Beiträge von Aulus Iunius Avianus

    Avianus' Gesichtsausdruck verfinsterte sich merklich. Was Hispo ihm da auf dem Rückweg zur Taberna erzählte hörte sich alles andere als gut an, und wenn diese Aktion sich zu einem Reinfall entwickelte, würde er Mitschuld daran tragen. Aber darüber konnte er sich auch nachher noch Sorgen machen, nachdem er sich ein Bild von der Lage im Wirtshaus gemacht hatte. Und zumindest hier draußen sah es so aus, als wäre alles im Griff. Blieb nur noch zu hoffen, dass es im Inneren der Taberna genauso aussah.
    "Gut. Weitermachen wie gehabt, Tiro Peducaeus… sollte es Ärger geben, werdet ihr es mich sofort wissen lassen", sagte er zu Hispo und ließ den Tiro wieder alleine vor der Taberna zurück, als er auf die Tür zuging und schließlich den Schankraum betrat.
    _______________________


    Pennus dachte erst einen Moment lang nach, nicht weil er die Antwort nicht kannte, sondern weil sie preiszugeben bedeutete, auch ihre Identität endgültig zu verraten. Aber letzteres wäre wohl kein besonders großer Nachteil mehr, denn jeder mit einem Minimum an Verstand wäre inzwischen darauf gekommen, dass sie nicht irgendwelche normalen Gäste waren. Deshalb nickte er schließlich.
    "So ist es."
    Für heute würde es jedenfalls so sein, aber da brauchte er ja nicht genauer drauf einzugehen. Heute waren sie lediglich für Informationen hier, und nicht um irgendwen festzunehmen.
    Nur einen Augenblick später öffnete sich die Tür und der Optio trat wieder in den Schankraum. Pennus atmete merklich erleichtert aus, denn er war damit endlich erlöst von seiner unfreiwilligen Rolle als Wortführer seiner Truppe. Unterdessen gab sich Avianus so entspannt, wie nur möglich. Aber die Lage machte einen weitaus weniger dramatischen Eindruck, als er es sich kurz zuvor draußen vorgestellt hatte. Die vier Milites, die er in der Taberna stehen gelassen hatte, saßen um einen Tisch und ließen sich den Wein schmecken, den sie von einem der Christianer ausgeschenkt bekamen, und die meisten der fremden Männer standen noch immer im Hintergrund herum, wie sie es schon zu Beginn getan hatten.
    "Ihr habt also doch noch was bekommen?", stellte er erst eine mehr rhetorisch gemeinte Frage an seine Leute, woraufhin Pennus lediglich mit einem leichten Lächeln den Becher hob. "Also, wo ist die Wirtin?" ... damit hier mal wieder etwas vorwärts ging.
    _______________________


    [Blockierte Grafik: http://i60.tinypic.com/30jiss6.jpg]
    Narseh


    Je mehr sie von dem Urbaner dazu gedrängt wurden umzukehren, desto mehr wuchs in Narseh die Entschlossenheit, genau das nicht zu tun. Wie ein Esel, der umso mehr die Beine in den Dreck stemmte, wenn jemand mit aller Kraft am Strick zog. Und warum sollten sie wohl zurück? Damit sie den hübschen Haufen Christianer, der sich inzwischen in der Taberna angesammelt hatte, nachher ohne großen Aufwand in den Carcer verfrachten konnten? Elias konnte da gerne mitspielen, aber er ganz bestimmt nicht. Deshalb ließ er sich von Evander auch nicht zweimal sagen, dass er die Frauen nehmen und verschwinden sollte. Zwar wusste er nicht im geringsten, was Evander nun vorhatte, aber irgendeinen Plan hatte er bestimmt – entweder das, oder er war verrückt.
    Narseh jedenfalls schob die beiden Frauen zu der Mauer zwischen der Taberna und einem der Nachbarshäuser, half erst Sarah über die Mauer und wollte gerade die Wirtin auf die andere Seite der Mauer verfrachten, als noch einer dieser Soldaten aus dem Nichts auftauchte und Evander sein Schwert an die Rippen hielt. Von der anderen Seite aus versuchte nun auch Sarah, Mirjam zu helfen. Hin und her gerissen verzog Narseh das Gesicht, denn mit zwei Soldaten wurde wohl auch Evander nicht fertig.

    Seine Gedanken hingen noch immer an Sibel und ihren Abschiedsworten fest, als er die Gasse hinunter auf die Taberna zuschritt, und wehrte sich gegen den Drang, einen Blick zurückzuwerfen. Sie würde ihn für immer lieben, hatte sie gesagt, etwas das ihm einerseits ein Lächeln in seinen Zügen hinterließ, und ihm andererseits mindestens so große Sorgen bereitete. Denn noch immer gab es dieses für immer für sie beide nicht. Doch er musste sich wieder konzentrieren, so schwer es ihm nun auch fallen würde. Während er weiterging fuhr er sich, wie so oft wenn er zerstreut oder nervös war, durch die kurz geschnittenen Haare und gönnte sich einen tiefen Atemzug. Gerade noch rechtzeitig erkannte er dabei den Peducaeus, ansonsten wäre er wohl an dem Tiro vorbeigelaufen.
    "Tiro, ist soweit alles in Ordnung?", erkundigte Avianus sich bei Hispo nach der Lage. Im Moment sah um die Taberna herum alles ruhig aus, doch oft trog der Schein, und er musste zugeben, so genau wusste er gar nicht, wie lange er mit Sibel in der Gasse gestanden hatte. Abgesehen davon konnte er den Germanicus nirgends entdecken, und den Cluvius hatte er das letzte mal gesehen, bevor er die Taberna betreten hatte. Er gestand es sich nur ungern ein, aber irgendwie hatte er den Überblick verloren. Ausgerechnet der Optio hatte absolut keinen Plan, wie die Lage gerade aussah. Na toll. Und das nur, weil ihm das Schicksal scheinbar nur zu gerne Streiche spielte.
    _______________________


