Beiträge von Cnaeus Decimus Casca

    Ich horchte auf, als mir mein Gegenüber nun erklärte, dass auch ein kultisches Tirocinium absolvierte. Und das bei niemand anderem als ebenfalls bei dem Pontifex. Ich nickte. “Ja, ich weiß, was das bedeutet,“ erklärte ich lächelnd und dachte dabei ein wenig an die Zeit zurück. “Auch habe ein derartiges absolviert.“ Als der Iulier dann nach Wein verlangte, gab ich Muckel ein Zeichen. Mein Sklave hatte sich die ganze Zeit im Hintergrund gehalten. Nun kam er wieder daraus hervor und griff nach dem Krug, um Caesoninus frisch einzuschenken. Auf meinen Becher deutete ich danach ebenfalls, wobei ich meinte, im Gesicht des Sklaven etwas Mahnendes zu entdecken. Meine Lust am edlen Tropfen war ihm wohlbekannt und auch die ein oder andere Unbill, die mich darüber am nächsten Morgen heimgesucht hatte.


    “Nun ja, ich bin ja nicht alleine in der Societas,“ sagte ich ein wenig verlegen, als ich das Lob vernahm. Auf die Sache mit der Karriereleiter wollte ich allerdings nicht unbedingt eingehen, denn eigentlich hatte mich in dem Leben, das ich führte recht gut eingerichtet, doch über kurz oder lang würde ich mir wohl darüber nähere Gedanken machen müssen. Schließlich würde ich heiraten und somit auch bald einer Familie vorstehen. Vor dem inneren Auge sah ich ja bereits des Öfteren meine Valentina und mich, umringt von einer Schar von Kinder, welche unser unvergeleichliches Glück verkörperten. Natürlich mussten auch diese gut versorgt und mit dem besten Start in ihr eigenes verantwortungsvolles Leben gesegnet werden. “Vielleicht werde ich den Senator einmal anschreiben,“ sagte ich also. Vielleicht etwas ausweichend, nur um danach sogleich das Thema zu wechseln. “Überhaupt scheint die Politik in unserem Rom im Moment recht gesegnet zu sein,“ stellte ich in den Raum. “Manchmal zumindest meine ich, dass die Straßen schon viel sicherer geworden sind.“ Das allerdings konnte auch an meinem Sklaven Ulcus liegen, den ich in der letzten Zeit des Öfteren im Gefolge mitführte.

    Immerhin schien sich nun die Sklavin an der Seite der jungen Frau wieder zu entspannen, doch hatte ich für diese auch gar keine Blicke übrig. Diese lagen nämlich auf dem Stoff und sogleicht auch wieder bei meiner Gesprächspartnerin, die hatten wissen wollen, wozu ich ihn zu kaufen gedachte. “Danke für die Glückwünsche,“ sagte ich lächelnd. “Ja, ich möchte ihr ein Geschenk mitbringen und hatte in der Tat an ein Kleid gedacht. Wobei es wohl besser wäre, sie würde es selbst in die Hände einer Schneiderin geben.“ Leicht grüblerisch legte sich nun meine Stirn in Falten. “Vielleicht gibt es an diesem Stand ja auch noch eine noch bessere Qualität in einer seltenen Farbe.“ Irgendwo hatte ich auch schon mal einen durchsichtigen Stoff gesehen, doch wäre dies wohl eher etwas für die Stunden in trauter Zweisamkeit hinter verschlossenen Türen. “Wenn es ein Geschenk für dich wäre, was wäre genehmer? Der Stoff an sich oder gleich ein ganzes Gewand?“ Zu diesem Farbton würde sicherlich auch eine schöne, güldene Halskette zu passen. Doch auf diese würde ich wohl noch wenig sparen müssen.

    Meine Erzählung ließ den Iulier offenbar staunen. Für mich selbst war es ja auch eine Überraschung gewesen, dass mich das Leben nun doch leidlich auf die Straße der Bekanntheit geführt hatte. Vielleicht hätte meine Mutter einmal gesagt, dass mir seit meinem Unfall die Dinge mehr oder weniger in den Schoß fielen, was sie für eine Art Entschuldigung der Götter angesehen hatte. Natürlich für mein Missgeschick und Leid in der Kindheit. Als ich daran dachte, streckte ich unwillkürlich mein Knie aus, um es ein wenig zu dehnen und nebenbei zu massieren. “Flavius Gracchus ist soetwas wie ein Mentor für mich gewesen,“ gab ich dann zu. “Und da habe ich gedacht, dass ich einer solchen Feierlichkeit in seinem Hause natürlich nicht fernbleiben konnte.“ Wahrscheinlich hätte Caesonius, der sich nun vor die Brust klopfte und von römischer Ehre sprach, es sich auch nicht nehmen lassen, bei den Hohen Roms ein und auszugehen, denn immerhin verfügte er wohl über mehr Ehrgeiz als ich. Ich lauschte seinen Worten und nickte dann und wann dazu. Es war sehr löblich, das Ansehen der eigenen Gens mehren zu wollen und offenbar wollte er auch hoch hinaus.


    “Du hast dir viel vorgenommen,“ stellte ich noch einmal vernehmlich fest. Auch ein anerkennendes Nicken ließ ich folgen. “Ich bin Purgitius Macer nur einmal bei einem Rennen begegnet,“ erklärte ich. “Ich denke, mein Vetter Serapio kannte ihn besser. Er ist… war… der Praefectus Praetorio bei den Cohortes Praetoriae… Nun ja…,“ winkte ich dann ab. “Ich wünsche dir auf jeden Fall das Allerbeste für den Aufstieg in den Senat!“ Ich grinste leicht. “Mit deinem Fleiß wirst du es sicherlich weit bringen.“ Vielleicht sollte ich Caesonius auch für die Gästeliste bei der Hochzeit vormerken und gedanklich machte ich mir dazu auch schon eine Notiz. “Vielleicht wird mit dir gemeinsam unsere altehrwürdige Societas auch wieder aufsteigen.“ Unter diesen Worten deutete ich auf das Schriftstück, welches der Iulier soeben angefertigt hatte. “Bestimmt sind dort auch noch andere ambitionierte Männer dabei.“ So hoffte ich zumindest.

