Beiträge von Cnaeus Decimus Casca

    Ich konnte es kaum fassen, was dieser Sklave mir mitgeteilt hatte. Mein Bruder! Im Atrium! Dabei hatte ich noch nicht einmal ausgepackt, noch nicht einmal ein Bad genommen oder überhaupt die Chance gehabt ihm mitzuteilen, dass ich wieder eingetroffen war. Von Freude ergriffen stand ich von meinem Stuhl auf, auf dem Muckel mich gerade rasiert hatte und so schnell es ging ließ ich humpelnd mein Cubiculum hinter mir und richtete mir noch ein wenig die eilig übergeworfene Tunika zurecht. Muckel kam mir mit einem Tuch in der Hand hinterher.


    “Casca! Du könntest dich doch wenigstens noch abtrocknen!“, zischte er mir nach.


    Muckel überholte mich spielend und hielt mir den Lappen unter die Nase, welchen ich herrisch an mich riss und mir über das Gesicht rieb. Endlich war dieser liederliche Reisebart verschwunden, den ich, kratzig wie er war, nicht hatte ausstehen können. Schon gab ich ihm das Stück Stoff zurück. Zwar war ich noch nicht zu einem ausgiebigen Bad gekommen, doch dieser ersten Last war ich schon einmal ledig.


    “Wie sehe ich aus?“, fragte ich dann meinen Sklaven leise und deutete auf mein Gesicht.


    “Er wird dich schon wieder erkennen!“


    “Ich meine...sehe ich...gut aus?“


    “Casca, er ist dein Bruder und...“


    “Ach!“ Ich winkte ab und stakste weiter, hinüber zum Atrium. “Ich meinte die Kratzer!“, sagte ich noch vorwurfsvoll über meine Schulter hinweg.


    Dabei hatte Muckel auch ein wenig recht. Ich wollte nicht aussehen, wie ein daher gelaufener Lump. So lange hatte ich meinen Bruder nicht mehr gesehen und nun sollte es endlich so weit sein. Vorfreude erfüllte mich mehr und mehr und ich beschleunigte meine Schritte noch etwas, ehe ich dann im Atrium stehen blieb und mich nach Massa umschaute.

    Muckel hatte auf Nelias Worte hin genickt, auch wenn er selbst wahrscheinlich nicht daran glaubte, aus diesem Ladenlokal noch etwas machen zu können. Doch er wollte auch die Worte der Sklavin nicht unterbrechen. Vielleicht hatte sie ja recht und eine schöne Nachbarschaft wirkte irgendwie ansteckend auf das Geschäft. Er stemmte die Hände in die Hüften, als sie meinte, er könne ja beim Anstrich helfen. “Alles ausräumen? Man braucht dafür eine Hunderschaft,“, murmelte er sich in seinen nicht vorhandenen Bart und rollte ein wenig mit den Augen, denn wenn Nelia schon seufzte, so tat sie es zu recht.


    Langsam kam auch er wieder in den Laden hinein und schaute sich um, während ich noch da stand und mir einen Augenblick ebenfalls alles betrachtete. Wahrscheinlich nicht ganz so argwöhnisch wie meine Sklavin. Meines Erachtens galt es zunächst einmal den ersten Schock zu überwinden, doch das schien mir recht gut gelungen zu sein. Immerhin standen mir die Nackenhaare nicht mehr zu Berge und das Gefühl die Flucht ergreifen zu müssen schwand allmählich und machte einigen neuen Ideen Platz, die es zu sortieren galt. Nelia hatte vollkommen recht mit ihrer Liste und kaum hatte sie das Schreibutensil erwähnt, welches sie vermisste, schaute ich mich auch schon danach um.


    Ich ging ein paar Schritte und mein Blick fiel auf ein kleines, eingestaubtes Regal, auf dem noch einige Messer, Schaber und Schälchen standen, in denen alte Farbe aufbewahrt wurde. Verziert wurde der ganze Anblick mit ein paar toten Fliegen, welche auf dem Rücken lagen und die Beine in die Höhe reckten. Ich verzog mein Gesicht, während mir Ekel den Rücken hinunter rieselte. Mit dem Zeigefinger streifte ich über das Holz und linste auf den kleinen schmutzigen Hügel, der sich auf meiner Fingerkuppe auftürmte. Ja, das sah nach Ungeziefer aus! Ich trat zurück, als Nelia meinte, ich solle heraus kommen und schaute mich weiterhin um.


    Ich würde definitiv um eine tiefgreifende Investition nicht herum kommen. Vor allem Zeit und Nerven konnte man hier zuhauf lassen in den nächsten Tagen. Ich seufzte und schüttelte meine Hand aus, um den Finger vom Schmutz zu befreien, während Nelia von Sonne, Strand und Meer redete, die sie wohl an die Wände bringen wollte. Ich besah mir der Reihe nach die Wände, auf die sie deutete und versuchte mit meinem inneren Auge die besagten Farben zu sehen. Dabei neigte ich ein wenig mein Haupt und meinen Körper und schürzte die Lippen. Es war schon nicht leicht, in diesem Loch die Fantasie zu beflügeln, doch es gelang mit einigen Mühen und in den Mundwinkel geschobener Zunge. Meine Augen hatten sich ein wenig verengt und hielt meine angestrengte Position einen Moment bei.


    “Ich glaube, ich kann es schon sehen...,“ erklärte ich wage und hob meine Hände ein wenig an, um mit den Fingern einen Ausschnitt aus der kruden Wirklichkeit zu erfassen. Das Messer störte dabei ein wenig und richtete mich wieder auf. “Das Ganze wird ein Vermögen kosten,“ sagte ich dann und raffte mich ein wenig zusammen. Dann ging ich zum Schemel hinüber und ließ mich darauf nieder sacken. So fühlte sich also ein stolzer Ladenbesitzer.


    “Das mit der Farbe gefällt mir gut und ein Wartebereich klingt nicht schlecht, auch wenn man hier bei genauerer Betrachtung so viel Fantasie aufwenden muss, dass man Kopfschmerzen bekommt.“


    “Könnte auch an der staubigen Luft liegen,“ sagte Muckel nüchtern und wedelte sich ein wenig vor der Nase herum.


    Neuerlich ließ ich ein wenig verloren meine Blicke schweifen. “Ah!“, entfuhr es mir dann und ich deutete auf eine Truhe, die etwas abseits in einer der Ecken stand. “Eine Tabula!“ Mein Gesicht erhielt einen freudigen Ausdruck. “Muckel, bring sie her!“


    Mein Sklave setzte sich in Bewegung und nahm die Tabula mit spitzen Fingern auf, ehe er sie zu mir hinüber brachte. Ich nahm sie an mich und wischte beherzt den Staub vom Holz hinunter. Vorsichtshalber pustete ich noch einmal nach und unterdrückte ein Husten.


    “Also...Nelia...Ausräumen, streichen in rot, orange und hellem Ocker, große Spiegel und Regale...“ Ich wedelte ein wenig mit der Hand, denn das half mir manches Mal beim Nachdenken. “Pflanzen...uuund....?“ Fragend blickte ich meiner Sklavin entgegen.

    [Blockierte Grafik: http://www11.pic-upload.de/25.06.14/7f7khtrj3nlz.jpg] | Ephialtes



    Es hatte nun doch einen guten Moment gedauert, ehe der Ianator Ephialtes die Porta öffnete. Doch dann weiteten sich seine Augen etwas. Heute ging es wirklich Schlag auf Schlag, was das Eintreffen der Decimer anging. "Salve, Herr Massa," gab er von sich und öffnete die Tür noch weiter. "Tritt ein..." Schon hatte er eine einladende Handgeste gemacht. "Wem darf ich über dein Eintreffen Bescheid geben?", wollte er dann wissen, ehe ihm noch etwas einfiel. "Verzeih' die Wartezeit, heute ist hier viel los. Was für ein Zufall. Der junge Herr Casca ist auch vor Kurzem eingetroffen." Er trat ein Stück beiseite, damit der Herr Massa eintreten konnte.

