Wie hatte all das nochmal angefangen? Ach ja genau. Er hatte gut gelaunt die Entscheidung getroffen, die Tradition, eine gewisse Tiberia zu necken, fortzusetzen. Die gute Laune hatte sich inzwischen wieder verabschiedet, und wie sich herausgestellt hatte, war es immer öfter der Fall, dass die Tiberia am Ende ihn ärgerte, vielleicht weil sie ihn bereits viel zu gut kannte. Und natürlich weil Cato sich selbstständig gemacht hatte. Verräter. Da musste er aber fast schon über seine eigenen Gedanken lachen.
Und wie gut sie ihn kannte! "Da hast du verdammt recht." Ging sie doch alles weniger als gar nichts an. "Aber du kannst es gerne versuchen", schlug er dann nüchtern vor. Immerhin würde er ihr nur zu gerne wieder einmal einen schmissigen Spruch an den Kopf werfen. Aber auch den Gefallen traute er ihr nicht zu, denn so wie es aussah, versuchte sie doch eher vermeiden zu wollen, dass er eine richtige Möglichkeit bekam zu kontern.
Und da keiner seiner bisherigen Versuche, sie zumindest loszuwerden, Früchte getragen hatte - sie sagte ja selbst, dass sie es nicht eilig hatte - kam ihm dieses Mal eine andere Masche in den Sinn.
"Ich frage mich nur, Tiberia, entspricht das hier wirklich deinem Stand?" Aber die Tiberia war ja wie eine Klette, vermutlich waren Worte zwecklos.
Beiträge von Aulus Iunius Avianus
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"Ach, tatsächlich? Na dann …", kommentierte Avianus bloß mit hochgezogenen Brauen und wollte ihr erstmal nicht widersprechen. Er wäre doch verrückt, den Zorn eines kleinen Mädchens auf sich zu laden, dachte er belustigt. "Wenn er tatsächlich so klug ist wie du sagst, sollte dein Tutor froh darüber sein, dass du von ihm lernen darfst", fügte er stattdessen mit einem Augenzwinkern hinzu und wandte sich den Schriften zu, die der Händler seinen Kunden präsentierte.
Kumpels. Sie sagte es tatsächlich. Er selbst hatte das Wort benutzt ohne groß nachzudenken und fand es eigentlich schon amüsant, dass jetzt scheinbar ein junges Mädchen sein Kumpel sein sollte. Dazu kam noch dass man Frauen doch eigentlich nicht als Kumpels bezeichnete und der Begriff aus ihrem Mund sowieso etwas seltsam klang... da musste er erst einmal leise lachen.
"Meistens unternehme ich was mit den anderen aus meiner Centurie und versuche etwas Spaß zu haben … funktioniert aber nicht immer, heute zum Beispiel. Manchmal besuche ich auch die Casa meiner Gens." Für Torquata musste seine Antwort fürchterlich unspektakulär klingen, was aber auch daran liegen könnte, dass er ihr nicht die ganze Wahrheit erzählte und das hatte er auch absolut nicht vor. Niemals.
"Und du liest wohl?" -
"Da draußen vor deiner Tür sitzt eine ganze Centurie herum. Dass Wein übrigbleibt, darüber brauchst du dir wirklich keine Gedanken zu machen." Ebenfalls grinsend ließ Avianus es sich natürlich nicht nehmen, noch einmal mit seinem ehemaligen Vorgesetzten anzustoßen, bevor er dafür wahrscheinlich eine ganze Weile keine Gelegenheit mehr haben würde.
"Welche meinst du denn?", fragte er dann zum Spaß, weil er genau zu wissen glaubte, worauf Seneca wegen der Frauen hinauswollte. Vermutlich dachte sein Verwandter, dass da noch mehr waren, als die von denen er ohnehin bereits wusste. "Ich kann dir aber versprechen, es läuft nicht halb so spaßig, wie du denkst." Er lächelte gequält, nur zum Teil gespielt, immerhin machten ihm die Frauen das Leben eher komplizierter als vergnüglich.
"Jedenfalls wollte ich dir gratulieren… und dir viel Spaß in Mantua wünschen", meinte er dann wieder grinsend. -
Avianus schenkte ihr mitleidige Blicke.
