Beiträge von Quintus Duccianus Alan

    Schweigend hatte Alan Dagmar nachgesehen, als diese aufstand und zu einer kleinen Gruppe Helfer hinüber ging. Er sah die beiden Kinder an, die in ihre Decke gewickelt dasaßen und scheinbar immer noch froren. „Es wird alles wieder gut.“ Meinte er leise zu ihnen, dann folgte er seiner ehemaligen Domina mit einigen Schritten Verzögerung. Immer noch respektvoll blieb er hinter ihr stehen und erkannte bei der Truppe auch das Familienoberhaupt. Hinter sich hörte Alan noch immer die Flammen knistern und das Holz brechen. Ein Geräusch welches alles andere als angenehm war. Doch er hörte auch wie Hilfe angeboten wurde und prägte sich den Namen ein, bei der sie untergebracht werden sollten. Es war die Frau, die sie eben schon angesprochen hatte und Alan war froh Dagmar in der Nähe einer Frau mit medizinischer Kenntnis zu haben. Seine ehemalige Domina gefiel ihm nicht. Nie würde er wagen seinen Verdacht auszusprechen. Er stand schräg hinter ihr und doch blickte Alan sie unentwegt an. Ständig darauf gefasst sofort zuzugreifen, wenn es sein musste. Wenn er auch nur ein Anzeichen von Schwäche bei ihr erkennen sollte. Denn die Frau dort vor ihm war nicht die Dagmar wie er sie kennen gelernt hatte. Sie weinte nicht wie die anderen Frauen oder schrie oder tat sonst irgendetwas. Sie war einfach nur ruhig. Zu ruhig.
    Der ehemalige Schreiner nickte als Zeichen, dass er verstanden hatte, dann trat er vorsichtig an Dagmar heran. „Lass uns die Kinder holen und sie ins Warme bringen.“ –und dich ebenfalls, fügte er gedanklich hinzu. Wartete aber nur geduldig auf eine Reaktion seiner Gegenüber.

    Wie von einer unsichtbaren Hand gelenkt, stand Dagmar plötzlich auf. Es schien wohl die Sorge um ihre Kinder zu sein, den genau dorthin ging sie. Wenn auch in einer seltsam ruhigen Verfassung. Alan folgte ihr mit ein paar Schritten Abstand. Um ihn herum das Chaos und alle versuchten klar zu kommen. Doch er wollte vorerst nur dafür Sorgen, dass es Dagmar und ihren Kindern gut ging. Als sie bei diesen für ein paar Momente zur Ruhe gekommen schien, sah sie ihn plötzlich wieder an und verlangte nach etwas, dass die Kinder wärmte.
    Alan nickte automatisch, wohl noch ein Überbleibsel aus einer Zeit als Sklave. Oder einfach seiner Hilfsbereitschaft geschuldet. Er hatte keine Ahnung woher er etwas nehmen sollte, was die Kinder wärmte. Außer dem Hemd und der Hose, die er trug hatte er nichts. Dennoch lief er los. Er hatte gesehen wie einige Bewohner des Hauses noch Sachen heraus getragen haben, als dies noch möglich war, Vielleicht war da ja etwas brauchbares dabei.
    Und tatsächlich, zwischen den Truhen, den Krügen und Körben lagen auch einige Decken. Davon nahm Alan eine und eilte zwischen den hustenden und weinenden Hausbewohnern zurück zu Dagmar. Dort angekommen reichte er ihr die Decke. Gerne hätte er auch eine für sie mitgebracht, doch in einem solchen Moment durfte man nicht zu sehr an sich denken. Es gab noch andere Leute die eine Decke benötigten. Eigentlich wollte er sie fragen ob er sonst noch etwas für sie tun konnte, doch das verkniff sich Alan. Statt dessen wollte er etwas anders wissen.
    "Ist dir auch kalt?" Und vielleicht wollte er das nur aus dem Grund erfahren um zu wissen, ob mit Dagmar soweit alles in Ordnung war.

    Fast ein bisschen erschrocken über den festen Griff sah Alan auf Dagmars Hand hinab. Ja, das Haus brannte, er hätte sie gerne vom Gegenteil überzeugt.
    Doch da ihm im Moment nichts anderes einfiel, schwieg er einfach und stützte seine ehemalige Domina so gut es ging. Als sich die andere Frau erhob sah Alan hier noch kurz nach. Hoffentlich wurden ihre Dienste hier nicht all zu oft gebraucht.
    Als er dann allerdings wieder zu Dagmar sah, legte Alan seine andere Hand auf die Ihre und versuchte sie dennoch etwas aufzumuntern.
    "Das ist nur ein Gebäude aus Holz. Deinen Kindern und dir ist nichts passiert. Das ist viel wichtiger. Eine Casa lässt sich wieder aufbauen."
    Und auch wenn Alan wusste, wie sehr man an seinem Heim hing, so hoffte er dennoch, dass er Dagmars Trauer ein klein wenig durchdringen konnte.

