Beiträge von Aulus Iunius Avianus

    Eigentlich hatte sich Avianus bereits darauf eingestellt, in den nächsten Augenblicken mit ihr in seinen Armen einzuschlafen. Ihre zärtlichen Berührungen in seinem Gesicht taten seiner vollkommenen Entspannung keinen Abbruch, sondern ließ ihn einen wohligen Schauer verspüren. Unerwartet fühlte er ihre Hand unter seinen Kleidern, ihre Lippen, die fordernd auf seine trafen, und erwiderte dennoch leidenschaftlich den Kuss. Seine Augen öffneten sich wieder, um Sibel forschend anzusehen, als sich ihre Lippen voneinander lösten. Eigentlich hatte er erwartet, dass auch sie den Schlaf dringend nötig hatte, sie sah zumindest danach aus. Vielleicht war es ein kleines Geschenk, das sie ihm machen wollte, dafür, dass er noch nicht gegangen war. Er war müde und hätte sie ihn nicht geküsst, sich nicht einen Weg unter seine Tunika gesucht, wäre er vermutlich bereits eingeschlafen, doch er wollte es nur zu gerne annehmen. Vielleicht könnte es wieder so sein, wie damals in den Gärten, wo alles um sie herum jegliche Bedeutung verloren hatte. Ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen.
    Seine Finger glitten über ihren Körper hinunter zu Sibels Taille und zu ihren Schenkeln. Dort wanderten sie unter den Stoff ihrer Tunika, um sie näher an sich heran und mit sich zu ziehen, als er sich auf den Rücken drehte. Wieder küsste er sie und genoss derweil jede noch so geringe ihrer Berührungen. Wie konnte eine Frau noch zärtlicher und schöner sein, als sie es war? Sein Mund koste ihren Hals, wo die Würgemale noch immer langsam verblassten, während seine Hände sich daran machten, das Band um ihre Taille zu lockern, voller Vorfreude, sie näher bei sich spüren zu können, denn nichts anderes wünschte er sich mehr.

    "Spaß?", fragte der Iunier noch einmal mit einem verschwörerischen Grinsen und ahmte dabei Ahenobarbus' Tonfall nach. Was den Wein betraf, den trank er seiner Meinung nach eigentlich genug. Und das mit den Lupae war bei ihm natürlich auch so eine Sache, was er Ahenobarbus gegenüber aber nachwievor geheimhalten würde.
    "Kannst du dir das alles denn leisten?", scherzte er und sein Lächeln zeigte, dass es nur ein kleiner Spaß war um den Domitier aufzuziehen.

    Gestern noch hatte sie alles wegwerfen wollen und heute schmiegte sie sich an ihn, als wäre nie etwas passiert, und er war froh, den letzten Abend zumindest für jetzt aus seinen Gedanken verbannen zu können. Er wollte das bisschen Geborgenheit nicht zerstören, das sie scheinbar beide gerade dringender nötig hatten als alles andere.
    Er lauschte ihren Worten, erwiderte den Kuss und ließ sich von ihr mitziehen. Er würde bleiben. So wenig, ein kleiner Gefallen, und dennoch war er unendlich viel wert. Diese Augenblicke waren es, die ihn dazu zwangen, an dem wenigen festzuhalten, das Sibel und er hatten.
    "Hm…?", machte er nur als er sich mit ihr auf das Bett zurücksinken ließ und sich neben sie legte. Endlich fand er die Ruhe, nach der er sich bereits den ganzen Tag über gesehnt hatte und die er, so schien es, nur bei ihr auf diese Art und Weise finden konnte. Auch weil sie so dicht bei ihm war, und er sich keine Sorgen darüber machen musste, wie es ihr ging und ob sie sich in Sicherheit befand. Noch immer hielt er sie, zog sie näher zu sich und küsste sie noch einmal sanft auf die Stirn, bevor er die Augen wieder schloss.