"Ich versuche auch, das Beste aus allem zu machen, ich befürchte nur, dass bin nicht sonderlich gut darin bin", meinte er. "Aber dieser Selenus war wohl ein kluger Mann."
Und kaum hatte er geantwortet, da wurde er plötzlich wegen ein paar Büchern über das halbe Forum geschleift, sodass es ihm vor Verblüffung die Sprache verschlug. Außerdem hatte das hagere Mädchen doch mehr Kraft, als man es ihr auf den ersten Blick ansah. Aber selbst als er über den ersten Schub an Verwunderung hinweggekommen war und problemlos hätte stehen bleiben können, ohne dass ihn die kleine Iulia einen weiteren Zentimeter bewegt hätte , ließ er es über sich ergehen. Zumindest versuchte er es weniger danach aussehen zu lassen, als würde ihn ein kleines Mädchen hinter sich herziehen, und trottete ihr stattdessen schlichtweg nach. Wie das wohl aussah – vermutlich nicht sehr viel besser.
"Oh, wie toll", sagte er dann sarkastisch, und grinste gleich darauf schief. Seit er in Rom lebte, hatte er selten Zeit für Bücher, und wenn er Zeit dafür hatte, unternahm er lieber etwas anderes. Torquatas Begeisterung verriet ihm, dass es bei ihr vollkommen anders war. Sollte sie doch ihren Spaß haben, auf Cato brauchte er ja sowieso nicht mehr zu warten. -
So langsam drängten die beiden ihn an den Rand der Unterhaltung. Cato hielt alles nach wie vor für einen Riesenspaß und Lucia spielte dabei nur zu gerne mit.
"Ja, gut. Ich wünsche euch dann noch viel Spaß, ihr beiden", meinte er, als er bemerkte, wie er mehr und mehr ignoriert wurde. Das künstliche Grinsen hatte weniger lange gehalten, als er es sich gewünscht hatte, sodass er jetzt mit mürrischem Gesichtsausdruck daneben stand.
"Naja, Proculus kriegt auch keine Post, wundert mich aber nicht wirklich… mir schreibt meine Schwester hin und wieder", stellte Cato fröhlich fest. "Aulus kann ja nicht viel dafür, der hat eben keine Geschwister mehr … und andere Frauen ..."
"Cato", klinkte sich der Iunier kurz mit drohendem Unterton ein. Und dieses Mal konnte Cato förmlich hören, wie sein Kopf auf Verputz traf.
"… ja, da fragst du ihn besser selbst."
Wenigstens das hatte noch funktioniert. Wäre ja alles noch schöner, wenn Cato immer weiter drauflos plaudern würde.
Avianus hingegen blickte die Tiberia nur abwartend an. Vielleicht wollte sie sich ja doch noch heute irgendwann mal durchsuchen lassen. Ob er sie wohl als Gefahr einstufen konnte, wenn sie die Wachen zu lange belagerte? Hmmm ... -
Torquatas Worte stimmten ihn etwas nachdenklich. Vielleicht würde es ja schon reichen, wenn er auch zwischendurch mal etwas weniger grimmig dreinschaute. Dabei hatte der Iunius gar nicht das Gefühl immer ein derart grimmiges Gesicht zu machen.
"Ohne Einheit wirst du nicht weit kommen, zumindest nicht am Tor, und selbst drinnen zu suchen, kannst du praktisch vergessen. Cohors und Centuria wären das mindeste. Wenn du glaubst, du läufst dem da drinnen einfach mal eben über den Weg, irrst du dich. Aber du kannst dich ja mal an die Porta Praetoria stellen, dasselbe Gesicht wie vorhin machen und fragen, ob sich jemand auf die Suche macht."
Sah ja so aus, als hatte die Iulia absolut keine Ahnung davon wie es in der Castra zuging, was selbstverständlich auch nicht weiter verwunderlich war. Aber wenn er ehrlich war, könnte sein Tipp sogar klappen, zumindest wenn jemand wie sein Kollege Cato Wache schob... wo war der eigentlich abgeblieben? Na egal ... wenn sie schon ihren Bruder suchte, hätte man jedenfalls annehmen können, dass sie mehr Anhaltspunkte hatte als nur einen Namen. Da tat sie ihm ja fast schon ein wenig leid … oder doch nicht, bei der letzten Frage die sie stellte.