    Erst saßen die vier Milites auf Elias' Erklärung hin lediglich stumm um ihren Tisch. Maso starrte in seinen Weinbecher, Carbo blickte wortlos Cocles an, und Cocles blickte mit nachdenklich zusammengepressten Lippen zur gegenüberliegenden Wand. Und Pennus seufzte. Wieso blieb das Reden eigentlich immer an ihm hängen.
    "Ja…", entgegnete er schließlich zögerlich und unterbrach damit die Stille, "… das hat sich 'rumgesprochen."
    "Macht euch keine Sorgen … sieht mir nicht danach aus, als würdet ihr hier was Verbotenes machen", erhob Carbo endlich wieder einmal das Wort.
    _______________________


    [Blockierte Grafik: http://i60.tinypic.com/30jiss6.jpg]
    Narseh


    Der Perser riss unwillkürlich die Augen auf, als sich ihnen völlig unvermittelt der Mann in den Weg stellte, kaum hatte er die Tür hinter sich wieder geschlossen. Urbaner! Ashraf hatte sich nicht geirrt! Instinktiv stellte er sich zwischen den Fremden, der kurz davor stand, sein Schwert zu ziehen, und die beiden verängstigten Frauen. Ein flüchtiger, entschlossener Blick ging noch zurück zu Evander, obwohl Narseh noch nicht wirklich wusste, was er nun eigentlich vorhatte. Besonders viele Optionen standen ihnen jedoch nicht offen, und dass Evander doch ein Messer bei sich trug, war ihm entgangen.
    "Wir wollen keine Probleme, Urbanicianus. Lass uns vorbei und keinem wird ein Haar gekrümmt", wandte er sich dann wieder mit seiner tiefen Stimme an den Soldaten und sah sich bereits nach einem Ausweg um. "Wir wollen nur diese Frauen sicher nach Hause bringen, Soldat, nichts weiter."

    Zuerst sah der Iunius nur Schmerz und Kummer in ihren Augen, doch dann schien sie nach und nach zu begreifen. Endlich sagte sie ihm, was er sich zu hören so sehr gewünscht hatte, und als sie ihre Umarmung wieder löste, zeichnete sich auf seinen Lippen ebenfalls ein Lächeln ab. Auch er hatte bis vor kurzem nicht damit gerechnet, sie jemals wieder zu sehen. "Dasselbe habe ich von dir geglaubt."
    Gleich darauf erzählte sie ihm schließlich von ihrer neuen Unterkunft, und gab ihm damit einen weiteren Grund, sich zu freuen. Und ob er sie besuchen wollte, nichts wollte er mehr, nachdem er sie zuvor Monate nicht gesehen hatte, und noch immer schwirrten ihm die Fragen im Kopf, für die er sich von ihr eine Antwort erhoffte. Ihr ging es gut, und das war wichtiger als alle Fragen, die er ihr stellen wollte, darüber, was auch immer sich damals im Carcer abgespielt hatte.
    "Ich werde zu dir kommen… vielleicht schon heute… ich weiß es nicht, aber sobald ich kann", versicherte Avianus ihr. Selbst wenn er dafür seinen perfektionierten und über Wochen im Voraus geschriebenen Dienstplan über den Haufen werfen müsste.
    Doch dann kam ihm noch etwas anderes in den Sinn: "Und halte dich in nächster Zeit besser von dieser Gegend fern, hörst du? Es ist hier nicht sicher." In letzter Zeit trieben sich hier zu viele Christianer und Soldaten herum, sodass es ihm lieber war, wenn sie sich wieder auf den Weg über den Tiber machte. Nachdem er sie endlich wiedergefunden hatte, würde er es kaum ertragen, wenn ihr erneut etwas zustieß, und er hoffte, Sibel würde auf seinen Rat hören.


    Schlussendlich kam wieder der Teil auf sie zu, der sich bei ihren Treffen schon immer als der schwierigste herausgestellt hatte, und heute fiel ihm der Abschied noch schwerer als sonst, aber wie jedes mal war er unvermeidbar.
    "Ich liebe dich", sprach er die drei Worte aus, die ihm schon so unfassbar lange nicht mehr über die Lippen gekommen waren. Dann küsste er sie sanft, verweilte mit seinem Gesicht noch einen kurzen Moment nah bei ihrem und löste sich schließlich spürbar widerwillig von ihr. Schrecklich lange hatten sie bereits auf einander warten müssen, was wären da ein paar Stunden oder Tage mehr? Und dennoch, als er wieder auf die Straße trat und seinen Blick auf die Taberna richtete, wusste er, wie langsam die Zeit verrinnen würde, für sie und für ihn gleichermaßen.
    _______________________


    Die in der Taberna sitzenden Milites spürten, wie ihre Aktion langsam aus dem Ruder zu laufen drohte… und verdammt nochmal, wo war der Optio abgeblieben? Wie sie dann von dem Neuankömmling gemustert wurden, der die Mäntel erwähnt hatte, machte die Situation keinen Deut besser. Alle vier schienen sich die Frage zu stellen, ob sie weiterhin versuchen sollten, die unscheinbaren Gäste zu spielen, oder es inzwischen die bessere Idee war, das ohnehin offensichtliche zuzugeben.
    Unschlüssig stellte Pennus seinen Becher ab. "Gibt es ein Problem?", fragte er dann seinen Gastgeber, während die drei Kameraden des Miles sich vorerst noch immer still verhielten.