    In der Tat! In dieser Bude hing ein jahrelang gehüteter Muff und dieser musste einfach raus. Als ich mich zu meiner Sklavin herum drehte, erkannte ich, dass diese hinaus gestürzt war. Muckel war ihr gefolgt und stand neben ihr und blickte auf die Finger, mit denen sie scheinbar eine Aufzählung tätigte.


    “Die beiden brauchen nicht nur eine Rundumerneuerung, die brauchen... ich weiß auch nicht...,“, sagte er mit trübem Unterton. “Am besten wir reißen den Laden ab und bauen ihn neu...“ Skeptisch glitt sein Blick über seine Schulter hinweg, während er ihr Seufzen vernahm. “Handwerklich geschickt?“, hakte er dann nach und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. “Zumindest geschickter als Casca, wenn du das wissen willst.“ Dann kratzte er sich am Kopf. “Aber ich denke, man sollte diese vier Wände erst einmal... ausräuchern oder sowas...und ihre Bewohner gleich mit.“


    Ich unterdessen beschaute mir wieder die beiden Gestalten, nachdem Nelia mir empfohlen hatte, sie einer Badeanstalt zu überantworten. Wahrscheinlich würde man sie gar nicht einlassen. So gefährlich, wie Ulcus aussah vermutete man doch eher, er würde in irgendeinem dunklen Gemäuer als Wärter sein Leben fristen und Quix mutete an wie ein frisch gefangener Wilder, den man von einem Baum hinunter geschossen hatte. Ich konnte meine Blicke gar nicht abwenden, so abstrus schauten sie aus. Im Nachhinein wunderte es mich nun schon, dass es überhaupt einen Kunden, wie den erzürnten Burschen von der Straße gegeben hatte, der den Mut hatte sich auf einen dieser Schemel zu setzen und seine Kehle zu entblößen. Ich schluckte schwer, allein beim Gedanken daran.


    “Nun, Ulcus....Quix...,“, begann ich die beiden anzusprechen. “Ihr... geht euch nun waschen und dann werden wir sehen, dass wir wieder Menschen aus euch machen. Ahm...“ Dann fiel mir noch etwas ein. “Wie viele Kunden hattet ihr denn bisher so...täglich?“ In meinem Hinterkopf lauerte dazu noch die Frage, auf wie viele Klagen ich mich in der nächsten Zeit gefasst machen konnte, doch diese brauchte ich nicht zu stellen. Immerhin musste man schon von Irrsinn geplagt sein, sein Haar diesen beiden schrägen Vögeln zu überantworten.


    “Och so... drei,“ entkam es Quix und ich meinte ein wenig Stolz in seiner Stimme zu hören.
    “D r e i?“, hakte ich nach. Kein Wunder, dass dieses Geschäft keine schwarzen Zahlen schrieb.


    “Waschen!“, befahl ich und sah Ulcus an. “Und Messer her...“ Ich streckte meine Hand aus, um es in Empfang zu nehmen.


    Tatsächlich gab mir Ulcus besagtes Requisit und trollte sich unentschlossen mit Quix von dannen. Ich atmete tief durch und betrachtete mir die funkelnde Klinge.


    “Ihr könnt jetzt wieder reinkommen!“, sagte ich nun doch ein wenig vorwurfsvoll in Nelias und Muckels Richtung. “Die Gefahr ist gebannt!“ Dazu hielt ich ein wenig das Messer in die Höhe, als Zeichen dafür, dass mit keinerlei Angriff gerechnet werden müsse. “Das ist doch... alles gar nicht soooo schlecht!“, erklärte ich dann mit einem Lächeln im Gesicht, welches mit zugegebenermaßen ein wenig Mühe bereitete. “Ich meine...wie du schon meintst, ein wenig Farbe...vielleicht ein paar Bilder...Pflanzen und... überhaupt und dann wird das!“ Ich nickte, während ich meine Blicke neuerlich schweifen ließ. “Ja, das wird!“, bestärkte ich mich selbst. “Also...?“, wollte ich dann von Nelia wissen und ich breitete meine Arme ein wenig aus.

    Ja, hier bedurfte es mehr als nur eines guten Spruches. Da hatte meine Sklavin vollkommen recht. Nur guter Rat diesbezüglich war verdammt teuer, wenn einem schon so gut wie nichts mehr einfiel. Was sollte ich nur tun? Offenbar war ich der Herr von einem Wesen mit Ganzkörperbehaarung und einem mickrigen Wicht. Und was machte der Kerl gerade? Bohrte er sich etwa im Ohr? Meine Augenbrauen hoben sich und ich presste die Hand gegen meinen Bauch, in dem sich allmählich ein recht flaues Gefühl einstellten wollte.


    Muckel stand vollkommen ruhig und beschaute sich, wie Nelia sich die Haare raufte. Ihre Blicke begegneten sich. Auf ihre Meinung hin, dass sie einen Plan brauchten nickte er nur. Sicher, das alles hier war ein Loch ohne Boden und selbst die besten Ideen konnte hier auf Nimmer-Wiedersehen in dunkelster Nacht verschwinden, wenn man nicht zeitgleich handgreiflich wurde und das Unterste zu Oberst kehrte. Viel Arbeit! Viel, viel Arbeit würde das alles hier werden.


    “Wir brauchen keinen Plan! Wir brauchen ein Wunder!“, erklärte er dann relativ trocken und nüchtern und zuckte mit den Schultern, ehe er sich weiterhin umschaute. “Und wer weiß was der Laden noch alles so an Spezies beherbergt....“ seine Blicke waren an einigen, dichten Spinnenweben hängen geblieben, die sich etwas weiter hinten im Laden doch unter den nun einfallenden Licht deutlich von der Decke absetzten. Sein Mund verzog sich und er rollte mit den Augen.


    Ich unterdessen besah mir wieder die beiden Gestalten vor mir und bemerkte kaum, wie Nelia hinter mir Deckung suchte. Dann spürte ich das leichte Rucken am Stoff meiner Tunika, das verkündete, dass mein Ohr gebraucht wurde. Nelias Worten konnte ich nur zustimmen. Der Laden musste erst einmal schließen und vor meinem inneren Auge reifte auch schon ein Konzept. Die Bude musste komplett ausgeräuchert werden! Ich drehte mich zu meiner Sklavin herum.


    “Ja, genau! Hier muss alles raus!“, stimmte ich ihr zu und wendete mich wieder zu den beiden Erscheinungen. “Und wer seid ihr nun?“, versuchte ich es noch einmal.


    “Ulcus,“, grunzte der Gorilla.
    “Man nennt mich Quix...,“, ergänzte das andere Wesen.


    Meines Erachtens sah dier 'Quix' immer noch so aus, als trug er ein zerplatztes Kissen auf dem Kopf und ich rümpfte die Nase, ehe ich auf ihn zu ging.


    “Das muss runter!“, erklärte ich deutete auf seinen Schopf und auch Ulcus betrachtete ich mir nun aus der Nähe. Er muffelte wie ein toter Hirsch, wenn man es genau betrachtete. “Götter!“, entfuhr es mir. “Wenn es hier irgendwo Wasser gibt, dann solltet ihr es gut nutzen!“ Dann wendete ich mich wieder Nelia zu, denn das alles schrie nach einer weiblichen Hand.

    Ich blinzelte ein paar Mal, während ich mir den Gorilla in Menschengestalt näher beschaute. Bei genauerer Betrachtung hatte er nicht nur Haare auf seiner Brust, sondern sie sprossen überall. Mein Blick wendete sich dann zu Muckel hin und dann zu meiner neuen Sklavin, die ihm in den Armen lag. Ich spitzte die Lippen ein wenig, als sie meinte, das alles nicht sehen zu wollen und dass dies unmöglich der Laden sein könne. Offenbar war er es aber doch, nur war ich noch selbst zu bestürzt, um das zu zu geben.


