Für blöde Scherze war die Tiberia gerade nicht zu haben, bemerkte Avianus, denn seine kleine Provokation verpuffte an der absoluten Verwirrtheit, die die Patrizierin noch immer nicht losgelassen hatte. Irgendwie schade. Vielleicht hätte es seine Laune, die während der Hinrichtung in den Keller gesunken war, gehoben, mal wieder ein paar Sticheleien auszutauschen.
So wie ihm die Tiberia blass, verpeilt und mit wackeligen Beinen an ihrem Leibwächter hängend gegenüber stand, empfand er dann allerdings schon fast so etwas wie … Mitleid …? Mitleid für die eingebildete, eitle Patrizierin, die ihn womöglich noch immer für einen grapschenden, ungehobelten Soldaten hielt? Lucia war vermutlich nicht die einzige, mit der etwas nicht stimmte.
Schließlich lehnte er sich bequem auf den Rand des Schilds des Germanicus, und blickte dorthin, wo der Henker die zerhakten Leichen bereits weggeräumt hatte. Die Pfütze aus geronnenem Blut war selbstverständlich noch immer zu sehen.
"Nicht Duccianus und Vettianus, soviel ist sicher", antwortete er und schob ärgerlich die Brauen zusammen, bevor er sich doch noch zu einer detaillierteren Antwort hinreißen ließ: "Tatsächlich waren ihre Namen Tudicius Ravilla und Avienus Votienus."
Wieder wandte er sich Lucia zu und blickte sie ernst an. Immerhin war es nicht nur sie, die Fragen hatte. Auch er wüsste gerne etwas besser darüber Bescheid, was sich gerade vor seinen Augen abgespielt hatte.
"Sollte ich mir Sorgen machen, dass sich die Senatoren nun auch gegenseitig an die Kragen gehen? Die Cohortes Urbanae haben nämlich schon genügend andere Probleme, wenn nur das Volk Ärger macht. Hast du irgendeine Ahnung, was dein Bruder vorhat?"
Beiträge von Aulus Iunius Avianus
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Am liebsten hätte er sich die Hand an die Stirn geschlagen. Da kaute er die Geschichte des ermordeten Händlers zehnmal korrekt durch, und ausgerechnet vor seinem ehemaligen Praefectus unterlief ihm ein Irrtum.
"Äh ja, richtig … vom Attentäter …", stimmte Avianus dem Decimus schlussendlich zu. Aber gut, solange Versprecher seine gröbsten Fehler blieben, konnte er vermutlich froh sein, und ohnehin waren längst andere Themen interessanter.
Denn inzwischen bekam er doch ein wenig mehr zu hören, dabei fragte er sich allerdings, ob der Vorschlag, der ihm gemacht wurde nicht etwa ein Witz sein sollte. Der Decimus bestand darauf, vorerst ihre einzige Informationsquelle zu sein, die ihnen im Grunde erzählen konnte was sie wollte, und im selben Atemzug gab er zu verstehen, dass der Tribunus Iulius wenig Freude daran haben würde, die Urbaner trotzdem weiter ermitteln sollten, selbst wenn sich der Tribunus dagegen stellte, und diesen Forderungen sollte er zustimmen, bevor er überhaupt erführe was der ganze Mist überhaupt sollte. Da konnte man dem Iunier wohl kaum übel nehmen, dass er vorerst skeptisch blieb.
"Ich soll also dich, ohne deine Absichten zu kennen, als meine vorerst einzige Informationsquelle heranziehen, und zustimmen, gegen meinen Tribunus zu arbeiten, und selbst dann weiter zu ermitteln, wenn der Iulius sich dagegen stellt, und all das ohne jegliche Hintergrundinformationen?", fragte er zur Sicherheit noch einmal ruhig, wenn auch wenig begeistert, um sicherzugehen, dass er alles richtig verstanden hatte, "Du verstehst bestimmt, dass ich mir gerne selbst ein Bild von der Situation machen würde, um anschließend zu entscheiden, wie am besten weiter zu verfahren wäre. Das soll nicht heißen, dass ich dir misstraue, aber ich kann nicht behaupten, dich wirklich zu kennen. Und du weißt sicherlich, wie sich dein Vorschlag für jemanden anhören muss, der dich im Grunde nicht kennt. Ich will nicht aus Unwissenheit auf der falschen Seite irgendwelcher Streitigkeiten landen. Von mir aus lassen wir deinen Peregrinus in Ruhe, aber was den Rest angeht, würde ich gerne selbst eine Entscheidung treffen, sobald ich weiß, worum es überhaupt geht oder wenigstens ein paar Informationen mehr habe." -
Avianus registrierte noch das Nicken des Mannes, der da mit seinen drei anderen Gardisten am Rand des Geschehens stand. Natürlich kannte er den. Der Decimus. Wie klein die Welt doch war. Doch kaum hatte er das Gesicht des Offiziers zugeordnet und wandte sich für einen Augenblick wieder seinen Leuten zu, machten sich die Praetorianer mindestens so schnell wieder auf den Weg, wie sie aufgetaucht waren. Übel nehmen konnte er es ihnen nicht. Das Trauerspiel von einem Rekrutenhaufen, das man hier zu sehen bekam, würde er sich als Teil des Kommandostabs der Praetorianer auch nicht lange geben wollen. Er selbst hatte als Ausbilder eben keine Wahl, und tröstete sich einfach damit das noch werden konnte, was nicht war.