    [Blockierte Grafik: http://i60.tinypic.com/30jiss6.jpg]
    Narseh


    Der Perser nickte und folgte Evander und schloss die Tür zur Küche hinter sich wieder. Der Wirtin bedeutete er dort sogleich, still zu bleiben. Dann ging Narseh bereits auf den Hinterausgang zu, öffnete vorsichtig die Tür und spähte durch den Spalt hinaus, während er es Evander überließ, nach einem Messer zu suchen. Kurz warf er allerdings einen Blick zu diesem zurück.
    "Aber, Evander, was hast du mit einem Messer vor? Ich hoffe du weißt, was du tust, Bruder", ermahnte er seinen Begleiter hinter sich, nicht dem Leichtsinn zu verfallen, sollte er wirklich vorhaben, sich damit zu verteidigen. Immerhin hatten sie es nicht mit irgendwelchen dahergelaufenen Störenfrieden zu tun, sondern mit ausgebildeten Soldaten, und die kamen noch dazu mit richtigen Waffen daher.
    Als er noch immer keine Gefahr entdecken konnte, trat er schließlich nach draußen und hielt Evander die Tür auf. "Hier sieht alles sauber aus."

    Es hatte sich bereits ein leichtes Lächeln auf seinem Gesicht ausbreiten wollen, sie seinen Namen aussprach, doch sie erwiderte seine Umarmung nicht und sah ihm nicht einmal in die Augen. Mit einer solchen Reaktion hatte er nicht gerechnet. Ein wenig ratlos schob er die Augenbrauen zusammen. Er war es doch, der sich entschuldigen wollte, weil er ihr vorgemacht hatte, er könne sie vor jedem Übel beschützen, und so getan hatte, als wäre es die leichteste Sache der Welt, sie nach seiner Rückkehr wiederzufinden, oder auch weil er sie grob in die Gasse gezerrt hatte. Leicht den Kopf schüttelnd suchte er nach Worten.
    "Nein, mir tut es Leid… Sibel, wir werden über alles reden… wenn du das auch willst. Aber nicht jetzt, mir bleibt nicht viel Zeit", entgegnete Avianus und hatte sich endlich wieder ein wenig gefasst. "Du glaubst nicht, wie sehr ich mich nach dir gesehnt habe…", sagte er dann leise, hob dabei sanft ihr Kinn und hoffe damit ihre Zweifel, welche auch immer sie hatte, aus dem Weg zu schaffen. Ein kleiner Teil von ihm befürchtete bereits, dass er eigentlich das Problem war, und dass sie wieder gehen und ihn zurücklassen würde. Wäre es so, würde er sie ziehen lassen, doch er wünschte sich zumindest zu erfahren, was ihr zugestoßen war, und eine Chance, sich zu erklären. Die Möglichkeit dazu bot sich hier allerdings nicht, denn hinter der nächsten Straßenecke warteten eine Aufgabe und seine Männer auf ihn.
    _______________________


    Auch Maso und Carbo hatten sich inzwischen zu ihren Kameraden gesellt, wobei die beiden doch ein wenig Skepsis zeigten. Geschenkten Wein? Von irgendwelchen Fremden? Wo gab's denn sowas…
    "Wie unser Kollege bereits erklärt hat, will er nur mit der Wirtin reden… und wir wollten uns solange einen Becher Wein gönnen", antwortete Pennus gelassen, der inzwischen scheinbar das Ruder übernommen hatte. "Wo der Kerl hin ist… da weiß ich aber genauso viel wie ihr", setzte er mit einem ehrlich gemeinten Schulterzucken fort. "Bestimmt ist er gleich wieder da, und ihr könnt nachher in Ruhe weitermachen." Der Miles hatte inzwischen bemerkt, dass im Schankraum der Taberna eigentlich gearbeitet und repariert wurde, und seine Truppe die Männer unterbrochen hatte. Aber mit seiner freundlich gehaltenen Antwort war die Sache hoffentlich geklärt.
    Doch als plötzlich ein weiterer Fremder in die Taberna stürmte, zuckte er allerdings zusammen. Wie? Urbaner im Viertel? So schnell konnte sich das unmöglich herumsprechen. Außer irgendeiner von ihrer Truppe hatte draußen Mist gebaut. Hier drinnen jedenfalls schien noch nichts schief gegangen zu sein. Maso schenkte ihm und den anderen beiden warnende Blicke, und die vier blieben vorerst stumm sitzen und versuchten so unwissend wie möglich auszusehen.



    [Blockierte Grafik: http://i60.tinypic.com/30jiss6.jpg]
    Narseh


    Noch immer hatte er die vier Fremden mit schmalen Augen gemustert. Mit Elias' Bemühen, Freundlichkeit und Gastfreundschaft zu zeigen, war Narseh durchaus einverstanden, aber er schien sich der Gefahr nicht bewusst zu sein, die nach der Meinung des kräftigen Persers von fremden Römern ausging. Und das unerwartete Auftauchen des Bäckers, der blindlings seine Warnung in die Runde rief, steigerte sein Misstrauen. Während er sich allerdings bemühte, eine ungerührte Miene zu bewahren, war ein paar anderen die Angst anzusehen. Der Perser knirschte mit den Zähnen.
    "Beruhige dich, Bruder, du hast wohl zu lange in der Sonne gestanden", sagte er mit einem aufgezwungenen Lächeln zu Ashraf, während er auf den Mann zuging, und schob ihn zu einem der Stühle im Schankraum. "Elias, reiche doch auch ihm einen Becher."
    Sie mussten handeln. Doch er befürchtete, bei Elias nur erneut auf taube Ohren zu stoßen, sodass er zu Evander trat.
    "Ich habe ein schlechtes Gefühl, wir müssen die anderen warnen", meinte er und deutete mit einem Nicken zur Tür.