    Irgendwann war auch Alan bei denjenigen dabei, die sich zurückziehen mussten, weil die Flammen viel zu groß wurden. Ein paar Soldaten waren dazu gekommen und halfen. Auch viele Nachbarn stießen hinzu. Als sich der Schreiner umblickte, sah er so viel traurige und entsetzte Gesichter. Obwohl er wohl zu den Wenigen gehörte, denen emotional wohl am wenigsten an diesem Gebäude lag, wurde er dennoch in die schlimme Nacht des Brandes in seinem Dorf erinnert. Und das wiederum machte diesen Brand ebenfalls zu etwas persönlichem. Es war das Heim von Dagmar, das war wohl für Alan das Schlimmste. Sie verlor nun ihr Zuhause erneut, hatte sie ihm doch vor gar nicht all zu langer Zeit erzählt wie aufwühlend ihre Vergangenheit gewesen war. Da hätte er ihr so etwas gerne erspart. Mit dem nutzlos gewordenen Wassereimer in der Hand, dessen Inhalt ohnehin nur noch halb war, wich er zurück. Es war ein schauriger Anblick, die Flammen, die gegen den Himmel stoben und die Geräusche der einstürzenden Balken.
    Alan war mittlerweile so weit zurück gewichen, dass er sich umdrehte und nach Dagmar zu suchen begann. Auch wenn er sich nur zu gut an die Worte im Wald erinnerte und an ihre Ermahnung diesbezüglich, so wollte der Schreiner dennoch in ihrer Nähe sein um sich zu vergewissern, dass es ihr gut ging und ihr möglicherweise zur Hand gehen. Wobei auch immer.
    Als er sie schließlich fand, war bereits eine Frau bei ihr, die sie fragte, ob sie ihr irgendwie helfen konnte. Alan war froh, dass sie wirklich diesen Wunsch zu haben schien und nicht einfach ein gaffendes Weib war, die sich am Schaden anderer entzückte. Schweigend kniete Alan sich auf die andere Seite, wechselte nur kurz einen Blick mit der fremden Frau und stellte den Eimer neben sich ab. Das von Ruß geschwärzte und verschwitzte Gesicht gen Boden gerichtet. Die Casa zu verlieren tat nicht mal halb so weh wie den traurigen Blick seiner ehemaligen Domina sehen zu müssen und das Wissen nichts dagegen tun zu können. Vielleicht, so hoffte Alan, konnte er ihr wenigstens durch seine Anwesenheit ein klein wenig Trost spenden.

    Grimmig sah Alan den Mann hinter sich an, der sich gerade erst in die Reihe der Helfenden eingegliedert hatte und ihm nun so grob den Eimer in die Hand drückte, dass zu viel des Inhalts verloren ging. So hatte es keinen Sinn, wenn er half. Doch für mahnende Worte war jetzt keine Zeit. Der Schreiner reichte einen Eimer nach dem Anderen weiter und das so schnell es nur irgendwie ging. Um ihn herum waren all die aufgeregten Rufe und Schreie zu hören. Es wurde nach Papieren verlangt, dann rief jemand wegen den Münzen. Alan kam gar nicht dazu viel nachzudenken. Die Casa vor ihm brannte lichterloh und das Wasser schien keinen Erfolg zu haben. Warum nur musste das passieren? Bilder des brennenden Dorfes tauchten vor seinen Augen auf und vermischten sich mit der momentanen Katastrophe. Er hustete immer wieder, denn er stand ziemlich am vorderen Ende der Rettungskette und der Rauch, welcher nun aus der Casa drang war heiß und beißend. Sein Gesicht war rußgeschwärzt und von einer Schweißschicht überzogen.
    Ein Trupp rannte zu den Ställen hinüber und einen Moment kam dem Schreiner der irrwitzige Gedanke, dass seine Arbeit der letzten Wochen umsonst gewesen sein könnte, dabei hatte er sich doch einiges an Arbeit gemacht, die maroden Stallgiebel auszubessern. Welch dumme Gedanken einem kamen, wenn man sich in so einer ungewöhnlichen Situation befand. Das Wohnhaus brannte ab und Alan machte sich Sorgen um die Stallgiebel. Schnell riss sich der Schreiner wieder zusammen und nahm den nächsten Wassereimer entgegen.

    Wie wohl der Großteil der Bewohner hatte auch Alan geschlafen. Wenngleich noch nicht sehr lange. Der Schreiner lag in den letzten Nächten oft wach und dachte über so viele Dinge nach. Seit sie von ihrem Ausflug vom Limes zurück gekommen waren, hatte er Dagmar nicht mehr allzu oft gesehen.
    Nun aber glaubte er schlecht zu träumen. Er hörte wie jemand schrie und Alans Herz begann schneller zu schlagen. Es war wie damals in seinem Dorf. Dort wurde er auch durch wilde Schreie geweckt. Warum nur wurde er von so einem Alptraum heim gesucht? Warum musste er diese Erinnerung erneut durchmachen?
    Er drehte sich auf die andere Seite in der Hoffnung die bösen Geister damit vertreiben zu können. Gleichzeitig stieg ihm aber ein unangenehmer Geruch in die Nase. Sein verschlafenes Hirn wollte noch nicht so recht erkennen um was es sich dabei handelte, zumal der Schreiner nicht empfindlich war, was Gerüche anging. Dann allerdings schreckte er hoch. Feuer! Und nun erkannte er auch die Schreie wieder. Für einen Moment sah er sich in seinem Dorf, inmitten der brennenden Hütten. Doch zum Glück sagte ihm sein Verstand, dass er nun weit weg war und dennoch drohe ihm auch hier Gefahr. Er sprang von seiner Bettstatt auf und rannte nur mit der Hose und dem Hemd, welches er gerad trug und barfuß nach draußen. Dort waren schon viele Leute unterwegs. Alans erster Gedanke galt Dagmar. Er rannte zu ihrem Zimmer, doch der Weg wurde ihm durch das Feuer verwehrt. So drehte er um und hoffte, sie wäre schon nach draußen gerannt. Als er hustend vor der Casa ankam, sah er gerade wie sie die Kinder wegbrachte und dem Schreiner fiel sein Stein vom Herzen. Er hatte jetzt keine Zeit sich um sie zu kümmern, galt es doch das Feuer zu löschen. Schon einmal hatte er erlebt, wie viele Hütten der Feuersbrunst zum Opfer gefallen waren, das wollte er hier nicht noch einmal erleben. Also reihte er sich in die Kette derjenigen ein, die bereits dabei waren das Feuer mit Eimern zu löschen. Nach dem Warum zu fragen, dafür war später sicherlich noch Gelegenheit. Das hier war sein neues Zuhause und das galt es nun zu retten.