    Salve,
    eine allgemeingültige Regel gab es bei den Römern dazu offenbar nicht.


    Genaueres wäre hier im Wiki zu lesen.
    Unter anderem auch dieser Absatz, falls dir das weiterhilft:


    Zitat

    Die Subtraktionsregel besitzt für die römische Antike keine Allgemeingültigkeit, sondern stellt vor allem ein ästhetisches Element oder eine Verdeutlichung der Aussprache des zugehörigen Zahlwortes (s.u.) dar. So ist die Schreibweise von XIIX statt XVIII für 18 auf Inschriften als hübscher (weil symmetrisch) anzusehen und entspricht dem Zahlwort duodeviginti (= "2 weniger als 20"). Ein anderer Grund kann der auf Inschriften zur Verfügung stehende Platz sein; so ist IV statt IIII für 4 einfach platzsparender. Auf erhaltenen Dokumenten des täglichen Wirtschafts- und Verwaltungslebens findet die Subtraktionsregel dagegen kaum Anwendung. Hier stand die einfache Lesbarkeit des Zahlenwertes und damit die schneller Weiterverwendbarkeit der Zahlen im Vordergrund.


    Vielleicht findet sich dazu aber auch noch ein Experte, das bin ich nämlich eindeutig nicht. ;)


    MfG
    Iunius Avianus

    Avianus nickte kurz. Selbst wenn Ahenobarbus noch weitergefragt hatte, war er zumindest nicht gezwungen zu antworten, wenn der Urbaner nicht weiter nachhakte, war ihm das aber natürlich bedeutend lieber.
    "In letzter Zeit nicht besonders viel... wir exerzieren, stehen vor dem Palast rum, im Palast...", antwortete er mit einem schiefen Lächeln, "Hier und da mischt man sich noch ein wenig unter die Leute, aber viel mehr ist eigentlich zurzeit nicht los."

    Nein, er konnte nichts tun, jedenfalls nicht mehr als er bereits unternahm. Er konnte nicht ungeschehen machen, was andere seiner Geliebten angetan hatten. Lediglich zu versuchen, eine bessere Zukunft für sie zu schaffen, in der Hoffnung, dass sie ihre Vergangenheit hinter sich lassen konnte, blieb ihm übrig, und bei allem, was er für sie tat, war das sein wichtigstes Ziel.
    So wie es jetzt war, war es vorerst gut, das spendete zumindest etwas Trost, noch mehr aber ihre zustimmenden Worte und sanften Berührungen.


    Bei ihrer Aufforderung zögerte er keinen Augenblick, die Arme um sie zu legen, damit sie sich an ihn lehnen konnte. Er hatte ihre Nähe schon immer genossen, daran hatte sich nichts geändert und gerade jetzt wünschte er sie sich umso mehr. So konnte er wenigstens für den Augenblick ihre Lage vergessen und alle Strapazen waren unbedeutend, weil er wieder umso mehr daran erinnert wurde, weshalb er sie auf sich nahm. Ihre Wärme dicht bei sich zu spüren und ihren Geruch einzuatmen beruhigte ihn, sodass auch er langsam die Augen schloss und am liebsten eingeschlafen wäre.
    "Wenn du willst, werde ich noch ein wenig bleiben", murmelte er. Wie lange wusste er nicht, doch draußen war es bereits dunkel und die Castra lag auf der anderen Seite der Stadt. Dieses Mal brauchte sie ihn nicht darum zu bitten, wie damals in den Gärten. Er würde bleiben, wenn sie ihn brauchte. Müde würde er morgen ohnehin sein.