    Avianus ließ den Tiro los und sah in die Richtung, welche Antias ihm deutete. "Gut gemacht", murmelte er und klopfte dem Soldaten auf die Schulter. Komplett neben der Spur beschrieb seinen aktuellen Zustand perfekt. "Nein… nein, such deinen Kameraden, und behaltet die Taberna im Auge. Ich bin sofort wieder da." Dann ließ er den Tiro wieder alleine zurück und schob sich hastig durch die Leute. Verdammt, warum konnte er nicht einfach laut nach ihr rufen? Warum musste alles so verflucht kompliziert sein? Noch mehr plagte ihn allerdings der Gedanke, weshalb sie überhaupt weggelaufen war. Was wenn sie ihn hasste, wenn sie ihn nie wieder sehen wollte… Weiter drängte er sich an den Leuten vorbei, rempelte dabei den ein oder anderen an, bis er sie erreichte. Ohne lange nachzudenken, nahm er sie am Arm und zog sie in die nächste Seitengasse. Dort löste er seinen Griff und blickte sie einen Augenblick lang sprachlos an.
    "Sibel …", brachte er dann hervor, als er ihr verheultes Gesicht in seine Hände nahm, und ihr mit dem Daumen sanft eine Träne wegwischte. Es bestand nicht mehr der geringste Zweifel, obwohl er noch immer damit beschäftigt war, es vollends zu begreifen. Sie war tot, hatte er sich unendlich viele Male gesagt. Er hatte doch ihre Asche gesehen, wie sie sich auf dem verdreckten, feuchten Boden der Zelle verteilt hatte, hatte gehört, wie der Optio ihren Namen gerufen hatte, die vermeintlich Tote beschimpft hatte, wieder und wieder. Trotzdem war sie da, und er bildete sie sich nicht nur ein. Auch Antias und die restlichen Soldaten hatten sie gesehen, und zum ersten Mal seit langem wünschte er sich, nicht endlich aufzuwachen. Dann schlang er bereits seine Arme um ihren schmalen Körper und presste sie an sich, als könnte sie sofort wieder zwischen den Leuten verschwinden, würde er es nicht tun. Endlich konnte er seine nur mühevoll und teilweise nur dürftig aufrecht erhaltene Fassade fallen lassen. Die Erkenntnis, dass sie wirklich am Leben war, drückte ihm vor Freude die Tränen in die Augen, sodass diese leicht zu schimmern begannen. Du lebst, wollte er laut rufen. Doch ihm blieb die Stimme weg. Es tut mir leid, alles tut mir so leid, wollte er sagen. Lediglich ein weiteres leises "Sibel" verließ am Ende mit bebender Stimme seine Kehle.
    _______________________


    "Danke, wir bezahlen auch", meinte Pennus und griff bereitwillig nach dem Becher Wein, der ihm gereicht wurde und setzte sich an einen Tisch. Die anderen Milites nickten zustimmend und taten es ihm gleich.
    "Also ich find's hier gar nicht so übel …", sagte Cocles zu seinen drei Kameraden und trank einen Schluck. Wie die beiden Männer miteinander gesprochen hatten, war ihm natürlich nicht entgangen.



    [Blockierte Grafik: http://i60.tinypic.com/30jiss6.jpg]
    Narseh


    Narseh beobachtete die Szene mit Argwohn, vor allem, da er selbstverständlich von der letzten Razzia der Urbaner wusste und nicht so recht daran glaubte, dass die Sache damit gegessen war. Der Mann persischer Abstammung , wegen seines Aussehens von Römern zumeist skeptisch gemustert und oft gemieden, genoss es, zwischen seinen Glaubensbrüdern und -schwestern ein gleichwertiges Mitglied zu sein, und hatte nicht im geringsten vor, irgendetwas davon wieder aufzugeben. Und dass diese seltsamen Römer darauf bestanden, in einer halbfertigen Taberna zu verweilen, behagte ihm ganz und gar nicht. Beim letzten Mal hatte es doch ganz ähnlich angefangen, nach allem was er gehört hatte. Eine Truppe aufdringlicher Römer war eingeschneit und hatte sich ein wenig unterhalten wollen. Und am Ende hatten sie einen halben Keller voller Leute verschleppt, von denen die meisten nie wieder gesehen worden waren.
    "Das gefällt mir nicht", flüsterte er kaum hörbar Elias zu. "Wenn das hier wieder so eine Sache wird …"

    Sie erwiderte seine Blicke. Der Iunius war sich sicher, sie hatte ihn erkannt, es konnte gar nicht anders sein. Leise vernahm er dann ihre Stimme, kaum mehr als ein Wispern, und sie brachte damit beinahe sein rasendes Herz zum Stillstand.
    Er hatte von Anfang an nicht viel darüber gewusst, was sich während seiner Reise nach Germania hier abgespielt hatte, und im Grunde verstand er seit den letzten paar Sekunden praktisch gar nichts mehr, aber eines wusste er: Sie war da. Aus irgendeinem Grund war sie da. Bleib. Bleib. Er wollte sie an sich drücken, sie küssen, sich erklären, sagen, dass es ihm leid tat. Aber die Tatsache, dass er nicht alleine und aus dienstlichen Gründen in die Taberna gekommen war, schien ihn wie Ketten festzuhalten.