    Den Stoff hielt ich noch immer zwischen meinen Fingern, während ich nun die junge Dame betrachtete, die in der Tat aus einem guten Hause stammen musste. Die Sklavin, die sie an ihrer Seite hatte, trat nun ein wenig näher und ich blickte ihr flüchtig entgegen, als es nun um uns herum noch ein wenig enger wurde. Doch dass ich nun als potentielle Gefahrenquelle eingestuft wurde, war mir nicht bewusst. Offenbar hatte die Dame nicht recht verstanden, was ich ihr mit meinen Worten hatte zuraunen wollen, also setzte ich sogleich zu einem neuen Versuch an, bei dem ich mich hoffentlich etwas verständlicher machen konnte. “Ich meinte nur, dass du bestimmt Ahnung von der Qualität von Stoffen hast,“ erklärte ich mich also dieses Mal recht deutlich. Dann zupfte ich die Stoffbahn, welche ich hielt zu mir heran, griff fester in das Textil hinein und ließ noch einmal meine Finger damit spielen, ehe ich das Leinen der Dame entgegen hielt. “Ich bin nämlich auf der Suche nach einem Geschenk für meine Verlobte. Wir wollen bald heiraten!“ Auch an dieser Stelle konnte ich mich nicht zurückhalten, das wundervolle Ereignis zu erwähnen. “Ich dachte dabei an ein gutes Stück Stoff und bin mir bei diesem hier nicht ganz sicher, ob eine gute Weile hält. Er scheint mir auch ein wenig zu knittern bei intensivem Gebrauch.“ Nachdenklich setzte ich nun meine Blicke wieder auf das Leinen und ließ meine Finger noch einmal spielen.

    Sim-Off:

    Ich bin mal so frei! :D



    Es herrschte schon ein arges Treiben hier in den Märkten und im Grunde genommen war meine Stimmung gar nicht nach einem Einkauf, doch suchte ich hier nun, wie so oft, ein Geschenk für meine Geliebte, um es ihr als kleine Aufmerksamkeit darzureichen. Natürlich ließ ich dabei nicht lumpen, doch musste ich aufpassen, dass ich mir kein allzu großes Loch in meinen Geldbeutel riss. Doch erst gestern hatte ich ein aufmunterndes Schreiben von meinem Sägewerk in Mantua erhalten, welches ich sogleich zu meinen Unterlagen hinzugenommen hatte. Mit einem satten Lächeln im Gesicht. Auch wenn mein Sklave mich sanft darauf hingewiesen hatte, dass der Gewinn in einem großen Fest vielleicht besser angelegt wäre, so wollte ich doch nicht, dass Valentina eventuell noch auf den Gedanken käme, ich wäre nicht mehr als ein armer Tropf, der lediglich am Zipfel seiner Familia hing und sich ansonsten in einem Tempel mehr schlecht als recht verdingte. Darüber hinaus war es mein Wunsch, dass Valentina etwas erhielt, mit dem sie sich sehen lassen konnte und nicht vor Scham gegenüber anderen Damen der Gesellschaft erröten musste.


    Also fand ich mich ein weiteres Mal an einem der Stände wieder, der einigermaßen erlesene Stoffe feilzubieten hatte. Mein leicht dunkelhäutiger Sklave Muckel stand neben mir und verdrückte ein Stück Fleisch, welches man in ein Brot gelegt und mit Öl überträufelt hatte. Der letzte Schrei, hat es in der Garküche um die Ecke geheißen und ich wollte natürlich kein Langweiler sein.
    “If pfinde, daff ift fön!“, schmatzte mein Sklave vor sich hin und deutete mit einem Fettfinger auf einen leicht grünlichen Stoff, den ich nickend betrachtete, ehe ich meine Hand an ihn legte, um ihn mit vorgeschobener Unterlippe zu befühlen. “Hm!“, stieß ich aus, als auch schon der Händler, welcher soben noch lautstark krakahelend verkündet hatte, dass er schöne Stoffe bei sich liegen hatte, mir lächelnd entgegen trat. “Aus Syria!“, erklärte er mir. “Das feinste Leinen, welches zu finden ist.“ Kurz schaute ich zu dem Mann auf und fummelte mit den Fingerkuppen noch einmal an einem Stoffzipfel herum. “Und der Tragekomfort?“, wollte ich wissen. Der Händler grinste. “Du kannst ihn gerne einmal umlegen,“ bot er jovial an und machte eine einladende Handgeste.


    Ich stutzte kurz und schüttelte dann den Kopf. Diese Blöße wollte ich mir dann doch nicht geben. Hier auf dem Markt zu stehen und mich in eine Stoffbahn zu hüllen, war gewiss nicht angemessen. “Fühl du mal!“, forderte ich Muckel auf und ehe er antworten konnte, rieb ich den Stoffzipfel über seine Wange. Leider war diese noch etwas ölig, beziehungsweise nun nicht mehr, doch ich hoffte, dass der Händler das nicht wirklich bemerkte. “Er ist wirklich fantastisch!“, verkündete der Händler wieder, der durchaus auch etwas syrisch aussah. “Da kannst du jede Frau fragen!“ Ich stuzte neuerlich. Vielleicht war das keine schlechte Idee. Zu meinem Glück war auch soeben eine junge, edel anmutende Dame an den Stand getreten, die nun ihrerseits die Ware bemustern wollte und nach den besten Stücken fragte. Muckel hatte sogleich auch Augen für die Sklavin an ihrer Seite, doch war er wohl noch mit seinem Brot beschäftigt. Ich räusperte mich und schaute zu der jungen Frau hinüber. So recht ansprechen wollte ich sie jedoch nicht. Also trat ich einen Schritt zur Seite und auf sie zu und schöpfte unter einem tiefen Atemzug Mut. “Verzeihung!“, stellte ich in den Raum. “Aber du siehst so aus, als wüsstest du, was man von einem guten Stoff verlangen kann,“ raunte ich ihr entgegen, ehe ich auch meine Blicke auf sie setzte.

