"Sehe ich so aus als wäre es nur deswegen?", fragte er ungerührt zurück. An irgendeinem anderen Tag hätte er sich vielleicht köstlich mit den beiden anderen Milites unterhalten, aber mit Sicherheit nicht heute. Er wollte nur rein, seine Geliebte finden, sofern sie da war, und wieder raus, möglichst einfach, möglichst schnell. Mehr nicht.
Rang und Name. Echter Name, falscher Name? Verdammt, ich habe keine Ahnung was ich hier mache, kam es ihm in den Sinn. Ja was sollte das eigentlich werden? Er war doch nicht die Art Soldat, die irgendwelche krummen Dinger drehte. Aber da musste er jetzt wohl oder übel durch.
"Miles Iunius Avianus", antwortete er schlussendlich wahrheitsgemäß. Er kannte unter den Urbanern mehr als nur eine Handvoll Leute und bei seinem "Glück" wäre es nicht einmal eine Überraschung einem von ihnen hier irgendwo über den Weg zu laufen, wahrscheinlich war es also besser, nicht mehr Lügen zu erzählen als unbedingt nötig. Außerdem schienen die beiden Milites, mit denen er es hier zu tun hatte, ohnehin nicht die Hellsten zu sein. "Ein Praetorianer hat immer seine Gründe, aber wenn du es genauer wissen willst: Ich soll etwas über ihren ehemaligen Besitzer herausfinden." Der hatte sich in seiner Vergangenheit immerhin an einem Praetorianer vergangen. Was aus dem Scheusal wohl geworden war... Ha, Silanus, wer hätte gedacht, dass du mir irgendwann noch nützlich sein würdest, sentina foeda.
Beiträge von Aulus Iunius Avianus
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Als Torquata ihm weiter von ihren Bedenken und Sorgen berichtete, konnte auch er keine richtigen Worte mehr finden, um sie aufzumuntern. Was sie ihm erzählte, waren Tatsachen, die weder er noch sie ändern konnten, und mit welchen sie sich einfach arrangieren musste. Aber irgendein kleiner Witz fiel ihm immer ein, selbst wenn er sonst nicht weiter wusste.
"Du wirst dich eben daran gewöhnen müssen. Aber wenn jemand wie ich Praetorianer sein kann, dann wirst du mit Sicherheit keine Probleme bei den Vestalinnen haben", scherzte er. "Und ich werde eh nie formell zu irgendetwas eingeladen… etwas Abwechslung schadet mir bestimmt nicht."
Nur ihre Beschreibung dessen, was ihre in der letzten Nacht passiert war, grub ihm schließlich wieder skeptische Falten in die Stirn, während er sich fragte, was sie von ihm dazu hören wollte. Jedenfalls entschied er sich vorerst dagegen sie für verrückt zu erklären
"L.T.L. … das könnte praktisch jeder sein. Und du bist wirklich sicher, dass es kein Traum war?", fragte er und versuchte dabei so wenig kritisch wie nur möglich zu klingen. Aber Torquata wusste bestimmt selbst, wie unglaubhaft ihre Geschichte klang.
Aulus hallte es dann in seinem Kopf wider. Er hörte seinen Praenomen nur zu selten aus dem Mund anderer Leute. Und ausgesprochen mit jenem dankbaren Tonfall und der hellen Stimme hörte er ihn sonst nur von Sibel. Es war beinahe unerträglich wie ihn jede Kleinigkeit immer und immer wieder an sie erinnern wollte. Er schluckte.
Und erst jetzt bemerkte er wieder, dass ihre Hand auf seinem Arm lag und er noch gar nichts gesagt hatte. "Keine Ursache." -
Was in der Vergangenheit passiert war, ließ sich ohnehin nicht mehr ändern. Avianus hoffte einfach nur, dass Seneca klug genug war, die Situation richtig einzuschätzen und keinen weiteren Schaden anzurichten, wie es scheinbar bei seinem Verhältnis zu Axilla geschehen war. Aber an dieser Stelle vertraute er seinem Verwandten durchaus.