    Avianus musterte seinen Gesprächspartner skeptisch. Die Neugier des Domitiers hielt offenbar noch immer an und bereitete ihm ein ungutes Gefühl in der Magengrube. Er musste vorsichtig sein, wenn er Ahenobarbus' Aufmerksamkeit nicht noch mehr auf sich ziehen wollte.
    "Jemandem, der sich mit einem Prätorianer anlegt, kann man eigentlich alles zutrauen. Wenn du mich fragst war der Kerl vollkommen verrückt", antwortete er ernst, "Aber ich bin mir sicher, du weißt, dass keine Schlägerei gut für den Ruf ist, egal aus welchem Grund. Dann kannst du dir bestimmt auch vorstellen, dass ich nicht möchte, dass sich der Vorfall herumspricht oder irgendjemand mehr als nötig weiß. Und du weißt schon mehr als die meisten anderen."
    Es war nicht seine Aufgabe, gelangweilte Urbaner mit seinen Schwierigkeiten bei Laune zu halten. Wenn der Mann auf der Suche nach einer spannenden Geschichte war, war er bei ihm auf jeden Fall an der falschen Adresse. Er hatte auch so schon genügend Probleme am Hals und ein übermotivierter Urbaner, der zuviel wusste, war für ihn und Sibel mit Sicherheit kein Vorteil.

    "Natürlich nicht... aber in meinem Fall war es einfach am naheliegendsten. Bei dir war das wohl auch so, nehme ich an", kommentierte er schlicht. Immerhin konnte ein Reich, das Bestand haben wollte, nicht nur aus Soldaten bestehen, dennoch hegte er keine Zweifel an der Ehrenhaftigkeit, die ein Soldat dadurch beiwies, im Kampf sein Leben für Rom zu riskieren."Wie sieht es eigentlich bei den Cohortes Urbanae aus? Habt ihr viel zu tun?"

    "Ich weiß", sagte er leise. Wäre er sich nicht sicher gewesen, dass er sich in dieser Hinsicht auf Sibel verlassen konnte, hätte er es sich länger überlegt, Senecas Bedingungen zuzustimmen. Sie würde ihr Bestes geben, daran bestand kein Zweifel. Oder zumindest zwang er sich dazu, keine Zweifel in seinem Inneren aufkeimen zu lassen. Schlicht und ergreifend, weil es zurzeit den einzigen Weg darstellte, der Sibel und ihm noch offenstand.


    Nachdem er ihr dann erklärt hatte, was für ihn fast schon zu einer Standard-Antwort auf alles geworden war, was sie in ihrer ständig wiederkehrenden Verzweiflung von sich gab, kam genau die Antwort, die er erwartet hatte, von der er jedoch gehofft hatte, sie nie hören zu müssen. Sie bestätigte ihn in seinem Glauben. Obwohl er es geahnt hatte, jetzt da sie es laut aussprach, es damit Realität werden ließ, fühlte es sich nur wie ein weiterer Keil an, der zwischen sie getrieben wurde. Dieses Mal von ihrer Vergangenheit, von der Sibel sich wahrscheinlich nie würde befreien können. Er hatte von dem Tag an gewagt ihr zu vertrauen, an dem sie ihm zum ersten Mal das Amulett überreicht hatte, in jeglicher Hinsicht. Er hatte ihr gesagt, er würde sie laufen lassen, wenn sie sich von Schwierigkeiten fernhielt, hatte ihr vertraut, dass sie ihre Treffen in den Gärten vor Silanus geheim halten würde, und selbst jetzt wagte er, die Verantwortung für sie zu übernehmen. Doch nach allem, was er für sie aufs Spiel gesetzt hatte und noch immer riskieren wollte, konnte sie ihm nicht dasselbe Vertrauen entgegenbringen. Was der Grund dafür war und dass sie ihm sagte, wie sehr sie ihn liebte, konnte nicht verhindern, dass ihre Worte schmerzten. Am Ende musste es ihm reichen, derjenige zu sein, dem sie am meisten vertraute. Die Zeit daran etwas zu ändern, blieb ihnen vermutlich nicht.
    "Ich glaube dir, aber was soll ich denn machen, Sibel?", sagte er nur, ließ seine eine Hand bei ihr und hielt ihre noch immer umschlossen. In der anderen vergrub er, den Ellbogen auf ein Knie gestützt, das Gesicht. Er hatte als erster von versuchen geredet, doch war es nicht mehr eine Phrase gewesen? Natürlich hätte er lieber gehört, dass sie ihm voll und ganz vertrauen wollte. Versuchen. Was sollte er damit anfangen. Natürlich glaubte er ihr, aber das brachte ihn nicht weiter. Denn er tat für sie doch bereits alles, was er konnte.
    "Vielleicht machen wir uns einfach zu viele Gedanken", murmelte er nach einer Weile und sah wieder auf. "Silanus ist weg, ich werde nicht zulassen, dass er dir noch einmal etwas antut und hier bist du vorerst sicher. Vielleicht gibt es demnächst sogar einen Ort wo du bleiben kannst und wo du es besser hast." Er zwang sich wieder zu einem leichten Lächeln. "So wie es jetzt ist, ist es gut."

