Beiträge von Cnaeus Decimus Casca

    Während sich Muckel noch die Stirn rieb konnte ich nicht umhin festzustellen, dass mir die Füße schmerzten. Und natürlich das Knie, doch war dies ein Schmerz, den ich in der Zwischenzeit schon gut kennen gelernt hatte. Um mich abzulenken blickte ich mich noch ein wenig um, während man tatsächlich die Truhe über die Schwelle schaffte.


    “Ist das unerträglich? Puh...“ Muckel zupfte sich am Kragen seiner Tunika herum, um ein wenig kühlere Luft in den Ausschnitt zu lassen, nur war eben keine solche vorhanden. “Ich habe vom Schleppen Arme wie ein Affe und Rom ist heiß wie eine läufigen Hün...“ Weiter kam mein Sklave nicht, denn ich hatte die Hand gehoben und sah ihn mehr als nur eindringlich an.


    “Ich warne dich!“, ließ ich folgen, um ihn am Weitersprechen zu hindern.


    Mutter hatte sich immer den Mund fusselig geredet, dass ich mit Muckel nicht so umsichtig sein sollte, doch nach all den Jahren hatte ich es einfach aufgegeben meine Nerven aufzureiben. Außerdem war es eine wunderbare Gelegenheit gewesen einmal nicht das zu tun, was Mutter wollte, auch wenn mir diese Form der Auflehnung manchmal nichts als Kummer brachte. Nepomuk sprach einfach wie ihm der Schnabel gewachsen war und manchmal beneidete ich ihn sogar für diese Möglichkeit.


    Dann betrat jemand das Atrium und mein Blick richtete sich auf den weiteren Ankömmling, der meiner Truhe mit den Sammlerstücken einen Tritt versetzte. Ich erkannte ihn sofort und mein Blick hellte sich auf. Ich hätte ihn unter Hunderten wieder erkannt. Massa! Auch Muckel fuhr herum. Ich hatte gar nicht mit ihm gerechnet. Nicht jetzt, nicht hier, obwohl ich wusste, dass auch er in Rom war. Neunmalkluger? Ich lachte, als er auf mich zu stürmte, mich in die Arme schloss und mit auf den Rücken klopfte. Auch ich drückte ihn an mich, froh darüber, ihn nach so langer Zeit wieder zu sehen. Er hatte sich sehr verändert und ich musste mir eingestehen, dass er nun ganz und gar ein Mann war. Doch was hatte ich erwartet?


    “Mutter war aufgeregter als ich und ich wette, sie hat heimlich Abeona geopfert, damit meine ersten Schritte fort von ihr auch gleich wieder zurück führen! Doch es war überfällig.“ Auch ich schaute meinen Bruder an und ich grinste breit, als er mir am Kinn zupfte. “Wenn Bartstoppeln ein Zeichen für das erwachsene Alter sind, dann würde ich lieber auf diese Anzeichen verzichten,“ sagte ich. Ich hasste Bärte und am schlimmsten war der im eigenen Gesicht. “Ich bin auf der Reise nicht zum Rasieren gekommen.“ Irgendwie waren Rückstände in der Körperkultur nicht meine Sache und ich verspürte immer den Drang mich dafür zu entschuldigen, selbst wenn es nun mein Bruder war, den ich über die lange Zeit so schmerzlich vermisst hatte. “Und doch hast du mich wieder erkannt. Wie geht es dir? Hast du Mutters Brief bekommen? Hast du meine Briefe bekommen? Wie lange bist du schon hier? Hast du... ich meine....“ Wieder musste ich lachen und die freudige Fragenflut platzte einfach so aus mir heraus, ehe ich sie abbrechen konnte, einfach um ihn noch mal in die Arme zu schließen und ihn dann anzusehen. Er hatte sich auch sehr verändert und die Classis schien ihm gut zu bekommen.