"Jetzt hör aber wieder mal auf", brummte Avianus. "Bist du etwa immer gut gelaunt?"
Wahrscheinlich würde sie ihm gleich mit einem fröhlichen "Ja" antworten. Ihr größtes Problem war schließlich die unfreundliche Frau ihres Tutors. Bei ihm musste sich nun wirklich keiner wundern, dass er finster aussah, wie sie ihn gerade so schön betitelt hatte. Wobei er selbst schon bemerkt hatte, dass er damals vor seiner Reise nach Germania ein ganzes Stück weniger Pessimist gewesen war. Aber war doch eigentlich alles halb so wild, ließ sich ja schnell ändern. Einfach ein wenig mehr grinsen. Da war es schon, sein aufgesetztes Lächeln. Perfekt. Naja, fast. -
Etwas belustigend war es schon, dass die Iulia offenbar glaubte er habe keine Ahnung von den Anforderungen, die die Gesellschaft an junge Frauen stellte. Gut, er war kein Mädchen, aber er war schließlich als Römer aufgewachsen. Deshalb rollte er nur stillschweigend und schief lächelnd mit den Augen.
Bis sie kurz darauf etwas von sich gab, dass er nicht einfach ignorieren konnte.
"Ich sehe zum Fürchten aus? Wieso das denn? Für Kinder oder für hinterhältige Verbrecher?", fragte Avianus etwas verblüfft. Er hatte ja schon viel gehört, von hässlich über verwegen bis hin zum Schönling, wobei sich alles zusammen eher selten ernst gemeint angehört hatte. Aber Torquatas zum Fürchten hörte sich sehr überzeugt an. Vielleicht sollte er abends in der Castra mal etwas genauer in den Spiegel schauen.
"Alles zusammen, werte Iulia. Mehr brauchst du nicht zu wissen", antwortete er seufzend. Der Mist, den er hier und da fabrizierte, ging vorerst wirklich niemanden was an.
Er machte Anstalten, ein paar Schritte übers Forum zu machen. Kurz blickte er noch zu Torquata zurück, um sicherzugehen, dass sie ihm auch folgte, bevor er fortfuhr: "Wenn du in der Castra wirklich deinen Bruder finden willst, solltest du erst einmal herausfinden, bei welcher Einheit er dient. Danach kannst du auf jeden Fall mal nachfragen, ob du ihn zumindest vor dem Tor sprechen kannst. Ich bezweifle, dass man dich einfach so in die Unterkünfte spazieren lässt." Wenn er es sich recht überlegte, glaubte er auch nicht, dass sie das überhaupt wollte. -
"Vielleicht versuche ich auch einfach einen freien Nachmittag zu genießen. Ich frage mich eher warum jemand wie du hier herumlungert", entgegnete Avianus mit einem gleichgültigen Schulterzucken.
"Ich bitte dich, große starke Praetorianer wohnen dort drin", antwortete er mit einem gespielt selbstgefälligen Lächeln, das etwas verblasste als er in ihre hellen Augen sah, die groß zu ihm hinaufblickten. "Willst du etwa mit dem Tribunus reden oder eine Nachricht überbringen? Dann sag' das doch gleich. Oder was willst du sonst?"
Die junge Iulia war ja schon in ihrem Alter ganz Frau und scheinbar nicht in der Lage, ihm zu erklären, was sie nun wirklich von ihm wollte, sodass er im Grunde immer noch etwas verwirrt darüber war, was die Sache hier überhaupt sollte. Beistand hatte sie gesagt… was das nun genau sein sollte, war wieder Interpretationssache. Er hatte weder Einfluss noch einen Haufen Sesterzen in der Tasche, da konnte er für sie nur hoffen, dass Torquata mentaler Beistand genügte.