"Ich nehme jetzt einfach mal an, du weißt, was du tust. Sieh einfach zu, dass es so bleibt und von mir wird niemand etwas erfahren", versicherte er Seneca lächelnd, seinem Tonfall konnte man aber entnehmen, dass er es wirklich ernst meinte. "Soll jetzt keine Drohung sein oder sowas …", fügte er dann noch grinsend hinzu, trank einen letzten Schluck und stellte den Becher ab, "… aber ich muss mir auch schon so über genügend Dinge Gedanken machen." Da konnte er eine Sorge mehr absolut nicht gebrauchen. -
Genau dieser eine Urbaner, den Avianus um Hilfe gebeten hatte, hatte sich aus dem Staub gemacht. Wie könnte es anders sein. Mochten die Götter wissen, was es mit seinem Glück auf sich hatte, jedenfalls schien seine Beziehung zu Sibel verflucht zu sein. Praktisch nichts lief richtig und wenn etwas klappte, ging dafür danach alles schief. Es war einfach zum verrückt werden.
Doch es gab eine Lupa im Carcer der Urbaner. Eine hagere, blasse, schwarzhaarige, die in dieser einen bestimmten Taberna gearbeitet hatte. Oder zumindest hatte es diese Lupa im Carcer einmal gegeben. Wer wusste schon, was in letzter Zeit alles passiert war, während er nur unschlüssig Däumchen gedreht und wertvolle Zeit verloren hatte. Jeden Tag hatte er sich gefragt, welche Angst größer war – die vor den Konsequenzen, die folgen würden, wenn er sich in Schwierigkeiten brachte, oder die Angst davor, zu erfahren, dass es zu spät war, wenn er sich endlich doch noch in den Carcer der Stadtkohorten wagen würde. Aber schlussendlich war Gewissheit das, was er sich am meisten wünschte, selbst wenn es inzwischen für Sibel zu spät war und er daraufhin in Schuldgefühlen und Selbstmitleid versinken würde. Denn das tat er eigentlich auch jetzt schon.
Alles zusammen änderte allerdings nichts daran, dass es rein objektiv gesehen absolut bescheuert war, sich für irgendeine Lupa mittels irgendeiner erfundenen Begründung oder Bestechungsgeld in den Carcer der Cohortes Urbanae einzuschleichen, wenn man nicht einmal eine Idee hatte, was danach passieren sollte, wenn man denn fand, wen man suchte. Er hoffte einfach, er würde auf einen jungen naiven Miles treffen, der sich mit ein paar Münzen und der Erklärung, er sei Praetorianer und wolle sich diese Christianer mal genauer ansehen, zufrieden gab… und dann würde er eben weitersehen. So weit jedenfalls der Plan.
Also stapfte man Richtung Carcer, gab sich möglichst gelassen und sprach die erste Wache an, die einem dort im Weg stand.
"Salve, Miles", grüßte der Iunius. "Ich bin hier, um mich im Carcer nach einer Lupa umzusehen, die vor einer Weile gemeinsam mit mehreren Christianern angekommen sein soll." -
So falsch hatte er also nicht gelegen, das machte es aber eigentlich nicht besser, denn er hatte absolut keine Ahnung, wie er ihr antworten oder gar helfen sollte. Glücklicherweise überschwemmte Torquata ihn förmlich mit Worten, sodass er vorerst nichts anderes tun musste, als vor ihr in die Hocke zu gehen und geduldig zuzuhören, bis sie geendet hatte.
"Ganz ehrlich … ich glaube, dass ich für gewöhnlich mehr falsche als richtige Entscheidungen treffe, also würde ich nicht blind auf meinen Rat vertrauen", warnte Avianus sie zunächst bitter lächelnd, doch er wollte es natürlich nicht dabei belassen. Immerhin war sie bis zur Castra Praetoria marschiert, nur um ihm von ihren Sorgen zu berichten, und wer ihn gut genug kannte, wusste, dass er zu gutherzig war, um Torquata in einer solchen Situation kurzerhand den Rücken zuzukehren.