    Endlich konnte Sibel ihren Mantel loswerden, sich neben ihn setzen und ein wenig Ruhe finden. Und natürlich stellte sie ihm sogleich wieder Fragen, doch wie hätte der Iunius etwas anderes erwarten können, wenn er ihr jegliche Information stets nur in Brocken vorwarf. Und sie sprach außerdem etwas an, an dessen Klärung ohnehin kein Weg vorbeiführte.
    "Du wirst wahrscheinlich als Köchin aushelfen", antwortete Avianus erst ein wenig zögerlich, da er absolut nicht beurteilen konnte, wie sie darauf reagieren würde. "Und ich werde die Verantwortung für das übernehmen müssen, was du tust. Ich bürge für dich, Sibel, verstehst du das?" Also nein, nicht einfach so. Für seine Sibel, die sich nur allzu gerne in Schwierigkeiten brachte, ausgerechnet für sie würde er seinen Ruf riskieren. Alleine sein Vertrauen ihr gegenüber machte das Risiko für ihn überschaubar. Und auch sie würde sich wahrscheinlich mit den Bedingungen arrangieren können.


    Nach einer ganzen Weile ergriff sie erneut das Wort und schüttete unverhofft ihre Gedanken und Gefühle über ihm aus, während sie seine Hand nahm, sie küsste, und er konnte erst nur schweigend zurückblicken, bis sie geendet hatte.
    "Ich wollte dir helfen. Der Brief war doch meine Idee und ich habe dich immer dazu gedrängt, ihn im Ernstfall zu benutzen. Nichts wäre deine Schuld gewesen." Soviel wollte er vorerst klarstellen. Und sie hätte an dem Abend noch so auf ihn einreden können, vermutlich hätte es ihn von nichts abgehalten. Was ihn allerdings viel mehr schmerzte, war ihr ständiger Glaube, er könnte sie jemals einfach vergessen, dabei könnte er doch höchstens über sie hinwegkommen. Eine ganz andere Sache war außerdem, ob er sie denn vergessen wollte. Noch nie hatte er für eine Frau auf dieselbe Art und Weise empfunden, wie für Sibel.
    "Ich könnte dich nie vergessen, Sibel. Ich könnte dich höchstens gehen lassen, wenn ich weiß, dass du in Sicherheit bist. Deshalb mache ich das alles, weil ich dich liebe, nicht weil ich eine Gegenleistung erwarte…" Er verstummte und schloss die Finger seiner Hand um ihre. Sibel verlor viel zu oft die Hoffnung, und am Ende musste er immer genug für sie beide aufbringen. Und was würde passieren, wenn Seneca bei den Decimi keinen Platz für sie fand? Er bezweifelte, dass sie ihm noch einmal Zeit geben würde, eine Lösung zu suchen. Er bezweifelte sogar, dass sie ihm jemals voll und ganz vertraut hatte. Hätte sie wirklich daran geglaubt, dass er ihr gegen Silanus helfen würde und könnte, hätte sie dann gezögert, ihm zu erzählen, was er wissen musste? Viel zu viele Gedanken schwirrten in seinem Kopf, und seine Müdigkeit machte es ihm beinahe unmöglich, sie zu ordnen. Am besten wäre es wohl, wenn er sich erst ausschlief, um wieder klar denken zu können, doch Sibel wollte reden.
    "Ich weiß, dir muss das schwer fallen. Aber kannst du zumindest versuchen, mir wirklich zu vertrauen?", fragte er ernst. Sie wünschte sich ein Ja von ihm, dass er über alles am Vorabend gesagte einfach hinwegsah. Aber sie würde warten müssen, denn ihre Worte, mit denen sie so viel Schaden in ihm angerichtet hatte, musste er im Grunde noch immer sacken lassen.