    Muckel schaute ebenfalls Nelia entgegen. “Casca würde niemals Scherze über seine Geschäfte machen,“ sagte er flüsternd. “Und ich glaube, es hat ihn genauso kalt erwischt wie uns!“


    Ich gönnte meinem Sklaven einen vielsagenden Blick und schaute auf den Affen zurück, der noch immer mit gezücktem Messer dastand und nun den Mund öffnete, um neuerlich etwas zu sagen. “Was nu?“, wollte er wissen und deutete ein wenig unbeholfen auf den Schemel.


    “Ich... bin Scherzen und anderen Tollereien nicht abgeneigt, aber das hier...“, begann ich zu erklären, als meine Sklavin mir unterstellte, ich würde mich auf ihre Kosten herrlich amüsieren, doch ich kam nicht weiter. Wieder musste ich mir das 'Ding' beschauen, welches nun grunzte und sich mit dem Handrücken unter der Nase rieb. Ich verzog mein Gesicht und mein Kopf zuckte zurück. In diesem Moment konnte ich die scheinbare Belustigung meiner Sklavin nun wirklich nicht teilen, die sich nun auf die Zehenspitzen stellte und versuchte über meine und Muckels Schultern hinweg auf die Erscheinung des Hünen zu blicken.


    “Das ist wirklich kein Jux,“ flüsterte Muckel Nelia eindringlich entgegen. “Der Primat da drin ist wirklich echt!“
    Ich nickte. “Ich habe dich nicht erworben, weil ich jemanden brauche, dem ich mal so richtig... ein Kasperletheater vorführen kann,“ ergänzte ich vorwurfsvoll in Richtung meiner Sklavin. “Das hier...,“ Ich deutete mit beiden Händen in den Laden, “...dieses alles hier....soll eine Goldgrube werden und...“
    “Was is'n nu?“
    “Casca... was...“
    “... und mir ist überhaupt nicht nach irgendeinem...Unsinn!“ Meine Hände unterstrichen hastig genau den Aspekt, den ich meinte. Nämlich dass jetzt Schluss war!


    Entschlossen setzte ich zwei Schritte in den Laden und schaute dem affenähnlichen Menschen entgegen. “Wer bist du?“, wollte ich wissen.
    “Wer bis'n du?“, kam es zurück.
    Dann polterte er im hinteren Teil des Ladens und eine weitere Gestalt nahm aus dem Zwielicht heraus Formen an.


    Es war ein junger, schlaksiger Mann, fast noch Knabe. Er schaute mich und meine Sklaven mit großen, dunklen Augen an, während seine verfilzte zottelige Haartracht nach allen Seiten hin ab stand. Dann kratzte er sich am Kopf.
    “Wer seid ihr?“, wollte er dann wissen. “Seid ihr hier um...“
    “Ich bin hier, weil ich der Besitzer dieses Ladens bin!“, unterbrach ich ihn dann. Doch dann überkam mich neuerlich ein Schaudern. Wenn dies hier wirklich mein Laden war, dann konnte es nur bedeuten, dass diese beiden Figuren ebenfalls zu mir gehörten. Ich schluckte und schaute mich zu Muckel und Nelia um. “Ich besitze diesen Laden?“ resümierte ich noch einmal ein wenig leiser und fasste mich an die Stirn. Mich fröstelte mit einem Mal und ich war mir sicher, dass man mir diesen Umstand auch ansah.

    Heiliger Strohsack traf es ganz gut. Ich konnte es nicht fassen, was ich da vor mir sah. Das sollte meine Tonstrina sein? Ich stierte dem verlotterten Eingang entgegen, doch es schien kaum noch nagende Zweifel zu geben. Immerhin stand der Name dieser Bude direkt neben dem Eingang. Ich hatte ihn höchst selbst gelesen, doch glauben wollte ich es nicht.


    “Vielleicht... ist sie ja von Innen ganz hübsch,“ versuchte sich Muckel als er merkte, dass mich dieser Anblick fürchterlich mitnahm.


    Nelia wagte ein paar Schritte nach vorn. Muckel und ich folgten ihr tapsend. Zögerlich schob sie den Vorhang ein wenig beiseite und schob ihren Kopf durch den entstandenen Spalt zwischen Tuch und ihrer Hand.


    “Ich denke,...“ begann ich, doch kam nicht weiter. Meine Sklavin schrie auf, wendete sich von dem Eingang ab und barg ihr Gesicht an Muckels Brust.


    Muckel schloss sie in die Arme und schaute mich an. Monster? Ich hob meine Augenbrauen und räusperte mich ein wenig, ehe ich Nelia meine Hand beruhigend auf die Schulter legte. Beschaute man sich den Laden genauer, war es doch höchst wahrscheinlich, dass sich Ratten und anderes Getier in seinem Inneren herum trieben. Vielleicht eine dicke Katze oder ein Kater? Gar ein Hund? Ansonsten wusste ich nichts mit dem Begriff 'Monster' anzufangen. Ich löste mich von meinen beiden Sklaven und war es nun selbst, der sich wieder dem Eingang näherte. Das musste ich mir selbst beschauen.


    Entschlossen raffte ich den Vorhang beiseite. Zwielicht schlug mir entgegen, welches nur unterbrochen wurde durch einige staubig vernebelte Sonnenstrahlen, die durch die Läden der Fenster drangen. Hocker standen vor zwei großen, gerahmten Kupferspiegeln. Auf einem dieser Hocker saß ein massiv wirkender Mann mit einem ausladenden Gesäß, doppelten Kinn, fliehender Stirn und zerzausten, braunen Haaren. Sein wulstiger Bauch wallte über seinen Gürtel hinweg und die zerschlissene Tunika gab über der Brust unzählige Büschel von Haaren preis. Als er meiner gewahr wurde, fuhr er herum und zwei funkelnde, tiefliegende Äuglein unter buschigen Augenbrauen starrten mir entgegen. Er hatte in der Tat etwas sehr Animalisches an sich. Das kleine Rasiermesser in seiner Faust machte diesen Eindruck nicht wett. Im Gegenteil.


    “Bona Dea!“, entfuhr es mir erschrocken, doch ich wich nicht von der Stelle.


    “Kundschaft?!“, grunzte er und erhob sich schnaufend. “Hier!“ Er deutete auf den Hocker, von dem er gerade aufgestanden war. “Setzen!“


    “MUCKEL!“, rief ich über meine Schulter hinweg, ehe ich bemerkte, dass dieser mit der Sklavin im Arm bereits direkt hinter mir stand. “Schaut euch das an!“, forderte ich.

    Viel Raum für neue Ideen



    [...]Wie ich es bereits erwartet hatte, waren die Straßen zu dieser Stunde vollgepfropft mit Menschen und so bahnten wir uns unseren Weg an vielerlei Leibern vorbei. Viel Zeit, um die Umgebung zu bewundern blieb nicht. Eigentlich handelte es sich um eine ordentliche Gegend. Eine Gegend, in der auch meine Tonstrina ansässig war. Muckel war mir dicht auf den Fersen und wie ich mich immer wieder vergewisserte auch Nelia. Viel Zeit mit Reden vertrödelten wir auf dem Weg nicht, doch während des Ganges wiegte ich die Worte in meinen Gedanken, welche überhaupt der Auslöser gewesen waren, die Sklavin zu erwerben.


    “Tonstrina Hispania...Gepflegte Menschen machen die besseren Geschäfte....,“ flüsterte ich verheißungsvoll werbend und ich konnte bereits die Gravur am Ladenschild vor meinem inneren Auge lesen.


