Beiträge von Auza

    Sich hier und jetzt sofort ausziehen und nackt auf die Rückkehr der Sklavin warten? Nur weil die Sklavin es gesagt hatte, das war einfach zu demütigend und Auza dachte nicht im Traum daran den Worten der Sklavin Folge zu leisten. Sie konnte sich immer noch umziehen wenn die Sklavin zurück kam. So wartete sie demonstrativ im bekleideten Zustand auf Nysas Rückkehr. Überhaupt diese Sklavin, für ihre Stellung bildete die sich einiges ein. Aber Auza war ja auch schon vorher klar gewesen, dass sie ein Biest sein würde. Wenn man Nysa die Haare abschneiden würde, wäre sie sicher nicht mehr so eingebildet. Leider wäre das dann aber auch Sachbeschädigung und es würde Auza sicher den Job kosten. Von solchen Gedanken musste sie also Abstand nehmen. Ja solange sie sich bei der Arbeit nichts zu schulden kommen ließ und ihren Job gewissenhaft erledigte, konnte Nysa ihr zumindest in der Hinsicht nichts anhaben. Auza musste nur aufpassen, dass Nysa nicht versuchte ihr zusätzlich etwas anzuhängen. In ihrem bisherigen Leben hatte sie gelernt, solche Spitzen nicht an sich heran kommen zu lassen oder es zumindest nicht zu zeigen. So war es auch jetzt. Sie würde Nysa gegenüber jedenfalls keine Schwäche zeigen. Mit ruhiger Stimme, aber leicht herablassendem Unterton richtete sie bei deren Rückkehr folgende Frage an Nysa:"Wann hab ich dir eigentlich erlaubt, dich mir gegenüber so respektlos zu verhalten?" Und mit gespielter Besorgnis fügte sie hinzu. "Hast du deine domina durch dein Verhalten eigentlich schon oft in der Öffentlichkeit blamiert?"

    Die anderen Frauen, die vorhin noch im apoditerium gewesen waren, zog es scheinbar wie magisch zu Klinen, um sich dort massieren zu lassen. Hatten sie zu Hause eigentlich keine Sklaven, von denen sie massiert werden konnten? Auzas ursprüngliches Vorhaben viel damit erstmal ins Wasser. Jetzt zu ihnen herüber zu gehen, wäre viel zu auffällig. Es würde sicher einige abschätzige Blicke geben, die ihr zwar egal waren, aber auffallen wollte sie eben nicht. Das Tepidarium bot somit eine gute Alternative. Auza plazierte ihre Badesandalen und ihr Handtuch an einer Stelle, an der sie beides noch gut im Blick hatte. Dinge verschwanden manchmal schneller als man dachte und schließlich wollte sie sich später auf dem heißen Boden nicht die Füße verbrennen. Dann begab sie sich in eines der Wasserbecken und tauchte erst einmal unter. Zum Einstieg ins Badevergnügen, war die Wassertemperatur wirklich angenehm.

    Wie verabredet hatte sich Auza am nächsten Tag zur 8. Stunde am Atrium Vestae eingefunden und der Ianitor hatte sie auch zu ihrem neuen Zimmer gebracht, wo sie Nysa treffen sollte. Diese Sklavin, die wenn Blicke töten könnten Auza schon längst umgebracht hätte. Bei ihr musste Auza wirklich vorsichtig sein. Jetzt aber stand Auza in ihrem neuen Zimmer und konnte nicht ganz fassen, dass das von nun an ihres sein sollte. So viel Licht und diese Größe! Zum Glück war es bereits möbliert. Auza selbst hätte nicht genug Sachen gehabt um das Zimmer zu füllen. So bald sie ihr erstes Gehalt bekam, so fern sie es schaffte die Stelle zu behalten, musste sie sich unbedingt etwas neues zum Anziehen kaufen. Sie hatte einfach nicht genug Tuniken, die man als gut bzw. ordentlich bezeichnen konnte. Sie sah an sich hinab. Die Tunika war sauber, der Stoff nicht zu grob und sie hatte keine Flicken, trotzdem passte das alles nicht wirklich zu diesem Raum.

    Auza sah ihm noch einen Moment nach. Ein wenig beneidete sie ihn. Gut nicht um das Loch in dem er lebte, sondern um seinen Optimismus und das Vertrauen in andere Menschen, dass ihr im Laufe der Zeit abhanden gekommen war.
    Dann drehte sie sich auch um und machte sich auf den Weg nach Hause.