"Bist du auf der Suche nach einem neuen Kumpel oder sowas?", fragte er deswegen unschlüssig. Wenn dem so war, wusste er allerdings bei aller Liebe nicht, warum sie ausgerechnet ihn angesprochen hatte. Er fand ja, dass er in letzter Zeit einen fürchterlich schlecht gelaunten Eindruck machte. Aber gut, vielleicht sollte er es als Kompliment sehen. -
"Schon gut, schon gut", meinte er beschwichtigend, als Torquata in mit einem Mal anfuhr, und richtete sich wieder auf. "Ich sag' gar nichts! Ich kenne dich doch gar nicht …" Was hatte er eigentlich an sich, das die Frauenwelt dazu brachte, sich in seiner Gegenwart so seltsam aufzuführen. Das ewige hin und her mit der Tiberia war Avianus inzwischen gewohnt, doch das hier war definitiv neu. Man könnte ja fast meinen, Lupae wären die einzigen weiblichen Wesen, die etwas mit ihm anzufangen wussten. Jedenfalls fiel ihm nichts Besseres ein, als Torquata mindestens so skeptisch zu beäugen, wie sie ihn - und erstmal nichts mehr zu sagen. Übergeschnappte Geschichten hatte er ja durchaus zu erzählen, da konnte er ihr nicht widersprechen.
Und da wurde sie plötzlich hochnäsig. Warum mussten sich die Weiber immer so aufblasen, wenn er in der Nähe war? Musste wohl wirklich an ihm liegen. Aber das auf sich sitzen zu lassen, hatte er nicht nötig. Der schwarzhaarige Zwerg sollte froh sein, dass er sich überhaupt Zeit für sie nahm. Das wurde ja wirklich immer besser.
"Kannst du auch ein bisschen weniger Fragen stellen?", fragte er schlussendlich freiheraus. Das Mädchen war scheinbar nicht auf den Kopf gefallen, da konnte er ruhig auch etwas bissiger sein. "Vielleicht bin ich ja gerade in zivil einem Feind des Kaisers auf der Spur und du behinderst mich bei der Arbeit", meinte er dann, um sie daran zu erinnern, wen sie vor sich hatte, ließ am Ende aber doch ein schelmisches Lächeln durchblitzen. "Der Tribun sitzt wahrscheinlich in der Castra Praetoria, aber da kommen kleine Mädchen nicht rein." -
Vermutlich hatte sie recht, dachte er. Er hatte ja scheinbar wirklich nichts Besseres zu tun, als irgendwelche Mädchen zu beschützen, die glaubten, sich alleine auf dem Forum herumtreiben zu müssen.
Und ehe Avianus zu Wort kam, erzählte sie weiter, während dem Iunier immer mehr die Überforderung ins Gesicht geschrieben stand, als er versuchte ihrer Geschichte zu folgen. Doch nicht Iulius Dives, der ehemalige Duumvir? Ach, zu den Iulii gehörte sie also. Das war aber auch das einzige was er von dem ganzen Gerede wirklich verstand. Naja, außer dem offensichtlichen natürlich. Tote Eltern, Iulius Dives, der Tutor, dessen fiese Frau … Jetzt stellte sich nur die Frage, was er damit zu tun haben sollte, irgendein fremder Kerl, sie einfach auf dem Forum anquatschte. Nachdenklich runzelte er die Stirn.
"Hilfe? Wobei überhaupt? Ich meine, was soll ich da machen?", fragte er und sah sie ziemlich unbeholfen an. So ganz verstand er noch immer nicht. Wollte sie nicht jemand anderen um Hilfe bitten? Irgendwen… der vielleicht nicht schon genügend eigene Probleme hatte? Oder wenigstens jemanden, der besser darin war, alles wieder auf die Reihe zu kriegen, wenn mal was schief ging. Also jeden, nur nicht ihn. Doch ihr kurzerhand zu sagen, dass sie sich lieber verziehen sollte, brachte er wiederum ebenfalls nicht übers Herz. Am Ende fragte sie dann den nächstbesten Typen und geriet dabei an den falschen.
Schließlich ging der Iunius etwas in die Knie, um etwas mehr auf Höhe der jungen Iulia zu sein. "Am besten bringen wir dich nach Hause und du klärst das alles mit … nun, deinem Tutor?" Er zuckte kurz mit den Schultern. Zumindest hatte er keine Ahnung, was ausgerechnet er für sie tun sollte. -
Wie? Urbaner? Er sah sie fragend an, obwohl er ihre Frage natürlich klar und deutlich verstanden hatte. Vielleicht war er ihr ja damals bei seiner Zeit bei den Cohortes Urbanae schon einmal begegnet, und er hatte es schlichtweg vergessen. Dabei vergaß er Gesichter doch so gut wie nie. Und dieses Gesicht… er war sich eigentlich vollkommen sicher, es noch nie in seinem Leben gesehen zu haben.