    Es war ein angenehmes miteinander, welches sie im Dorf pflegten. Jeder half jedem und sicherlich war es so wie Dagmar sagte. Viele hätten ihre Stühle nicht gehabt. Dennoch sah Alan sich nie als etwas Besonderes. Er war Teil der Gemeinschaft. Sein Vater hatte ihm alles beigebracht was er wissen musste und wenn ihm Kinder beschert gewesen wären, hätte er sein Wissen auch wieder weiter gegeben. Seine Arbeit war wichtig, da sprach nichts dagegen. Aber sie war nicht wichtiger als die des Schmieds oder die landwirtschaftlichen Arbeiten. Nun aber, da er in Rom gesehen hatte zu was diese Menschen fähig waren, kam Alan sich klein vor. Er konnte kaum lesen und schreiben auch nur bedingt. In Rom aber gab es Gelehrte, Politiker und was sonst noch alles. Da kam es nicht von ungefähr, dass Alan, zumal er ja als Sklave sein Dasein fristen musste, sich vorkam als wäre er bisher nichts Besonderes gewesen. Andererseits auch hier hatte Dagmar recht. Die Senatoren müssten auf dem Boden sitzen. Alan schwieg daraufhin. Aus dieser Perspektive hatte er es nicht betrachtet. Er würde nun also ein Römer im Namen und würde weiterhin seine Arbeit verrichten. Es gab wahrlich schlimmere Schicksale.


    Allerdings war das was er dann von Dagmar hörte alles andere als angenehm. Er hätte es vielleicht noch hinnehmen können wenn sie sagte er wäre ein Mann, den sie nicht ansehen wollte oder seine Hände wären ihr zu rau oder er war zu ungehobelt. All das hatte er auf den Märkten in Rom schon gehört. Die feinen Frauen hatten den Kopf geschüttelt, wenn sie ihn sahen und dann sofort tuschelnd die Köpfe zusammen gesteckt. Nicht, dass er Dagmar mit diesen Frauen verglich, doch sie lebte schon lange genug hier, vielleicht sah sie manche Dinge auch anders. Als sie ihm dann aber sagte, dass sie keine Bindung mit ihm eingehen konnte, weil ihr Stand das nicht erlaubte, biss Alan die Zähne aufeinander. Er war zwar klein Sklave mehr aber nicht gut genug. Langsam nickte er als Zeichen, dass er verstanden hatte. „Ich danke dir für deine Ehrlichkeit.“ Meinte er dann reserviert und sah Dagmar nicht mehr an. Er konnte sie jetzt nicht ansehen und wissen, dass er ihr nicht nahe sein durfte. Die Götter beliebten es wirklich zu spielen. Anschauen, aber nicht anfassen.
    „Wegen der Namensgebung, werde ich dann in den nächsten Tagen noch einmal auf dich zukommen.“ Und da saßen sie nun. Nebeneinander und doch so weit weg. Der Schreiner warf noch ein Stück Holz ins Feuer. Es würde sie noch bis Anbruch des Tages wärmen. An Schlaf war diese Nacht sicherlich nicht mehr zu denken. Obwohl er wohl dringend nötig wäre. Aber diese neue Erfahrung hatte Alan aufgewühlt und obwohl er kein Mann großer Worte war, purzelten sie ihm gerade nur so durch den Kopf.

    Das Lächeln erwidern, nickte Alan und betrachtete Dagmar dann im Schein des Feuers eine Weile. Er schwieg, denn es bedeutete ihm wirklich viel, hier so viel Anerkennung zu bekommen. Er wusste wie es war, wenn man diese nicht hatte. Die Wochen in Gefangenschaft waren schlimm, doch er hatte eben erfahren, dass es noch schlimmer ging und das tat ihm leid. Er hatte immer nur dem nachgehangen was ihm passiert war und mit seinem Schicksal gehadert. Nun aber wurde ihm vor Augen geführt, dass es wahrlich nicht das Schlechteste war. Und Alan fühlte sich nun fast etwas schuldig.
    Bei ihren nächsten Erklärungen musste er etwas schief Lächeln. „Duccianus Alan.“ Sprach er seinen möglichen neuen Namen aus in der Hoffnung die Erklärung richtig verstanden zu haben. „Das klingt sehr fremd.“ In dieser Aussage lag nun schon etwas Wehmut. Irgendwie machte Alan dieser Name klar, dass sein altes Leben endgültig vorbei war und sämtliche Träumereien, es vielleicht doch wieder zu bekommen, endlich begraben werden mussten. „Es klingt nach einem großen Mann, dabei bin ich doch nur ein einfacher Schreiner aus einem germanischen Dorf.“ Das war etwas, dass Alan immer schon aufgefallen war. Die römischen Namen klangen nach so viel mehr. Dagmar gefiel Alan viel besser als Duccia Venusia. Und doch war das der Name, den sie hier hatte und er gehörte zu ihr, wie der Name, den er annehmen würde.