    Jetzt gewann doch die Freude in ihr die Oberhand und Auza strahlte über das ganze Gesicht. So oft kam es schließlich auch nicht vor, dass sich jemand so anerkennend über ihre Arbeit äußerte. Da konnte ihr auch Nysa in diesem Moment nicht die Laune verderben.


    "Das freut mich wirklich, dass dir die Frisur gefällt. Ich freue mich auch schon auf meinen ersten Arbeitstag. Bis morgen also."


    Da Nysa ihr inzwischen die Tür aufhielt, war es wohl wirklich an der Zeit zu gehen. Ja die Sklavin wollte sie wirklich los werden, dass merkte man nur zu deutlich. Mit den Worten "Danke das wäre doch wirklich nicht nötig gewesen." und einem Lächeln, dass eine Spur zu freundlich war verabschiedete sie sich von der Sklavin und verließ dass Zimmer von Messalina. Am liebsten hätte sie Nysa gesagt, dass das ziehen von Grimassen zu vorzeitigen Falten führte, denn das tat die Sklavin jetzt mit Sicherheit, aber das ging in Anwesenheit von Messalina leider nicht.

    Auza musste lachen. "Ich biete an mich zu revanchieren und das Erste, das du tust ist mir noch mehr Hilfe anbieten." Mit einem Augenzwinkern fügte sie hinzu. "Mit dir stimmt irgendetwas nicht." Dann musste sie einen Augenblick überlegen. Rhianus wollte wissen, wo er sie finden konnte. Ihre wirklich Adresse wollte sie ihm aber nicht geben, zumal er ja auch noch nicht einmal ihren richtigen Namen kannte. "Wie du mich finden kannst? Hmm ich bin oft auf dem Markt, ansonsten kannst du hier am Stand auch eine Nachricht für mich hinterlassen. Wo kann man dich denn sonst treffen?"

    Gedankenverloren kaute Auza auf einem Stück Brot herum. War der Riss in der Wand letzte Woche auch schon so groß gewesen? Das würde ihr in ihrer neuen Bleibe sicher nicht fehlen. Dann warf sie einen Blick auf ihren schlafenden Bruder. Bei den Geräuschen, die er von sich gab, konnte man meinen ein ganzes Sägewerk befände sich in dem kleinen Raum. Die Nachbarn zwei Türen weiter hatten sich auch schon beschwert. Gut das Schnarchen würde ihr nicht fehlen, aber er ihr schon. Wie oft würden sie sich in Zukunft noch sehen? Das Schnarchen im Hintergrund hatte aufgehört, ihr Bruder war aufgewacht. Nachdem er sein Gesicht mit etwas kaltem Wasser gewaschen hatte kam er zu ihr.
    "Hier"
    Sie reichte ihm ein Stück Brot.
    "Dir auch einen guten Morgen Schwesterherz " er grinste schelmisch. "Seit wann machst du mir Frühstück?" Gespielt misstrauisch zog er die Augenbrauen hoch." Also gut was willst du? Geld? Ich hab keins." Er lachte.
    "Kindskopf"Leicht genervt verdrehte Auza die Augen."Ich muss mit dir über was ernstes sprechen."
    "Oh was ernstes." Ihr Bruder setzte eine theatralische Mine auf.
    "Vergiss es" Auza war jetzt wirklich genervt."Ich hätte einfach so abhauen sollen."
    "Abhauen? Warum? Musst du?" Ihr Bruder schien nun ehrlich besorgt. Das bot Auza natürlich die Möglichkeit um sich ein wenig zu rächen.
    "Ja ich glaub, jemand hat mich auf dem Markt gesehen, als ich dafür gesorgt habe, dass jemand auf dem Weg nach Hause nicht ganz so arg zu schleppen hat. Und ich fürchte er ist mir gefolgt." Als sie sah wie sich das Gesicht ihres Bruders bei ihren Worten veränderte und immer besorgter wurde, konnte sie nicht mehr und musste lachen. "Ne Quatsch, ich werde Scriba."
    Jetzt bekam Auzas Bruder einen so heftigen Lachanfall, dass er sich fast verschluckte. "Scriba?"Dann musste er wieder lachen, erst als er halbwegs zu Atem gekommen war, fügte er hinzu. "Du hast doch erst vor kurzem schreiben gelernt. Jetzt verarschst du mich wirklich."
    Auza antwortete ihrem Bruder nur mit einem Blick, der keinen Zweifel daran ließ, dass sie es ernst meinte und diese Aussage der Wahrheit entsprach. Ihr Bruder verstand glücklicherweise auch, dass er sich jetzt besser zusammen riss. "Also gut du wirst Scriba. Und bei wem?"Kam er ihr entgegen. Damit hatte er die Frage gestellt die garantiert für den nächsten Lachanfall bei ihm sorgen würde. Auza sah es schon kommen, trotzdem musste sie ihm antworten."Bei einer Vestalin und sie hat mir angeboten, dazu ins Atrium Vestae zu ziehen." "Ins Atrium Vestae? Da lassen sie dich rein? Ne Jungfrau bist du aber nicht mehr."Ihr Bruder brach erneut in schallendes Gelächter aus.Mich schon, aber dich garantiert nicht. Dann brauch ich mir auch nicht mehr deine dämlichen Kommentare anhören." Eine Weile schwiegen sie sich an, keiner der beiden würde je aussprechen, dass er den anderen vermissen würde. Trotzdem wussten beide, dass es der Fall sein würde. Sie hatten einfach schon zu viel zusammen durch gemacht. Ihr Bruder war der einzige Mensch, dem Auza wirklich vertraute und von dem sie wusste, dass er immer für sie da sein würde. Unabhängig von dem gerade gesagten. Dieses sich ärgern und necken, gehörte bei den beiden einfach dazu. Schließlich brach ihr Bruder das Schweigen. "Nichts gegen dich, aber glaubst du, dass das Stellenangebot wirklich ehrlich gemeint ist?""Ja"Ihr Bruder zog die Augenbrauen zusammen."Ich hab trotzdem kein gutes Gefühl bei der Sache. Denen gehen wir doch sonst am Arsch vorbei und jetzt stellt man dich ein? Sei vorsichtig." Auza versuchte seine Befürchtungen mit einem optimistischen Lächeln wegzuwischen, dabei war sie sich selbst in der ganzen Angelegenheit nicht so sicher. "Du weißt doch, dass bin ich immer und ansonsten, steh ich hier halt wieder auf der Matte."Mit einem Grinsen fügte sie hinzu."Keine Sorge ich werd auch weiterhin was zur Miete beisteuern." Auzas Bruder setzte ein unechtes Lächeln auf. "Oh Geld, warum hast du das nicht gleich gesagt." Dann wurde er wieder ernster. "Gut, wenn es wirklich ernst gemeint ist, solltest du diese Chance nutzen. Und du weißt, dass du jederzeit wieder hier her kommen kannst." Damit war das Thema vorerst erledigt und es stand fest, dass Auza ins Atrium Vestae ziehen würde.