"Äh… nein, Cohortes Praetoriae", antwortete er irgendwann und griff mehr oder weniger automatisch nach der Hand, wobei er jene gar nicht wirklich drücken wollte, so schmal und zierlich war sie. Nicht dass er am Ende noch etwas zerquetschte. "Aulus Iunius Avianus."
War ja fast schon ein wenig unheimlich, das Mädchen. Auch hatte sie seine Frage nicht beantwortet, deshalb fragte er sich immer noch, was sie überhaupt von ihm wollte, ein kleiner Plausch würde ja wohl nicht alles sein. Aber gleich erneut nachzufragen, käme ihm irgendwie blöd vor, war er sich doch sicher, dass sie ihn gehört hatte.
"Bist du hier alleine unterwegs, Iulia? Rom kann gefährlich sein", bemerkte er dann, um endlich wieder einmal in richtigen Sätzen zu sprechen. Und wie gefährlich das Herz des Imperiums sein konnte - er musste es schließlich wissen. Vor allem für junge Mädchen die vollkommen unbekümmert auf fremde Männer zugingen, um ihnen mal eben die Hand zu schütteln. -
"Ach was …", setzte Cato zu einer Antwort an.
"Cato …", versuchte Avianus seinen Kollegen zu unterbrechen. Sein drohender Blick wollte Cato förmlich durchbohren, der beachtete ihn allerdings gar nicht wirklich, sondern unterhielt sich scheinbar köstlich mit der Tiberia.
"… er hat sich nicht so über den Brief vom Aurius gefreut. Hättest ihn sehen müssen."
Der Iunius presste die Lippen aufeinander, schnaubte kurz. Das alles wurde ihm etwas zu persönlich. Eines stand jedenfalls fest: Catos Kopf würde die Wände ihrer Habitatio besser kennenlernen, als ihm lieb war. Oder vielleicht doch nicht. Ausraster konnte er sich nicht erlauben. Und außerdem wusste der Kerl doch nicht einmal wirklich, wovon er sprach... aber wie gerne er sich gerade einfach nur an dem Hohlkopf abreagieren würde.
Spiel mit, Aulus. Spiel einfach mit. Er drängte die aufkeimende Wehmut und jeglichen Ärger mühsam in den Hintergrund und machte damit erneut Platz für das nur zu bekannte, aufgesetzte breite Lächeln.
"Über einen Brief von dir würde ich mich sehr viel mehr freuen, Tiberia", kommentierte er glatt und hoffte, die Unterhaltung damit zu einem Ende zu bringen, wobei er nicht daran glaubte, dass Lucia zu einem solchen Gefallen fähig war. Sieh wollte doch einfach nur in irgendwelchen Wunden stochern, hauptsache sie sah eine Reaktion von ihm.
"Hattest du nicht was zu tun, da drin?", fragte er schlussendlich seufzend und deutete auf die Palastgebäude. -
Cato war irgendwo in einer der Markthallen verschwunden. Er müsse seinen geheimen Vorrat an Billigwein wieder einmal aufstocken, hatte er gesagt, und dass die Feldflaschen, die er im Contubernium versteckt hatte, sich wie durch Zauberei seltsam schnell leerten. Kein Wunder, wenn die halbe Truppe daraus trank. Der Iunier jedenfalls hatte beschlossen sich derweil auf dem Forum selbst etwas umzusehen, wobei er vermutete, dass Cato unterwegs ohnehin irgendwo hängen geblieben war – wo genau, das mochten alleine die Götter wissen. Er hatte den Kerl schon seit mehr als einer halben Stunde nicht mehr gesehen. So verbrachte man also einen freien Nachmittag … was für ein Heidenspaß. In Gedanken versunken ließ er den Blick über die nahen Stände der Händler schweifen, durch die Menschen und hielt inne, als seine Augen auf die eines jungen Mädchens trafen. Die pechschwarzen Haare, die schmale Figur… beides wirkte seltsam vertraut, lediglich die hellen Augen hatten etwas Ungewohntes. Seltsam, wie eindringlich sie ihn musterte… vor allem aber schien sie direkt auf ihn zuzukommen.