    “Du kriegst nicht genug davon, oder?“, raunte Muckel vorwurfsvoll zurück, doch ich lächelte nur wissend.


    Wir waren stehen geblieben, denn dies war in etwa die Adresse, die ich mir noch daheim eingeprägt hatte. Hübsche Geschäfte. Ein Stoffhändler, eine kleine Garküche, ein Bäcker und ein Kunstschmied. Gute Gesellschaft für meinen eigenen Laden. Doch wo war er? Ich schaute mich mit zusammen gekniffenen und leicht mit der Hand beschirmten Augen um. Man hatte sich viel Mühe geben, die Geschäftslokale adrett zu gestalten. Hier und da standen neben einiger gut sortierter Auslegeware sogar Pflanzen vor den Türen. Geschmiedete Schilder wiesen auf die Besitzer hin und luftige, bunte und zur Seite geraffte Vorhänge luden dazu ein einzutreten. Inmitten dieser pittoresken Verkaufsräume musste meine Tonstrina sein, doch ich entdeckte sie nicht. Nur ein verlottertes, kahles Tor, das mit einem grauen, zerschlissenen Stoff, der entfernt an Getreidesäcke erinnerte, verhängt war. Kein Schild, keine Pflanze, kein einladendes Bild. Viel eher mutete dieses Geschäft - sofern es denn eines war – an wie ein verottender Zahn, mitten in einem prächtigen Gebiss.


    “Denen sollte mal einer sagen, dass die gepflegten Geschäfte hier die besseren Geschäfte machen,“ murmelte Muckel in Richtung Nelia und ich neigte mein Haupt ein wenig in die Schräge.


    Mir schwante etwas Grauenhaftes, während ich leise “Iuno...,“ sagte und ein paar tapsige Schritte auf den Laden zu machte. Ich staunte noch mit offenem Mund, als der Vorhang zur Seite gerissen wurde und ein schimpfender Mann heraus stürzte, der sich unbeholfen ein Tuch gegen die Wange presste. “Ein verfluchter Gladiator!“, motzte er mich, als ersten Menschen der ihm auf der Straße begegnete, an. Zornig pfefferte er auch sogleich das Tuch auf den Boden, sodass eine unschöne Schnittwunde in seinem Gesicht sichtbar wurde. “Geh' dort nicht rein! Das sind Halsabschneider in doppelter Hinsicht!“ Er fuhr zu dem Gebäude herum und wetterte gegen das Mauerwerk weiter. “Ich werde euch verklagen! VERKLAGEN sag' ich!“ Und mit geballten Fäusten stapfte er davon.


    Ich näherte mich dem kleinen, verstaubten Schildchen, welches bei noch näherer Betrachtung neben dem Eingang angebracht war und meine Augen weiteten sich. “Tonstrina Hispania...,“ las ich angestrengt und fuhr dann zu Muckel und Nelia herum. “Tonstrina Hispania!“, sagte ich nun fassungslos laut und wischte mit der Hand über die Wange.


    “Bist du dir sicher?“, wollte Muckel wissen und als ich nickte, fragte mein Sklave nun Nelia. “Ist er sich sicher?“


    “JA!“, entfuhr es mir und ich ging zu meinen beiden Sklaven zurück, um noch einmal mit ein wenig Abstand auf die schlimmste all meiner Befürchtungen zu blicken.

    Wie sie mir versicherte war sie willens ihre Aufgaben ernst zu nehmen und auch das Lesen und Schreiben zu lernen. Letzteres war mir wichtig, denn ich fühlte mich eigentlich ganz wohl mit Menschen, die eine Tabula nicht nur wert schätzten, weil man mit ihnen Jagd auf lästige Insekten machen konnte. Dennoch musste ich eine Augenbraue heben, als mir von Nelias Seite aus wieder Belustigung entgegen schlug. Immerhin war ich nicht hier, um sie zu unterhalten, doch auf der anderen Seite war Amüsement seitens einer Sklavin bei Weitem besser als Tränen, Trauer und andere emotionalen Darbietungen, die man auf einem Sklavenmarkt des öfteren sehen konnte. Nein, da gefiel mir dieses Funkeln in den Augen meiner hübschen Bauerntochter doch durchaus besser.


    “Oh,“, entkam es mir, als sie meinte, sie würde meine Tonstrina doch gerne einmal sehen. “Mein Muckel und ich, wir befanden uns just auf den Weg dorthin.“ Dass ich meine Tonstrina an diesem Tag auch das erste Mal erblicken würde, davon sagte ich ihr besser nichts. “Hmmmmm....,“ seufzte ich dann noch einmal zufrieden und ließ die mir weitere Massage nur zu gerne gefallen.


    So verging einige Zeit im Schweigen und Schwelgen meinerseits, ehe ich mich dann abrupt aufrichtete. Ich sah Muckel, wie er heran stürzte und sich einen Geldbeutel vom Gürtel fummelte. Ich bedeutete Nelia mit dem Massieren aufzuhören und schaute ihm erwartungsvoll entgegen.


    “Hier!“, schnappte Muckel unter schweren Atemzügen und warf mit das Geld in den Schoß. Dann wischte er sich mit dem Ärmel über die Stirn und stöhnte sein Leid heraus, während er sich an die Knie fasste und sich nach vorne neigte, als würde dies beim Atmen helfen.
    “Dreihundert?“, wollte ich wissen.
    “Kan...nst es ja nach...zähle...n,“, schnaufte er zurück.
    Meinem Blick entging nicht, dass der Sklavenhändler uns aus der Ferne beäugte und sich nun anschickte, auf uns zu zu kommen.
    “Nun fass' dich, Muckel!“, verlangte ich und erhob mich ein wenig umständlich von dem Stein. Nelia bedeutete ich mit einem Fingerzeig, sich zu erheben.“Du japst ja wie Sisyphos mit seinem Stein kurz vor dem Gipfel....“
    Muckel schaute finster zu mir auf, doch ich war schon an ihm vorbei gewankt und hielt auf den Händler zu.


    Kaum stand er vor mir, öffnete ich den Geldbeutel und zählte – was etwas länger dauerte - mit grimmigem Gesicht funkelnde Geldmünzen auf eine erhöhte Kiste, zu der er mich zitierte.


    “...zweihundertachtzig...zweihundertneunzig...dreihundert!“ Er nickte mir zu und raffte die Barschaft an sich. “Nun gehört sie dir, mein Freund!“ Etwas kollegial anmutend sackte seine Pranke auf meine Schulter, die ich unter einem Seitenblick flüchtig beschaute. Offenbar war man diesem Volk erst dann ein Freund, wenn es einen um etliche Sesterzen erleichtert hatte.


    “Immer wieder gern,“ brummte ich heraus, wendete mich ab und ging zu meinen beiden Sklaven zurück.


    “Und... nun? Zur...Tonstri..na?“, wollte Muckel noch immer angestrengt wissen.


    “Oh ja, und wie...“, erklärte ich und deutete in die Richtung, in der diese lag.
    “Ich bin schon sehr gespannt, was uns erwartet...“

    Nein, sich auszumalen, wie Muckel sich verwöhnen ließ wollte ich nun wirklich in keinem Fall. Noch immer hoffte ich, er würde sich sputen. Ein kurzer Blick zu dem wachsamen Sklavenhändler genügte, um zu wissen, dass dies auch sein unbedingter Wunsch war, denn er schaute ständig zu uns hinüber. Ganz so, als würde ich – invalide wie ich im Moment war – die Sklavin ergreifen und mit ihr unter meinem Arm davon spurten. Ich wendete mein Augenmerk wieder ab und setzte es stattdessen auf die kleine Augenweide neben mir, die so stetig meine Muskulatur massierte. Das war schon viel erbaulicher! Dabei erzählte sie mir wie gewünscht aus ihrem Leben. Offenbar war es nicht einfach gewesen bei einer kranken und alsbald verblichenen Mutter, doch deren Konstitution hatte sie anscheinend nicht geerbt. Sie ging wohl eher auf ihren Vater zurück, was mich nun doch ein wenig beruhigte. Nur nicht, dass sie mir auch noch trunksüchtig wurde!