    "Von außen nicht", presste Avianus eine Antwort hervor und versuchte dabei, Sibel nicht aus den Augen zu verlieren. "Ich will mich kurz …" Er stockte, als sie ging auf die Tür zuging. "… mit ihr unterhalten. Keine große Sache."
    Ob er bereits etwas schräg beäugt wurde, entging ihm völlig, und würde in diesem Moment für ihn auch keine große Rolle spielen, denn sie verschwand, flüchtete nach draußen, und ließ ihn alleine im Schankraum zurück – so fühlte es sich jedenfalls an. Vielleicht hatte er sich geirrt, vielleicht suchten seine Träume ihn nun schon tagsüber heim, und die junge Frau war jemand vollkommen anderes. Aber was wenn es nicht so war. Er hatte in ihre Augen gesehen, ihre Stimme gehört, und war sich dabei so sicher wie selten zuvor, dass er sich nicht irrte.
    Panik breitete sich in ihm aus. Nicht noch einmal. Nicht noch einmal wollte er zögern. Denn selbst wenn sie es nicht war, wenn seine Sinne ihm nur einen Streich spielten, was hatte er zu verlieren?
    Ein weiterer fahriger Blick ging zu der Tür.
    "Verdammt… wartet hier", sagte er zu seinen Leuten, die ihm zögerlich zunickten, und ließ mit seinem Befehl ganz nebenbei die fremden Männer in der Taberna wissen, dass es ihn gerade weniger als gar nicht kümmerte, dass der Laden geschlossen war. Genauer genommen interessierte ihn im Moment sowieso nur eines, und diese eine Sache brachte ihn dazu, wieder durch die Tür auf die Straße zu eilen und die Gegend nach der schwarzhaarigen Frau abzusuchen, doch sie war spurlos im Durcheinander der Stadt verschwunden, stattdessen entdeckte er einen seiner drei Beobachter am Eingang der nächsten Werkstatt. Den packte er auch sogleich am Mantel.
    "Wo ist sie hin?", fragte er eindringlich, im Vergleich dazu, wie es in seinem Inneren aussah, aber dennoch ruhig. Der Tiro hatte allerdings besser seine Arbeit nicht vernachlässigt, ansonsten würde ein Gewitter über ihm hereinbrechen, das er so noch nie erlebt hatte.


    "Und was machen wir jetzt?", fragte Carbo seinen Kameraden Maso, der wie er mitten in der Taberna zurückgeblieben war. Sein Kollege zuckte lediglich mit den Schultern.
    "Warten...?"
    "Habt ihr echt nix zu trinken?", fragte Pennus etwas ärgerlich in die Runde und interessierte sich scheinbar wie sein Optio nicht im geringsten dafür, dass er und seine Kameraden hier unerwünscht waren. Der Befehl des Optios galt schließlich mehr, als die Bemerkung irgendeines Fremden. Und wenn er hier schon warten musste, konnte er auch gleich einen Schluck trinken.

    "Salve, Lucius. Zumindest keine schlechten ...", grüßte er mit einem Lächeln zurück, als er ins Officium seines Verwandten trat.
    "Die Augusta befindet sich in der Obhut der praetorianischen Eskorte und wird voraussichtlich heute Abend eintreffen. Sie besteht darauf, den Heimweg von Ostia nicht in großer Eile hinter sich zu bringen", gab er die Nachricht der Augusta weiter. Aber da war ja noch was: "... Und die Sklaven sollen ein Bad vorbereiten."



    Der Marsch von der Castra aus quer durch die Urbs Aeterna hatte Avianus genug Zeit gelassen, sich alle möglichen Szenarien durch den Kopf gehen zu lassen, die er in der Taberna eventuell zu erwarten hätte – dachte er zumindest. Außerdem hatte er – nicht zum ersten Mal – den Beschluss gefasst, keine Miene mehr zu verziehen. Rein, ein paar Fragen stellen, sich vielleicht ein wenig umsehen, raus. Keine große Sache, und mit größter Wahrscheinlichkeit auch ohne große Zwischenfälle. Und als die Taberna endlich in Sichtweite war, gab er letzte Anweisungen: " Miles Cluvius Sulca, Tirones Germanicus Antias und Peducaeus Hispo, ihr wartet vor der Tür. Ihr könnt euch auch gerne ein wenig umsehen. Sollte aber irgendjemand auffälliges die Taberna verlassen und verschwinden wollen, während wir drin sind, dann will ich von euch wissen wohin. Keine Festnahmen, und verhaltet euch unauffällig. Der Rest geht mit rein."
    … und dann stand er bereits vor der alten Holztür, drückte sie auf, nachdem er sich noch einmal mit einem tiefen Atemzug dazu ermahnt hatte, ruhig zu bleiben, was ihn in der Taberna auch immer an Umständen erwarten würde, und kaum hatte er die ersten Schritte in den Schankraum gesetzt, blieb er wie versteinert stehen. Seine Augen hingen geweitet und vollkommen fassungslos an der jungen Frau, die mitten im Raum stand, die restlichen Anwesenden nahm er mit einem Mal nur noch am Rande wahr. Unmöglich, sagte es in seinen Gedanken. Nichts anderes als ein Hirngespinst konnte das sein, was da vor ihm stand, und genauso aussah wie sie. Und mit Sicherheit würde es sich sogleich in Luft auflösen... oder zu Asche zerfallen. Doch selbst als er hinter sich die Caligae seiner Männer auf den Dielen der Taberna hörte, war sie noch da, selbst als er dadurch an seine Aufgabe erinnert wurde und realisierte dass er in dieser Truppe das sagen hatte. Seine Truppe… Sag was… verdammt. Irgendwas. Und dabei drehte sich in seinem Kopf gerade alles und er war heilfroh, dass er nicht auch noch weiche Knie bekam und hier vor seinen eigenen Leuten einknickte. Keine Miene verziehen, hatte er sich gesagt.
    "Jungs, setzt euch... Wird hier noch was ausgeschenkt?", fragte er trotz aller Mühen leicht verkrampft und ließ seinen Blick endlich auch durch den Rest des Raumes wandern, wobei seine Augen dennoch ständig wieder zu Sibel zurückkehrten, als wollten sie ihr sagen: Bleib.
    "Und ist eine gewisse Mirjam da?", fügte er dann ein ganzes Stück sicherer hinzu. Auf dieses Szenario war er eindeutig nicht gekommen.