"Eine letzte Sache gibt es noch, bevor ich euch eine Pause erlaube … dafür will ich aber mindestens eine Armlänge Platz zwischen jedem von euch sehen!", rief er den Tirones zu, während nach wie vor noch ein paar damit beschäftigt waren, einen Platz in der Reihe zu finden, und wartete darauf, dass sich die Rekruten sortierten. Eine kleine Überraschung und hoffentlich ein Ansporn dafür, sich demnächst noch ein wenig mehr anzustrengen – sofern sie sich heute angestrengt hatten jedenfalls.
"Rechts an eurem Cingulum hängt euer Gladius. Ihr zieht es mit der rechten Hand", erklärte er und machte es zur Veranschaulichung den Tirones vor. Den Handrücken nach innen gedreht zog er seinen Gladius geübt aus der Scheide.
"Jetzt ihr! Gladios stringite*!"Sim-Off: * Zieht blank!
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"Und zu einem vereinten Rom unter einem Kaiser führen", stimmte er Antias zu und leerte den Becher. An seinen Männern würde es jedenfalls nicht liegen, wenn es zu Problemen kam, soviel stand schon einmal fest.
"Zweifellos …", nahm Avianus lächelnd das Kompliment an, denn immerhin musste er für den Germanicus zwangsläufig mindestens zu den besseren gehören. "Trotzdem bin ich nicht scharf darauf, unser Können ausgerechnet im Kampf gegen andere Römer unter Beweis zu stellen." Er wusste, wie fähig seine Leute waren, aber wer wollte schon in einen Krieg ziehen, wenn womöglich Freunde oder Verwandte auf der anderen Seite des Schlachtfeldes standen. Am liebsten hätte er das leidige Thema mit einem weiteren Schluck Wein fortgespült, doch in seinem Becher hingen nur noch ein paar Tropfen, und man sollte ja nicht glauben, er wäre ein Säufer. Allerdings... die Götter meinten es gut mit ihm in letzter Zeit. Welchen Grund hätten sie also, ihm ausgerechnet jetzt ein Bein zu stellen? Nein, alles würde gut werden. Dennoch war es ein Glück, dass Antias ein weiteres Mal das Thema wechselte, bevor er noch weiter in Gedanken versank.
"Gern geschehen... kümmere dich darum, dass du bis morgen vor Dienstbeginn deine neuen Sachen hast. Ansonsten keine weiteren Anweisungen, Optio", beantwortete er die ihm gestellten Fragen, "Von mir aus kannst du es die Männer gerne wissen lassen, sollte irgendjemand dir nicht glauben, werden sie morgen offiziell und von mir persönlich eines Besseren belehrt." Sulca und ein paar andere Alteingesessene würden vermutlich erst einmal blöd aus der Wäsche schauen, aber Avianus ging davon aus, sie würden sich mit ihrem neuen Optio genauso arrangieren, wie sie es mit ihrem jungen Centurio taten. Es war ja nicht so als bliebe ihnen etwas anderes übrig.
"Wenn du keine weiteren Fragen hast, kannst du wegtreten, Optio." -
Der Decimus traute ihm nicht recht über den Weg, soviel stand schon einmal fest: In seinem Gesicht rührte sich kaum etwas, er sagte nicht mehr als unbedingt notwendig und stellte nun ihm Fragen, anstatt Antworten auf jene des Iuniers zu geben.
Avianus runzelte die Stirn und blickte den Decimus irritiert an, unsicher, wie der plötzlich auf den Namen ausgerechnet seines Tribuns zu sprechen kam, über den bisher kein Wort gefallen war. Abgesehen davon gab es bei den Cohortes Urbanae mehr als nur einen Tribunus. Es sei denn natürlich, er wusste, dass gerade dieser iulische Tribun möglicherweise in die Sache verwickelt war, wenn auch unfreiwillig. Dann erklärte sich natürlich, weshalb ausgerechnet dieser eine Name gefallen war.
"Genau dieser Tribunus Iulius ist mein Vorgesetzter, und er ist es auch, der diese Ermittlungen angeordnet hat, falls das deine Fragen beantwortet", ließ er den Decimus bereitwillig wissen, selbst wenn ihn seine Befehle eigentlich rein gar nichts angingen. Ganz so einfach war es dann eben doch nicht, aus dem ehemaligen Vorgesetzten herauszubekommen, was man wissen wollte, also spielte er einfach mit und hoffte, es würde sich auszahlen. "Ich will hier nur meine Arbeit machen, Decimus", stellte er schlussendlich klar, während sein Blick noch immer auf dem Decimer ruhte, allerdings bei weitem nicht so eisig wie der seines Gegenübers. "Wir haben die Vermutung, dass der Mörder nicht nur ein Verrückter war und es diesen Händler nicht nur aus reinem Zufall getroffen hat, sondern jemand speziell diesen Mann loswerden wollte. Wir wollen lediglich wissen wer." Hieß so viel wie: Wer nicht dieser jemand war, hatte nichts zu befürchten. -
Avianus hob gemeinsam mit Antias den Becher, und musste dabei ebenfalls zwangsläufig lächeln. Der Germanicus erhielt eine Beförderung und trank dennoch auf seinen Centurio.