    Ich nickte dann und wann auf ihre Worte hin und lauschte weiter wie sie bei einer ländlichen Hebamme namens Rose ihre Zeit verbracht hatte, ehe ihr Vater wohl alles Geld verspielte und Schulden machte. Eine Schuldsklavin also. Ich brummte verstehend vor mich hin und hob nur sachte meine Augenbrauen, als sie meinte, ein doch recht wildes Kind gewesen zu sein. Derartiges hatte mir gerade noch gefehlt. Ich sah mich schon unter einem Baum stehend, lockend und säuselnd, als sie meinte, sie würde gerne auf dieser Art Gewächs klettern. Doch dann meinte sie, sie wäre vernünftiger geworden. Ich erinnerte mich dunkel, dass einer meiner Lehrer einmal sagte, dass Vernunft erst mit den Worten der Philosophen Einzug halten würde, doch da sie weder des Lesens noch des Schreibens kundig war, war dies bei ihr wohl ohne einen Aristoteles vonstatten gegangen.


    Ihr Schmunzeln war wirklich reizend und ich lächelte erneut. Dass sie kleine Wunden versorgen konnte und auch im Ansatz wusste, wie man Medizin herstellte, erfreute mich. Vielleicht könnte man dieses zarte Wissen noch ein wenig verfeinern. Und natürlich musste sie lesen und schreiben lernen. Dessen war ich mir sogleich sicher, auch wenn ich ansonsten doch noch nicht recht wusste, was mit meinem neuen Besitz anzufangen war. Hauptsache sie sammelte mir kein Viehzeug an. Spinnen wohl ausgenommen, wie sie mit Nachdruck behauptete.


    Nelia kannte sich wohl im Haushalt aus, wenn auch nur in einem recht kleinen und verstand sich, wie sie bereits schon einmal demonstriert hatte in dem Besitz unschlagbarer Geschäftstaktiken. Auf ihr Strahlen hin, hob sich einer meiner Mundwinkel ein wenig verzückt, ehe sich meine Miene in den Ausdruck tiefster Überraschung verzog. Ob sie es gut getroffen hätte? Ich wäre freundlich und hübsch?


    “Ich äh...nun ja...,“ War das gerade Verlegenheit, die sich unter einem beschränkt anmutenden Grinsen in mein Gesicht stahl? Nestelte ich da gerade am Kragen meiner Tunika herum? “Also...ich... so bin ich nun einmal und das ist mein Gesicht...ich meine...also...du hast es schon...hättest es anders treffen können...,“ ging mir gerade die Rhetorik vollkommen ab. “Bei mir gibt es Essen...Kleidung...eine Schlafstatt...vielleicht ein kleines Peculium...“ Ich räusperte mich schnell und fuhr mit der Rechten über das Kinn, als ich mich entsann, dass ich für mich vor einer Sklavin überhaupt keine Werbung machen musste. “Dafür erwarte ich natürlich Gehorsam, denn etwas anderes lasse ich natürlich nicht durchgehen! KEINE Haustiere und ein wenig Lerneifer....du wirst natürlich lesen und schreiben lernen müssen...und... überhaupt noch viel zu tun haben,“ ging ich dann auf meine wagen Erwartungen an sie über. “Waschen, Aufräumen, generell Ordnung halten und...“ Dann fiel es mir wieder ein. “...ein paar Ideen von dir wären gut. So wie das mit den gepflegten Leuten und 'Qualität ist entscheidend' Ich nickte und schaute sie erwartungsvoll an.

    “Ja, ungünstig wäre es in der Tat,“ gab ich lächelnd bekannt. “Doch ich glaube nicht, dass das passiert. Ihm wachsen bestimmt schon Flügel an den Schuhen und er wird zu einer Art Mercurius!“ Mit einer Hand fegte ich durch die Luft und deutete somit die Geschwindigkeit an, die ich mir von meinem Sklaven erhoffte. Dabei schaute ich Nelia entgegen, deren Gesicht noch immer Erheiterung widerspiegelte. Es gefiel mir, dass sie so sehr um mein Wohl besorgt war und sich schon Gedanken über stützende Wickel in einem für mich annehmbaren Rahmen machte. Eine Masche jedoch um ihrem neuen Herrn Honig um das Maul zu schmieren schien es jedoch nicht zu sein, sondern es deutete sich doch eher an, dass sie aus freien Stücken und von Grund ihres Herzens auf gutmütig war. Immerhin waren helfende Tätigkeiten wie jene in ihrem Dorf niemals einem kaltherzigen Wesen beschieden.


    Nein, sie gefiel mir wirklich gut und ich wollte mehr von ihr erfahren. “Erzähle mir doch noch ein wenig mehr von dir, Nelia. Kannst du lesen und schreiben? Bei wem bist du aufgewachsen?“ Schließlich hatten wir noch ein wenig Zeit und selbst wenn Muckel nun so zügig durch die Straßen und Gassen trabte, wie ich mir das wünschte, so würde doch noch die ein oder andere Minute vergehen.


    Muckel unterdessen hatte die Casa bereits erreicht und er war so schnell gelaufen, dass ihm der Schweiß auf der Stirn stand und sein Atem so schnell ging, dass ihm die Lunge bersten wollte. Zielstrebig hielt er im Cubiculum auf das besagte Regal zu und durchsuchte die genannte Schatulle. Tatsächlich fand er darin das Geld und machte auf dem Absatz kehrt, klemmte sich das kleine Säckchen unter den Gürtel, trank noch einen großen Schluck aus einem der Krüge, die auf dem Tisch standen und sprintete wieder aus dem Haus, als wäre Kerberos persönlich hinter ihm her.


    Ich unterdessen saß bequem auf diesem Stein, hatte die Hände auf meinem Schoß gefaltet und lauschte meiner Sklavin.

    Vielleicht hatte ich ja gar kein so schlechtes Geschäft getätigt mit dieser Sklavin, die doch einiges an Kenntnissen in ihrem Leben mitgenommen hatte und das vergessene Geld hatte auch etwas Gutes, wenn man es genau betrachtete. So konnte ich wenigstens feststellen, wes Geistes Kind sie war und mich ein wenig mit ihr unterhalten. Einer Hebamme war sie zur Hand gegangen? Nun gut, ich dachte nicht, dass ich irgendwann einmal selbst einer solchen Dame bedurfte. Ihre leichte Massage genoss ich sehr wohl und sie war meinem Bein mehr als nur angenehm, so war es an mir ein wenig verdutzt dreinzuschauen, als sie diese plötzlich unterbrach und Nelia mich erschrocken ansah. Peitsche? Warum ich sie schlagen wollte? Meine Stirn runzelte sich leicht, ehe es mir wie Schuppen von Augen fiel.


    “Oh, nein, nein,“ sagte ich schnell und hob meine Hand. “Ich... hatte nur laut gedacht.... und meinte nur, dass man dir nicht also, ich meine in keinem Fall mit einer Peitsche drohen muss.... Ich meinte das im Sinne eines...eines...gedanklichen Versuchs und wollte damit nicht sagen...“ Ich winkte ab und lachte ein wenig dümmlich. “Ich schlage meine Sklaven nur, wenn... also wenn...aber das muss dich nicht belasten,“ redete ich ein wenig nebulös daher. “Wenn ich Muckel mehr geschlagen hätte... dann wäre er heute garantiert nicht so und siehst du... schon ist es zu spät und er ist, wer er ist.“


    Ich seufzte neuerlich. “Nur glaube nicht, dass ich mir so einfach auf der Nase herumtreten lasse!“, wollte ich dann doch noch einmal klarstellen. Doch dabei wollte ich es auch belassen. Strafen und insbesondere Prügel waren kein Thema, in das ich mich gerne hinein steigerte.