    Die Vestalinnen verließen abends nicht das Atrium Vestae? Auza zog verduzt die Augenbrauen hoch. Womit verbrachten die Vestalinnen eigentlich ihre Zeit, wenn sie nicht ihren Pflichten Vesta gegenüber nachginge. Auza sollte es sicher bald herausfinden, sobald sie hier eingezogen wäre. Aber erstmal musste sie unbedingt einen der Tempelverwalter ausfindig machen, um herauszufinden wie es wirklich um Öffnungszeiten des Atrium Vestae bestellte war.


    "Und wo kann ich einen der Tempelverwalter finden?"


    Endlich hatte sie auch Messalinas Frisur vollendet. Die Haare vorne, hatte sie nach innen eingeschlagen, über die Finger zu Locken gedreht und mit Haarnadeln festgesteckt. Die Frisur passte Auzas Meinung nach sehr gut zu Messalinas hübschem Gesicht. Außerdem bot diese Frisur, die Möglichkeit hinter der vorderen Haarpartie einen Schleier festzustecken, so dass man nur noch die Locken sah. Trugen Vestalinnen nicht einen Schleier? Allerdings konnte Messalina durchaus zu einem ganz anderen Urteil kommen.


    "So die Frisur ist fertig. Ihr könnt euch gerne im Spiegel betrachten."


    Auza nahm einen zweiten Spiegel zur Hand und hielt ihn hoch, so dass Messalina auch sehen konnte wie die Frisur hinten aussah.


    "Gut dann komme ich morgen früh um acht zum Atrium Vestae. Dein Angebot mir bei dem Brief zu helfen, würde ich gerne annehmen." Zum Glück sollte Nysa nicht auch noch diese Aufgabe übernehmen. Auza bezweifelte arg, dass die Sklavin sich morgen von einer anderen Seite zeigen würde.