    Noch stand mir die Frage schier ins Gesicht geschrieben. An eine Einladung an den Palast hatte ich wirklich nicht gedacht. Als der Iulier dann pfiff, grinste ich leicht verlegen und hob ein wenig die Schultern an. Dabei gab ich ein leises “Na..ja..,“ von mir. Wie ich es geschafft hatte war mir selbst ja noch ein Rätsel. “Ich war zur Feier des Flavius Scato anwesend, die er anlässlich seiner Wahl zum Aedil gegeben hat,“ erklärte ich dann. Was ich besser nicht erwähnen sollte war, dass ich mit meinem Sklaven dort war, dessen Magen es nicht wohl erging und der infolgedessen schändlich und ebenso heimlich eines der Blumenbeete in der Flavier schönen Garten entweiht hatte. Das würde kein besonders gutes Licht auf die Nebenereignisse zu einer der größten Begegnungen meines Lebens werfen. Aber immerhin. Nun warf ich mich doch ein wenig in die Brust. “Und dort war auch die Kaiserin zugegen, wobei ich die Ehre hatte, mich mit ihr unterhalten und von meinen Plänen berichten zu dürfen.“ Meine Stimme geriet schon wieder ins Schwärmen. “Sie ist eine wundervolle Person. So verständnisvoll und freundlich und sie hat mich selbst eingeladen, ihrer Klientel beizutreten. Nachdem sie meinte, dass mir gewiss alles wohl gelingen würde.“ Mein Herzschlag beschleunigte sich wieder, als ich daran dachte und ich seufzte daraufhin tief. Als ob sämtliche Emotionen dieses Moment wieder in mir empor kamen, spürte ich ein weiteres Mal die Erhabenheit dieser Begegnung, welche nur durch die Anwesenheit einer scheinbaren Legion von Praetorianern um uns herum geschmälert worden war. Lächelnd und tief entzückt sah ich Caesonius entgegen, ehe mein Lächeln wieder schwand, während er mir darlegte, wie man eine Einladung handhaben oder eben nicht handhaben konnte.


    Allein wenn ich mir vorstellte, dass die Kaiserin die Casca Decima betrat… diese musste natürlich geschmückt und gewienert werden. Blumenranken überall und die besten und erlesensten Speisen und wahrscheinlich würde über die Ankunft der Augusta der Grund des Festes wohl vergessen werden. Meine Hochzeit. Aber keine Einladung auszusprechen war ebenso wenig eine Option, denn immerhin hatte ich der Kaiserin ja auch vieles zu verdanken. Mir vorzustellen, wie die Augen Roms auf mein privates, kleines Glück hinunterschauten, war dazu auch ein wenig beunruhigend. Also seufzte ich noch mal und ließ die Schultern nunmehr hängen. Irgendwie hatte ich das Gefühl in der Falle zu sitzen. Eine Falle aus Ehre, Verehrung, Kaisertteue und dem Wunsch einfach nur mit meiner Valentina einen Bund vor den Göttern einzugehen. Außerdem war es auch ein Kostenpunkt, der bei aller Vorfreude noch immer geklärt war. “Vielleicht hast du recht,“ sagte ich also. “Eine Einladung auszusprechen wäre sicherlich eine Sache, die in Bezug auf eine Profilierung eindeutig postiv zu bewerten wäre.“ Ich kratzte mich am Kopf.
    “Vielleicht wird sie ja auch gar nicht kommen,“ meinte ich gleich danach. “Die Augusta ist ja auch sehr beschäftigt...“ Mit was genau, darüber hatte ich mir noch nie wirklich Gedanken gemacht, doch war ihr Tag bestimmt reich gefüllt mit diversen Aktivitäten. “Doch wäre es sicher auch ehrlos den Patron zu übergehen. Zumal sie so warme Worte zu mir gesprochen hat.“ Nachdenklich beschaute ich mir die Tischplatte und zuckte dann mit den Schultern. “Nun denn. Es hat ja auch noch ein wenig Zeit.“ Nun lächelte ich wieder. “Aber du scheinst auch ambitioniert zu sein,“ stellte ich dann fest. “Mir hatte damals immer ein Weg in die Legion vorgeschwebt,“ gestand ich. “Doch es hatte nicht sein sollen. Was treibt dich in die Politik?“, wollte ich dann wissen.

    Gut. Ein derartiges Highlight hatte der Minerva-Tempel natürlich nicht zu bieten, wobei es sicher eine schöne Sache wäre, wenn es einen Heroen wie Caesar dazu verleitet hätte, auch von der edlen Minerva ein berühmtes Abbild fertigen zu lassen. “Gaffer hat es bei uns nicht,“ gab ich freimütig zu. “Nur die üblichen Sorgen und Nöte der Menschen.“ Selbst wenn es kleine Leute waren, so waren deren Sorgen doch manches Mal groß genug um für zwei Leben ausreichend zu sein. Aufmerksam lauschte ich den Ausführungen meines Gegenübers und schmunzelte, als dieser von einem Mann namens Peticus berichtete. Natürlich gab es derartiges Volk auch um die Minerva herum. “Ich fürchte Menschen wie Peticus werden auch nicht so leicht ausstreben. Ihre Sklavinnen halten sie schließlich am Leben.“ Ich nahm noch einen Schluck von meinem Wein und musste feststellen, dass Caesonius wohl wirklich ein vielbeschäftigter Mann war. Ein Mann, der sein Ohr wohl stets am Puls der Zeit hatte und seine Finger nach Höherem ausstreckte. Vielleicht wäre er eher ein Mann, den meine Valentina nötig hatte. Ein erschreckender Gedanke, der mich einen Moment lähmen wollte. Doch bereits beim letzten Mal, als mich dieses Schrecknis heimsuchte war ich zu dem Entschluss gekommen, meine eigenen Bemühungen zu verdoppeln, um ihr ein sorgenfreies, respektabels Leben zu ermöglichen. Ihr und unserem Kindern.


    Vielleicht hatte ich nun bereits ein wenig zu viel geschwärmt und es war nicht davon auszugehen, dass es den Iulier interessierte, wie sehr ich mich in Liebe erging. Auf jeden Fall meinte er, meine Freude zu teilen, wonach der die Frage stellte, ob ich gedachte Senat und Kaiser einzuladen. Daran hatte ich ja noch gar nicht gedacht, weshalb auf meinem Gesicht nun ein recht perplexer Gesichtsausdruck erschien. Dann starrte ich Caesonius einen Moment lang an, als wäre gerade soeben vom Himmel gefallen. Nun meinte, dass er seine Schreibarbeit beendet hatte, doch hatte ich dem Schriftstück noch keine Beachtung schenken. “Ich bin Klient der Kaiserin!“, entfuhr es mir dann und meine Stirn runzelte sich. “Meinst du, ich sollte auch sie einladen?“ Vermutlich klang es nun recht vermessen aus dem Munde eines kleinen Aedituus mit Sägewerk und Barbiergeschäft, aber es war mein voller Ernst. Schließlich hatte ich die Kaiserin höchst selbst kennen gelernt und war ihn ihre Klientel eingetreten.