"Auf mich also?", fragte er noch einmal, "Auf unseren neuen Optio, die Zukunft …" – Wie auch immer die aussehen mochte. – "… und die dritte Centurie." Im Anschluss gönnte er seiner Kehle einen großzügigen Schluck. Und angeblich war der Wein tatsächlich ganz passabel, zumindest stellte er fest, dass er nicht gleich schmeckte, wie das Zeug, das Cato damals bei seiner früheren Truppe unterm Bett gebunkert hatte, was vermutlich positiv zu beurteilen war.
"Dann kann ich ja zufrieden sein", meinte er mit einem kurzen Nicken.
Als Antias ihn danach fragte, was wohl Roma und den Cohortes Urbanae noch bevorstand, blickte er allerdings einen Augenblick lang nachdenklich in den Becher. Marschfähig? Wofür? Einen neuen Krieg? Der Germanicus tat gut daran nachzufragen, denn Avianus hatte es bisher vermieden, sich mehr als nötig damit auseinanderzusetzen.
"Ganz ehrlich … ich weiß es nicht", gab er zu, und wollte sich nicht anmerken lassen, wie unangenehm ihm das Thema war. Ein neuer Kaiser war noch immer nicht gewählt, die hohen Tiere außerhalb Roms noch nicht allzu lange informiert und folglich noch praktisch alles möglich. "Ich hoffe, dass sich noch alle an den letzten Kaiserwechsel erinnern, und daran, dass in solchen Zeiten Zusammenarbeit zur Wahrung des Friedens das wichtigste ist. Ich gehe davon aus, keiner will, dass es wie beim letzten Mal endet." Er wollte gar nicht daran denken, was geschah, wenn er sich irrte. Denn beim letzten Mal, wie er es genannt hatte, hatten sie noch Glück im Unglück gehabt, dass Palma sich als überaus gnädig erwiesen hatte.
"Man ist um natürlich Normalität bemüht, um den Eindruck zu vermitteln, es gäbe keinen Grund zur Sorge, in der Stadt ebenso wie hier in der Castra." Mit wenigen Ausnahmen zumindest. Der Tresvir Tiberius Lepidus hatte es ja anscheinend nicht so mit Normalität, wie er bei der Hinrichtung der beiden "Consules" festgestellt hatte. "Wir werden dasselbe tun ... die Füße stillhalten wie alle anderen auch, und uns vorerst darum kümmern, dass in der Urbs Ruhe herrscht. Und selbstverständlich die Lage im Auge behalten, um uns im Ernstfall rechtzeitig vorbereiten zu können." -
Nach und nach schien Antias durchzublicken, doch anstatt sich einen Schluck guten Wein zu gönnen, starrte er den Becher lediglich noch blöder an als seinen Centurio zuvor. Im Großen und Ganzen war Antias Verhalten allerdings keine wirkliche Überraschung, so wie immer eben, führte er sich auf. Als würde er nicht damit rechnen, dass jemand jemals seine Leistungen anerkannte, und als würde er keine Beförderung jemals erwarten. Gut so... irgendwie. Einen eingebildeten Sack, der glaubte, über allem und jedem zu stehen, konnte er ohnehin nicht gebrauchen.
"Klar doch wirst du das, sonst bist du auch ganz schnell wieder Miles", kommentierte er Antias Versprechen erneut mit einem Scherz und wurde daraufhin endlich etwas ernster, "Aber du hast Recht, ich brauche einen Optio dem ich vertrauen kann, und der sich selbst dann, wenn er andere herumkommandieren kann, nicht davor scheut, dennoch selbst genauso mit anzupacken." Leute wie Sulca mochten nämlich als Milites akteptabel ihren Dienst tun, damit war es dann aber auch schon vorbei. "Ab morgen wirst du mich also bei der Ausbildung der Tirones unterstützen und einen Teil der organisatorischen Arbeit übernehmen. Außerdem kriegst du deine eigene kleine Schreibstube. Für heute hast du von mir aus frei."
Das wichtigste hatte er damit dann wohl abgeklärt. Alles weitere hing mehr oder weniger davon ab, ob Antias noch Fragen hatte, sofern ihm nicht noch etwas wichtiges einfiel. Zuvor deutete er aber noch mit einer flüchtigen kleinen Geste auf den Becher in Antias' Händen.