    "Gut, abite*. Macht euch fertig", sagte Avianus und würde auf dem Vorplatz warten, während die Soldaten in ihre Stuben zurückkehrten, um sich für ihren neuen Auftrag in Schale zu schmeißen. Das aufgesetzte Lächeln hatte sich längst wieder verabschiedet und seine Miene in vollendetem Missmut zurückgelassen. Wenn er sich schon im gewöhnlichen Alltag vor seinen Soldaten zusammenreißen musste, wollte er gar nicht wissen, wie es erst in der Taberna werden würde. Am Ende verlor die Wirtin noch ein Wort über Sibel und traf dabei einen wunden Punkt.
    Als die Milites und Tirones zurückkehrten, hielt bei ihm allerdings wieder das leichte aufgesetzte Lächeln Einzug, und er gab den Befehl zum Abmarsch richtung Trans Tiberim - natürlich nicht in Reih und Glied, dann hätten sie auch gleich ihre Uniformen tragen können. Stattdessen machte man sich als lockeres Grüppchen auf den Weg zum "Silbernen Stern".



    Sim-Off:

    * Wegtreten

    Bevor er in die Baracke der Tirones trat, rechnete er mit dem Üblichen. Ein paar eingestaubte Rüstungen, dreckige Schüsseln oder ungemachte Betten zum Beispiel. Darauf war er vorbereitet. Aber nicht auf das, was ihn hier letzlich erwartete, und sein Geruchssinn erst recht nicht, denn in der Stube schlug ihm ein Gestank entgegen, der direkt aus den Tiefen des Tartarus hätte stammen können.
    "Verdammt nochmal, was bei den Göttern… ? Tirones, was soll dieser Gestank?!", forderte er eine Erklärung und zog sein Focale ein Stück hoch, damit ihm der beißende Geruch nicht weiter in die Nase stieg. Dass es hier überall nach altem Fisch roch, hatte er ja bereits bemerkt, aber in der Habitatio der Tirones war es noch ein ganzes Stück schlimmer… und die Kerle hausten hier auch noch. Konnte man sich an sowas etwa gewöhnen?
    Ansonsten sah es in der Stube ganz passabel aus, und er hätte nur zu gern wenigstens ein einziges Mal bei dieser Kontrolle nichts auszusetzen gehabt, aber da verlangte er anscheinend doch zu viel.

    Endlich erreichte der in Ostia kurzerhand zum Boten umfunktionierte iunische Gardist sein Ziel, den Palatin, und passierte, ausgewiesen als Überbringer einer Nachricht für den Kaiser, ohne lange aufgehalten zu werden die Wachen, um am Ende im Officium des Procurators a libellis, oder besser gesagt seines eigenen Verwandten, zu landen, denn der hatte bei der Organisation der Reise der Augusta scheinbar das sagen – er konnte seine Nachricht ja schlecht einfach dem Kaiser persönlich überbringen.
    "Salve, Miles Aulus Iunius Avianus, Cohortes Praetoriae. Ich überbringe eine Nachricht der Augusta an den Kaiser", meldete er dem Scriba und rechnete natürlich damit, nicht durch eine lange Wartezeit aufgehalten zu werden.





    Mit geweiteten Augen hatte er in die Dunkelheit gestarrt. Sein Herz hatte gehämmert wie die Hufe eines galoppierenden Pferdes auf gepflasterten Straßen. Und das leise Schnarchen der anderen Soldaten, das nach und nach zu ihm durchgedrungen war, hatte ihn langsam zurück in die Wirklichkeit geholt. Doch auch die schien ihm nicht merklich besser.
    Noch immer brannten sich die Bilder des Traumes in seinen Verstand, sobald der Iunius die Augen schloss, vermischt mit Erinnerungen, die er viel lieber schon längst verdrängt hätte. Leere Gänge zwischen stickigen, dunklen Zellen. Eine Frau die vor seinen Augen zu Asche zerfiel. Be-ro-e, Be-ro-e, hallte es in seinem Kopf. Nein, vorerst würde er nicht mehr schlafen. Avianus saß draußen neben der Tür der Baracke und blickte abwesend durchs Lager. Nur Umrisse nahmen seine Augen war, denn der wolkenverhangene Himmel ließ jegliche Sterne missen und ließ selbst den Mond nur schwach durchschimmern. Eine dunkle Nacht. Hier und da erklang ein Ruf oder ein Husten und von irgendwoher trug der Wind die Schritte eines armen Tropfs, der bei Nacht Wache zu schieben hatte, in seine Richtung. Doch nichts davon sickerte wirklich bis zu ihm durch. Er tastete nach dem Amulett, bis seine Fingerspitzen unter dem Stoff der Tunika endlich den Anhänger fanden, und zog es behutsam hervor, um einen kummervollen Blick darauf zu werfen. Unter leisem Seufzen ließ er es wieder im Halsausschnitt der Tunika verschwinden.
    Er fragte sich, wie lange es noch so weitergehen würde. Er wusste, es wurde besser. Irgendwie. Irgendwann. Doch noch immer versetzte es ihm jedes einzelne Mal, wenn seine Gedanken in ihre Richtung abschweiften, erneut einen Stich. Und es gab keine Tabulae mehr, und nichts mehr um sie zu füllen.