    Welch Überraschung in meinem Gegenüber nun selbst einen Aedituus vorzufinden. Ich lächelte erfreut und nickte dazu. Venus Genetrix. Eine sehr wichtige Dame der Götterwelt, wie ich fand. Schon allein ihr Name war reine Anmut und bestimmt wäre es irgendwann machbar, auch ihr ein kleines Opfer darzubringen. Überhaupt würde ich mich in naher Zukunft den Unsterblichen ein wenig mehr widmen müssen, denn immerhin erhoffte ich mir in meiner Ehe einen großen Segen und das höchste private Glück! “Ja, wir haben sehr viele Besucher, doch bleiben die Opfer meistens klein. Die meisten verehren unsere große Miverva lieber im großen Tempel unseres Göttervaters.“ Ich seufzte noch einmal. “Dennoch wäre eine Beschwerde nicht angemessen, denn alles in allem können wir uns nicht beklagen.“ Und genau das würde ich auch nicht tun. Selbst meine Betriebe hatten etwas Schwung bekommen, seit Edelholz offenbar wieder gefragter schien, auch wenn ich schon längst meinem Sägewerk hatte einen Besuch abstatten sollen. Aber die Reise war beschwerlich und mein Knie machte mir in diesen Monaten leider immer wieder einige Probleme.


    Ein herzliches Lachen ließ ich folgen, als Ceasonius mir seine Glückwünsche zu meiner bevorstehenden Ehe mitteilte und in meinen Augen flackerte bereits der unbändige Wunsch, ihm mehr von davon zu erzählen. Meistens brach es einfach mir heraus, dass der ich glücklichste angehende Gatte des Imperiums war. “Sie stammt aus der Familie der Quintilier,“ sagte ich sogleich. “Eine Weile schien es, als sei die Gens vom Pech verfolgt, doch ich kann aus erster Hand sagen, dass sie die reinste und schönste Blüte in Form einer wundervollen Frau hervor gebracht hat,“ schwärmte ich weiter und dachte an meine Valentina und ihre wunderhübsche Erscheinung. Dass meine Eheentscheidung eher überquellender Liebe als irgendeiner politischen Takik entsprach, lag wohl auf der Hand, wenn man mir nun ins Gesicht schaute. “Dabei muss man dabei so viel bedenken. Ich arbeite auch gerade an einer Gästeliste, denn immerhin ist mein Onkel ein stadtbekannter Mann und man will ja niemanden aus Versehen auf die Füße treten,“ gab ich zu. Dabei würde ich meine Geliebte auch ganz allein unter einer Brücke ehelichen. Das wäre mir sogar noch lieber gewesen.

    Der Iulier unterdessen hatte eifrig mit dem Schreiben begonnen, wobei ich natürlich nicht umhin konnte, das Ganze wohlwollend zu betrachten. Doch ehe es meine Gedanken ob der plötzlich aufgekommenen Stille wieder hin zu meiner geliebten Valentina treiben konnte, stellte Caesonius nun eine Frage, mit der ich irgendwie nicht gerechnet hatte. Offenbar hatte nun ein Interesse an meiner Person, was ja eigentlich gar nichts Schlimmes war. “Oh...ja..,also...“, entkam es mir und ich räusperte mich noch einmal. Dieses Mal jedoch deutlich vernehmlicher. “Ich… bin eigentlich der Aedituus eines kleinen Minerva-Tempels,“ erklärte ich, wohl wissend, dass durchaus ein wenig Stolz in meiner Stimme mitschwang. “Darüber hinaus habe ich noch zwei Betriebe, die mich stets in Atem halten, weshalb ich nicht täglich, sondern eher nur wöchentlich hier hereinschauen kann.“ Auch wenn dies vielleicht nur eine kleine Ausrede war und mich an diesem Tag eher das schlechte Gewissen, als wirklicher Tatendrang durch die Pforte der Societas getrieben hatte. “Außerdem gedenke ich bald zu heiraten, was natürlich zusätzlich meine Aufmerksamkeit beansprucht.“ In letzer Zeit war ich immer ganz stolz, wenn ich von diesem Umstand berichten konnte und ich hegte damit auch keinerlei Bescheidenheit. Eher ertappte ich mich selbst des Öfteren dabei, dass ich meine Ehepläne den Gesprächspartnern sogar unter die Nase rieb, ob sie das wollten oder nicht. Doch für mich war es etwas Fantastisches, mich an die schönste und beste Frau der ganzen Stadt zu binden und in lauen Nächten davon zu träumen, dass wir gemeinsam die Casca Decima mit trippelnden und trappelnden kleinen Füßen füllten. Ich seufzte schwer, aber nicht minder wohlig und trank noch einen Schluck.

    Die wichtigsten Dinge in Fragen der aktiver Mitglieder hatte ich dem Iulier nun vermittelt und nun war es an ihm, die dargereichte Tabula zu ergreifen und sich selbst ein Bild zu machen. Mit der Hand deutete ich also auf das Schriftstück, ehe ich meinem Sklaven mit derselben Hand ein Zeichen gab, dass er die geforderten Dinge – Stilum und Wachstafel – organisierte. Dies ging auch recht zügig und recht schnell hielt mein Sklave dem neuen Mitglied beides entgegen. “Natürlich ist das in Ordnung,“ erklärte ich dann. “Du kannst dir auch versichert sein, dass dieses Verzeichnis absolut aktuell ist. Lacer hat es erst vor zwei Wochen angefertigt.“ In zwei Wochen konnte immerhin nicht viel geschehen und es war in dieser Zeit auch nicht anzunehmen, dass eines der Mitglieder versehentlich ausgewandert war oder dergleichen. Während ich nun dem Iulier zuschaute, nippte ich ein wenig selbstvergessen am Wein. Er schmeckte so ähnlich wie mein geliebter Faustianer, welcher mich stets auch an Valentina erinnerte. Was sie wohl zu den Stoffen sagen würde? Ein wenig lächelte ich nun vor mich hin, ehe ich mich wieder zusammenriss und mich kaum hörbar räusperte.