"Trink …?", meinte Avianus mit leicht fragendem Ton, "Jetzt komm schon, ich muss wissen ob der Wein sein Geld wert war. Ich schmeck da nämlich nie einen Unterschied." -
Avianus nahm seinen Becher, wandte sich seelenruhig an den verdutzten Germanicus und trank erst einmal einen Schluck. Den nicht gerade glanzvollen Anblick seines Optios über den Becherrand hinweg musternd, stellte er fest, dass es keine schlechte Idee war, nicht lange um den heißen Brei herumzureden, und gleichzeitig breitete sich auf seinen Zügen ein amüsiertes Grinsen aus, sowie der Germanicus ihn verwirrt anblickte. Um Antias aus dem Konzept zu bringen, brauchte man sich wirklich nicht anzustrengen. Vorwerfen konnte er es ihm nicht, ihm selbst ging es hin und wieder nicht anders.
Er ließ seinen eigenen Becher wieder sinken, griff nach dem zweiten und reichte ihn dem Germanicus.
"Nicht Miles… Optio. Steh nicht blöd 'rum. Setzen", forderte er ihn kurzerhand erneut auf. Ob Antias es ihm gleich tat oder nicht, Avianus jedenfalls setzte sich an den Tisch. Man war schließlich vor Dienstschluss schon genug auf den Beinen, da konnte man danach ruhig auch mal selbige hochlegen, oder sie zumindest ein wenig entlasten.
"Aber wenn du deine Beförderung nicht willst… ein anderer freut sich bestimmt drüber. Allerdings kann ich garantieren, so ein Hastile hat was. Und ich stehe nur ungern blöd da. Immerhin habe ich dich für den Posten vorgeschlagen.", scherzte er. Fragend blickte er dann sein Gegenüber an, ob der dazu etwas Sinnvolles sagen wollte. -
Vor kurzem erst hatte seine Empfehlung beim Praefectus Früchte getragen und ihn die Nachricht erreicht, dass der Germanicus seine Beförderung erhalten hatte. Nur wusste der vermutlich noch nichts davon, dass er von heute an der Stellvertreter des Centurios war. Wahrscheinlich würde sich Antias im Anschluss genauso freuen wie er selbst. Immerhin hatte der Iunius von jetzt an jemanden, auf den Verlass war, wenn er ihm die lästigeren Augaben rüberschob, wenn er sich mal einen Tag frei nehmen wollte oder auch wenn ihm bei seiner neuesten Truppe Tirones die Stimme ausging.
Avianus trug gerade zwei Becher und einen Krug guten, verdünnten Wein in den Raum, als es an der Tür seiner Habitatio klopfte. Das war dann wohl sein neuer Optio, und vermutlich ebenso ahnungslos, wie bei seiner letzten Beförderung. Avianus fragte sich bereits, ob es nicht lustig wäre, seinen Soldaten wie beim letzten Mal erst ein wenig auf den Arm zu nehmen. Immerhin hatte er absichtlich noch dem Miles befohlen, sich bei ihm einzufinden. Andererseits wurde der Witz langsam alt.
"Herein", sagte er kurz über die Schulter, während er Becher und Krug auf dem Tisch abstellte, schenkte den Wein ein, und entschied sich, als er Tür hinter sich hörte, es einfach kurz und schmerzlos zu machen. "Setz dich, Optio." -
Der Miles Titus Germanicus Antias hat sich umgehend bei seinem Centurio zu melden.Aulus Iunius Avianus
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Avianus nickte, als die Leibwächter ihn passieren ließen, und betrat seinen Leuten voranschreitend das Kulissenlager. "Danke, Decimus", meinte er knapp.
Nie im Leben wäre er auf die Idee gekommen, am heutigen Tag in irgendeinem Lagerraum hinter einem Theater auf seinen ehemaligen Vorgesetzten zu treffen, der ihn zwar vermutlich nicht kannte – immerhin war er damals nur Miles gewesen –, aber es reichte ihm bereits, selbst zu wissen, wer der Decimus war. Und Avianus hatte noch immer eine gewaltige Menge Respekt vor dem Mann, was auch immer in der Zwischenzeit geschehen war. Natürlich war die Herrschaft Palmas der Karriere des ehemaligen Praefectus Praetorio nicht förderlich gewesen. Der konnte wahrscheinlich froh sein, noch zu Leben. Dennoch verband der Iunius das Gesicht, das er nun vor sich hatte, noch immer in gewisser Weise mit den Praetorianern. Praetorianer zu sein… damit hörte man nicht einfach auf, wusste er selbst. Und man hatte schließlich auf derselben Seite gestanden, und der einzige Grund, weshalb er unbeschadet durch den Krieg gekommen war, war Glück gewesen kein Offizier zu sein.
Er folgte der Aufforderung des Decimus, nahm auf einer Truhe Platz und lehnte sich an die recht eindimensionale Nachbildung eines Triumphbogens in seinem Rücken, und sah sich noch einen Augenblick um, zwischen den seltsamen Kulissen. Gebäude, Schiffe, phantastische Wesen, zusammengeschustert aus Holz, Stoff und Leim. Wie seltsam das alles war ... der Ort genauso wie die Situation.