"Hä?", machte er erst reflexartig, bevor er sich daran erinnerte, dass er sich außerhalb seiner Einheit besser einer etwas geschliffeneren Sprache bedienen sollte. "Kann ich dir irgendwie helfen?", fragte er deshalb nur kurz darauf, jedoch kein bisschen weniger verwundert. Was machte ein so junges Ding überhaupt alleine auf dem Forum? Sogar die Erwachsenen, die es sich leisten konnten, gingen nicht ohne Custodes aus dem Haus, und aus ärmlichen Verhältnissen kam sie mit den Kleidern sicherlich nicht. -
Autsch, da hatte er scheinbar eine Grenze überschritten. So gereizt wie Patrizierin mit einem Mal reagierte, hatte er sie ja noch nie erlebt. Vielleicht sollte er sie doch besser wieder mit schmierigen Kommentaren aufziehen und Proculus vorerst außen vor lassen. Ihre Bemerkungen selbst schienen praktisch an ihm abzuprallen, die waren nun wirklich nicht das Problem. Vielmehr wollte er nicht, dass er am Ende noch bei irgendwem angeschwärzt wurde.
"Für dich gehe ich jedes Risiko ein", erwiderte Avianus deshalb gewandt und nach wie vor mit einem Lächeln. "Übrigens, wer derart an mir klebt, beweist durchaus Geschmack, keine Sorge…"
Und in dem Moment, als er glaubte ihren Sticheleien wie gewohnt gekonnt ausgewichen zu sein, klinkte sich Cato wieder ein. "Er kriegt nie Post… Doch, einmal von... Aurius Latro, oder so? Der hat dann wohl auch Geschmack."
Der Iunier schluckte, und das Lächeln hatte sich aufgelöst. "Wühlst du in meinen Sachen, Cato?", fragte er zähneknirschend. Eine Frage, die er im Grunde nur stellte, um zu überspielen, was sich gerade in seinen Gedanken abspielte. Nicht Cato und seine idiotische Bemerkung waren der Grund dafür, dass er für einen Moment die Kontrolle über seine Züge verloren hatte, sondern die Gedanken die sie hervorgerufen hatten. Aber das brauchte niemand zu wissen, schon gar nicht die Tiberia.
"He, was soll das? Ich hab den verdammten Brief doch an dich weitergegeben", verteidigte sich Cato leicht irritiert.
"Ah, genau…" Aivanus wandte sich wieder der Tiberia zu. Muss die eigentlich nicht irgendwo hin?, dachte er und ignorierte dabei vollkommen, dass er derjenige war, der sie ursprünglich aufgehalten hatte. -
Seine kleine Stichelei prallte an der Tiberia schlichtweg ab, genauso wie seine standardmäßigen Schmeicheleien. Als sie dann noch einen oben drauf setzte und ihren Gewinn verkündete, ebbte das bis dahin breite Grinsen etwas ab.
"Wer jede Woche hier aufkreuzt, muss ja früher oder später gewinnen", entgegnete Avianus vergleichsweise lahm. Sonst fiel ihm doch auch immer ein guter Spruch ein… aber im Angesicht einer Frau, die gerade dabei war ihren Lotteriegewinn abzuholen wollte ihm spontan nichts einfallen. Er biss sich einen Augenblick lang auf die Unterlippe und musterte die Tiberia eindringlich, bis er mit einem mal wieder fröhlich grinsend die Augenbrauen hochzog.
"He, weißt du wer noch gerne Glücksspiele mag?"
"Proculus!"
"Kennst du den noch? Der würde sich sooo freuen, wenn du ihm schöne Grüße ausrichten lässt… Ihr beide wärt wirklich ein nettes Paar."
Cato schauderte beim letzten Satz des Iuniers. -
Avianus trat in die Habitatio, wo schon alles für die Abreise vorbereitet zu sein schien.