    “Natürlich warten wir!, gab ich fröhlich zurück. “Ich werde heute keinen unnötigen Schritt mehr gehen.“ Es war ein wirklich höflicher junger Mann, dem wir gefolgt waren und ich schaute mich um, als dieser um die Ecke bog. Ich war wirklich sehr gespannt, auch wenn es mir allmählich dämmerte, dass Mutters Brief wahrscheinlich nicht rechtzeitig angekommen war. Doch was hätte ich erwartet wenn es so gewesen wäre? Einen Aufmarsch der Verwandtschaft bereits an den Toren der Stadt? Wie auch immer es war, ich war froh und glücklich angekommen zu sein und auch wenn ich es nicht gerne zugab, so war ich fürchterlich erschöpft.
    “Hier wohnen sie also!“, brachte Muckel hervor und auch er blickte sich um. “Dieser Serapio... wie er wohl so ist?“
    “Er wird sein wie er eben ist“, begann ich leicht fatalistisch, “Und du wirst ihn nicht so nennen! Du wirst einfach still sein und tun als ob du gar nicht da bist!“, wies ich meinen Sklaven gleich darauf noch an. Auch wenn ich mich eigentlich darauf verlassen konnte, dass Muckel sich im Grunde doch zu benehmen wusste, wenn es darauf ankam.
    Nun schnaubte er leicht und wie ich ihn so anschaute, sah er wahrscheinlich genauso körperlich verausgabt aus wie ich selbst. “Kein Problem, ich löse mich eh gleich auf!“, sagte Muckel und tastete nach seiner feuchten Stirn.

    Ich grinste, als der Ianator angab, dass an Ruhe und Zufriedenheit durchaus in den öffentlichen Gärten zu gelangen sei. Dabei schenkte ich meinem Sklaven einen Seitenblick und musste erkennen, dass dieser das Gesicht verzog. “Dann werde ich sie unbedingt einmal aufsuchen müssen,“ stellte er fest.


    Mein Grinsen erlosch. Mir persönlich war es unangenehm, dass Muckel sich zu einer dummen Bemerkung mehr hatte hinreißen lassen, doch so etwas geschah nur allzu leicht und war im Nachhinein sowieso nicht mehr zu ändern. Man könnte auf die Idee kommen, dass ich ihm zu viel durchgehen ließ und zu wenig präventiv auf ihn einwirkte, was vielleicht sogar stimmte. Es hatte ich einfach so eingeschliffen und der Weg von Griechenland hierher war zu lang gewesen, um sich nun auch noch darüber Gedanken zu machen. Meine Reaktion beschränkte sich deshalb auf: “Halt den Mund!“ und ich lächelte wieder. Besonders als die Aufforderung erfolgte, einzutreten. Das tat ich nur zu gerne und doch warf ich noch einmal einen Blick auf die Reisetruhe und die dazugehörige Tasche. “Vielleicht sollte noch jemand unser Gepäck von der Straße holen,“ schlug ich in einem freundlichen Tonfall vor, wobei ich den Drang unterdrücken konnte, dem Ianator mit dem Hand dankbar die Schulter zu tätscheln, ehe ich dem jungen Sklaven folgte, dem aufgetragen wurde uns ins Atrium zu bringen.

    Offenbar wurde die Tür auch sogleich geöffnet und unter überfreundlicher Würde nach Muckels Anliegen gefragt, was mich meinen Blick erneut heben ließ. Das ging schnell, doch sollte es mich wundern? Das Dröhnen hätte selbst die Tore des Hades geöffnet.


    “Was ich wünsche?“, hörte ich die scherzhafte Stimme meines Sklaven, “Ruhe und Zufriedenheit!“ Es kam ziemlich prompt, doch für mich nicht überraschend. Ich konnte mir sein öliges Grinsen schon vorstellen, welches nie dafür prädestiniert war einen besonders guten Eindruck zu machen.


    Ich erhob mich alarmiert von der Kiste und machte mich ein wenig humpelnd selbst auf den Weg hinüber zum Eingang der Casa, doch Muckel sprach schon weiter. “Mein Name ist Nepomuk und das ist mein Herr Cnaeus Decimus Casca!“ Ein Finger deutete in meine Richtung. “Wir sind den weiten Weg von Piräus hierher gekommen und eigentlich müsste die Nachricht, dass wir irgendwann auch hier ankommen schon eingetroffen sein. Sie würde übrigens geschickt von Mescina Mena, der Mutter meines Herrn.“


    Ich hörte die Worte und kam schließlich neben meinem Sklaven zum Stehen, doch viel blieb mir nicht zu tun. Deshalb nickte ich einfach nur und sagte: “Genau!“