"Wir sind auf der Suche nach einem Peregrinus, der vor einiger Zeit mögliches Beweismaterial von der Leiche eines ermordeten Händlers entwendet hat. Wir konnten seine Spur bis zum Tempel des Serapis in Trans Tiberim zurückverfolgen. Dort ist er scheinbar gemeinsam mit einem gewissen Serapio verschwunden", umriss er kurz die vergangenen Ereignisse und blickte den Decimus fragend an, "Ich gehe davon aus, du weißt wovon ich spreche." – Es sei denn natürlich, sie hatten den falschen Serapio.
"Kannst du uns etwas dazu sagen? Was weißt du über diesen Peregrinus?", fragte er nicht unfreundlich, denn er ging schon davon aus, dass der Ex-Praefectus mit ihnen zusammenarbeiten würde, oder zumindest nicht gegen sie. "Weißt du vielleicht, wo er sich aufhält?" -
Pah… alle noch an einem Stück… ja klar. Vor seinen Augen legte sich jetzt auch noch der Decimus hin. Die Tirones waren heute ja besonders witzig drauf. Das mit der Einladung auf ein wenig Wein musste Avianus sich noch einmal verdammt gut überlegen, denn glatt laufen sah seiner Meinung nach doch ein wenig anders aus.
"Schluss mit Pause! Auf die Beine mit dem Jungen!", forderte er erst den Decimus, dann Sulca, der sich ohnehin bereits um diesen kümmerte, dazu auf, dafür zu sorgen, dass der Tiro auf seine Füße zurückfand. Sonst blieb am Ende keiner mehr übrig, um den Pöbel zu verscheuchen, wenn jeder glaubte, sich nur umfallen lassen zu müssen, um den Heimweg gemütlich auf dem Karren hinter sich bringen zu können.
Und eines wurde ihm nun immer mehr klar, je länger er seinen Soldaten bei der Arbeit zusah: So ging's nicht. Hastig ging er um den Karren und fragte natürlich nicht lange, sondern griff sich kurzerhand das Scutum des Germanicus. Der brauchte es heute vermutlich nicht mehr, so blass wie der noch immer aussah. Wenigstens war er wieder wach... mehr oder weniger eben.
"Willkommen zurück, Tiro", bemerkte der Centurio nur schlicht. Für irgendwelche Gespräche, wenn solche überhaupt vonnöten waren, blieb auch später noch genügend Zeit.
"Milites Ulpius und Fannius! Weitermachen!", rief er den beiden Soldaten zu, von denen sich zumindest einer dazu hinreißen ließ, mit dem Cluvius zu tratschen, und ging als erstes auf die drei drängelnden Scherzkekse zu, die seinen Tiro herumgeschubst hatten. Sowas brauchte man sich nicht bieten zu lassen. Schon in den kurzen Augenblicken bevor er sich gegen die drei Kerle warf, konnte er sehen wie den ihnen das Lachen verging, als sie scheinbar merkten, dass sie es nicht mehr mit einem Rekruten zu tun hatten. Als er ihnen im Anschluss an jeden kräftigen Stoß mit dem Schild noch die Kante des selbigen in die Füße trieb, erst recht. "Und jetzt verschwindet, ihr Armleuchter, bevor ich euch festnehmen lasse."
Nach einem kurzen Blick über die Menge konnte er feststellen, dass immer mehr wieder das Weite suchten. Klar doch, die Vorstellung war ja vorbei und ein paar geronnene Blutpfützen auf dem Boden waren dem Pöbel vermutlich zu unspektakulär. Ganz davon abgesehen, war außerdem die Tiberia wieder zu sich gekommen, und stand etwas wackelig und verloren auf dem Platz herum.
"Na los! Sucht eure Sachen zusammen, damit wir abziehen können", rief er seinen Leuten zu, bevor er sich noch einen Augenblick zu seiner Brieffreundin gesellte. "Na? Krieg' ich jetzt mal wieder Probleme, weil ich dich ungefragt angefasst habe?" So ganz davon wegkommen, sie aufziehen zu wollen, würde er wohl nie. -
Am liebsten wäre er wieder umgekehrt, als er auf seinem Rückweg vom Lupanar das Tor der Castra erblickt hatte. Der Helvetius würde Sibel doch sicherlich nicht den gesamten restlichen Abend beanspruchen, hatte er gedacht. Zerknirscht war Avianus dennoch weitergegangen, denn im Grunde wusste er ja nicht, was sich gerade im Lupanar abspielte, und versuchte sich seither damit zu trösten, am heutigen Abend zumindest etwas Zeit mit ihr verbracht zu haben und sie hoffentlich schon bald wiederzusehen. Damit hatte er schon weit mehr Gründe glücklich zu sein als an vielen anderen Tagen.
Nicht sicher, was er mit dem Rest des Abends anfangen sollte, kehrte er in seine Habitatio zurück, setzte sich an den Tisch im Eingangsbereich, lehnte sich zurück und wusste nichts mit sich anzufangen. Der Papierkram war abgearbeitet, jeglicher Hunger war ihm vergangen und an Schlaf war nicht zu denken. Kaum hatte er sich hingesetzt, stand er also wieder auf, tigerte durch seine Habitatio und endete in einem der Nebenräume.