    Natürlich musste sie noch viel üben, um wirklich richtig lesen und schreiben zu können. Aber sie hatte das Gefühl heute, dabei einen großen Schritt nach vorne gekommen zu sein. Sie konnte immer noch nicht ganz glauben das Rhianus ihr einfach so das schreiben und lesen bei gebracht hatte. Irgendwie passte das alles nicht so ganz in die von ihr gemachten Erfahrungen und ihr Weltbild.
    "Vielen Dank." sagte sie und lächelte ihn an, als sie die Wachstafeln in Empfang nahm. "Vielleicht kann ich mich ja irgendwann einmal für das hier revanchieren."

    An eines schien Messalina gewöhnt zu sein, ihren Willlen zu bekommen. Typisch römische Oberschicht, dachte Auza nur. Auf was hatte sie sich hier nur eingelassen? Außerdem war sie sich sicher das ihr Bruder eher belustigt auf die Vorstellung reagieren würde, dass seine Schwester ins Atrium Vestae ziehen würde und nicht beeindruckt, wie Messalina offenbar annahm. Da Messalina sich inzwischen wieder umgedreht hatte, machte Auza sich daran den Ährenzopf weiter zu flechten.


    "Wie sieht es mit dem Verlassen des Atrium Vestae aus? Wird abends die Tür verriegelt, so dass niemand mehr das Haus betreten oder verlassen kann?"
    Auza hoffte inständig, dass dem nicht so wäre. Denn die einschränkenden Regeln des Hauses wären zumindest halbwegs zu verkraften, wenn man dafür wenigstens kommen und gehen konnte wann man wollte und man nachts nicht hier drin eingesperrt wäre. Eigentlich hatte Auza zwar nicht vor nachts allein durch Rom zu streifen, viel zu gefährlich. Aber es war trotzdem ein gutes Gefühl rein theoretisch die Freiheit zu haben, gehen zu können wenn man wollte. Inzwischen war Auza mit dem Flechten des Zopfes fertig und steckte ihn kunstvoll auf dem Hinterkopf Messalinas fest. Jetzt musste sie sich nur noch um die abgeteilte Haarpartie vorne kümmern.


    "Und ich bekomme doch sicher eine kurze Einführung in meine Aufgaben?"

    Sie hatte die Stelle also tatsächlich bekommen. Auza konnte es immer noch nicht ganz glauben, sie hatte ihre Chancen zwar gegen Ende besser als zu Anfang eingeschätzt, aber wirklich sicher die Stelle zu bekommen war sie nicht gewesen. Brachte sie ihrer Meinung nach doch nicht gerade die optimalen Voraussetzungen für die Stelle mit, da gab es doch sicher noch andere Bewerber die besser geeignet waren...Darum schaute sie Messalina auch leicht ungläubig an und brachte nicht mehr als ein "Oh danke." hervor, dann lächelte sie glücklich. Aber gleichzeitig kamen auch leichte Zweifel in ihr auf, die sie, da sie nicht wirklich mit einer Anstellung gerechnet hatte, beiseite geschoben oder gar nicht bedacht hatte. War es wirklich richtig, dass sie sich hier mit der römischen Oberschicht einließ. War es nicht sogar gefährlich? Sollte es zu Problemen kommen, war klar das sie immer den kürzeren ziehen würde. Und was war wenn man mehr über ihre Vergangenheit wissen wollte? Und dann sollte sie hier im Atrium Vestae wohnen. Das hieß sie könnte endlich aus der kleinen, heruntergekommenen, muffigen, im Sommer viel zu heißen und im Winter viel zu kalten Wohnung in der Insulae ausziehen. Aber Messalina hatte auch von Regeln gesprochen die hier gelten sollten. Sie sollte im gleichen Haus wie die vestalischen Jungfrauen leben? Hier würde sie nicht die gleichen Freiheiten haben wie früher. Dazu noch unter einem Dach mit der Sklavin, die Auza sicher das Leben schwer machen würde. Außerdem hatte Messalinas letzter Satz ziemlich besitzergreifend geklungen? Außerdem was würde ihr Bruder zu dem Auszug sagen, sie hatte ihm ja noch nicht einmal von dem Plan sich hier zu bewerben erzählt?. Aber wenn sie an ihre alte Wohnung zurück dachte überwogen die Vorteile. Außerdem konnte sie später, wenn sie es doch nicht hier aushalten sollte immer noch eine andere Wohnung mieten, schließlich würde sie ab jetzt regelmäßig Geld verdienen.
    "Ja ich würde gerne hier einziehen. Allerdings muss ich vorher noch mit meinem Bruder darüber reden."