    "Dir wird nichts passieren", hatte er den ganzen Weg über geflüstert, seit sie die Gärten hinter sich gelassen hatten, sie mit sich gezogen oder ihr hin und wieder eine Hand in den Rücken gelegt und sie durch die Gassen geschoben. Denn wenn er ihr helfen wollte, durfte er auf ihre Angst keine Rücksicht nehmen, so schwer ihm das auch fiel. Er hatte sich von Sibels Worten nicht beirren lassen, ständig hatten seine Augen dennoch die Gegend nach verdächtigen Gestalten abgesucht, damit ihm auch wirklich nichts entging.


    Dank der Hilfe der jungen Frau und Freundin Sibels fanden die beiden die angeblich sichere Taberna etwas abseits des Stadtzentrums. Avianus ließ für die nächsten Tage vorerst genügend Sesterzen beim Wirt, sodass sich Sibel zumindest darum keine Sorgen zu machen brauchte, und Notfalls würde er bei einem Besuch bei Sibel Geld nachlegen, sollte Seneca noch mehr Zeit benötigen.
    Kurzerhand wurden sie noch in das kleine Zimmer geführt, dann waren sie wieder allein. Erst jetzt ließ er Sibels Hand los, setzte sich erschöpft auf das Bett und starrte für einige Sekunden Löcher in die viel zu nahen Wände. Inzwischen spürte er jede Stunde, die er noch länger auf den Beinen war.
    "Ich werde den Wirt nachher noch bitten, eine Kleinigkeit zu essen zu bringen. Du bist hast bestimmt Hunger", sagte er und rieb sich Schulter und Nacken. Er schloss kurz die Augen und sah wieder zu ihr auf. "Seneca meinte du könntest vielleicht bei Bekannten unterkommen. Ich bin nicht sicher, wie lange es dauern wird, bis er genaueres weiß. Bis dahin wirst du hier bleiben müssen." Ein kleines Zimmer mit einem noch viel kleineren Fenster und ein Bett. Wenn sie nett fragte, würde man ihr morgens vielleicht noch eine Schale Wasser bringen, um sich das Gesicht zu waschen. Er wünschte, er könnte ihr mehr bieten, mehr für sie tun oder ihr zumindest mit Sicherheit sagen, dass es bald besser sein würde. Sein entschuldigender Blick, bat Sibel um Nachsicht und möglicherweise sogar ein wenig um Dankbarkeit, selbst ihm wenn das für den Moment doch etwas viel erwartet zu sein schien. Doch zumindest war sie für die nächste Zeit sicher und brauchte Nachts nicht draußen zu frieren. Diese Gedanken beruhigten ihn schließlich so sehr, dass er jede Meinung, die sie davon haben könnte, verkraften würde.