Er dort öffnete er die Truhe, in der er unter anderem sein Erspartes aufbewahrte, schob sie zu seinem Schreibtisch und begann zu zählen. Lange hatte er sich nicht mehr darum geschert, wie viel sich inzwischen in der Truhe angesammelt hatte. Als er noch Miles gewesen war, hätte er für die paar angesparten Münzen nicht einmal eine Truhe benötigt und sie zu zählen hätte sich nicht wirklich gelohnt, und inzwischen verdiente er genug, um sich nicht mehr groß darum zu scheren, wie viel übrig blieb, denn sein Lebensstil hatte sich, von der neuen Baracke abgesehen, kaum geändert. Jetzt allerdings, wo das Geld tatsächlich einen Nutzen haben könnte, wo er es gebrauchen könnte, um Sibel einen großen Gefallen zu tun – selbst wenn sie sein Geschenk vermutlich nicht würde annehmen wollen – interessierte es ihn mehr als je zuvor, aus wie vielen Sesterzen, Denaren und Aurei der ansehnliche Haufen wohl bestand.
Genug, stellte Avianus nach einer Weile fest. Mehr als genug. Und verdammt nochmal, wenn der gierige Sack von einem Helvetius seine 25 Aurei unbedingt haben wollte, sollte er sie kriegen, selbst wenn ihm der Kerl ein kleines Rätsel war. Dieser Varus hatte nie für Sibel bezahlt, sie kostete ihn rein gar nichts, er verdiente an ihr, er hatte sie zu seiner Sklavin gemacht und nun verlangte er noch ein kleines Vermögen für ihre Freiheit. Ihn als dreist zu bezeichnen, wäre noch milde ausgedrückt. Aber welche Sorte Mensch auch immer dieser Varus war, er würde Sibel helfen – ob sie es denn wollte oder nicht, irgendwann würde sie ihm dankbar sein, und er würde wiedergutmachen, einst tatenlos herumgesessen zu haben als sie ihn am meisten gebraucht hatte. -
Dafür ist es bei mir hin und wieder gerade etwas ungünstig. In nächster Zeit werden meine Posts wohl v.a. am Wochenende kommen.
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Kein Problem, Initiand Serapio, blablabla, hörte Avianus den Germanicus antworten, und filterte heraus, dass soweit zumindest alles in Ordnung war, während er bereits damit beschäftigt war, den Kerl in der Tür hinter den Wächtern zu mustern. Der war nämlich um einiges interessanter.
"Gute Arbeit", meinte er noch zu seinem Miles, war aber in Gedanken bereits ganz wo anders. Das Gesicht im Türspalt war ihm nicht unbekannt und er benötigte einige Augenblicke, um zu realisieren, dass er sich mit seiner Ahnung nicht irrte, jedenfalls nicht, wenn seine Sinne ihn nicht täuschten, und das hatten sie noch nie getan. Ganz und gar unmöglich, dachte er dennoch, und wusste gar nicht recht, wie er reagieren sollte. Der Serapio? Das war doch vollkommen verrückt.
"Decimus Serapio …?", stellte er dem Gesicht in der Tür mehr oder weniger eine Frage, und hatte gleichzeitig schon zehn andere im Kopf. Etwa: Was zum Teufel hatte ausgerechnet er mit abgestochenen Händlern und Dieben zu tun? Oder hatte man ihn und seine Leute schlicht einer falschen Spur hinterhergeschickt? Oder war hinter der Sache wirklich mehr, als es auf den ersten Blick den Anschein hatte?
"Könnten wir ein paar Worte wechseln?", versuchte er sich an einem Anfang. Sich vorzustellen schien ihm unnötig, seit der Germanicus zuvor seinen Rang und Namen genannt hatte. -
Langsam schwand seine Hoffnung dahin, etwas Brauchbares zu finden, denn zumindest hier vor dem Theater waren sie bisher auf rein garnichts gestoßen. Blieben nach wie vor nur noch seine Leute, die er unter die Zuschauer geschickt hatte, und die nahmen sich anscheinend ganz schön Zeit.
Endlich erblickte Avianus zwischen den Leuten den Peducaeus, der ihn bereits direkt ansteuerte, und stellte sich selbstverständlich im selben Moment zwei Fragen: Wo war der Germanicus abgeblieben? Und hatte ihre Aktion im Theater überhaupt etwas gebracht?
Doch ehe er fragen konnte, beantwortete der Soldat bereits beide, und lag vermutlich nicht falsch in der Annahme, dass der Miles, der sich nun alleine irgendwo im Theater herumtrieb vielleicht Verstärkung gebrauchen könnte.
"Verstanden ...", bestätigte er kurz, "Rubrius!", rief er einem seiner Milites zu und gab ihm mit einem Nicken das Zeichen, dass er von jetzt an vor dem Theater das Sagen hatte. Denn wirklich sicher, dass sie den Serapio jetzt hatten, konnten sie eben doch nicht sein, und ein ganzes Contubernium brauchte er im Inneren des Theaters hoffentlich sowieso nicht. "Villius, du kommst mit uns", ordnete er dem ihm am nächsten stehenden Miles an und wandte sich dann wieder an Hispo: "Peducaeus, geh' vor."