    Ja da hatte Auza sich in Nysa wohl leider wirklich eine Feindin gemacht. Da bei hatte sie im Grunde nichts getan außer sich um eine Stelle bei ihrer Herrin zu bewerben. Sie zog als Reaktion auf Nysas Gesten nur die Augenbrauen hoch und konterte mit einem Blick, der so viel bedeutete, wie 'wenn das alles ist, was du zu bieten hast'. Aber sie verstand die Sklavin nicht so ganz, sie kannte ihre Herrin schon seit Jahren, diesen Vorsprung an Vertrautheit und gemeinsam verbrachter Zeit, würde Auza nie im Leben so bald aufholen können. Warum fürchtete sie also um ihre Stellung. Fest stand für Auza nur das es mit dieser Sklavin nicht leicht werden würde, sie musste sehr vorsichtig sein und wenn die Sklavin es zu bunt treiben sollte, müsste sie ihr vielleicht doch irgendwann einen Denkzettel erteilen.


    Weiter konnte sie ihren Gedanken leider nicht nachhängen, denn Messalina erzählte einiges über ihre zukünftigen Aufgaben und das Leben im Atrium Vestae. Dies war wichtig, da musste sie zu hören. Außerdem war Auza, zudem auch noch weiter mit dem frisieren von Messalinas Haaren beschäftigt. Welche Regeln Messalina wohl meinte? Falls Auza die Stelle wirklich bekommen sollte, müsste sie Messalina unbedingt danach fragen, wie die Regeln des Atrium Vestae aussahen.
    Auza war gerade dabei, die Haare, die hinten noch offen waren zu einem Ährenzopf zu flechten, als Messalina sich zu ihr umdrehte und ihr mitteilte, dass sie sich entschieden habe. Erwartungsvoll sah sie Messalina an. "Und zu welcher Entscheidung bist du gekommen"? Da man sie noch nicht hinausgeworfen hatte, musste sie inzwischen wirklich eine Chance haben, die Stelle zu bekommen. Aber man konnte nie genau wissen.

    Auza spürte wie sich Messalina unter ihren Fingern entspannte, das war schon mal ein gutes Zeichen. Zumindest vertraute sie ihr, ob ihr die Frisur später gefiel war noch einmal etwas anderes. Geschickt teilte sie auf jeder Seite des Mittelscheitels drei Haarsträhnen ab und achtete darauf, dass diese gleich dick waren. Dann kämmte sie die erste der Haarsträhnen noch einmal durch, damit später keine kleinen Härchen abstanden und begann diese einzudrehen, dabei achtete sie darauf, dass die Haarsträhne eng am Kopf anlag. Als Auza damit am oberen Teil des Hinterkopfes angekommen war, hörte sie damit auf und steckte die Haarsträhne mit Haarnadeln fest. Messalina hatte sehr dichtes und schweres Haar, so dass Auza beim fest stecken sehr sorgfältig war und genau darauf achtete, dass die Haarnadeln auch wirklich fest saßen. Dies wiederholte sie dann genauso mit den 5 restlichen Haarsträhnen. Während sie weiter an der Frisur arbeitete hörte sie Messalina aufmerksam zu.


    "Nein ich habe leider nie wirklich backen oder kochen gelernt." Der Grund dafür war allerdings nicht, dass Auzas Familie Sklaven gehabt hätte, die diese Aufgabe übernommen hatten sondern es lag daran, dass es in dem meisten Wohnungen in den Insulae der Subura keine Küche gab. Die Gefahr, dass dadurch ein Feuer ausbrach war einfach zu groß. Wenn man etwas warmes zu essen wollte, kaufte man es sich einfach in einer der vielen Garküchen. Auza erzählte dies allerdings nicht Messalina. Sie wollte nicht noch mehr Aufmerksamkeit darauf lenken aus welch ärmlichen Verhältnissen sie eigentlich kam.
    Dann spürte sie einen unsanften Stoß mit dem Ellenbogen. Das konnte nur Nysa gewesen sein. Auza warf ihr einen warnenden Blick zu, der zum einen sagen sollte, das Auza genau wusste, dass dies Absicht gewesen war und zum anderen, dass Nysa sich besser nicht mit ihr anlegte. Zum Glück sah Messalina all dies nicht, da Auza in diesem Moment direkt hinter ihr stand.