"Aber dein Bruder wird nicht aus der Welt sein, Torquata. Du sagst, dass du ihn verlieren wirst …" Er brach kurz ab, um sich doch noch neben Torquata auf die Stufen zu setzen. "Mein Bruder ist tot, da kann man von verlieren reden. Und das ist dann wirklich endgültig." Die Worte kamen ihm in Torquatas Augen vermutlich überraschend ruhig über die Lippen. Es war schon Jahre her, dass ihn damals die Nachricht vom Tod seines Bruders erreicht hatte, er hatte längst damit abgeschlossen.
Nachdenklich blickte er einen Moment lang zu Boden und dachte darüber nach, wie er am besten formulieren könnte, was er von ihrer Lage hielt, bevor er wieder zu Torquata aufsah.
"Und irgendwann ist es Zeit, dass man seinen eigenen Weg geht. Dein Bruder hat dasselbe getan. Wenn du bei den Vestalinnen dienen möchtest, dann solltest du das machen." Inwiefern sie da eine Wahl hatte, konnte er nur schwerlich beurteilen. Vermutlich keine sehr große. Aber er das ließ er hier einfach mal außen vor. -
Ja, das hatte er. Mit einem leichten Nicken stimmte er Torquata zu, da er annahm, dass sie sogleich fortfahren würde. Tat sie aber nicht, stattdessen schwieg sie wieder. So unangenehm Avianus die Stille zwischen ihnen auch empfand, ihm kam dennoch nichts Besseres in den Sinn als ebenfalls stumm neben ihr gehen, in der Hoffnung, dass sie irgendwann doch noch genauer auf seine Frage eingehen würde, ohne dass er sie ein weiteres Mal stellen musste.
Er konnte sich kaum vorstellen, dass Torquata ihn absichtlich auf die Folter spannte, obwohl er sie natürlich noch immer kaum kannte, doch bisher war er immer in der Lage gewesen seinen Gegenüber zumindest ansatzweise einzuschätzen. Vielleicht war das Anliegen, mit welchem sie zu ihm gekommen war, doch dringender, als es der Tonfall der Wache hatte vermuten lassen.
Praktisch den ganzen Weg bis zum Forum wechselten sie deshalb kein Wort mehr, bis Torquata schließlich selbiges wieder ergriff, gerade als er sich an die Stille gewöhnt hatte – was natürlich nicht bedeutete, dass er es nicht begrüßte, das Gespräch mit ihr wieder aufzunehmen. Ganz im Gegenteil, er war vielmehr erleichtert, sie nicht durch seine Wortkargheit verstimmt zu haben.
Er bemerkte die starren Blicke, mit welchen sie das Atrium Vestae bedachte, machte an ihrer Seite Halt und runzelte leicht stutzig die Stirn.
"Und das gefällt dir nicht?", versuchte er zu erraten, worauf sie hinauswollte. "Was hat er denn für dich geplant?" Eine vage Ahnung beschlich ihn, als er an ihren Blick von gerade eben zurückdachte, überließ es aber Torquata, ihre Situation selbst zu erklären, bevor er irgendwelche Vermutungen von sich gab. -
Je mehr Avianus mit der jungen Iulia zu tun hatte, desto seltsamer kam sie ihm vor. An einem Tag gab sie scheinbar alles, um als hilfloses verzweifeltes Mädchen gesehen zu werden, am nächsten tauchte sie so zurückhaltend und gelassen auf, als wäre sie eine zu klein geratene Erwachsene. Sie verwirrte ihn… und wie. Fast so sehr wie damals, als er ihr auf dem Forum zum ersten Mal begegnet war.
Er war ihrer Aufforderung, ein Stück mit ihr zu gehen, gefolgt und musterte sie die ganze Zeit über eindringlich. Am besten klärte ihn Torquata zügig auf, worum es überhaupt ging, denn so wie es jetzt noch aussah, hatte er nicht die geringste Ahnung, was Sache war – was ihm selbstredend absolut zuwider war, selbst wenn er es ihr gegenüber nicht direkt zeigte.
