sachen hatte Sarah nicht genug auf auf dem Kasten und wenn doch, wäre sie vermutlich gutmütig genug, ihre Brüder und Schwestern anschließend zu warnen.
    "Mag sein …", antwortete Narseh nur vage und schwieg wieder. Es half ja doch nichts. Und wenn etwas passierte, würden sie tun, was sie sich zu tun geschworen hatten. Er würde nicht zulassen dass ein plapperndes Mädchen ihre Gemeinschaft ins Unheil stürzte.
    Im Schein der Laterne gingen sie weiter. Leises Plätschern war zu hören, sowie sie durch das trübe Wasser schritten, das seicht am Boden des Kanals entlangfloss. Sie bogen ab, ließen den Kanal hinter sich, wenige Stufen führten nach oben, wo kein Wasser mehr die Gänge erreichte, und schließlich endete ihr Weg vor einer alten Holztür, die an Abenden wie diesen offen stand. Aus dem Inneren begrüßte sie flackerndes Licht von Kerzen und Laternen ihrer Brüder und Schwestern.
    Narseh setzte ein Lächeln auf und seine Begleiter taten es ihm gleich.
    "Behnam! Drod abar to*!", rief er dem jungen Perser in ihrer Muttersprache grüßend zu und schenkte ihm eine freundschaftliche Umarmung, als sähen sie sich heute zum ersten Mal. "Schalom, Elias. David, wie geht es dir?", drückte er weiter die Hände der Anwesenden, verteilte Umarmungen und nickte anderen wiederum freundlich lächelnd zu.



    Avianus ging hinüber zu seinem Tisch, schob den Helm, den er, als er von der Arbeit in seine Baracke zurückgekehrt war, dort abgestellt hatte beiseite, nahm Krug und Becher in die Hand und schenkte sich etwas Posca ein. Posca ... seit seine Liebste schwanger war, stand hier fast nur noch Posca oder Wasser herum. Nach Wochen mit dem billigen Zeug fühlte er sich wieder wie ein kleiner Miles. Aber wenn ohnehin schon ein Getränk offen herumstand, brauchte man nicht auch noch eine Amphore Wein anzufangen, fand er, und trank eben mit, was gerade da war.
    "Wenn du zu früh fertig bist und ich dich faul herumsitzen sehe, findet sich bestimmt noch Arbeit für dich." Die Sohlen seiner alten Caligae konnten ein paar neue Nägel vertragen. Oder ein wenig Fegen konnte auch nie schaden, erst recht nicht, wenn bei der sommerlichen Hitze massenhaft Sand und Staub in die Baracken gezogen wurde.
    Die Legionen hatte er nie von innen gesehen und nur ein einziges Mal auf dem Feld gestanden. Was natürlich nicht bedeutete, dass er absolut keine Ahnung von den Truppen außerhalb Roms hatte, aber die Arbeit im Herzen des Reiches war eben doch eine etwas andere. "Manchmal wünschte ich, es wäre so, Miles", entgegnete er deshalb und lachte dabei leise, "Angefangen habe ich bei den Cohortes Urbanae, meine Zeit als Miles habe ich bei den Praetorianern geleistet, und wurde nach ein paar Jahren wieder zu den Urbanern versetzt und gleichzeitig zum Optio befördert", beschrieb er knapp seinen bisherigen Werdegang, der dem Miles, je nachdem wie nachtragend er in Bezug auf den Bürgerkrieg war, vielleicht nicht gefiel. Als Centurio würde ihn das natürlich kein Stück kratzen, und selbst wollte er vom bisherigen Dienst des Neuen bei der Legio I ebenfalls nicht beeinflussen lassen.
    "Jedenfalls ... wenn du keinen Ärger machst und deine Arbeit gut, werden wir keine Probleme miteinander haben. Hast du noch Fragen, Miles?"