Um auf die Atemnot des Soldaten Rücksicht zu nehmen, war keine Zeit, sodass sich der Optio mit Miles im Schlepptau vom Tiro angeführt - der wusste schließlich besser, wohin - schnellstmöglich zum Germanicus bringen ließ, bevor ihr Verdächtiger am Ende noch die Fliege machte. Lediglich in Gedanken notierte sich der Iunier, sich auf dem Exerzierplatz vielleicht mal wieder um die Ausdauer seiner Leute zu kümmern.
Und da war er auch schon, als sie nach mehrmaligem Abbiegen in den Räumlichkeiten hinter der Bühne um eine Ecke marschierten, doch gar nicht so alleine, wie zunächst angenommen, stattdessen in Gesellschaft dreier Kerle, die allerdings einen nicht ganz so freundlichen Eindruck vermittelten, von vor allem nicht so aussahen, als standen sie rein zufällig hier herum.
"Salvete... hier treibst du dich also rum, Germanicus", kommentierte Avianus wie so oft trocken, "Gibt es ein Problem?" -
Natürlich musste er nur wenig später alles, was ihn vom Hier und Jetzt und seiner Aufgabe ablenken wollte, wieder verdrängen. Dennoch musste er zugeben, es hätte ihn schlimmer treffen können. Aus ihrem heutigen Einsatz war alles andere alls ein Reinfall geworden. Schließlich hatten sie nicht nur einen Christianer festgenommen, der ihnen gar keine andere Wahl gelassen hatte, sie hatten dazu noch eine Spionin und zu guter Letzt auch noch was auch immer Antias aus der Wirtin herausbekommen hatte.
Bei dem Germanicus hatte er wirklich einen verdammten Glücksgriff getätigt. Oder besser der Tribunus - der hatte ihm schließlich vorgeschrieben, den Kerl mitzunehmen. Avianus jedenfalls hätte vermutlich sagen können, was er wollte, Händchen haltend hätte man Mirjam und ihn im Leben nicht gesehen. Dem Tiro hingegen schien sie zu vertrauen. Dessen Worte trieften zudem auch nur so vor Mitgefühl und Verständnis. Nun, solange diesess Mitgefühl am Ende nicht das Urteilsvermögen des Tiro trübte und er zudem noch nützliche Informationen erhielt, sollte es dem Iunier recht sein.
"Ausgezeichnet, Tiro, sagte er mit einem Nicken, "Packt eure Sachen, wir ziehen ab." Dass der Christianer, den sie im Innenhof festgenommen hatten, mitzuführen war, durfte inzwischen ohnehin jedem klar sein, deshalb marschierte er lediglich Richtung Tür, und ging davon aus, dass seine Leute ihm mehr oder weniger geordnet folgten. Sauberes Marschieren war wohl kaum vonnöten, wenn man in zivil unterwegs war.
Ohne große Umwege würde man wieder die Castra aufsuchen, um dem festgenommenen Christianer ein hübsches Plätzchen im Carcer zu suchen. -
Ad
Tribunus Angusticlavius
Aulus Iunius Seneca
Castra Legionis I Traianae Piae Fidelis
MantuaAulus Avianus Senecae suo s.p.d.
Nachdem die Stadttore nun endlich wieder offen sind und Boten problemlos aus Rom rauskommen, will ich dir vor allem sagen: Ich wäre hin und wieder froh über etwas Langeweile. Aber du hast Recht behalten, man wächst glücklicherweise rein, in den neuen Posten.
Und mich freut es übrigens zu erfahren, dass wenigstens einer von sich vielleicht einmal die Frau nehmen kann, die er haben will. Silanus und Axilla haben von mir bisher nichts erfahren und werden es auch nicht. Du wirst wohl am besten wissen wann und wie die beiden davon hören sollten, in sowas hast du ohnehin mehr Erfahrung als ich. Vielleicht werde ich sie ja irgendwann mal kennenlernen, diese Frau, die ausgerechnet dir so den Kopf verdreht hat, dass du alles aufs Spiel gesetzt hast? Ein wenig neugierig bin ich schon, muss ich zugeben.
Wo wir dann auch schon bei meinem Privatleben wären, wie du es nennst, dabei weiß ich genau, dass du nicht einfach nur Privatleben meinst, sondern eine ganz bestimmte Sache. Komm schon, Seneca, wir kennen uns gut genug. Nenn' die Dinge doch einfach beim Namen.
Du hast allerdings nicht umsonst gefragt. Es gibt neue Entwicklungen, nur keine, die etwas einfacher machen. Davon, dir in diesem Brief die Details zu schildern, möchte ich absehen, es würde schlicht zu lange dauern. Zumindest so viel kann ich dir sagen: Ich habe nach ihr gesucht, und ich habe sie schon vor einer ganzen Weile wiedergefunden. Solltest du Rom tatsächlich einmal einen Besuch abstatten, können wir bei einem Becher Wein vielleicht ein paar Worte dazu wechseln.