"Also, was ist los? Mir wurde gesagt, es wäre etwas Dringendes", wiederholte Avianus deshalb seine Frage ruhig, als sie bereits einige Schritte gegangen waren und die Castra nicht mehr in Hörweite war. Ein Spaziergang war mit Sicherheit nicht ihr einziger Grund gewesen, ihn vor die Porta zu bestellen. -
"Naja... schon", gab er als Antwort zurück und musterte etwas skeptisch den kräftig gebauten Sklaven. Es entging im natürlich nicht, wo sich dieser aufstellte, nachdem Torquata ihn von sich weggeschickt hatte, nur ob sie es so beabsichtigt hatte, war ihm nicht ganz klar. Dass er am Ende ihrer Einladung zu einem Spaziergang folgte, lag allerdings weniger am Begleiter der Iulia - vor dem brauchte er bestimmt keine Angst zu haben - sondern mehr daran, dass er erfahren wollte was denn nun so wichtig war.
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Nie suchte irgendwer nach ihm… abgesehen von irgendwelchen Vorgesetzten. Nie. Entsprechend überraschend war deshalb auch die Nachricht der Wache gekommen: Ein Mädchen stünde vor dem Tor, irgendeine Iulia, und es sei besonders wichtig.
Doch nicht etwa die Iulia. Die etwas schräge, die er damals auf dem Forum getroffen hatte, oder besser, die die ihn ohne Scheu angesprochen und all ihre Sorgen über ihm ausgeschüttet hatte? Jedenfalls war sie die einzige Iulia, die in Frage kam.
Viel lieber hätte er nach dem morgendlichen Exerzieren und vor dem späteren Wachdienst natürlich ein Nickerchen eingeschoben, stattdessen schob er sich jetzt durchs Tor, fuhr sich noch einmal durch die kurzen Haare und fragte sich, was überhaupt so wichtig war, dass sich die junge Iulia auf den Weg bis zur Castra machte, nur um mit ihm zu sprechen. Ausgerechnet mit ihm. Weil er ja der Meister im Lösen von Problemen schlechthin war. Und tatsächlich, da stand sie herum und wartete.
"Salve, Iulia Torquata", grüßte er bemüht freundlich. Irgendwie tat sie ihm ja schon leid. Man musste schließlich ganz schön verzweifelt sein, um sich an irgendwelche Fremden zu wenden, so wie sie es tat, selbst wenn er nicht irgendein Gammler von der Straße sondern Praetorianer war. Außerdem hatte er ihr gesagt, wie sie ihn erreichen konnte... da musste er ja fast damit rechnen, dass sie sein Angebot wirklich annahm. "Was gibt's?" -
"Wenn wer hier am Tor durch muss oder nach jemandem fragt, ist es immer ganz besonders dringend, Iulia Torquata", bemerkte die erste Wache, als sie sich wieder gefasst hatte. Ist doch nur ein Kind, Mann. Und war ihm auch ziemlich Wurst, wie dringend es wirklich war, denn reinlassen würde er das Kind sowieso nicht, über die Wichtigkeit der Angelegenheit entschied schlussendlich einfach der gesuchte Iunius, sobald man ihm berichten würde, dass da ein kleines Mädchen auf ihn wartete. Keiner würde den Kerl zwingen, vors Tor zu latschen.
"Wenn du hier wartest, können wir wen nach ihm schicken… also diesem Iunius", fügte der zweite Soldat relativ gelassen hinzu. "He du da!", rief er dann einem Kameraden zu.
"Hm?"
"Die da sucht so einen Praetorianer, Iunius Avianus, Centuria VI, Cohors II."
Es war ganz offensichtlich nicht das erste Mal, dass der Soldat nach jemandem suchen sollte, denn er verzog kurz dass Gesicht und machte sich nach einem gemurmelten "Ich geh ja schon..." auf den Weg. -
Erst hatten die Wachen am Tor noch angenommen, das Mädchen habe sich womöglich einfach nur zur Castra verirrt, aus welchem Grund auch immer. Sichtlich überrascht waren die Soldaten deshalb auch, als sie ohne Zögern ihr Anliegen vorbrachte und ihnen damit klarmachte, dass sie absolut falsch gelegen hatten. Was sie hier wollte, wusste sie zumindest schonmal.
"Ach …?", machte einer der Soldaten also erst nur und blickte daraufhin zu seinem Kollegen.
"Und wer bist du?", fragte der andere dann zwangsläufig, weil seinem Kameraden scheinbar gerade nichts Besseres einfiel, als blöd dreinzuschauen.