    Der Optio zwang sich ein dünnes Lächeln auf, als die kleine Truppe antanzte, die er sich für seinen Sonderauftrag zusammengestellt hatte. Wenn sich schon nichts dran ändern ließ, würde er zumindest gute Miene zum bösen Spiel machen. Und ein Gutes hatte die ganze Sache schließlich doch: Er würde dieser Gruppe von Christianern ein Ende machen. Ein für alle Mal, soviel stand fest.
    "Salve, Milites et Tirones … steht bequem", grüßte er seine Leute. Bei einer solchen kleinen Truppe war die Gefahr, dass ohne ein lautes "STATE" Unruhe entstand doch äußerst gering.
    "Bestimmt fragt ihr euch, warum ihr hier seid." – Das sah er vor allem den beiden Tirones deutlich an. "Nun, vor einiger Zeit hat sich ein Vorfall ereignet, bei welchem eine Gruppe Christianer, die mit ihrer Werbung gegen das geltende Recht verstieß, im Zuge einer Razzia festgenommen wurde. Ich habe einen Auftrag vom Tribunus erhalten, erneut nachzuforschen, ob das Problem damit auch wirklich gelöst wurde oder ob hinter unserem Rücken noch immer ahnungslose Bewohner Roms von Mitgliedern dieser Sekte angelockt werden. Ihr werdet mich beim Anstellen meiner Ermittlungen begleiten", klärte er die Männer schlussendlich auf und hatte dabei mehr oder minder erfolgreich versucht, sich kurz zu halten. Das war dann ja wohl alles, was die Soldaten vorerst zur Hintergrundgeschichte wissen mussten.
    "In einer halben Stunde machen wir uns auf den Weg nach Trans Tiberim in eine Taberna, die unseren ersten Anhaltspunkt darstellt. Macht euch bis dahin fertig, ich will euch in zivil sehen, tragt eure Gladii unter den Mänteln", gab er die letzten Anweisungen vor seinem obligatorischen "Noch Fragen?".

    Der Befehl zum Antreten war ausgehängt, der Optio, wie gewohnt, wenn er nichts Besseres zu erledigen hatte, überpünktlich, und so fehlten nur noch die Soldaten.
    Insbesondere für die Tirones, die sich sonst vor allem mit ihrer Grundausbildung abmühten, würde der Auftrag des Tribuns etwas Abwechslung bedeuten. Bisher wussten die zwei Glückspilze ja noch nichts von der Überraschung, die er bereithielt, aber das würde sich gleich ändern.
    Während sich die Tirones vermutlich freuen würden, war er selbst allerdings wenig begeistert von der Vorstellung, zurück in die Taberna zu müssen, und insbesondere, erneut der Wirtin zu begegnen. Hoffentlich war sie inzwischen verwirrt und verrückt genug, ihn nicht mehr zu erkennen.


    Folgende Milites sind angewiesen, sich zur Mittagsstunde vor den Baracken einzufinden:
    Faustus Villius Carbo
    Lucius Gallonius Cocles
    Gaius Proculeius Maso
    Spurius Cluvius Sulca
    Caius Rubrius Pennus


    Desweiteren die Tirones
    Titus Germanicus Antias
    Sextus Peducaeus Hispo


    Optio Aulus Iunius Avianus

    Ein leichtes Nicken folgte. Der Germanicus also … die Erinnerung an den Tiro mit dem Brief, mit welchem Proculus sich damals einen Spaß erlaubt hatte, ließ für einen kurzen Augenblick ein belustigtes Lächeln in seinem Gesicht aufblitzen. Mal sehen, wer sich in seiner neuen Einheit noch so finden würde.
    "Sobald ich mich mit den Männern meiner Centurie bekannt gemacht habe, werde ich mich um alles kümmern, Tribunus", bestätigte Avianus noch einmal.
    "Weitere Informationen oder Unterlagen existieren wohl nicht?", fragte er zwar noch, zweifelte aber bereits daran, denn gäbe es solche, hätte der Tribun es ihm bestimmt nicht verschwiegen. So wartete er nun also schlichtweg auf eine Antwort seines Vorgesetzten, oder darauf, wegtreten zu dürfen, sollte es ansonsten nichts mehr zu klären geben.

    [Blockierte Grafik: http://i60.tinypic.com/155ihxj.jpg]
    Paullus Ovidius Mento


    Der Ovidius war wenig begeistert vom Gruß der Rekruten, und das war ihm deutlich anzusehen. Auch hielt er sich mit seiner Reaktion nicht lange zurück, warf nur einen kurzen Blick zum Centurio, um den Tirones sogleich seine Meinung um die Ohren zu hauen:
    "Ihr seid ja noch dümmer als ihr ausseht! Wenn euer Kopf bloß Zierde ist, wieso tragt ihr dann eure Helme?! Zu meiner Zeit hätt's sowas nicht gegeben!", zeterte der alte Optio nicht vollends wahrheitsgemäß drauf los, denn seine eigene Grundausbildung war ihm im Detail inzwischen entfallen. Spielte aber gar keine Rolle, denn an der miserablen Vorstellung der Tirones änderte diese Tatsache herzlich wenig. Und erst dann erinnerte er sich daran, dass ein paar Erklärungen vielleicht nicht unbedingt ein Nachteil wären.
    "Ich bin Optio Ovidius Mento, und euer Centurio Duccius Ferox gehört ebenso gegrüßt! Nochmal, gleichzeitig und korrekt!", befahl er und nahm sich vor, ganz genau zu beobachten, wer beim Gruß dieses Mal aus der Reihe tanzte. Vermutlich würde er scheitern.