"Salve, Seneca. Ich dachte ich schwing' zur Feier des Tages mal meinen Hintern hier rein", grüßte er. "Du bestehst doch nicht mehr auf das "Centurio", oder? Ein bisschen Zeit hättest du ja noch, um mir mit dem Rebstock eins überzuziehen", scherzte er dann. Ob sich die Laune seines Vetters inzwischen gebessert hatte, konnte er nicht recht einschätzen, aber bei seiner war es jedenfalls so. Er hatte über die Situation nachgedacht, und beschlossen, dass sich bestimmt alles irgendwie regeln würde. Und dann hatte er darauf verzichtet, noch einmal einen Gedanken daran zu verschwenden. Aber es war ja nicht so, als würde die Centurie tot umfallen, sobald sein Cousin sich davonmachte. Ein wenig schade war es nach wie vor, einen Iunier weniger um sich zu haben, dafür arbeitete machte der jetzt seinem Namen alle Ehre. Nur kurz war er auf die Idee gekommen, dass er vielleicht ein wenig neidisch sein sollte, aber dann war im eingefallen, dass bereits ein patrizisches Mädchen ausreichte um ihn in die Enge zu treiben… vielleicht sollte er sich das mit der großen Karriere noch einmal überlegen, dachte er mit einem schiefen Lächeln. -
Wie Avianus ein paar seiner Kollegen kannte, würden sie am Abend mit Sicherheit versuchen, ihm mehr als nur einen Becher Wein unterzujubeln. Und da persönliche Glückwünsche an seinen Verwandten durchaus angebracht waren, so dachte er jedenfalls, wollte er es lieber hinter sich bringen, bevor am Ende der Abschied aus einem mit gefühlt 10 Bechern überm Durst gelalltes "Ma' siiieh' sisch" bestand. Gut, so schlimm würde es mit Sicherheit nicht werden. Aber Sicherheit ging wohl immer vor, vor allem wenn der Vetter nun Eques und in Kürze Tribunus sein würde. Da klopfte man besser mal an, wenn auch nur für einen guten alten feuchten Händedruck.
Poch, poch, poch.
Schaden konnte es ja nicht. -
"Was machst du noch so heute Abend?"
"Keine Ahnung … geht ihr noch einen Heben?"
"Ne, Fundulus hat sich ein neues Würfelspiel ausgedacht …"
"Und jetzt verzockt ihr euren spärlichen Sold."
"Korrekt. Auch Lust?"
"Klar, warum nicht."
"Ich kann's dir ja schonmal erklären, also …" Cato brach ab, als er bemerkte, dass sein Kollege in eine vollkommen andere Richtung starrte. "Hörst du überhaupt zu, Aulus?"
Avianus blickte von seinem Posten aus etwas unschlüssig zu der Sänfte hinüber, die sich der Palastwache näherte. Cato folgte seinem Blick leicht irritiert. "Kennst du die?"
Der Iunius sah sich kurz um, um sicherzugehen, dass nicht gerade irgendwo ein Offizier seine Kontrollrunde machte und ihn beim Tratschen erwischte. "Die Tiberia… du weißt schon… Proculus und so", murmelte er seinem Kollegen zu und machte eine Geste, als wollte er unsichtbare Brüste befummeln. Der verwirrte Gesichtsausdruck des anderen Soldaten verzog sich im selben Moment zu einem wissenden Grinsen. Proculus' Geschichte von "der Hüschen und der Fetten" war innerhalb des Contuberniums zu einem Running Gag geworden. Kaum zu glauben, die legendäre Tiberia kam bei der Palastwache an und er war dabei. "Aber wo ist die Fette?"
"Keine Ahnung, aber wenn das nicht die Tiberia ist, fress' ich meinen Helmbusch."
Seine Vorahnung bestätigte sich, als die ihm inzwischen bekannte Gestalt der jungen Frau aus der Sänfte stieg.
"Na so ein Zufall! Die bezaubernde Tiberia!", begrüßte er seine alte Bekannte gewohnt galant. "Was meinst du, Cato? Stellt sie eine Gefahr dar?"
"Hmmm… bist du eine Gefahr, Tiberia Lucia?"