    Als sie dann aber weiter fragte schüttelte der Schreiner schnell den Kopf. „Nein, woanders hin möchte ich nicht. Es gefällt mir auf den Anlagen. Ich mag Pferde. Sie sind ruhige Zeitgenossen. Meine Frage war falsch formuliert. Es ist nicht so, dass ich weg möchte, auf keinen Fall. Ich bin dir zu Dank verpflichtet und möchte diesen Dank durch meine Arbeit erkenntlich zeigen. Es ist nur das stete Bestreben nach ein klein wenig Selbständigkeit.“
    Den letzten Satz lies Alan so in der kalten Nachtluft verklingen, während sein Blick immer noch in den Flammen lag. Sie hatte ihn aufgefordert alles zu sagen was er wollte, solange es keine Beleidigungen waren. Und nach seinem Verständnis war das, was ihm im Kopf herum geisterte nicht wirklich eine Beleidigung.
    „Um ehrlich zu sein…“ Alan blickte zu den Kindern hinüber ob sie auch wirklich noch schliefen. Folgendes sollte wirklich nur für Dagmars Ohren gedacht sein. Und obwohl er keine sichtbare Regung der Andern vernahm, senkte der Schreiner die Stimme. „Um ehrlich zu sein, möchte ich deine Gesellschaft nicht mehr missen und ich möchte mehr für dich tun als nur für deine Sicherheit zu sorgen.“ Nun waren es die dunklen, ehrlichen Augen des ehemaligen Sklaven, die den Blick seiner ehemaligen Domina suchten. Und die Art wie Alan Dagmar ansah, verlieh seinen Worten den nötigen Untergrund.

    Schweigend hatte Alan seiner ehemaligen Domina zugehört. Ehrlich gesagt, hatte er gar nicht damit gerechnet, dass sie es ihm erzählte. Dafür ehrte es ihn umso mehr, dass sie so offen mit ihm sprach. Während er zuhörte, massierte er mit den Fingern der rechten Hand sein Knie. Er hatte es noch nicht offen zugegeben, doch er hatte seit mehreren Jahren Probleme damit. Bei einem Brand im Dorf war ihm ein Holzträger auf das Bein gefallen. Die Wunden waren gut verheilt, man sah nur noch wenige Narben. Doch das Knie war seit dem nicht mehr Dasselbe. Die Umstände der Sklaverei waren natürlich nicht förderlich gewesen und so war es in den letzten Wochen schlimmer geworden. Die Reise von Rom hierher war eine zusätzliche Belastung. Doch der ehemalige Schreiner beklagte sich nicht. Er war nicht gewillt Schwäche zu zeigen und vor allem nicht vor der Frau, die ihm ein erträgliches Leben geschenkt hatte.
    Was sie ihm erzählte war alles andere als angenehm, auch wenn Alan bewunderte wie weit sie bereits in der Welt herum gekommen war. Sein Horizont erstreckte sich nicht weiter als bis hinter den Wald, welches sein Dorf umgeben hatte.
    „Du bist eine bemerkenswerte Frau geworden, wenn mir diese Aussage gestattet ist.“ Alan suchte kurz ihren Blick, dann sah er aber schnell wieder ins Feuer. Immer noch wusste er nicht, was gestattet war zu sagen und was nicht.
    Lange sahen die Beiden wohl stumm ins Feuer. Jeder seinen Gedanken nachhängend.
    Irgendwo in der Ferne rief ein Uhu und man konnte von noch weiter weg einen zweiten Vogel antworten hören. Obwohl Dagmar ihm angeboten hatte sich auszuruhen, war Alan im Moment viel zu aufgewühlt So viele Gedanken gingen im durch den Kopf. Die hatten bis jetzt nur immer über die Vergangenheit gesprochen. Aber was war mir seiner Zukunft?
    „Vor einiger Zeit habe ich ein Gespräch mit angehört. Stimmt es, dass ich durch meinen jetzigen Status deinen Namen annehmen und mein eigenes Geld verdienen kann?“
    Es war nicht ganz das was Alan gewohnt war und auch nicht das was er sich für sich wünschte. Aber allein der Gedanke daran sein altes Handwerk wieder ausüben zu können, mehr als nur im Pferdestall, und damit vielleicht sogar etwas selbstständiger zu werden, verschaffte ihm wieder eine gewisse Beruhigung. Nie würde er von Dagmars Seite weichen, wenn diese ihn nicht fortschickte. Er war ihr so viel schuldig und seine Dankbarkeit wollte er durch seine Arbeit ausdrücken und wenn sie es wünschte, dann auch durch seinen Schutz.
    „Muss ich einen römischen Namen wählen, so wie du?“ Es klang komisch und der Gedanke nicht mehr Alan zu heißen war sehr befremdlich. Doch wenn ihm die Götter dieses Schicksal hier gegeben hatten, dann würde er lernen damit umzugehen.