    Die nächste Frage die Messalina stellte, hätte sie vielleicht besser auch einmal an Nysa richten sollen. Die Sklavin hatte vorhin ganz sicher ihre guten Manieren vergessen. Aber hatte Auza gute Manieren? Sie wusste wie man am besten unauffällig im Hintergrund blieb und das man nur dann antwortete wenn man gefragt wurde. So lange sie mit Messalina oder in deren Auftrag unterwegs war, würde sie sich mit Sicherheit von ihrer besten Seite zeigen. Wie sie sich sonst in ihrem Privatleben verhielt spielte dagegen sicher keine Rolle. Also antwortete sie mit:


    "Ja, meine Manieren sind mindestens so gut wie die eurer Sklavin." antwortete Auza ruhig und höflich. Dabei war die Antwort durchaus auch als Spitze gegen Nysa gemeint. Messalina die von dem Vorfall vorhin nichts mitbekommen hatte, verstand den doppelten Sinn in diesem Satz sicher nicht. Aber Nysa würde schon wissen worauf Auza anspielte.

    Die Anforderungen die Messalina stellte waren wirklich nicht leicht. Am einfachsten und genauesten war noch die Bedingung, dass die Frisur jedem Wetter standhalten sollte. Die einzige Frisur, die diese Bedingung erfüllte war eine Flechtfrisur. Egal wie windig es war oder wie stark es regnete die Frisur würde ihre Form behalten. Eine Vorstellung davon was zu Messalina passen könnte hatte Auza auch. Ob Messalina aber die gleiche Vorstellung hatte wusste sie nicht und was verstand sie unter "einer Vestalin würdig"?
    Trotzdem hatte Auza jetzt eine gewisse Idee und Vorstellung von der Frisur, sie hoffte nur das Messalina später damit zu frieden sein würde.


    Auza fuhr ein letztes Mal mit dem Kamm Messalinas Haare, sie glänzten jetzt und enthielten keine Knoten mehr, das war wichtig. Bevor man wirklich mit dem Flechten und Hochstecken beginnen konnte musste man einzelne Haarsträhnen erst einmal sauber mit dem Kamm abteilen. Auza begann vorne an Messalinas Kopf, und teilte dabei die vordere Haarpartie ab, wie eine Art Pony, dabei achtete sie darauf einen sauberen Scheitel zu ziehen. Das war wichtig, damit es später ordentlich aussah. Diese Haare drehte sie ein und steckte sie vorne mit ein paar Haarnadeln fest. Sie würde sich ganz zum Schluß wieder darum kümmern, dann würden sie in ihre endgültige Form gebracht werden.
    Anschließend kämmte sie die restlichen Haare, die noch offen waren ein weiteres Mal durch und zog einen ordentlichen Mittelscheitel. Dabei war sie immer darauf bedacht möglichst sanft und vorsichtig vorzugehen und Messalina dabei nicht weh zu tun. Während sie all das tat beantwortete sie Messalinas Frage.


    "Nun ich weiß nicht ob ich alle Aufgaben einer Vestalin kenne. Aber ich weiß, dass sie darauf achten müssen, dass das Feuer im Tempel der Vesta nicht ausgeht. Außerdem müssen sie täglich zur Quelle der Egeria gehen und Wasser holen, dass sie danach im Tempel verspritzen. Natürlich opfern sie auch wie alle anderen Priester ihrer Göttin. Stellen sie nicht auch das Mola Salsa her, dass an den Vestalia verteilt wird?"
    Zumindest das hatte sie in der Zeit in der sie in Rom lebte über die Vestalinnen gelernt und mitbekommen.

    Der Blick den Nysa ihr jetzt zu warf sprach Bände. Ja die Sklavin hatte wirklich eine Abneigung gegen Auza, daran bestand jetzt kein Zweifel mehr. Die Frage war nur warum sie, sie nicht mochte. Das einzige was Auza bis jetzt getan hatte, war sich hier zu bewerben. Vielleicht sah sie Auza als Konkurrentin, aber worum? Sie würde ja weiter die Sklavin ihrer Herrin bleiben. Dann holte Messalinas Frage ob sie verheiratet sei, aus ihren Gedanken zurück. Auza nickte. "Ja ich bin unverheiratet." Das eine Heirat überbewertet war, schien von Messalinas Seite her eine Feststellung zu sein, auf die sie keine Antwort erwartete. Auza teilte Messalinas Meinung in dem Punkt zwar nicht, sie wollte irgendwann eine Familie haben und dazu musste man heiraten, aber es erschien ihr unklug Messalina zu widersprechen.
    Außerdem sagte man im Allgemeinen, dass mit einer Frau die unverheiratet war, etwas nicht stimmen musste. (Die Vestalinnen waren natürlich eine Ausnahme) Welchen Grund sollte es sonst geben, das sie keinen Mann hatte? Der Grund das Auza selbst nicht verheiratet war, war auch nur das Männer Frauen wie sie eher nicht heirateten. Ein armes Mädchen aus der Subura ohne Mitgift, dazu noch eine Peregrina, wer wollte das schon. Dazu war ihr Vater gestorben, bevor sie ins heiratsfähige Alter gekommen war.
    Und jetzt? Jetzt gab es immer noch die gleichen Gründe wie zuvor, dazu kam, dass sie inzwischen schon über das Alter hinaus in dem man für gewöhnlich heiratete und sie hatte inzwischen auch einige Erfahrungen mit Männern gemacht, darunter auch einige negative, so dass sie inzwischen nur noch heiraten wollte, wenn sie den Richtigen traf. Die Chancen, dass Auza je heiraten würde, standen also denkbar schlecht.
    Aber jetzt wollte Messalina von ihr frisiert werden, so dass Auza zu ihr hinüber ging und vorsichtig die Haarnadeln löste, die die bisherige Frisur zusammengehalten hatten.
    Nachdem sie alle Haarnadeln auf einen kleinen Tisch der in Messalinas Cubiculum stand gelegt hatte, fing sie an Messalinas Haare zu kämmen. Auza ließ den Kamm sanft durch das Haar gleiten und vorallem begann sie unten an Messalinas Haarspitzen und arbeitete sich so langsam von unten nach oben zu den Haarwurzeln vor. Auf diese Weise tat das Haare kämmen nicht weh.