Eigentlich war es ja schon Usus, dass sich die Leute mit ihrem Namen am Tor anmeldeten, übel nehmen würde er es dem Mädchen mit fesselndem Blick aber bestimmt nicht. -
"Hör bloß auf, sonst krieg ich noch Angst vor ihr."
Na das war ja mal eine Nachricht. Der hatte also schon vor ihm was Heikles laufen gehabt … und dabei hatte Avianus sich zeitweise gedacht, dass doch niemand anderes so blöd sein konnte, um sich in eine solche Beziehung oder auch nur etwas annähernd Ähnliches zu verwickeln.
Da blieb dann aber noch eine einzige Frage, an der er einfach nicht vorbeikam.
"Seneca, ich habe keine große Lust, da noch lange herumzustochern…", sagte er schief lächelnd, "Naja, eigentlich schon… aber du verstehst, was ich meine." Er wusste schließlich nur zu gut, dass man manches lieber für sich behielt. Außerdem war er das Gefühl, dass Seneca irgendwie sein Vorgesetzter war, immer noch nicht ganz los. Er trank einen Schluck und seufzte leise.
"Aber nur eine Frage: Ist deine Sache riskanter und dümmer als meine?" Er ging einfach mal davon aus, dass es zumindest ein wenig dumm war – wenn jemand etwas wunderbar und gefährlich zugleich fand, war meistens auch etwas Dummheit im Spiel. -
Na endlich, wurde langsam Zeit, dass die Tiberia sich auf den Weg machte. Man hätte ja fast auf den Gedanken kommen können, sie wollte vor dem Palast übernachten. Zumindest war es dem Iunier so vorgekommen, wärend sich sein Kamerad durch und durch amüsiert hatte, was man ihm auch deutlich ansah.
"DAS WAR DER HAM ..." Klonk!
Cato schob sich nach dem anständigen Klaps auf den Hinterkopf, den er gerade kassiert hatte, den Helm wieder zurecht und schenkte seinem Kollegen missmutige Blicke.
"Verräter", sprach Avianus jetzt, da die Tiberia verschwunden war, das Wort laut aus, worüber er zuvor nur nachgedacht hatte und erwiderte Catos Ausdruck ernst. Erst einen Augenblick später hielt er ein leises Lachen nicht mehr zurück.
"Du solltest dich geehrt fühlen, dass ich überhaupt mit dir spreche, so toll wie ich bin", äffte er die Tiberia erneut nach, bevor ihm wieder einfiel, dass er als Wache still zu sein und Haltung anzunehmen hatte. -
"Jetzt machst du Witze, oder?", platzte es aus Avianus ungläubig heraus. Die Geschichte könnte ja fast genauso gut von ihm stammen. Doch weder Senecas Gesicht noch dessen Stimme deuteten an, dass er sich mit seinem Verwandten einen Spaß erlaubte, sodass Avianus selbstverständlich mit einem Mal tausend Fragen in den Kopf schossen.
Ja, wovon redete Seneca da eigentlich? Ausflippen? In welcher Hinsicht? Würde er seinem Cousin den Hals umdrehen wollen oder noch zwei Amphoren Wein aufmachen? Und für wen war es eigentlich besser, wenn er absolut keinen Schimmer hatte, was Seneca da von sich gab?
Anders als sonst so oft, dachte er allerdings vorher noch einmal darüber nach – hätte er bereits mehr Wein intus gehabt und jener bereits seine Wirkung entfaltet, wäre die Sache mit großer Wahrscheinlichkeit anders ausgegangen. Also behielt er einfach das Lächeln im Gesicht und nahm sich vor, irgendetwas zu sagen, dass die Stimmung nicht in den Keller sacken lassen würde.
"Zu mir hast du damals gesagt: Bloß kein Wort zu Axilla!", sagte er gespielt aufgeregt und gestikulierte mit der freien Hand herum. -
Wenn sie einen Starr-Wettkampf haben wollte, dann würde der Iunius bestimmt nicht den Spaßverderber spielen. So wie ihn also die Patrizierin grimmig fixierte, blickte auch er weiterhin mit verengten Augen zurück.