    Ich nickte, als der Iulier verkündete, dass mein Vorschlag eine gute Idee sei. Es wäre wahrscheinlich wirklich das Beste, einen Stellvertreter zu küren, denn wer konnte schon wissen, wann der ehrenwerte Iulius Dives wieder in Rom sein würde. Dabei wusste ich noch nicht einmal, wohin er gereist war. Darüber hinaus stutzte ich kurz, als Caesonius meinte, dass Iulius Dives sein Vetter wäre. Dass er verwandt war, hatte er ja gesagt, doch gleich ein Vetter? Aber sollte es mich wirklich verwundern? Es hatte einmal eine Zeit gegeben, da waren die Decimer in aller Munde gewesen und ein jeder schien erstaunt zu sein, dass ich dazu gehörte. Seit Vetter Serapio jedoch auf einer ungewissen Mission war und Vetter Scipio verstorben war, blieb mir hier in Rom nur Onkel Livianus übrig. Doch es war jetzt gewiss nicht an der Zeit, mir derartig triste Gedanken zu machen. Dass Caesonius dem anderen Vetter, also Iulius Centho melden wollte, dass ein Stellvertreter später auch Oberhaupt werden könne, sollte Dives mehr oder weniger abdanken, war eine wunderbare Sache, der man nur zustimmen konnte. “Das ist eine wunderbare Idee!“, erklärte ich. “So könnte man vieles auch recht schnell in trockene Tücher bringen.“ Schließlich hatte die Societas ja bei genauerer Betrachtung lange genug im Regen gestanden.


    Während ich noch sprach, öffnete sich die Tür und herein kam mein Sklave mit einem kleinen Tablett mit frischen Obst und zwei Kelchen und einem Krug, der hoffentlich Wein enthielt. Das Ganze setzte er auf dem Tisch ab und schob sowohl meinem Gegenüber, als auch mir nun einen Kelch zu. Dem Iulier schenkte er zuerst einen Becher ein und danach mir. Unterdessen überschlug ich flüchtig, wie viele Mitglieder unsere ehrwürdige Vereinigung hatte und ich kam zu dem Schluss, dass ich das nicht einmal wirklich sagen konnte. “Muckel! Such‘ das Mitgliedsbuch heraus!“, gab ich bestimmend von mir. “Entschuldige, aber ich kann es gar nicht so genau sagen,“ erklärte ich Caesonius entschuldigend. “Definitiv weiß ich, dass es leider immer weniger geworden waren. Die archivarischen Aufgaben teile ich mir mit Gaius Salienus Lacer und manchmal auch mit Tiberus Naevius Caudex...“ Ich schaute nachdenklich drein. “Beides hervorragende Leute, auch wenn sie mit wenig Zeit ausgestattet sind. Auf der letzten Versammlung waren wir fünfzehn, doch auch da waren nicht alle anwesend.“ Ich seufzte schwer und blickte meinem Gegenüber ein weiteres Mal entschuldigend entgegen. Muckel unterdessen kramte in einem Regal und zog eine große Tabula hervor, welche er auf den Tisch legte. Darauf deutete ich schnell. “Überzeug‘ dich selbst!“, forderte ich den Iulier auf.

    Oh ja. Es war, als würde die sanfte Flötenmusik, der zuckende Fackelschein und und die weiche Hand meiner Liebsten den Himmel über uns heiligen und mit ihm gemeinsam diesen gesamten Abend. Man konnte in der Tat meinen, dass alle diese Geschichten über den Hirtenjungen, der zu den Sternen aufgefahren ist, wahr waren. Natürlich gab es noch mehr Geschichten zu der Entstehung der Sternbilder, doch wollten sie mir alle in der Kehle stocken, denn schließlich galt es hier das Zusammensein zu genießen. Und was für ein Zusammensein! Valentina wirkte betört und ich war es ebenso. Allein wenn ich mir vorstellte, um ihre Hand anzuhalten! Aber hatte ich das nicht schon – wenn auch indirekt – getan? Dennoch. Schon in den nächsten Tagen, so nahm ich mir vor, würde ich Geschenke kaufen und sie hin zum Hause meiner Geliebten tragen. Mein Herz hüpfte in meiner Brust, als ich meine Lippen an ihre zarte Wange setzte und ihr einen Kuss aufhauchte. Sie neigte sich mir entgegen, in der Hoffnung noch weitere Geschichten zu hören. Dass sie meinte, dass ich ein guter Vortragskünstler wäre, ehrte mich zutiefst, auch wenn ich sehr genau wusste, dass ich an Euphorbus Fähigkeiten keineswegs heran ragte. Doch sollte der Sklave an diesem Abend bestimmt kein Thema sein, an welchem ich mich selbst erniedrigen würde!


    Dann schaute ich in ihre wundervollen Augen und die Welt versank. Dankbar brachte ich ein Seufzen heraus und führte Valentina zur Laube hinüber, die unserer harrte. Langsam ließ ich mich auf die Band nieder, noch immer meine Liebste bei der Hand haltend, während die Flötenklänge nun eine prachtvolle, lebendige Melodie modulierten. Als Valentina ihre Hand hob, um mich an der Wange zu streicheln, schob ich ihr diese bereitwillig entgegen, wobei ich sie verliebt anschaute. Was war ich für ein Glückskind! In einer Stadt wie dieser, groß, laut und schmutzig, etwas so feines, ruhiges und reinen zu finden! Nun hielt mich nichts mehr. Ohne auch noch einmal um Erlaubnis zu fragen neigte ich mich vor, brachte meine Lippen an jene von Valentina und stahl ihr einen leidenschaftlichen, tiefen Kuss, der eine Woge des Entzückens in mir auslöste. Diese drang in alle Gefilde und mein Herz trommelte einen wilden Rhythmus, der den Kuss nur umso intensiver werden ließ. Meines Erachtens viel zu spät löste ich mich los und sah mit einem entschuldigenden Lächeln ein wenig verschämt zu Boden. “Verzeih‘! Ich wollte nicht allzu stürmisch sein!“, erklärte ich diesen kurzfristigen Verlust der Beherrschung, wobei meine Hand zaghaft über das Knie meiner Geliebten streichelte. Vielleicht war es noch zu früh für diese Art von Avancen. Immerhin hatte ich noch keine Geschenke gekauft und meine Liebe und Verlobungswünsche publik gemacht. Aber dennoch. Hier waren wir nur zu zweit! “Ganz Rom wird mich um mein Glück beneiden!“, flüsterte ich leise. “Denn ich habe seinen größten Schatz gefunden!“