    "Hast du einen besonderen Wunsch, was deine neue Frisur angeht? Oder soll ich etwas aussuchen?"

    Gut sie saß noch hier. Man hatte ihr nicht vorgeworfen, dass sie für die Stelle völlig ungeeignet war, sie nicht gleich hinaus geworfen. Ja, es bestand sogar die Möglichkeit tatsächlich eingestellt zu werden. Die Götter meinten es gut mit ihr. Wirklich? Ein leiser Zweifel begann in ihr zu nagen. Vielleicht erlaubte sich die junge Frau, die ihr da gerade gegenüber saß auch nur einen üblen Scherz mit ihr, machte ihr Hoffnungen, nur um sie später zu zerstören. Es gab solche Menschen, die sich am Unglück anderer erfreuten. Doch Messalinas Freundlichkeit hatte auf Auza bis jetzt echt gewirkt. Ihre Worte und das Angebot mussten somit eigentlich ehrlich gemeint sein. Trotzdem blieb Auza vorsichtig und ihre Freude erst einmal verhalten. Und dann war da auch noch diese Sklavin, die ihr helfen sollte. Wenn sie Nysas Reaktion richtig interpretierte freute sie sich nicht gerade darauf ihr behilflich zu sein. Vermutlich würde sie ihr sogar noch zusätzliche Steine in den Weg legen.


    "Mein Vater war nicht so vermögend, wie euer Vater. Er konnte es sich nicht leisten einen Lehrer für mich zu bezahlen und er ging davon aus, dass ich sowieso irgendwann heiraten würde und es darum nicht erforderlich ist, dass ich lesen und schreiben lerne." Messalinas Frage, warum sie erst so spät lesen und schreiben gelernt hatte, hatte sie ein wenig überrascht. Die junge Frau lebte wohl in einer Welt in der es normal war, dass jeder lesen und schreiben konnte.
    Außerdem hatte Schreiben in der thrakischen Kultur nie so eine große Bedeutung gehabt, man hatte nie eine eigene Schrift entwickelt und später als man mehr mit der Kultur Griechenlands in Berührung gekommen war, einfach die griechische Schrift verwendet.
    Die letzte Frage die Messalina gestellt hatte, war allerdings ganz nach Auzas Geschmack gewesen, hier hatte sie wenigstens die Möglichkeit noch einige Zusatzpunkte zusammeln.


    "Ich kann sonst noch nähen, jemanden frisieren, habe schon einige Botengänge übernommen und als Verkäuferin gearbeitet." Sie verfügte auch noch über andere Talente, aber die erwähnte sie Messalina gegenüber nicht. Diese wären nämlich ein Grund gewesen sie wirklich nicht einzustellen. Zwar hatte Auza nur darauf zurück gegriffen um zu überleben, aber Messalina hätte sicher trotzdem kein Verständnis dafür.