Der Iunier machte keinen Hehl daraus, dass er es köstlich fand, wie sein Kollege auf Anhieb mitspielte, und gluckste amüsiert vor sich hin. "Wie geht's uns denn heute so?", fragte er schließlich immer noch vergnügt und blickte kurz an der Tiberia vorbei. Kein anderer Besucher da? Perfekt. Brauchte man sich erstmal nicht beeilen. -
Es war still während der Centurio sprach. Auch Avianus wusste nicht recht, wie er reagieren sollte, zwar hätte er zu gerne Jubel angestimmt, um den Aufstieg seines Cousins ausreichend zu ehren, der sah aber selbst nicht besonders fröhlich aus, deshalb blieb es auch bei ihm bei einem schwachen Lächeln. Als ob die Beförderung kein Grund zur Freude wäre… stattdessen zog Seneca die Truppe mit sich in seine Sentimentalität. Und ehe man die Lage begriffen hatte, wurde die kleine Versammlung bereits wieder beendet und die Centurie mit größtenteils mulmigem Gefühl zurückgelassen. Und auch einem iunischen Miles unter ihnen wurde mit einem mal etwas klar: Da ging er dahin, der Verwandtschaftsbonus und mit ihm der Spielraum, sich irgendwelche blöden Ausrutscher genehmigen zu können. Er war sich zwar nicht absolut sicher, ob er diesen Bonus jemals gehabt hatte – schließlich hatte Seneca ihm damals klar gemacht, ihn zu behandeln wie jeden anderen Soldaten… aber besser wurde es bei einem neuen Centurio bestimmt nicht.
So weit war er also schon – sein Verwandter machte sich als Eques und Tribunus auf zur Legio I und er machte sich Sorgen darüber, keinen nachsichtigen Vorgesetzten mehr zu haben. Bau doch einfach keinen Mist, Aulus. Das wäre doch mal eine Idee.
"He, wir kriegen frei", rief er schließlich laut genug, damit die anderen es hörten und setzte wieder ein Lächeln auf
"Ich geb' einen aus", brummte einer aus den hinteren Reihen. -
Pah, natürlich blieb sie nicht still. Sie trug vielleicht den Namen einer Patrizierin, aber dass sie sich auch wie eine verhielt, war wie immer zu viel verlangt.
Da hatte er es doch glatt geschafft in seinen eigenen Gedanken zu versinken, als sich die Tiberia wieder ihm zuwandte. Mit eisiger Miene starrte er die junge Frau an, während um ihn herum die Schnipsel zu Boden fielen. Wurde ja wirklich immer lustiger. Seufzend strich er sich einmal über den Helmbusch, um ihn von jeglichen hängen gebliebenen Papyrusschnipseln zu befreien und streifte sich den letzten Rest ihrer Provokation von den Schultern. Fröhlich sollte er sein! Und wie fröhlich er war! Da wurde leckeres, frisches Brot verteilt, von dem er keinen Brösel sehen würde, und wie hübsch die Dekoration des Platzes doch war, zu der er selbst dazu gehörte, und wie aufregend es war, den großen Männern Roms in seinem Rücken zu lauschen, während er sich die Beine in den Bauch stand. Eine wahre Freude. Und die Tiberia setzte allem noch eine Kirsche oben drauf.
Er setzte ein breites Lächeln auf, so gespielt wie nur irgendwie möglich. War es zu Beginn noch unterhaltsam gewesen, so war er inzwischen doch leicht genervt. Einem Gardisten ein wenig mehr Respekt zu zollen, wäre doch durchaus angebracht, fand er jedenfalls.
Er wartete nur auf den einen Augenblick, dass irgendein Geisteskranker neben ihr komplett den Verstand verlor… er würde liebend gerne den Helden spielen. Eigentlich würde es schon genügen, wenn sie stolperte und auf ihr hübsches patrizisches Gesicht fiel. Er wäre zur Stelle um ihr die Hand zu reichen - mit einem selbstgefälligen Grinsen, versteht sich. Alleine der Gedanke ließ sein Lächeln nach und nach ehrlicher werden. Wie süß sie doch wäre, die Schadenfreude. Nur schade dass die Tiberia ihm gerade keinen Grund dafür gab. Dabei war er doch eigentlich gar nicht boshaft, oder? Seit wann machte er sich etwas aus dem Unglück anderer Leute? Ja, die Tiberia war wirklich etwas ganz besonderes…
So blieb er für denn Rest des Festes weiterhin stumm bei seinen Gedanken. Irgendwann würde die Truppe abziehen, und spätestens dann wäre er die Patrizierin los.