    Irgendwie beschlich mich leise das Gefühl, die Societas nun in der Tat schlecht gemacht zu haben, was ja im Grunde genommen nun wirklich nicht meine Absicht gewesen war. Doch wenn es anders würde laufen können, so wäre es mir natürlich auch sehr recht und noch immer wurde ich den Eindruck nicht los, dass der Iulier in der Tat ein Mann war, dessen rege Hände gewiss die Götter geschickt hatten. Auf jeden Fall wirkte er wach, sehr intelligent und vollgefüllt mit Tatendrang. Böse Stimmen in meinem Kopf versuchten mir augenblicklich zu suggerieren, dass er damit so ziemlich das Gegenteil von mir selbst war, doch ganz so übel wollte ich natürlich vor mir selbst nicht dastehen, weshalb ich diese Eingebungen recht schnell wieder aus meinem Bewusstsein verdrängte. Auf jeden Fall schienen mir aber weitere Worte über die Rennställe erspart zu bleiben. Natürlich war ich großer Fan, der angemessen gekleidet zu einem jeden Rennen der Aurata erschien, wo ich besonders stark deren Fahne schwang, wenn ein Decimer in der Nähe war, der mir dabei zuschaute. Seit ich bei meinem Unfall als Kind jedoch fast mein Knie eingebüßt hätte, hielt ich mich aber mit Kontakten zu echten Pferden zurück und frönte meine Lust diesbezüglich im Sammeln von Figurinen und Reiterstatuetten.


    Es war also besser, diese Thematik auch weiterhin zu umschiffen und wieder auf die Belange der Societas zurück zu kommen. Einschließlich einer Erfrischung natürlich. Auch ich war bereits seit einigen Stunden mit meinen beiden Sklaven in der Stadt unterwegs gewesen und ich hatten genauso wenig gegen etwas Obst und einen herrlichen Wein einzuwenden wie mein Gegenüber. Muckel eilte nach der kleinen Aufforderung auch schon davon, um Entsprechendes aufzutreiben. Dann ging es an die Frage der Öffentlichkeitsarbeit, das Rühren der Werbetrommeln und die traurige Tatsache, dass das alles nichts nützen würde, solange die Vereinsleitung weiterhin nicht abkömmlich war. Insofern war das alles schon recht gut von Caesonius auf den Punkt gebracht worden und ich seufzte schwer, wobei auf den bequemen Stuhl sank und nachdenklich die Fingerkuppen aneinander tippen ließ. Schließlich nickte ich fatalistisch. “Ja, du hast recht,“ gestand ich bitter, als würde ich eine Niederlage verkünden. “Es wäre nicht sinnvoll neue Mitglieder zu werben, solange die Chefetage verwaist ist. Doch was könnte man sonst tun?“ Fragend schaute ich dem Iulier entgegen. “Soweit ich informiert bin, gibt es gar keinen Stellvertreter des Magisters,“ erklärte ich dann prompt, auch wenn ich dabei Gefahr lief eventuell als dumm dazustehen, sollte das Gegenteil der Fall sein. “Wie wäre es, wenn wir eine Versammlung einberufen, um einen solchen zu erwählen?“ Und hier lauerte auch schon die nächste Falle. Vielleicht dachte ich einfach zu sehr republikanisch und so ein Vicarius wurde einfach vom Magister ernannt? Wie auch immer. Ich lächelte offen Caesonius entgegen. Immerhin war ich hier nur für die Verwaltung des Archivs zuständig und gab dabei mein Bestes.

    IN STELLVERTRETUNG DES
    AMTIERENDEN MAGISTER
    SOCIETATIS CLAUDIANAE ET IULIANAE UND DESSEN VICARIUS MAGISTRIS


    ERNENNE ICH
    Gaius Iulius Caesoninus


    MIT WIRKUNG VOM
    ANTE DIEM XIV KAL MAI DCCCLXIX A.U.C. (18.4.2019/116 n.Chr.)


    ZUM
    SODALIS - SOCIETAS CLAUDIANA ET IULIANA


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    SODALIS - SOCIETAS CLAUDIANA ET IULIANA


    (In Vertretung der Vereinsleitung und
    nach bestem Wissen und Gewissen)


    Wahrscheinlich klang die Arbeit der Societeas, so wie ich sie gerade geschildert hatte, nicht sonderlich ruhmreich. Doch in der Tat war es doch so, dass die Dinge im Moment ein wenig schleiften und durchaus etwas Öl in Form von Tatkraft benötigten. Also war es nun auch kein Wunder, dass der Iulier nun nach dem Stellvertreter des Magisters fragte, denn immerhin konnte es ja nicht sein, dass die Gesellschaft ohne Haupt und Führer war. Etwas Nachdenklich – vielleicht auch etwas betreten – kratzte ich mich am Hinterkopf, ehe ich auch nur noch ratlos mit den Schultern zucken konnte. “Laut Satzung ja, doch habe ich den Eindruck, dass es im Moment so verläuft, dass Pergament oder auch schon eine gewöhnliche Tabula, recht geduldig sind, was eine gewisse….Umsetzung angeht.“ Es fiel mir gewiss nicht leicht, hier soetwas wie ein Armutszeugnis auszustellen, doch warum hätte ich lügen sollen? Doch nur um den schönen Schein zu wahren, um den man sich obendrein noch mit allerlei Politur hätte erarbeiten müssen. “Im Moment ist die Geschäftsführung verwaist, so weit ich weiß.“ Noch ein Schlag ins Gesicht der Societas. Ich seufzte schwer und fast schon leidvoll und wenn ich es genau betrachtete, merkte ich, dass mir schon Farbe in die Wangen steigen wollte. Doch ganz so weit war es dann doch noch nicht.