    Als Dagmar aufstand und um das Feuer herum auf ihn zukam, verfolgte Alan sie mit seinem Blick. Das leise Knacken des Feuers strahlte eine trügerische Ruhe aus. Sie bat ihn sich auszuruhen, doch alles in dem Schreiner wehrte sich dagegen. Allerdings schwieg er und lies seine ehemalige Domina weiter sprechen. Was sie da erzählte weckte tief vergrabene Erinnerungen und Sehnsüchte. Wie oft hatte Alan an seine alte Heimat gedacht? Sein Dorf, all die Leute darin und die Arbeit. Es gab immer etwas zu tun. Auch jetzt hatte er gute Arbeit. Der Stall von Dagmars Familie, bot ebenfalls immer viele Aufgaben. Dennoch blieb immer noch die Wehmut. Man konnte schließlich von niemandem verlangen, dass er seine Heimat vergaß, vor allem wenn man diese nicht freiwillig verlassen hatte. Bei ihrer Beschreibung wanderte Alans Blick hinauf zum Himmel. Man konnte heute keine Sterne sehen und es war auch nicht angenehm warm. Aber an solche Abende dachte auch Alan sehr oft. Vor allem weil er diese oft mit einem hübschen Mädchen aus dem Dorf verbracht hatte. Nach der Arbeit hatten sie sich oft noch ein Stück aus dem Dorf gestohlen und sich auf einer kleinen Lichtung getroffen. Doch das alles war nun nicht mehr. Er hatte jetzt eine neue Heimat, eine neue Arbeit und so gesehen eine neue Familie. Auch wenn es natürlich noch sehr lange dauern würde bis Alan sich hier einigermaßen eingewöhnt hatte und auch wenn Dagmar alles tat, ihre Familie war nicht seine.
    „Danke.“ Meinte Alan dann einfach nach einer Weile und schwieg dann wieder. Er traute es Dagmar schon zu, er wusste wie gut auch Frauen kämpfen konnten. Auch wenn der Schreiner natürlich ebenfalls der Meinung war, dass dies nicht ihre Aufgabe war, so wusste er, dass es sehr wohl im Bereich des Machbaren war. Aber eben weil es nicht ihre Aufgabe war, sollte er nicht gänzlich auf Dagmars Angebot eingehen.
    Es war seine selbstauferlegte Aufgabe, dass er für die Sicherheit der kleinen Gruppe sorgte.
    „Darf ich dich fragen wie du hierhergekommen bist?“
    Alan wandte seinen Blick vom Feuer ab und sah zu Dagmar hinüber. Ob sie es ihm erzählen würde? Aber wollte Alan hören, dass seine ehemalige Domina ebenfalls unfreiwillig in dieses Land geschleppt wurde?

    Bildete er sich das nur ein oder erlaubte sich die Schicksalsgöttin einen Scherz mit ihnen? Ratlos stand Alan vor dem gebrochenen Rad des Wagens und kratzte sich am Hinterkopf. Er würde das schon wieder hinbekommen. Wenn nur diese eine Speiche nicht auch noch gebrochen wäre. Ohne die war das Rad nicht zu retten und vor allem nicht bevor es dunkel wurde. Nachdem er das Venusia mitgeteilt hatte, beschloss die Gruppe ohne den Wagen weiter zu reisen, was eine durchaus vernünftige Entscheidung war. Alan überließ sein Pferd zwei der Kinder, die hintereinander darauf Platz nahmen. Er selber führte das Tier am Zügel und achtete darauf, dass es sich nicht verstieg. Schließlich trug es eine wertvolle Fracht auf dem Rücken.
    Das Feuer, welches sie entdeckten war Trost spendend und unheilvoll zugleich. Letzteres überwog bei dem ehemaligen Schreiner, weswegen er auch nur zustimmen konnte, als man sich erneut um entschied und dabei blieb im Wald zu übernachten. Er konnte nicht auf alle Acht geben und das Begleitpersonal, welches sie noch dabei hatten, kannte er nicht. Traute aber keinem der schmächtigen Burschen zu, dass er es lange genug aushielt, damit die Frauen und Kinder im Notfall vor den Entfachern des Feuers dort drüben flüchten konnten.


    So war er derjenige der neues Feuerholz holte, als man weit genug entfernt war und den bereits bekannten Platz erreicht hatte. Aufmerksam durchsuchten seine Augen die immer schwärzer werdende Dunkelheit. Immer darauf achtend, dass ihnen niemand gefolgt war. Schließlich könnten sie auch entdeckt worden sein. Doch dieses Mal schienen es die Götter gut mit ihnen zu meinen und während Venusia alles daran tat den Kindern die Angst zu nehmen, wobei das mit einer Gruselgeschichte sicherlich nicht ganz im Sinne des Erfinders lag, saß Alan etwas abseits, die Hand am Griff des Sax und ließ die Umgebung nicht aus den Augen. Auch wenn die Müdigkeit ihn im Laufe der Nacht immer wieder zu überwinden drohte, so blieb der Schreiner wachsam. Jedes Geräusch wurde erkannt und nach dessen Ursache gesucht. Einmal war er sich nicht sicher, ob sich nicht vielleicht doch ein vorlauter Wolf genäherte hatte. Da gebot er der Gruppe Ruhe und schlug sich ein Stückweit durchs Unterholz. Man konnte Äste knacken hören und etwas entfernte sich schnell. Alan verfolgte es noch kurz, dann blieb er stehen. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Es war ihm nicht wohl hier draußen. Doch es war seine Aufgabe auf seine ehemalige Domina und deren Kinder zu achten. Ob er nun ein Sklave war oder nicht. Er war ein Mann mit Ehre und Weib und Kind galt es zu beschützen. Auch wenn sie nicht sein eigen war.