    Wieder machte sie nichts anderes, als ihn verständnislos anzusehen, und quälend lange fühlte es sich an, bis sie sich endlich regte. Gerade als er sich mit ihr auf den Weg machen wollte, umarmte sie ihn und schmiegte sich an seine Brust. Ihr plötzlicher Ausbruch an Gefühlen ließ Avianus innehalten. Er erwiderte ihre Umarmung, drückte sie an sich, fand aber wiederum keine Worte. Stattdessen legte er seine Wange auf ihre Haare. Was auch mit ihr zu tun hatte, machte sie ihm so furchtbar schwer. Inzwischen fühlte es sich so an, als müsste er um jede Sekunde mit ihr kämpfen, und doch konnte er nicht einfach gehen, weil sie ihm ständig klarmachte, wie sehr sie ihn brauchte, selbst wenn sie es nicht laut aussprach. War Sibel diejenige, die bei jeder noch so kleinen Welle gewillt war, vom Kahn zu springen, oder er es, der sich noch an das bereits sinkende Schiff klammerte? Doch bereits jetzt stellte er sich die Frage, wie lange er das konnte, egal was von beidem der Fall war. Durchhalten. Und ob es jemals wieder anders sein würde. Doch selbst dann war keine Zukunft in Sicht, in der das eine Rolle spielte. Nein, der Kahn sank schon lange, lediglich furchtbar langsam.
    Zumindest für diesen Moment waren die Umstände wieder erträglich und hätte sie nicht geweint, hätte er vermutlich sogar gelächelt. Sie stellte keine Fragen mehr, erwartete nicht mehr von ihm, als er ihr für heute bieten konnte, und was noch viel wichtiger war, sie war froh, bei ihm sein zu können.
    "Komm", sagte er leise und sah wieder auf, "Gehen wir." Er löste sich behutsam aus ihrer Umarmung, strich ihr noch einmal sanft über die Wange und machte dann Anstalten, sie hinaus aus den Gärten in die Stadt zu bringen.

    Avianus schüttelte leicht den Kopf.
    "Misenum", meinte er nur und konnte sich ein bitteres Lächeln nicht verkneifen, weil sich die Unterhaltung leicht im Kreis zu drehen schien. Er ließ sich etwas mehr ins Wasser sinken und versuchte, sich wieder zu entspannen.
    "Man muss schließlich seinen Beitrag für das Reich leisten, nicht war? Mein Vater war bei der Legio I. Ich habe mich trotzdem dafür entschieden, mich hier in Rom den Cohortes Urbanae anzuschließen. Hier habe ich Verwandte, das schien mir vorteilhafter." Er war froh, sich damals so entschieden zu haben, es war immer gut, im Ernstfall auf jemandes Unterstützung hoffen zu können.

    Avianus hatte erwartet, dass sie ihm um den Hals fallen würde, sich darüber freuen würde, dass er da war, und über die Botschaft, die er ihr brachte. Doch er erntete nichts als skeptische Blicke und ungläubige Fragen, was die Stimmung zwischen ihnen seltsam kühl werden ließ. Das Lächeln war aus seinem Gesicht gewichen und er blickte sie stirnrunzelnd an. Uns. Das Wort hallte in seinen Gedanken wider.
    "Ich meine… er will mir helfen einen sicheren Ort für dich zu finden. Also ja, uns… irgendwie", antwortete er dann ruhig. Er strich über ihren Arm und fühlte dabei den klammen Umhang. Mit zusammengepressten Lippen nahm er ihre Hand und drückte sie leicht.
    "Wenn du das willst jedenfalls. Wir werden alles nachher in Ruhe besprechen, wenn wir in einer Gaststätte ein Zimmer für dich gefunden haben." Ein Wirtshaus. Mehr konnte er Sibel für diesen Abend nicht bieten. Doch was konnte sie erwarteten, nach einem Tag und bei seinen beschränkten Möglichkeiten? Ganz egal, was sie davon hielt, heute Abend würde sie das Amulett nicht zurückbekommen. Sie musste ein wenig Geduld haben. Nach all der Eile, mit der Sibel ihn am Vorabend aus ihrem Leben hatte befördern wollen, verlangte er von ihr, noch einmal zu warten. So wie es jetzt war, konnte es jedenfalls nicht aufhören. Eine Nacht alleine in Furcht und Kummer und von ihr war nicht mehr übrig geblieben als die erbärmliche Gestalt, die jetzt vor ihm stand. Der Iunier wollte gar nicht erst wissen, was morgen mit ihr sein würde.