    So weit, so gut. Aufmerksam beobachtete er das Treiben der Rekruten, versuchte sich einzuprägen, wer sich wie anstellte… bis sein Blick auf den Germanicus und seinen Partner fiel, die sich scheinbar vollkommen planlos und in einer Wolke aufgewirbelten Drecks über den Exerzierplatz prügelten. Zumindest hatte er jetzt ein Beispiel dafür, wie ein Übungskampf nicht funktionierte. Mit zügigen Schritten und einem leisen Seufzen ging er auf die zwei zu und verpasste jedem einen Stoß mit dem Optiostab, um auf sich aufmerksam zu machen.
    "Surgite*, Tirones", befahl Avianus den beiden Schwachköpfen deutlich hörbar. "ATTENDITE**! Augen und Ohren zu mir!", hieß es dann an alle gerichtet. "Sollte es sonst noch jemand nicht verstanden haben: Das hier ist kein Wettkampf und erst recht keine Tavernenschlägerei, haben wir uns vestanden?! Es geht darum, eure Reflexe zu schulen und zu lernen, euren Gegner einzuschätzen, nicht darum, eure Kameraden möglichst bunt aussehen zu lassen …" … bevor sich hier noch wer die Rippen brach. "Weitermachen. "
    Aber vielleicht sollte er sie auch einfach selbst machen lassen… ja, schlagt euch doch die Schädel ein. Abhärtung eben, oder? Aber doch nicht so. Da könnte er sie doch gleich alle hintereinander einfach einmal mit dem Optiostab verprügeln. Und da diese Sache vorerst geklärt war (dachte jedenfalls der Iunier), wandte er sich wieder ab, um zu sehen, was der Rest der Männer so an Kämpfen fabrizierte. Wenn es so weiterging, konnte es ja noch richtig witzig werden mit der Truppe.


    Sim-Off:

    * Aufstehen
    ** Achtung!

    Nein, bei der Festnahme des Ioannis waren die beiden nicht dabei gewesen. Dafür hatte der Mann der Wirtin danach erneut Bekanntschaft mit den Stadtkohorten machen dürfen, und vermutlich auch mit dem Carcer. Wo dieser Simon jetzt war, mochten wohl alleine die Götter wissen. Dabei hatte ihm die Wirtin die Ohren voll gejammert, er müsse doch dazu in der Lage sein, ihr ihren Mann zurückzubringen. Nicht einmal Sibel hatte er befreit. Soviel dazu. Und fast wäre er dem Tribun ins Wort gefallen, um ihn zu korrigieren, entschied sich im letzten Moment aber doch noch dazu, den Mund zu halten. Du weißt davon, verdammt nochmal, aber doch nicht jede Kleinigkeit. Du hattest nichts damit zu tun, Aulus. Rein gar nichts.
    "Ich verstehe", bestätigte Avianus, "Was wenn diese Christianer noch immer um Mitglieder werben? Werden wir in einer größeren Aktion gegen diese Gruppe vorgehen?"
    Und am liebsten hätte er seine neue Einheit bereits gekannt, so hätte er sich im Kopf bereits zurechtlegen können, wen er in seiner kleinen Truppe mitnehmen wollte. Ja, klein würde sie sein, nichts Aufsehen erregendes, nur zur Sicherheit. Und mehr Paar Augen und Ohren bekamen schließlich auch mehr mit.
    "Nicht zu viele, wenn wir im Idealfall lediglich ermitteln sollen... um keine unnötige Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen." Denn selbst in Zivil waren größere Mengen stramm stehender Römer alles andere als unauffällig. "Ich bezweifle, dass mehr als ein Contubernium vonnöten sein wird." Je nachdem, wo ihre Ermittlungen sie hinführen würden. Hin und wieder konnte es auch von Vorteil sein, sich auf zwei oder drei kleinere Gruppen aufteilen zu können.

    Im Anschluss an die Stubenkontrolle ging es mit den Tirones ab auf den Exerzierplatz, während sich die restlichen Milites auf den Wachdienst vorbereiten würden – was vermutlich so viel hieß wie: Sie legten noch einmal für ein paar Minuten die Beine hoch, um sich vom frühen Appell zu erholen. Aber wenigstens der Iunier, der selbstverständlich dafür gesorgt hatte, genug Schlaf zu bekommen, war noch immer bei bester Laune.
    "Tirones, in aciem venite!", rief Avianus über die Köpfe der Rekruten hinweg und wartete bis jene sich wieder in Reih und Glied aufgestellt hatten und Ruhe einkehrte. "Der Centurio hat mit euch inzwischen die Grundlagen erarbeitet, deshalb werdet ihr heute etwas Kampftraining genießen dürfen. Haben von euch schon welche Erfahrung im Ringen?", fragte er dann eher rhetorisch, denn gleich im Anschluss würde die Truppe sowieso eine Erklärung hören: "Weg mit den Loricae, weg mit den Waffen, sucht euch einen Partner. Kein Beißen, kein Kratzen, kein Ziehen an den Haaren, ihr seid keine kleinen Mädchen. Und ich würde es vorziehen, wenn ihr mir hier keine Schwerverletzten produziert", sagte er mit einem breiten Lächeln. "Spätestens wenn euer Partner auf den Boden klopft, ist der Kampf vorbei, verstanden?"