    Nach einer Weile kehrte der ehemalige Schreiner zu der Gruppe zurück und gab bekannt, dass es nun wieder sicher war. Über das flackernde Feuer hinweg sah Alan zu Venusia hinüber. Auch wenn sie nicht sein eigen war…

    Schweigend hatte Alan im Hintergrund gewartet, bis seine ehemalige Domina und deren Kinder ihre Opfer dargelegt hatten. Es war eine sehr bewegende Szene für den Schreiner, denn es war so lange her, dass er zum letzten Mal an einem Opfer teilnehmen konnte. Und er hatte so viel zu danken und zu bitten. Gab es mal eine Zeit, in der er glaubte die Götter hätten ihn fallen gelassen, so wusste er jetzt, dass sie alles für ihn vorhergeplant hatten. Er musste hierher kommen. Zu Dagmar und in ihre Familie. Das wusste er jetzt, während er so dastand und zusah. Er war von einer inneren Gewissheit erfüllt, die es ihm unmöglich machte daran zu zweifeln. Es war ein harter Weg und Alan begriff immer noch nicht ganz warum er ihn hatte gehen müssen. Aber die Götter hatten es so für ihn entschieden.
    Und auch wenn ihn das alles sehr gefangen hielt, so behielt Alan auch immer noch die Umgebung im Auge. Wachsam sah er sich immer wieder um, schließlich hatte Dagmar das zu Beginn ihrer Reise angemahnt. Und nichts, absolut nichts sollte dieser kleinen Familie geschehen. Nicht, wenn Alan es verhindern konnte. Vielleicht hatte er deswegen diesen beschwerlichen Weg beschreiten müssen um nun dafür sorgen zu können, dass kein weiteres Leid über seine ehemalige Domina kommt.


    Als es dann an der Reihe war, dass er sein Opfer darlegen konnte, bedankte er sich bei Dagmar mit einem fast immer noch unterwürfigem Nicken. Er ging zu der schlammigen Stelle am Fluss und opferte eine selbst geschnitzte Figur. Es war ein kleiner Bär. Dieser glich dem, an dem er zuletzt gearbeitet hatte. Ein Fest stand damals an und er wollte einem der Kinder eine Freude machen. Es war lange krank gewesen und endlich wieder gesund. Den ganzen Sommer über hatte es in der Hütte liegen müssen und das kleine Figürchen hätte es aufmuntern sollen. Doch Alan konnte es dem Jungen nie überreichen. Noch in der Nacht des Festes würde das Dorf überfallen. Er würde nie erfahren, was mit den Anderen alle passiert war.
    Deswegen bat Alan. Er bat darum, dass es den anderen Bewohnern des Dorfes gut gehen sollte, egal wo sie nun waren. Und er bat darum, dass alle die man mitgenommen hatte wie ihn, ebenfalls so viel Glück erleben sollten. Und dann dankte er dafür, dass die Götter ihn hierher geschickt hatten. Alan sprach in einem anderen Dialekt als Dagmar und das verdeutlichte, dass er aus einer anderen Gegend kam als sie, doch im Herzen waren sie gleich.
    Anschließend drehte er sich wieder um und sah zu der kleinen Gruppe. Würden sie nun wieder zurück reiten? Alan hoffte nicht, denn der Tag war so schön, auch wenn das Wetter nicht ganz mitspielte. Doch er wagte es nicht zu fragen.

    Es war ungewöhnlich und vor allem etwas vollkommen neues für den Schreiner, einen Ausflug in dieser Art auszurichten. Er half wo er konnte, doch er hatte schon vor einiger Zeit festgestellt, dass hier jeder seine feste Arbeit hatte. Es war nicht wie in seinem Heimatdorf, dass jeder eben das tat, was gerade anfiel. Hier mal eine helfende Hand reichte oder dort mal einsprang, weil ein Mann zu wenig war. Hier war alles viel organisierter und auch daran musste sich Alan erst gewöhnen. Ihm waren verschiedene Arbeiten im Stall zugeteilt worden. Es gab immer irgendetwas zu tun. Pferde waren große Tiere und da ging des Öfteren mal was zu Bruch oder musste erweitert werden. Gerade die Koppelzäune schienen ein beliebtes Angriffsobjekt zu sein und so verbrachte Alan oft den ganzen Tag damit auf den großzügigen Wiesen die Zäune nach Schäden abzusuchen. Und jetzt saß er auf genau so einem großen Tier. Er konnte reiten, so war es nicht. Er hatte es früher nur nicht allzu oft getan. Doch das dunkle Pferd schien es gut mit ihm zu meinen und als sich die Gruppe in Bewegung setzte, da trottete es brav los. Das frühe Aufstehen war dem Schreiner nicht unbekannt. Im Gegenteil, er war es gar nicht anders gewohnt. Der Tag begann auch früher schon oft vor Sonnenaufgang. Gerade im Sommer gab es so viel zu tun. Deswegen verspürte er keine Müdigkeit und wachsam blickte er sich immer wieder um. Er war noch nicht genauestens mit den Gepflogenheiten in dieser Gegend vertraut. Lauschte also jedem Wort von Dagmar und als sie darauf hinwies, dass nun besondere Sorgfalt angesagt war, spannte sich Alan etwas an und nahm sich vor noch wachsamer zu sein. Es war ein ungewohnt angenehmes Gefühl, als Dagmar auf gleicher Höhe mit ihm ritt. Zweimal erwischte sich der ehemalige Sklave dabei, wie er verstohlen zu ihr hinüber sah und feststellte, dass selbst das trübe Licht des Morgens ihrer Schönheit keinen Abbruch tat. Doch dann schalt er sich jedes Mal einen Narren und konzentrierte sich wieder auf die Umgebung. Das Sax an seiner Seite gab ihm ein zusätzliches Gefühl der Sicherheit. Mit dieser Waffe kannte er sich aus. Sie war etwas vertrautes. Sie war Heimat.