    In einem allerdings hatte ich mich gewiss nicht getäuscht, denn der Mann mir gegenüber schien in der Tat voller Tatendrang zu sein und fest entschlossen hier an dieser Baustelle Hand anzulegen. Immerhin bot er nun seine Hilfe in der Verwaltung oder der Öffentlichkeitsarbeit an. Mich ließ das natürlich begeistert dreinschauen. Ich blickte also von meinem Schriftstück auf, welches ich soeben noch weiter ausgefüllt hatte und nickte spontan ein paar Mal. Als der Iulier dann aber die Praesina ins Spiel brachte, geriet ich ins Stocken. Als waschechter Decimer war ich natürlich gerade dieser Factio nicht besonders treu. Schließlich wäre es soetwas wie Hochverrat gewesen, denn schließlich war mein Onkel, der gute Livianus, niemand anderer als der Dominus Factionis der Aurata. “Nein, war nicht dabei!“, gab ich vielleicht etwas zu kurz angebunden bekannt, ehe ich mich wieder entspannte. Immerhin ging es bei den Rennen auch um soetwas wie Brüderlichkeit im Sinne der eigenen Sache. “Aber Öffentlichkeitsarbeit wäre auf jeden Fall etwas, was wir unbedingt gebrauchen können. Die Archive sind einigermaßen im Griff, nur würde eine publikumswirksame Aktion vielleicht noch mehr Mitglieder ins Haus bringen und die Societas wieder zu neuem Leben erwecken.“ Das wäre schließlich mehr als nur wünscheswert. “Muckel, hol doch mal Wein und vielleicht etwas Obst!“, wendete ich mich dann an meinen Sklaven. “Woher denn?“, kam es etwas maulend von Seiten meines Unfreien. Das hatte ich schon kommen sehen an seiner leicht verzogenen Miene. Spontan entschloss ich mich dazu, ihm eine eher mahnende und milde Ohrfeige zukommen zu lassen und gebieterisch zur Tür zu deuten. Das war eigentlich vollkommen entgegen meiner Art, doch hatte ich das Gefühl mir dies vor einem anderen Römer nicht bieten lassen zu wollen. Dann blickte ich Caesonius entschuldigend entgegen. “Dir ist doch hoffentlich auch nach ein wenig Erfrischung?“, wollte ich dann wissen.

    Ich nickte geflisstentlich, als Caesonius meinte, dass es das Klügste wäre, sich mit den täglichen Aufgaben vertraut machen zu wollen. Das klang wunderbar und zwei weitere Hände wären sicherlich das, was diese Societas auch brauchen würde. Auch sah der Iulier durchaus so aus, als würde er viele Ideen und eine gewisse Schaffenskraft mitbringen, die mir leider zumeist abging. Neben dem Dienst im Tempel und meinen Geschäften war es ja zumeist so, dass der Dienst für die Societas litt. Mit der Frage, was genau ich hier eigentlich machte, war dabei auch ein wenig wie ein Stich ins Wespennest, auf den hin ich mich erst einmal räuspern musste. Mit lagen schon die Worte ‚nichts Besonderes‘ auf der Zunge, doch ganz war dem allerdings auch nicht. Muckel unterdessen kramte im Regal, in der Hoffnung auf eine Aufnahmeurkunde zu treffen, die sich noch an Ort und Stelle ausfüllen lassen würde. “Nun ja!“, gab ich von mir und konnte mich eines Seufzens dann doch nicht erwehren. “Ich würde sagen meine Aufgabe erstreckt sich hier auf den Verwaltungsbereich.“ Das stimmte wohl auch so im Großen und Ganzen. Besonders innovativ war ich nicht und bisher hatte sich auch niemand darüber beschwert, dass ich mich über die Archive und deren Ordnung hergemacht hatte. “Ich… verstehe mich hier ein wenig als Archivar,“ gab ich bekannt und nickte neuerlich dazu.


    Kurz sah ich dem Iulier beinahe verschwörerisch entgegen. “Mitunter fehlt es hier an kreativen Ideen und der Umsetzung der Verwaltung in die Praxis!“ Fast erschien es mir wie ein Geständnis, auf das niemand stolz sein konnte. Inzwischen trat Muckel wieder an den Schreibtisch, mit einer Urkunde in der Hand, die er vor mir ausbreitete. “Über Tatmenschen wären wir also überaus glücklich. Besonders jetzt, wo der Magister nicht da ist, kommt alles doch ein wenig ins Stagnieren und schon die einfachsten Dinge sind ein schwieriges Unterfangen.“ Ich lächelte offen und ehrlich. Wahrscheinlich stellte ich mir gerade selbst ein Armutszeugnis aus, doch alleine konnte ich auch nicht viel tun und allzu oft kam ich mit den anderen Mitgliedern auch nicht in Kontakt. Also griff ich nun nach einem Stylus und trug den Namen ‚Gaius Iulius Caesonius‘ auf dem Schriftstück ein.

    [...]


    Schweigend war ich mit Valentina durch den garten geschritten, während der Sklave und mit zwei Fackeln den Weg hin zur Dianalaube ausleuchtete. Doch durch den vollen Mond war es nicht so arg dunkel, dass man den Weg nicht mehr gesehen hätte. Hier und da deutete ich auf einige Blumen, welche ihre Kelche gen Firmament reckten. Auch ich schaute nun empor und zeigte auf die funkelnden Sterne, während Euphorbus die Fackeln an der Laube installierte. “Dort oben ist der große Wagen!“, erklärte ich meiner Geliebten. “Und dort drüben erkennt man einen Bären!“ Ich sah Valentina entegen und lächelte erneut. “Man sagt, dass der Gott Dionysos auf der Erde als Mensch wandelte. Als er ein Nachtlager suchte, wurde er nach vielen Abweisungen anderer bei diesem eingelassen. Aus Dank zeigte er dem Hirten, wie man Wein herstellte und dieser machte sich dann mit einem großen Wagen voller Wein auf den Weg zu anderen Hirten, die sich aber daran betranken und den armen Hirten erschlugen. Dionysos setzte dem jungen Mann ein Zeichen am Himmel. So hatte für immer ein Denkmal,“ erklärte ich mit weichen Worten. Wieder folgte ein Lächeln, ehe ich es wagte, mich zu Valentina hinüber zu neigen und ihr einen sachten Kuss auf die warme Wange zu hauchen. “Lassen wir uns in der Laube nieder?“, wollte ich dann beinahe schon leicht verschörerisch wissen. Inzwischen hatte auch das Mädchen den Weg in den Garten gefunden und die Klänge ihrer musikalischen Kunst drangen zu uns hinüber. Einen Moment lang hatte ich das Gefühl an diesem Ort wirklich unter den Göttern zu weilen.