    Auza hatte das Gefühl, Messalina wollte einmal die Hälfte aller Orte des Imperiums aufzählen. In ihrem Kopf kreisten die Namen wild herum, schließlich konnte sie mit vielen von ihnen nichts anfangen und wusste nicht wo sie lagen. Allerdings war es sicher nicht klug zu sagen, dass sie Rom noch nie in ihrem Leben verlassen hatte. Stattdessen entschied sie sich für eine höfliche Antwort, die immerhin der Wahrheit entsprach.
    "Oh Tarraco und Genua, ich war leider noch nie dort, würde die Städte aber gerne einmal besuchen."
    Sie nahm den angebotenen Wein dankend an und nahm einen kleinen Schluck. "Wirklich köstlich."
    Dann kam die Frage, die sie am meisten gefürchtet hatte.Bis jetzt war einfach alles viel zu einfach gewesen. Sie malte sich schon im Kopf aus, wie sie als Hochstaplerin beschimpft und aus dem Atrium Vestae geworfen werden würde. Die Sklavin schaute sie jetzt schon so komisch an, irgendwie feindselig. Am liebsten hätte sie jetzt noch einen großen Schluck Wein genommen, aber das hätte nur darauf hingewiesen, dass ihr diese Frage nicht behagte. Lügen konnte sie auch nicht, auch wenn sie sich so schon aus einigen schwierigen oder ungünstigen Situationen heraus lavieren hatte können. Diesmal würde ihre Lüge eher früher als später auffliegen. Sie musste also die Wahrheit sagen. Auza lächelte Messalina an, so als wollte sie sie im vorhinein positiv stimmen und die Wirkung ihrer Worte etwas abmildern. "Ich kann schreiben, lesen und rechnen. Allerdings habe ich es erst vor kurzem gelernt." antwortete sie mit fester Stimme und so als sei es das natürlichste auf der Welt und gar nicht so schlimm. Nun konnte sie nur noch abwarten.

    Auza sah ihn etwas ungläubig an. "Wir fangen jetzt wirklich schon mit dem Schreiben an? Und das sind gleich so viele und so lange Wörter..." Rhianus schien ein ehrgeiziger Lehrer zu sein. Warum nahm er nicht für den Anfang kürzere Wörter, wie ut, vidi, in... Aber sie wollte auch nicht zu sehr widersprechen oder undankbar erscheinen, schließlich brachte er ihr das ja alles freiwillig und umsonst bei. Also fügte sie ein "Aber gut ich werd es versuchen." hinzu.


    Das erste Wort war "memoria", es erschien Auza wie ein unüberwindbares Hindernis. Aber was hatte Rhianus gesagt sie sollte die Wörter aufteilen. "me-mo-ri-a" jetzt musste sie sich erst mal nur um das me kümmern. Nachdem sie es einige Male laut für sich ausgesprochen hatte. Meinte sie die Buchstaben M und E identifiziert zu haben. Oder kam da eventuell noch ein H vor. Sie entschied sich das H erst einmal weg zu lassen und schreib die beiden Buchstaben auf. Den Stilus richtig zu halten war gar nicht schwer, im Grunde war es genauso wie das halten einer Nadel oder wie wenn sie etwas mit einem Stock in den Sand gemalt hatte, dass einritzen der Buchstaben in die Wachstafel war dagegen schon etwas anderes. Welchen Teil des Buchstabens malte sie als Erstes? Fing sie oben oder unten an? Außerdem musste sie aufpassen den Stilus nicht zu stark oder zu schwach in den Wachs zu drücken.
    Schließlich hatte sie das alles für das ganze Wort wiederholt und etwas unbeholfen das Wort memorhia auf die Wachstafel geritzt. "Woher weiß ich eigentlich wann ein H im Wort vor kommt und wann nicht?"

    Sie hatte es tatsächlich geschafft. Sie hatte ihre ersten beiden Worte gelesen. Freudestrahlend lächelte sie Rhianus an. Aber er ließ ihr nicht viel Zeit sich auf ihren Lorbeeren auszuruhen, sondern schrieb gleich die nächsten Wörter auf und gleich so viele. Jedes der Worte entzifferte sie einzeln und las es dann laut vor. Das Erste ging noch relativ gut, schließlich kamen in ihm nur drei verschiedene Buchstaben vor, für das humanum brauchte sie länger, dafür waren die nächsten drei schön kurz, aber das letzte Wort war wirklich nicht leicht, so viele Buchstaben. Immer wieder musste sie von vorne anfangen, die Buchstaben bestimmen, dann hatte sie wieder vergessen, was sie gerade erst gelesen hatte. Nach einer gefühlten Ewigkeit meinte sie das Wort endlich entziffert zu haben. "demonstrandum?". Sie las noch einmal den ganzen Satz vor. "Errare humanum est, quod erat demonstrandum." Sie grinste Rhianus an 'Es ist menschlich sich zu irren, was zu beweisen war'. "Willst du mir damit etwas sagen?"