    Die Pause kam unerwartet aber wurde natürlich von allen gerne angenommen. Etwas steif stieg Alan vom Pferd und musste sich erst einmal strecken, bevor er das Tier ebenfalls an einem Baum anband. Bis er damit fertig war, war die Festtafel schon so gut wie gedeckt. Alan staunte wie viel Essen man in so wenige Körbe unterbringen konnte und setzte sich an den Rand der Decke zu der Gruppe. Erst jetzt merkte er wie hungrig er eigentlich war und langte ebenfalls gut hin. Er hörte Dagmar zu wie sie von ihrer Kindheit erzählte und automatisch wanderte auch Alan zurück. Ja, es war eine schöne Zeit. Eine wilde Zeit. Er hatte mit ein paar anderen Jungen aus dem Dorf keine Gelegenheit ausgelassen um die Mädchen zu ärgern. Sicherlich wäre auch Dagmar eines seiner „Opfer“ gewesen. Seine Mutter hatte Alan leider nie kennen gelernt und sein Vater war sehr darauf aus, dass er sobald wie möglich das Schreinerhandwerk lernte. Aber auch wenn ihm dabei ein wenig seiner Freiheit als Kind genommen worden war, so empfand Alan keinen Groll. Im Gegenteil, er war seinem Vater sehr dankbar für dessen Strenge und dafür, dass er ihm alles beigebracht hatte was dieser wusste. Auch wenn er vieles davon jetzt nicht mehr gebrauchen konnte, so trug er die Erinnerungen stets im Herzen bei sich.


    Während den weiteren Erzählungen von Dagmar musste Alan immer wieder lächeln. Ja, sie war wirklich ähnlich wie die Mädchen in seinem Dorf. Wenn man sie nicht gerade geärgert hatte, dann hatten sie den größten Spaß zusammen und auch er war oft genug viel zu weit in den Wald hinein gelaufen. Doch auch er bemerkte die ängstlichen Blicke der Kinder und blieb deswegen sehr aufmerksam. Bei jedem Geräusch, dass nicht sofort einem Tier zugeordnet werden konnte, hob er den Kopf.
    Es war so lange her, dass Alan ein Opfer dargebracht hatte und auch er trug natürlich etwas bei sich, dass er opfern wollte. Er hatte vor den Göttern dafür zu danken, dass sie ihn aus einer scheinbar ausweglosen Situation gerettet hatten und ihm nun dieses Leben schenkten. Das Beste, dass er hatte bekommen können, nachdem er das Andere verloren hatte. Doch auch er staunte nicht schlecht über die Frage des kleinen Mädchens und wurde tatsächlich einen Moment nachdenklich. So hatte er das noch nie betrachtet. Gut, er hatte auch nie wirklich viel Kontakt mit den römischen Göttern gehabt. Aber aus der Sicht des Kindes war das eine sehr berechtigte Frage und die Erklärung ihrer Mutter war weise und überzeugte auch Alan vollkommen. Dann aber war es soweit, dass man sich zur Opferstelle begeben wollte. Er ließ der kleinen Gruppe den Vortritt und bildete das Schlusslicht.

    Jedes Mal wenn Dagmar lächelte, verspürte Alan dieses Gefühl. Da er kein Mann großer Worte war, konnte er es nicht beschreiben. Vielleicht war es mit dem Gefühl vergleichbar, wenn man an einem kalten Novemberabend am wärmenden Feuer saß. Satt vom guten Abendessen und vor sich ein Stück Holz, dass man bearbeitete und aus welchem eine kleine Figur werden sollte, die er am nächsten Tag dann dem kranken Mädchen schenken wollte, welches Tags zuvor in den Fluss gefallen war und seit dem im Bett lag. Ja, so könnte man es wahrlich beschreiben. Und das jedes Mal, wenn sie lächelte. Es war so schön mitanzusehen, dass auch er immer von dem Gefühl überwältigt wurde, ebenfalls lächeln zu müssen.
    Sie hatten ein Gestüt? Nun mit Pferden an sich hatte der Schreiner nie all zu viel zu tun gehabt. Aber die Pferde standen sicherlich in einem Stall und dieser Stall war doch bestimmt aus Holz. Und da ging doch bestimmt hin und wieder etwas kaputt.
    "Gerne würde ich meine Arbeit in das Gestüt einbringen. Dort gibt es sicherlich immer mal etwas zu tun."
    Hellte sich das Gesicht des einstigen Sklaven auf und er bekräftigte seine Worte mit einem Nicken.
    Als Dagmar dann wissen wollte, ob er noch Fragen hatte, dachte Alan kurz nach, dann stellte er etwas leiser seine Frage.
    "Du sagst zwar, ich kann hierbleiben. Aber wo werde ich dann wohnen?"

    "Dagmar." Wiederholte Alan den Namen leise und langsam. Er wollte ihn sich nicht nur einprägen. Er musste ihn auch noch einmal hören. Obwohl er vollkommen neu für ihn war, hörte er sich doch um so vieles besser an als der italienische Name seiner einstigen Domina. Er kam Alan viel leichter von den Lippen.
    Obwohl es keine Heimat mehr gab in die er hätte zurück gehen können, war der einstige Schreiner doch erleichtert. Es fühlte sich einfach gut an nicht mehr de Sklave zu sein. Auch wenn Dagmar ihn niemals so behandelt hatte. Er war einer gewesen. Und nun hatte er zwar sein altes Leben auch nicht wieder zurück. Doch er bekam ein neues Leben geschenkt.
    "Das ist wirklich sehr freundlich von dir, Dagmar. Sehr gerne werde ich weiterhin an deiner Seite bleiben."
    Als dem einstigen Sklaven klar wurde wie sich das eben Gesagte anhörte, wurde er fast etwas rot.
    "Ich meine natürlich dich weiterhin bei deinen Unternehmungen begleiten. Sicherlich ist niemand aus deiner Familie dagegen, wenn ich weiterhin für deine Sicherheit sorgen möchte."