    Ich hob mein Bein testweise wieder ein wenig an und stellte fest, dass der garstigste Anteil des Schmerzes verschwunden war. Nun ließ es sich aushalten. “Du meinst also eine elastische Binde?“, wollte ich das Thema dann wieder angenehmere Bahnen lenken. “Das musst du mir wirklich demonstrieren.“ Bisher hatte ich derartiges noch nicht versucht, weil ich immer dachte, dass Wickel und Binden einem älteren Menschen als mir doch eindeutig besser zu Gesicht standen. Dann schaute ich mich um und spähte schließlich in die Richtung, in die mein Sklave sich aufgemacht hatte. “Wo er nur bleibt?“, fragte ich und sah Nelia an. Dann grinste ich über die Worte, die mir in den Sinn kamen. “Hoffentlich hat er nicht auch ein schönes Mädchen zum Massieren gefunden!“

    Die junge Sklavin kniete nun vor mir und hatte mein Bein auf ihre Oberschenkel ablegt. Ich nahm es dankbar hin und genoss diese Zuwendung insgeheim. Muckel war niemals so aufmerksam zu mir. Seine Fürsorge bestand eher in Sätzen wie 'Stell dich nicht so an' oder 'Barbaren kennen keinen Schmerz'. Es hatte etwas für sich, wie dieses Mädchen mich nun anblickte und sollte ich wirklich Bedenken gehabt haben sie zu erwerben, so schmolzen diese nun butterzart dahin. Ja, ja, ich war ein sechsjähriger Reitersmann. Ich begegnete ihrem Schmunzeln mit einem bekräftigenden Nicken. Und ein 'Ja' auch zu dem Punkt, an dem es übel klang. Übler als übel, denn es war ein Elend für den Rest seines - im Augenblick noch jungen Lebens - lahmen zu müssen wie ein alterndes Ross.


    Aber ich gehörte auch nicht zu der Sorte Menschen, die ihr eigenes Wehklagen gerne hörten oder sich in einem Leiden so bereitwillig suhlten wie ein junges Ferkel in einer Kuhle Schlamm. Im Gegenteil. Ich schaute insgesamt doch gerne nach vorne und überging das Leid mit stets neuen anregenden Gedanken. Vielleicht stürzte ich mich deshalb auch wie ein Geier auf meine Tonstrina. Seit dem jüngsten Studium der Bilanzen lag sie mir doch schwer im Magen. Die Worte meiner neuen Sklavin ließen sich da schon viel leichter verdauen. Mein Befinden bekümmerte sie wirklich?


    “Pfuhhh...“, seufzte ich heraus, als ihre grazilen Finger meine Wade massierten. Es tat doch ungemein wohl. Neuerlich kein Vergleich zu Muckels Künsten, der eigentlich nur wenig feinfühlig war und wenn er einen schon massierte, gleich loswalkte wie ein Gerber. “Nein, bis auf ein paar Einschränkungen in der Tauglichkeit ist nichts in meinem Knie zurück geblieben,“ sagte ich dann in einem milden, zufriedenen Tonfall. “Ich hatte die besten Heiler“ Den Händlersmann beachtete ich gar nicht mehr, denn Nelia hatte recht. Der Sklavenhökerer war es gar nicht wert.


    Ein wenig neigte ich meinen Kopf in den Nacken und beschaute mir genussvoll den Himmel, während die schlanken Hände noch meine Wade bearbeiteten. Und ich denke, das war auch der Faktor, der mir die Zunge noch ein wenig mehr löste. “Wie war das doch gleich?“ begann ich nachdenklich. “Du verstehst dich auch ein wenig auf Krankenpflege?“ Zumindest meinte ich das noch mitbekommen zu haben. “Das machst du wirklich gut. Weißt du... mein Muckel ist dafür so schlecht geeignet. Er pflegt mich immer zu kneten als sei ich nicht mehr als eine Ladung Teig...“ Unter diesen Worten grinste ich wieder. “Ich hoffe, ihr werdet euch gut verstehen. Ich habe ihn schon seit dem Reitunfall, weshalb er auch ein wenig... nun sagen wir... nassforsch... daher kommt.“ Ja, ich glaubte, das umriss es doch sehr gut. “Aber du bist doch hoffentlich anders, nicht wahr? Dir muss man nicht mit Tod und Furien drohen oder gar mühselig die Peitsche schwingen?“ Gut, das tat ich bei Muckel auch nicht. Zumindest nicht soweit ich mich zurückerinnern konnte.

    Ob des infamen Knieleides überhörte ich ihre Frage, ob sie mich denn Casca nennen dürfe wohl. Auch ihr Vorschlag, sie mit 'Nel' anzureden glitt an mir ohne Kommentar meinerseits vorüber. Im Augenblick war der Schmerz ein wenig akut, wenn auch nicht ungewohnt für mich. Dennoch bemerkte ich die Sorge, die der Sklavin plötzlich ins Gesicht geschrieben stand.


    “Ja, es geht... es geht...“, verkündete ich mehr oder weniger auf einem Bein hüpfend und ich stützte mich noch ein wenig mehr auf sie, während ich versuchte, mich auf dem Stein nieder zu lassen. Ihren Vorschlag, doch ein wenig durchzuatmen bedachte ich mit einem dankbaren Blick. Vielleicht war es wirklich angemessen, das Gespräch über mein Geschäft noch um eine Minute zu verschieben.


    Schon war die augenscheinlich sehr tüchtige Sklavin vor mir in der Hocke und ich streckte an ihr vorbei mein Bein aus und rieb mein Knie ein wenig. Dabei versuchte ich tatsächlich wie geheißen mehr Luft als nötig in meine Lungen zu schöpfen. Wie dumm von mir, derartig misslich mein Bein belastet zu haben. Ich winkte über mich selbst verärgert ab.


    “Das geht vorbei!“, brachte ich nach dem letzten tiefen Atemzug heraus. “Ist ein altes Leid... aus einer Zeit, in der ich noch ein aufstrebender Reitersmann war...“ Ich seufzte ein wenig gespielt theatralisch. “Aber das ist lange her... ich war sechs.“ Ein schelmisches Grinsen stahl sich auf meine Lippen. “Mein Reitlehrer hat mein Pony ein wenig zu sehr befeuert und es sprang über einen Zaun. Das war ein unglücklicher Umstand. Unmittelbar vor dem Sprung saß ich noch oben auf...“


    Der Schmerz ließ ein wenig nach, doch ich kraulte mein Knie noch ein wenig, während ich weiter erzählte. “...Nun, im Folgenden fiel ich kräftig in den Zaun, der dann splitterte. Ein Stück davon trieb sich recht unglücklich in mein Knie...“ Eigentlich erinnerte ich mich nicht gerne daran, denn ich musste lange das Bett hüten. “...und schon war der Traum von einem Leben als Feldherr dahin!“ Und das war der Punkt, der mich am meisten mitgenommen hatte. Ich presste meine Lippen aufeinander und stieß ein “Hm,“ aus. “Aber das muss dich nicht bekümmern. Mich selbst belastet es auch nur noch in Momenten wie diesen.“ Was eine Lüge war, denn im Grunde hatte ich meinen folgenschweren Unfall nie wirklich ganz überwunden.


    “He da!“, schallte die Stimme des Händlers nun zu uns hinüber. “Nicht weiter weg gehen! Schön in der Nähe bleiben!“


    Meine Miene verfinsterte sich ein wenig. “Für den mache ich noch einen Spurt von hier bis Ostia,“ knurrte ich vor mich hin, doch ich erwiderte dem Händler nichts. Stattdessen bewegte ich ein wenig mein Bein. Es war schon viel besser und ich schaute mich ein wenig nach Muckel um, was müßig war, denn so schnell konnte er nun auch wieder nicht rennen.