    Ich schaute mich um. Es war so, wie es alle immer gesagt hatten: Rom stank im Sommer zum Himmel und allein das Atmen war eine schweißtreibende Angelegenheit, ganz zu schweigen von der Hitze und der Reise-Plackerei durch die Straßen mit all den Dingen, die ich bei mir haben wollte. So recht hatte ich mich noch nicht orientiert. Dennoch war ich voller Zuversicht und ich freute mich auf die Ankunft im Hause der Familie. Mutter hatte mir schon viel erzählt, auch wenn sie selbst bisher kaum Griechenland verlassen hatte, doch sie musste es ja irgendwie wissen. Sie war es auch gewesen, die der Familie die Nachricht von meinem baldigen Eintreffen geschickt hatte, weil sie -warum auch immer – meinte, es würde einen offizielleren Eindruck vermitteln. Würde sie jedoch wissen, dass ich mich trotz unsicherer Zeiten allein auf den Weg gemacht hatte, wäre sie wohl in Ohnmacht gefallen, weil es erstens gefährlich und zweitens nicht repräsentativ war. Wohl denn! Ich schulterte die schwere Tasche erneut, hob die eine Seite der Reisetruhe an und setzte mich wieder in Bewegung. Muckel zerrte auf der anderen Seite. Zusätzlich hielt dieser noch eine flüchtig hingeworfene Straßenkarte in der Hand, welche ich nach Beratschlagung mit unserem Fuhrmann vorsichtshalber angefertigt hatte. Mühsam versuchte er das gute Stück hin und her zu drehen, was einhändig allerdings nur leidlich gelang. Das tat er schon, seit wir dem Wagen, der uns an die Tore Roms gebracht hatte, entstiegen waren. Das restliche Gepäck würde er uns gegen Abend nachbringen, so hatte man mir versprochen.


    “Dort drüben!“, stellte mein Sklave schließlich keuchend fest und nickte hin zu einem herrschaftlichen Haus. Doch es schien mir doch nicht das richtige zu sein, selbst wenn er nun triumphierend grinste.


    “Nein, es ist das weiter hinten!“, sagte ich recht nüchtern, deutete in die besagte Richtung und ächzte dann unter der Last. Eigentlich stand es einem Herrn nicht gut an, schwere Dinge selbst zu tragen, doch wer hätte sonst mit anfassen sollen? Hätte Muckel sie allein durch die Gassen gezerrt, stünden wir jetzt noch am Tiber. Mein Knie schmerzte bereits beträchtlich, doch es war zu verkraften, denn immerhin würde ich meinen Bruder wiedersehen und Stella! Sie musste inzwischen gewachsen sein.


    “Ne Casca... das glaube ich bestimmt nicht! Es ist das da! Ich verwette dreimal meinen Hintern!“ Muckel schien überzeugt zu sein, wenn er mich schon beim Namen nannte, doch ich war es noch lange nicht.


    “Dann geh hin und sieh nach... Nepomuk!“, forderte ich betont - wohl wissend, dass er seinen Namen abgrundtief hasste und am liebsten einen anderen hätte- und ließ abrupt die Truhe wieder fallen, nur um mir mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn zu wischen.


    “Ist gut. Warte hier. Setz dich und ruh ein wenig dein Bein aus!“, befahl mir mein Sklave, ehe er mir die Straßenkarte an die Brust drückte.


    Ich nahm sie an mich, wobei ich nicht umhin konnte die Augen zu verdrehen, und kam ein wenig schlingernd auf der Kiste zum Sitzen. Doch mir war nicht danach unser Verhältnis zu diskutieren. Nicht jetzt. Während Muckel sich auf den Weg hinüber zur Pforte machte, warf ich einen Blick auf die Karte, welche uns durch das Gewirr geführt hatte und streckte entlastend mein rechtes Bein aus.



    Meine Zeichenkünste hatten sich noch nicht gebessert, wie ich feststellen musste, doch das Wunder, dass wir es bis hierhin geschafft hatten, war nun völlig zweitrangig. Ich schöpfte tief Atem und schnaufte aus, ehe meine Haltung auf der Truhe zusammensackte und ich mir vorkam wie ein erschöpfter Mittelloser, der seine letzten Habseligkeiten bewachte. Es war nicht unbedingt die Art und Weise, wie man seiner Familie gegenübertreten sollte. Mein Blick richtete sich auf Muckel, der sich zu mir umgedreht hatte und grinsend den Daumen nach oben streckte. Er hatte also richtig gelegen. Ich bedeutete ihm mit einer unwirschen Handbewegung nun endlich zu klopfen, was er auch tat. Leidenschaftlich, laut und voller Überschwang, sodass das Geräusch zu mir herüber dröhnte.

    Da isser.*g*


    Mein Name wäre nach langem Knobeln...


    Cnaeus Decimus Casca... habe ich mir so gedacht...


    Ich wäre Bürger, denke ich mal und ich würde gerne in Rom wohnen.


    *an Seianas Pforte kratzt* :D