    Lange waren sie unterwegs gewesen und mit jedem Schritt, den Alan sich weiter von Rom entfernte, fühlte er sich besser. Auch wenn er sich dadurch auch von einer Heimat entfernte. Doch er hatte sich mittlerweile damit abgefunden, dass er nie wieder dorthin zurück gehen konnte wo seine Wurzeln lagen. Er war wie ein Baum, der gefällt worden war. Nun konnte er selbst entscheiden ob er in einem Feuer verbrannt werden sollte oder ob man aus ihm etwas nützliches formen konnte.
    In all der Zeit war er seiner Domina nicht von der Seite gewichen. Auch wenn es ihm nicht gefiel ein Sklave zu sein, so war er ihr durchaus dankbar. Denn auch wenn er nicht all zu lange in der sogenannten ewigen Stadt verweilte, so hatte er dennoch mitbekommen, dass er es durchaus schlechter hätte treffen können.
    Und die Tatsache, dass ihn und seine Domina nicht nur die Sprache verband, half dem ehemaligen Schreiner ungemein.
    Die Sonne auf der Haut tat gut und Alan ging neben Venusia her. Auf den Wink hin, setzte er sich neben sie und schon nach den ersten Worten bemerkte der Schreiner, dass irgend etwas nicht in Ordnung war. Doch er schwieg erst einmal.
    Auch nachdem seine Domina bereits geendet hatte, schwieg Alan noch immer und schien einen Vogel zu beobachten, der unweit von ihnen im Baum saß und sein Gefieder reinigte. Natürlich war es nicht schön zu hören, dass jemand einen kaufen konnte. Er war frei. Und dennoch hatte Venusia recht.


    "Zuerst einmal gehört dir mein Dank, Venusia." Alan blickte seine Domina nun direkt an. "und gerne möchte ich dein Angebot annehmen um dir weiterhin zur Seite zu stehen. Dein Angebot bedeutet mir wirklich sehr viel."

    Als er die Worte seiner Domina hörte wurde Alan nur mal wieder ein weiteres Mal klar, dass er in eine ungewisse Zukunft reiste. Sie konnte ihm nicht sagen ob ein Schreiner benötigt wurde. Als sie dann aber weiterhin meinte, dass sie in einem Haus wohnen würden und dort immer Arbeit anfiel, war Alan schon wieder ein bisschen versöhnt. Wenn er schon nie wieder zurück in sein Dorf konnte, dann wollte er wenigstens seine Handwerkskunst von damals nicht gänzlich ruhen lassen müssen.
    Er nickte als Zeichen, das er verstanden hatte. Es konnte also so bald wie möglich losgehen.

    Aufmerksam hörte der Germane seiner Domina zu. Es fiel ihm immer noch nicht ganz leicht die römischen Begriffe den Orten zuzuordnen, die er auch auf der Karte sah. Nicht, dass Alan die Buchstaben hätte lesen können. So weit war man dann noch nicht. Aber er versuchte sich die einzelnen Etappen gut einzuprägen. Gar nicht so einfach. Eigentlich war er Schreiner gewesen. Kein Kriegsherr. Wäre er Soldat gewesen und öfter geschickt worden um das Dorf zu verteidigen, dann würde er sich sicherlich mit den Gegebenheiten auskennen. So aber hatte er nur gekämpft so lange es hatte sein müssen. Und am Ende leider verloren.
    Doch das hieß noch lange nicht, dass Alan aufgab. Die Aussichten aus dieser römischen Belagerung heraus zu kommen hatte ihm neue Kraft gegeben. Aus Rom wegzukommen war schon ein guter Anfang gewesen. Schließlich war er dort als erstes nach seiner Niederlage hingekommen. Jetzt war er schon ein gutes Stück davon entfernt und würde bald noch weiter weg sein.
    Mogontiacum... davon gehört hatte Alan sicherlich schon einmal. Es war eine große Stadt und weit weg von Rom. Venusia erzählte ihm von seiner Familie und als sie meinte Alan würde sie mögen, hob dieser den Kopf. Obwohl ihn seine Domina anlächelte, konnte sich Alan noch nicht ganz darauf einlassen. Er wollte mit jeder Faser seines Körpers von hier weg und je näher an der Heimat umso besser. Aber eine fremde Familie?
    Er war ein Sklave, daran musste er sich immer noch erst gewöhnen. Das was er wollte zählte nicht mehr. Wobei er sich mittlerweile sehr sicher war, dass er keine bessere Herrin finden konnte als hier bei Venusia zu sein. Wenn schon Sklave, dann in ihrer Obhut.
    "Ich seien mir sicher." Antwortete Alan dann in der so verhassten Sprache der Sieger.
    Dann schweifte sein Blick wieder auf die Karte. Auch für ihn würde es ein Neuanfang werden ohne, dass er es wollte.
    "Brauchen deine Familie Schreiner?" Sah er dann nach einer Weile wieder zu Venusia auf.