    Meine Blicke hingen an ihren Lippen, während sie sprach. Dann und wann nickte ich verstehend und untermalte das Gesagte mit einem “Aha... hmhm...“. Offenbar bot ein dörfliches Umfeld eine große Menge an den verschiedensten Dingen, deren Spanne vom Apfel bis hin zu einem Wagenrad reichte. Von Ölen bis geflochtenen Körben war alles dabei. In einer eher nachdenklichen Geste fasste ich an mein Kinn und strich ein wenig darüber, bis sich ein neuerlich Satz in meinem Kopf festsetzte. Die Qualität ist entscheidend.“


    “Wunderbar!“, entfuhr es mir spontan und ich hörte mit ernstem Ausdruck im Gesicht weiter zu.


    Selbst wenn Nelia nicht über einen tiefgreifenden Erfahrungsschatz verfügte, so schien sie doch die Fähigkeit zu haben, einen Nagel auf den Kopf zu treffen. Offenbar lag ich mit meiner Einschätzung ihres Alters nicht völlig daneben. Sechzehn, das war akzeptabel und wollte auch schon nach Atem schöpfen, um diesbezüglich etwas zu äußern, als sie mir auch schon ihre Vermarktungsstrategie näher brachte. Sie machte ein Gesicht, das entfernt an einen jungen Welpen erinnerte, der unbedingt einen liebevollen Arm suchte, auf dem es sich gut zurecht schmiegen ließ.


    “Ach...,“ seufzte ich, zugegebenermaßen ein wenig ein verzückt und ich neigte meinen Kopf. Ich war schon immer zugänglich für diese Art Reize gewesen.


    Ein zartes Lächeln trat auf meine Lippen und ich hatte das unbedingte Bedürfnis, ihr schützend meine Hand auf die Schulter zu setzen. Doch ich hielt mich zurück und wischte mir mit den Fingern über die Augen. Ich durfte meinen kurz entschlossen Impulsen einfach nicht stattgeben. Immerhin ging es hier um Geschäfte, wenn auch nur im entferntesten Sinne. Vielleicht sollte ich ihr Gesicht in Stein meißeln lassen, und es vor meiner Tonstrina ausstellen. An einer solchen Miene konnte einfach niemand vorbei gehen, ohne sie zu beachten.


    “Das ist eine...hinreißende Technik, die du da angewendet hast,“ gestand ich. “Wie du ja weißt, bin ich Besitzer einer Tonstri...naaahh...“, stöhnte ich dann unter einem perfiden Schmerz. Ich hatte mich bewegt und mein Gewicht in falscher Weise auf mein defizitäres Knie gesetzt. “Min..er...va...,“ ächtzte ich hinterher und lehnte meinen Arm ein wenig auf die Schulter der Sklavin. Dabei versuchte ich das Bein ein wenig zu regen. “Ich bin auf der Suche nach.... Inspiration und nach einer... Geschäftsidee...“, erklärte ich dann weiter. “Du hast eine... gute Art mir genau das zu...geben was ich...ui...suche... weil... ach... lass uns doch....“ Ich deutete auf einen behauenen Stein, der dem Stand des Sklavenhändlers gegenüber lag. “...ein wenig dort hinüber...“ Ein wenig hinkte ich schon in besagte Richtung.

    Muckel war ein trefflicher Läufer und das ganze Problem hier würde sich schon bald in Luft aufgelöst haben. Vorausgesetzt natürlich er fand das Geld, welches einen Teil meiner eisernen Vorräte darstellte in den tiefen des Chaos meines Cubiculums wieder. Ein Unding eigentlich, dass ich es für eine mir vollkommen fremde Sklavin ausgab, doch ihr liebliches Lächeln ließ mich auf diesen Gedanken gar nicht erst kommen.


    “Oh...“, entkam es mir auf ihren Dank hin und ich winkte ein wenig mit der Hand wedelnd ab.


    Sie hatte wirklich ein entzückendes Gesicht mit herrlichen blauen Augen. Die Nymphe Erato hätte kein erfreulicherer Anblick sein können. Das stellte ich natürlich fest, denn ich hatte meine Nase nahe genug vor die ihre geschoben, um darüber eine genaue Aussage machen zu können.


    “Nelia...Neeeeliaaa...“, wiederholte ich leise und voller Zustimmung nickend, während ich noch auf den Rest ihrer Worte lauschte.


    Offenbar entsprangen ihre geschäftlichen Kenntnisse dem Umstand, das sie vom Dorfe stammte, wo sie helfend tätig war die Erzeugnisse an den Mann zu bringen. Keine leichte Aufgabe, für ein Mädchen vom Land, mutmaßte ich für mich selbst als eingefleischter Stadtmensch. Ich zog meinen Kopf wieder ein wenig zurück.


    “Um welche Art von Erzeugnissen hatte es sich denn gehandelt?“, wollte ich dann wissen. “Und wie genau... hast du geholfen sie zu verkaufen? Ich meine... gab es da eine gewisse Strategie oder Taktik, die angewendet wurde? Ich meine... auf welche Erfahrungen kannst du da zurück greifen, du bist ja gewiss kaum älter als... “ Noch einmal betrachtete ich die Sklavin musternd. “Fünfzehn?“, mutmaßte ich dann.

    Muckel hörte der Sklavin gut zu und neigte seinen Kopf dabei ein wenig. Man sah ihm an, dass er darüber nachdachte, ob er dem Mädchen glauben konnte. Andererseits: Warum sollte sie lügen? Als sie in den Himmel schaute, folgte er mit seinen Blicken ebenfalls dieser Regung und spähte ins Firmament. Dann schnaubte er ein wenig, was bei ihm aber nur selten Ablehnung zu bedeuten hatte.


    “Die ersten drei Stunden vom Rest deines Lebens,“, sagte er dann ein wenig schicksalsergeben und beschloss sogleich, etwas über sich und ihren neuen Herrn preis zu geben. “Nelia also. Ich heiße Nepomuk und bin schon mein ganzes Leben lang Sklave. Und das ist für mich gefühlt eine wahre Ewigkeit. Seit achtzehn Jahren bin der Sklave von...“


    “CNAEUS DECIMUS CASCA!“, donnerte ich dem Händler nachdrücklich meinen Namen entgegen. “IUNO!“, echauffierte ich mich weiter über seine Borniertheit. Dass ich absolut nichts dabei hatte, womit ich mich ausweisen konnte, war meinem überstürzten Aufbruch geschuldet. “Du kannst es glauben! Ich bin zahlungsfähiger Kunde..."
    “...Der gerade kein Geld dabei hat...“
    “...und wenn du einen Boten in die Casa Decima Mercator schickst dann..."
    “...bist du mit der Sklavin schon über alle Berge.“
    Ich schnappte nach Luft und raufte mir flüchtig das Haar. Sah ich aus wie ein Strauchdieb?
    “Bar und jetzt oder sie bleibt da...“
    Ich breitete die Hände aus und ließ sie unverrichteter Dinge wieder sacken.
    “Ich bin ein bisschen verwandt mit dem Praefectus Urbi... Decimus Livianus?“, versuchte ich es dann.
    “Ist der da? Zahlt der bar?“
    “Äh... Nein, aber...“
    “Also!“
    Der Händler zuckte mit den Schultern und gab einem seiner körperlich recht massiv erscheinenden Aufseher ein Zeichen, mit dem er auf die Sklavin deutete. Der Kerl setzte sich auch sogleich in Bewegung, um sie wieder in den Käfig zu setzen.
    “In Ordnung!“, gab ich schließlich diesem bohrenden Kleingeist nach. “Einen Moment nur!“ Ich hob meinen Zeigefinger vor sein Gesicht.