Aber das Beste war natürlich, dass der Tiberia kein Wort mehr über die Lippen gekommen war und das genügte bereits, dass sich schlussendlich ein fröhliches Lächeln auf seinem Gesicht ausbreitete.
"Sie ist sauber", machte sich Cato wieder bemerkbar, als er Lucia vorschriftsgemäß durchsucht hatte.
"Was du nicht sagst... Du kannst durch, Tiberia", gab der Iunier alles andere als überrascht zurück und gab ihr ein Zeichen, dass sie passieren konnte.
"Du wusstest, dass sie keine Waffen dabei hat?"
"Ihre Zunge ist das einzige scharfe an ihr." Noch im selben Moment als er die Worte aussprach, wollte er sich mit der flachen Hand gegen die Stirn schlagen, hielt sich allerdings zurück und verzog nur mit einem Seufzer kurz das Gesicht.
"Aber du hast den Sehtest bei der Musterung damals schon bestanden?", flüsterte Cato amüsiert glucksend, leicht zu Avianus hinüber gelehnt, während dieser sich lautstark räusperte, um die bereits befürchtete blöde Bemerkung seines Kollegen zu vertuschen. -
Da kam sie sich als Tiberia wieder mal besonders wichtig vor. Dass sie zwischen den Senatoren und hohen Beamten, die täglich das Tor passierten, absolut nicht zu den wichtigsten gehörte, vergaß sie dabei scheinbar vollkommen. Das führte dazu, dass Avianus bei ihrer hochnäsigen Bemerkung lediglich müde lächelte. Die musste noch viel lernen, die werte Tiberia. Und vielleicht wäre es ja eine größere Ehre, sich mit ihr zu unterhalten, wenn sie irgendetwas Wichtiges zu sagen hätte. Aber da musste er dann ehrlich zugeben, um eine anständige Konversation mit ihr hatte er sich noch gar nie bemüht.
"Ich weiß nicht, ob es dir aufgefallen ist, aber ich bin sowieso nicht hier, um mit dir zu tratschen. So sehr ich deine Gesellschaft auch schätze, meine Liebe", kommentierte der Iunier sarkastisch, bevor er sich wieder ungerührt seinem Kameraden zuwandte. "Nun gut… Cato? Gründlich bitte", sagte er dann und äffte dabei den Ton der Patrizierin nach - oder zumindest hörte sie sich für ihn so an. Um seine kleine Theatervorstellung zu vollenden, deutete er mit einer einladenden Geste zu der Tiberia.
"Aber selbstverständlich doch."
Während sich also Cato ans Werk machte, wurde Lucia von ihrem "alten Bekannten" mit schmalen Augen gemustert. -
Zu niedrig oder zu hoch. Avianus wusste natürlich ganz genau, worauf sein Vetter da anspielte, und konnte nicht anders, als bei dem leidigen Thema müde zu lächeln. Man musste es wohl einfach mit Humor nehmen. Er hatte sich schon oft genug davon runterziehen lassen.
"Ich habe nie gesagt, dass es nicht interessant ist." Nur, dass es nicht lustig ist. Für mich jedenfalls. Vielleicht würde sich ja Seneca köstlich amüsieren, zumindest wenn er hörte, wie eine junge Patrizierin ihm das Leben schwer machte. Und es war für seinen Verwandten der letzte Abend in Rom vor seiner Abreise, da konnte er ihm den Gefallen tun, ein wenig davon zu erzählen, wenn er sich schon an dessen Wein bediente.
"Was die Peregrina angeht… ich habe seit unserer Reise nach Germania nichts mehr von ihr gehört oder gesehen." Er hielt sich bewusst knapp, als er von Sibel sprach, und dass er so eine Ahnung hatte, wo sie womöglich war, verschwieg er ebenfalls erst einmal. Dass er überhaupt nach ihr suchte, würde vermutlich bereits die Stimmung verderben. "Und mit zu hoch meinst du die Tiberia, nicht wahr? Dann kann ich dich beruhigen, da läuft weniger als nichts. Sie macht sich lediglich einen Spaß daraus, mir auf die Nerven zu gehen", erzählte er wieder mit einem Lächeln auf den Lippen. "Aber sag' bloß, du hast keine Geschichten zu erzählen. So sauber bist doch nicht mal du." Er trank ebenfalls einen Schluck und grinste breit. -
Avianus nickte. Nicht dass er besonders viel Ahnung davon hatte, aber die Iulia hörte sich ja fast schon so an, als würde mit einer Ehe ihr Leben aufhören. "Bitteschön." Er wandte sich wieder den Schriftrollen zu.