    "Schon in Ordnung", winkte Avianus wieder ab. Gerade er sollte schließlich wissen, wie es war, genug eigene Probleme zu haben.
    Anscheinend hatte er Ahenobarbus aber richtig eingeschätzt und der Domitier war schon eine Weile Teil der Stadtkohorten, der deutete nämlich an, ebenfalls im Bürgerkrieg gekämpft zu haben. "Misenum, oder?", fragte er deshalb schlicht. Er hatte von ehemaligen Kameraden einiges über die Schlacht weiter südlich gehört. Doch wenn der Iunier ehrlich war, hatte er das leidige Thema satt, er wollte sich nicht schon wieder den Kopf über den Krieg zerbrechen.
    "Weißt du was? Themenwechsel. Woher kommst du eigentlich? Rom?"

    Seine erste Frage verblüffte Avianus derart, dass er die restlichen Worte des Domitiers gar nicht wirklich wahrnahm, und selbst wenn, hätte es ihn vermutlich gar nicht mehr interessiert.
    "Du machst Witze oder?" Er starrte Ahenobarbus fragend an. Ein "Willst du mich verarschen?" hatte er gerade noch rechtzeitig zurückgehalten.
    "Aber dass die Prätorianer im Bürgerkrieg irgendwann mal abmarschiert sind, hast du mitgekriegt oder? Bürgerkrieg und so? Die Schlacht bei Vicetia? Die Niederlage der Legionen Salinators und der Garde... ???" Und sogar Sibel hatte damals, als sie sich zum ersten mal in den Gärten getroffen hatten, zumindest ansatzweise von Vicetia gehört. Sprach sich normalerweise auch rum, so eine Schlacht.

    Er bäumte sich dagegen auf, die Hoffnung zu verlieren, krallte sich an ihr Versprechen, selbst als bereits eine gefühlte Ewigkeit vergangen war und Sibel nicht erschien. Grausam. Das Schicksal musste grausam sein. Seine Rufe waren bereits verstummt und Avianus wusste sich nicht mehr anders zu helfen, als leer auf den See zu starren. Das Rascheln in den Büschen nahm er kaum wahr, in verzweifelte Gedanken versunken, an einem Ort, der bis vor kurzem noch der schönste der Welt gewesen war, und jetzt nichts anderes mehr in ihm zurückließ als Beklemmung und Leere. Erst ihre leise, langsam zu ihm durchsickernde Stimme holte ihn wieder zurück.
    Er wandte sich um, seine Augen blieben an ihrer Gestalt hängen. Sibels Anblick, nicht mehr als ein Häufchen Elend, schnürte ihm die Kehle zu und ließ ihm gar nicht die Chance, seine Freude zu zeigen. Er ahnte, dass sie die Nacht nicht in irgendeiner Gaststätte oder zumindest unter einem Dach verbracht hatte, und so rührend es sein mochte, dass sie offenbar all die Stunden in den Gärten ausgeharrt hatte, mindestens so verrückt war es auch. Und doch sollte er lächeln. Natürlich sollte er. Sie war da. Er kam gar nicht auf die Idee darüber nachzudenken, warum sie so lange gebraucht hatte für die wenigen Schritte. Und es spielte keine Rolle mehr, denn er hatte schließlich Gutes zu berichten. Der Iunius rang es sich ab, sein schiefes Lächeln, während er näher kam, selbst wenn seine Augen sie noch immer voller Sorge musterten. Denn das Glück, das er empfand, konnte die Gedanken daran nicht zurückdrängen, wie sie die Stunden seit ihrem Abschied hinter sich gebracht haben musste.
    "Sibel…", sagte Avianus leise, strich ihr ein paar der wirren Strähnen aus dem Gesicht und wusste gar nicht, womit er beginnen oder ob er sich nicht einfach zuerst um sie kümmern sollte. Doch er glaubte zu wissen, worauf sie die ganze Zeit über gewartet hatte, und sie hatte es verdient, es sofort zu erfahren. Wieder erschien ein müdes Lächeln in seinen Zügen, dieses Mal ehrlich. "Er will uns helfen." Er brauchte wohl eher nicht genauer auszuführen, von wem er sprach.