Denn ich bin ganz deiner Meinung, hoffentlich sieht man sich bald einmal wieder. Bis dahin bleibt mir nur zu sagen: Mach's gut und lass dich ja nicht von irgendwelchen Sklaven abstechen. Aber als Tribunus steht man sowieso nicht an vorderster Front. Wahrscheinlich erkenne ich dich gar nicht wieder, wenn wir uns dann mal treffen. Man soll ja zunehmen, hinterm Schreibtisch.
Gut, am besten hör ich auf, bevor du meine blöden Scherze noch ernst nimmst.Cura ut valeas.
Avianus -
"Gut, natürlich", sagte Avianus knapp, öffnete die Tür und hielt sie auf, damit Sarah wieder in den Schankraum treten konnte. Hinter ihr verließ auch er die Küche, und stellte fest, dass man dort nicht untätig herumgesessen hatte. Der Germanicus hatte sich inzwischen der Wirtin angenommen und machte den Eindruck, die Sache ganz gut im Griff zu haben, weshalb er deren Unterhaltung vorerst nur beobachtete. Weshalb sollte er auch dazwischenfunken? Er konnte sich gut vorstellen, dass Mirjam sich sehr viel lieber mit einem kleinenTiro unterhielt, als mit einem Optio, von dem sie anscheinend noch dazu dachte, dass er mit einer Hure unter einer Decke steckte, die alles Unglück, das hinter ihr und ihrem Mann lag, erst über sie gebracht haben soll.
"Am besten machst du dich sofort auf den Weg", schlug er der jungen Christianerin noch vor, denn wie was auch immer Mirjam seinem Tiro verriet, Sarah sollte davon besser nichts erfahren.
So nahm er sich ansonsten vor, die beiden ihr Gespräch zu Ende führen zu lassen, und hatte ganz nebenbei noch einmal die Möglichkeit, das Geschehene Revue passieren zu lassen. Heute war ein verdammt verrückter Tag, soviel stand schonmal fest. Aber damit, dass ihr Einsatz in Trans Tiberim... naja... interessant werden würde hatte er ja bereits gerechnet. Schlussendlich war er aber noch sehr viel interessanter geworden, als er zunächst hätte ahnen können, und ohne es zu wollen, landete er in Gedanken wieder bei Sibel. -
Das Kompliment des Tiberiers ließ er unkommentiert. Klar hatten sie ihre Arbeit gut gemacht. Eine Handvoll Soldaten hatte eine ganze Meute davon abgehalten, die Verurteilten niederzutrampeln. Zwei Soldaten, rief Avianus sich erneut ins Gedächtnis. Zwei verdammte Soldaten hatte der Tiberier für nötig gehalten. Wäre bestimmt witzig gewesen, den Magistrat unter den Füßen der tobenden Menge hervorzuzerren, und einen Carnifex hätten sie ebenfalls nicht gebraucht. Dessen Aufgabe hätten vermutlich die Zuschauer übernommen. Ein bitteres Lächeln konnte der Iunier bei den Gedanken dann doch nicht mehr zurückhalten, selbst wenn sein Gegenüber den Grund dafür nicht kannte.
"Mal sehen ...", antwortete er schließlich, noch immer nicht sonderlich angetan von dem Gedanken, sich bei der erstbesten Möglichkeit bestechen zu lassen ohne zu wissen, was der Tiberius in Zukunft noch vorhatte - ob er etwa nur etwas Staub aufwirbeln wollte, oder den Consules den Kampf ansagen. Vorerst hieß es also: Beobachten. Und eventuell ein paar Worte mit der Schwester des Magistrats wechseln. Vielleicht wusste die ja mehr.
"Mist, verdammter ...", murmelte er dann, als sein Blick auf den neuesten Germanicus fiel, der sich von einem Kameraden über den Platz tragen ließ.
"Bestimmt können wir diese Unterredung ein anderes Mal fortsetzen, Magistrat. Ich sehe besser nach meinen Leuten", stellte er fest und verabschiedete sich mit einem schlichten "Vale".
Was war heute eigentlich los, dass um ihn herum alle aus den Latschen kippten, um Bekanntschaft, mit den Pflastersteinen zu machen? Zumindest seine Tirones musste er wohl öfter zu solchen Veranstaltungen mitschleppen. So unappetitlich der Anblick auch sein mochte, er konnte es nicht gebrauchen, dass irgendwann mal bei einem Einsatz einer umkippte, nur weil irgendwem der Schädel eingeschlagen wurde. Seufzend marschierte er zu seinen Soldaten, um sich ein Bild davon zu machen, wer noch wie gut auf seinen Beinen stand. Und was wollten die Leute eigentlich noch hier?
"Na los! Macht Platz! Die Vorstellung ist vorbei!", machte er sich lautstark bemerkbar, um die letzten verbliebenen Störenfriede möglichst schonend dazu zu bewegen, sich wieder auf die Socken zu machen, und natürlich ging es ansonsten auch anders. Immerhin musste nachher noch ein Karren durch. "Wie sieht's aus? Alle noch an einem Stück ...?", fragte er seine Männer - ... vom Germanicus mal abgesehen, fügte er in Gedanken hinzu. "Wir brauchen etwas mehr Platz für den Karren."