Servius Iulius Macro… Gut den Namen würde er sich merken. Aber er und stoisch? Naja, zumindest war er kein Hitzkopf. Als Hitzkopf tat man sich aber auch schwer bei den Cohortes Praetoriae, da zog er es doch vor sich zu beherrschen. Meistens jedenfalls. Und während er noch so dachte, wurde er mit einem Mal ohne Vorwarnung von Torquata umarmt und auf die Wange geküsst. Doch ehe er sich versah, war sie auch schon wieder zwischen den Leuten verschwunden. Der Iunius widerstand dem Drang, sich wie ein kleiner Junge an die Backe zu fassen.
"Man sieht sich", sagte er noch, selbst wenn sie es nicht mehr hören würde. Seltsames Mädchen. Vielleicht wurde er ja auch schon verrückt und hatte sich alles nur eingebildet. Hm. Vielleicht sollte er langsam mal Cato suchen.Sim-Off: Na das hoffe ich doch.
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Erneut irritierte ihn die Iulia merklich, musste wohl ihr geheimes Hobby sein.
"Wie meinst du das?", fragte Avianus mit einem Stirnrunzeln und kam sich dabei etwas blöd vor, aber bei Torquatas Gedankengängen konnte er offenbar einfach nicht immer ganz mithalten. "Wenn du keine freie Zeit mehr haben wirst, wann willst du das hier dann fortsetzen?"
Warum sie ihn überhaupt irgendwann wieder treffen wollte, verwunderte ihn dabei gar nicht einmal mehr wirklich. Denn genauso seltsam, wie sich die Frauen in seiner Gegenwart meistens aufführten, genauso sehr klebten sie auch an ihm.
"Aber weißt du was: Geh zur Castra Praetoria, nenn' der Wache meinen Namen, Cohortes Praetoriae, Centuria VI, Cohors II. Du kannst mir eine Nachricht zukommen lassen oder mich sprechen, wenn ich gerade da bin. In Ordnung?" -
"Ach …?", machte er nur kurz. Der Iunier hätte überraschter sein können, als sich Torquata plötzlich auffällig erwachsen aufführte, während sie wenige Sekunden zuvor noch die Sergia als dumme Kuh bezeichnet hatte, denn dass die Iulia etwas eigen war, hatte er ja schon gleich zu Beginn herausgefunden.
Dann hakte sie weiter wegen seiner Freizeit nach und er ahnte bereits, worauf sie hinaus wollte. "Das hängt vom Dienstplan ab. Abends habe ich immer wieder mal frei, und manchmal bekommen wir zusätzliche freie Tage. Wieso?" Obwohl er die Antwort wahrscheinlich schon kannte, kam er nicht umhin noch einmal genauer zu fragen.
Einen Rat hatte er allerdings noch an das Mädchen, und vermutlich wusste sie ohnehin, was er ihr gleich sagen würde, aber es konnte nicht schaden, sie erneut daran zu erinnern: "Weißt du, manchmal muss man sich mit bestimmten Leuten arrangieren … Torquata ..." Er war nicht vollkommen sicher, ob er sie nicht doch lieber als Iulia ansprechen sollte. "… wenn man gegen sie schon nichts unternehmen kann jedenfalls. Und sich hier mit mir auf dem Forum zu verstecken, wird dir auch nicht weiterhelfen, denke ich", bemerkte er vorsichtig. Vielleicht war es auch seine Meinung, weil er einfach nur fürchterlich schlecht darin war, sich zurückzuhalten und gar nichts zu tun. Womöglich sollte er nicht mehr versuchen, irgendwem Rat zu geben, schließlich war er kein Experte in irgendwas - außer natürlich darin, Gladius und Scutum zu halten.