    Dann drehte ich mich hastig herum und stakste auf Muckel und die Sklavin zu. Plötzlich empfand ich es als ärgerlich, mir selbst noch keinen Namen gemacht zu haben, doch was sollte ich schon erwarten? Dass man einem kleinen, vollkommen unbekannten Decimer den Teppich ausrollte, nur weil er sich mit zuverlässiger Leichtigkeit auf das Atmen verstand und gerne auch einmal seinen Hintern vergaß, während der Rest des Leibes schon auf und davon war?


    “Lauf nach Hause und hol das Geld. Kleines Regal links, dritte Schatulle von rechts, raunte ich Muckel entgegen. "Ich werde... wir WERDEN HIER SO LANGE WARTEN!“, tönte ich dann und drehte mich dabei halb zu dem Händler herum, nur um sicher zu gehen, dass er mit seinem knallharten Standpunkt noch lange nicht gewonnen hatte. Vielleicht mochte es provokant sein, doch es war mir ein Bedürfnis. Muckel zuckte mit den Schultern, ließ seinen Kopf kurz hängen und seufzte ein weiteres Mal. Aufmunternd patschte ich ihm auf die Schulter, ehe er davon eilte.
    Meine Blicke suchten zunächst den Sklavenhändler und dann seinen Aufseher. Beide schienen gegen meinen Entschluss samt Sklavin hier ausharren zu wollen nichts Ernsthaftes zu unternehmen.


    “Nun gut, also dann...,“ lächelte ich ein wenig angestrengt der hübschen Sklavin entgegen. “Keine Sorge, du gelangst in die besten Hände,“ versuchte ich sie dann ein wenig zu beschwichtigen, während ich besagte Hände in die Hüften stemmte. “Ich habe schon ganz andere Sachen... also... das wird....“ Ich nickte unbestimmt und schaute dann einen Moment lang in den Himmel. Wie war es bloß so weit gekommen? Es war eine Frage, die plötzlich auftauchte. Ach ja! “Um noch einmal auf diesen Spruch zurück zu kommen... du scheinst mir sehr geschäftstüchtig zu sein... ahm...“ Meine Blicke hefteten sich fragend auf ihr Gesicht. “Name?“, wollte ich dann wissen.

    Einen Augenblick lang beäugte ich die schwielige Tatze, die mir der Händler zum Einschlag hin streckte, doch ich zögerte noch. Etwas zaghaft hob ich dann meine Hand, doch es schien kein Zurück mehr zu geben. Vorsichtig schüttelte ich die Hand des anderen, der sogleich meinte, dass die Sklavin mir gehöre. Gekauft wie gesehen? Ich blickte wieder zur Sklavin hinüber und schürzte meine Lippen. Gut, sie war wirklich nett anzuschauen, entbehrte bei genauerer Betrachtung nicht einer gewissen Niedlichkeit in ihren Gesichtszügen. Eigentlich mochte ich das sehr. Doch sie schien auch recht vorlaut zu sein, was noch das ein oder andere Problem in sich bergen könnte. Immerhin war ich nicht der Mensch, der seine Sklaven gerne knechtete, wie man an Muckel sehen konnte.


    Ich ließ die Hand des Händlers los und dieser machte sich daran, den Verschlag zu öffnen. Ich unterdessen wischte mit der Hand über der Nacken.


    “Das ist völlig unnötig, Casca!“, wisperte mit Muckel ins Ohr. “Gekauft wie gesehen? Du bist verrückt!“


    “DAS habe ich überhört!“, knurrte ich zurück. “Bei dir wusste ich auch nicht, worauf ich mich einlasse!“ Ich verschränkte meine Arme vor der Brust und betrachtete das Mädchen, wie es aus dem Käfig heraus kam. “Geld!“, wies ich dann meinen Sklaven an und nickte mit dem Kopf gen Händler.
    “Kein Geld dabei!“, gab Muckel eingeschnappt zu bedenken.


    Ich knurrte neuerlich und betrachtete die Sklavin, sie sich nur vor mir zu ihrer vollen Größe aufrichtet hatte. Sie reichte mir bis vielleicht an die Nase und war somit doch kleiner als ich. Ich überlegte kurz, als sie mich nach Fesseln frage, doch dann trat der Händler wieder auf mich zu.


    “Die Sesterzen!“, forderte er dann.
    “Kaufvertrag!“, forderte ich im Gegenzug und löste meine Arme. Schließlich musste auch alles Spontane seinen rechtmäßigen Gang gehen und ich wollte mich nicht über das Ohr hauen lassen. “Und schick nachher jemanden in die Casa Decima Mercator....“ Ich bedeutete ihm, ein wenig zur Seite zu treten und die Formalitäten zu erledigen. Muckel wies ich mit einem Fingerzeig an, sich so lange um meinen Neuerwerb zu kümmern.


    Ich sah nicht, dass er die Sklavin kritisch von Kopf bis Fuß musterte und sich Fragen zurecht legte, die ich bisher nicht gestellt hatte. “Bist du wirklich gesund?“, wollte er dann wissen und machte sich daran, das Mädchen einmal zu umrunden. “Wie ist dein Name? Woher kommst du? Wie alt bist du? Wie lange bist du schon Sklavin und bist du wirklich so gut im Haushalt?“

    Die Wachsamkeit in den Blicken des Ianators entschwand erst, als die beiden Gesellen sich anschickten tatsächlich zu gehen. Ich selbst hatte ihnen keine Aufmerksamkeit mehr gewidmet. Meine Gedanken waren bei meiner Familie und meinen Füßen, bei denen ich auch sogleich ansetzte, sie von dem Straßenschuhwerk zu befreien, indem ich versuchte mich ihrer noch im Stehen etwas umständlich zu entledigen. Da dies nicht gut funktionierte, ließ ich mich dann doch in die Hocke nieder, um mit spitzen Fingern die Bänder, die das Leder hielten zu lösen. Dabei blickte ich zu Ephialtes auf, der mir einen kleinen Überblick über die An- und Abwesenheiten gab. Ich nickte dazu und seufzte dann, als ich meine Füße von den Schuhen befreit hatte.


    “Massa ist in Rom?“, wollte ich es dann noch einmal genauer wissen. “Das freut mich.“ Ich hatte ihm geschrieben, dass Mutter in Piräus krank danieder lag und dass ich es für weise gehalten hatte, die arme Frau nicht allein leiden zu lassen. Dass Serapio und Seiana nicht anwesend waren, erfüllte mich mit Bedauern, doch es war nicht zu ändern.


    Muckel kam zu mir herüber und ich drückte ihm unumwunden die beschmutzten Schuhe in die Hand, während ich in meine Haussandalen schlüpfte. DAS tat gut, und ich fühlte mich auch gleich viel entspannter. Und meine Blasen konnte ich später noch inspizieren.


    “Nun, ich bin schon sehr gespannt, auf Flaminia und Calena“ erklärte ich dann und trat neuerlich ein wenig beiseite, als Argus und Sidonius erschienen, um sich mein Gepäck und den Maulesel zu kümmern. “Ich kenne sie ja noch gar nicht.“ Auch dem Livianus und seiner Gattin würde ich noch vorstellig werden müssen. “Ich fürchte, die Ereignisse haben sich damals so überstürzt, dass ich gar nicht die Gelegenheit hatte... nun...“ Dann fiel mir etwas ein und ich schnippte mit den Fingern. “Ach ja...“ Ich hielt auf den Maulesel zu und machte mich daran, etwas aus der dem verschnallten Gepäck zu lösen. Es war ein kleines Kästchen mit den neuesten Errungenschaften meiner Münzsammlung. Ich klemmte sie mir unter den Arm und näherte mich wieder Ephialtes. “Wollen wir eintreten?“, fragte ich dann den Ianator und deutete auf die weit geöffnete Tür. “Ich wäre dann so weit!“ Freundlich nickte ich ihm zu.