    Der Iunier ließ sich neben Ahenobarbus ins Becken gleiten.
    "Bei den Göttern, hier war ich schon viel zu lange nicht mehr", murmelte Avianus nach einem entspannten, tiefen Atemzug, und öffnete die Augen erst wieder, als er von dem Domitier angesprochen wurde.
    "Ganz ehrlich? Ich kann es dir nicht einmal wirklich sagen. Ich war Tiro bei den Cohortes Urbanae und irgendwann kurz vor dem Abmarsch der Prätorianer nach Vicetia habe ich die Nachricht bekommen. Zuerst habe ich gedacht, ich habe mich verlesen...", lachte er dann. Er wusste noch immer nicht, ob Seneca womöglich ein gutes Wort für ihn eingelegt hatte, er hatte seinen Vetter nie danach gefragt. Aber was spielte es schon für eine Rolle? Wenn er nicht auch gut genug für die Prätorianer gewesen wäre, hätten wohl noch so viele andere ihre Finger im Spiel haben können...


    Sim-Off:

    Edit: Die gute alte Grammatik...

    Der Tag war mehr oder weniger komplett an ihm vorbeigezogen und wenn er daran zurückdachte, hatte er einfach nur funktioniert und auf den Abend gewartet. Von ausgeschlafen konnte nach wie vor nicht die Rede sein, ein paar Minuten Schlaf nach dem Gespräch mit Seneca und in den Pausen hatten ihn notdürftig die Stunden ertragen lassen, inzwischen könnte er wohl praktisch überall schlafen. An den dunklen Augenringen hatte sich ebenfalls noch nichts geändert und sein Besuch im Valetudinarium hatte ihm lediglich die Erkenntnis eingebracht, dass wenigstens alles wieder von alleine verheilen würde. Aber zumindest das Essen, das auf der Strecke geblieben war, seit ihn am Vortag der Brief erreicht hatte, hatte er inzwischen ein wenig nachgeholt. Das allerwichtigste war jedoch, dass Sibels Situation nicht vollkommen hoffnungslos war. Jetzt musste er sie nur noch davon überzeugen, noch ein paar Tage zu warten, bis Seneca mehr wusste.
    Als er den See erreichte, war allerdings niemand zu sehen. Erst sah er sich unschlüssig um, und wusste dann nicht wirklich weiter.
    "Sibel…?", sagte er deutlich hörbar. Er wagte es nicht, ihren Namen lauter zu rufen, vielleicht würde es noch jemand anders hören. Er konnte nicht glauben, dass ihn im Stich ließ, nachdem sie ihm versichert hatte, zu kommen. Irgendwo war sie bestimmt und wenn nicht, war ihr womöglich etwas zugestoßen. Er verdrängte den Gedanken schnell wieder. Welch eine Ironie des Schicksals es doch wäre, nachdem er einer Lösung, dem Wunder, das er für sie gesucht hatte, bereits so nahe war.
    "Sibel???"

    Der Übungskampf dauerte noch eine ganze Weile und sein Gegner machte es ihm alles andere als leicht, dass dieser sich irgendwann auf ein Unentschieden einigen wollte, kam ihm deshalb eigentlich ganz recht.
    "Gut", sagte Avianus nur nickend, ließ das Schwert wieder sinken und atmete einen Augenblick lang durch. "Wir können das hier ja bei Gelegenheit irgendwann fortsetzen... Aulus Iunius Avianus." Mit einem Lächeln reichte er seinem Gegenüber dann die Hand. "Und die Thermen sind wirklich keine schlechte Idee."