    Mein Lächeln wurde noch eine Nuance glücklicher, als ich hörte, dass Valentina auf meinen Vorschlag einzugehen gedachte. Auch in ihren Blicken stand nun das Glück, während sie meinte, den schönen Garten sehen zu wollen. In Gedanken war ich schon längst dort. In der Liebeslaube, umgeben von dem Zirpen der Zikaden, dem lauen Wind, welcher die Düfte der Blüten zu hinüber trug. Dort auf der Kline lag ich bereits. Mit ihr. Nur zu gerne bot ich Valentina nun ein weiteres Mal meine Hand dar und ich musste den Drang nieder kämpfen, dieser wundervollen Hand einen weiteren Kuss aufzuhauchen. Sie mochte zwar zart sein, aber noch verlockender waren doch diese Lippen, die Augen, das Haar. Oh ja! Das Haar. Ich lächelte verzückt und machte mich mitsamt meiner Geliebten auf den Weg hinüber zu dem Durchgang, der uns in die Freude des schönen Gartens entlassen würde. “Ein paar Fackeln, Euphorbus!“, befahl ich dem Meister der Poesie, während ich noch einmal über meine Schulter blickte. Immerhin war es draußen schon dunkel und die Laube genoss man besten in einem schönen Schein, der die Welt in magische Farben und Formen tünchte. “Und du, setze dich in den Garten und spiele!“, ließ ich dem Mädchen zukommen. “Sie kann uns dort draußen weiter verzaubern!“, gab ich Valentina dann erklärend bekannt. Nur noch wenige Schritte und der Garten gehörte an diesem Abend uns ganz allein.


    [...]

    “Aha!“, stellte ich in den Raum, als Caesonius verkündete beitreten zu wollen, weil er ein Iulier war. Meine Miene war noch immer erhellt, während auch ich mich setzte und meinem Muckel eine Tabula und einen Stylus zuschanzte, welche dieser auch sogleich annahm und zu notieren begann. Natürlich war dies ein angemessener Grund, denn welches Familienmitglied wollte nicht an der Schaffenskraft der Gens teilhaben? Wohl so ziemlich alle, wobei ich mir eingestehen musste, eine geradezu schandhafte Ausnahme dazu zu sein. Zu den weiteren Erläuterungen seitens Caesonius nickte ich beflissen. Jeder Römer sollte in der Tat etwas um die Hand haben, was das gloreiche Imperium aufrecht erhielt und meines Erachtens war die vor allem die großartige Kultur, welche vor allem wohl die Religion mit sich brachte. Auf jeden Fall endeten die Ausführungen meines Gegenübers mit einer Fragestellung, welche ich nicht als rhetorisch einschätzte.


    “Nun ja,“ entkam es mir. “Diese Societas ist schon sehr besonders!“ Ich nickte, rang nach Atem und seufzte. “Du hast recht. Dem menschlichen Willen ist nichts fremd und bei gewisser Stärke auch nichts unmöglich.“ Lächelnd schaute ich zu meinem Sklaven hinüber, in der Hoffnung, er würde meinen Ausspruch nun ebenso notieren wie der Rest. Nepomuk hatte die Zunge in der Mundwinkel geschoben und kam seiner Aufgabe gewissenhaft nach. “Du scheinst ein treuer Verehrer des Kaisetums zu sein,“ erklärte ich zufrieden. “Hast du schon eine Idee, wie du deine Schaffenskraft zur Anwendung bringen willst?“ Mein Blick schwenkte hinüber zu einem der Regale. Dort musste ein Schriftstück zu finden sein, welches eine Aufnahme bescheinigen konnte. “Muckel...Urkunde...“, flüsterte ich meinem Sklaven entgegen, welcher von der Tabula aufsah, das Gesicht verzog und sich zum Regal aufmachte. Dann lächelte ich wieder Caesonius entgegen. Eigentlich war für mich alles gesagt was wichtig war. Mehr hätte auch der Magister nicht verlangen können.

    Ja, es war eine großartige Sache, behilflich sein zu können. Ich konnte nur hoffen, dass ich meinen Mund in der Tat nicht zu voll genommen hatte, denn immerhin schien der Iulier sehr begeistert über meinen Vorschlag zu sein. Dann fragte er, ob wir das Ganz gleich im Flur abhandeln wollten. Flüchtig stutzte ich, doch war es wohl stadtbekannt, dass man wichtige Dinge, die sowohl politisch als auch religiös angehaucht waren, durchaus zwischen Tür und Angel erledigen konnte, doch wäre es wohl schwierig hier ein Protokoll schreiben zu lassen. Ich hob also meine Hände, um den Bewerber ein wenig zu bremsen. “Ja, ich glaube auch, dass nichts dagegen sprechen wird. Doch gehen wir doch lieber in meinen… ich meine in den Raum, wo wir uns gemütlich niederlassen können und eine Schrift bezüglich dieses Falles angefertigt werden kann.“ Ich neigte mich vertraulich ein wenig zu Caesonius hin. “Ich möchte, das alles seine Richtigkeit hat!“, raunte ich ihm dann beinahe schon zu, ehe ich mich fröhlich lächelnd wieder aufrichtete und einladend in die Richtung deutete, die zum kleinen Schreibraum führte. “Folge mir doch! Dort geht es lang!“ Meinen Gehstock rührend setzte ich mich auch gleich in Bewegung, um keine weitere Zeit zu vergeuden.


    “Muckel!“, rief ich dann über meine Schulter hinweg. “Lass das alles da liegen. Ulcus wird auf den Einkauf aufpassen. Du wirst das Protokoll verfassen!“ Mein Sklave ließ ein Seufzen ertönen und zum Glück sah ich nicht, dass er mich mit einem finsteren Blick bedachte. Aber immerhin folgte er auf dem Fuße und er würde sich auch gewiss die Teile des Gespräches merken können, welche bereits hier zur Äußerung kamen. “Woher kommt dein Interesse für den Kultverein?“, fragte ich dann den Iulier interessiert, wobei ich mich an mein eigenes Gespräch mit dem Magister selbst erinnerte. Auch er hatte derartiges gefragt. “Gibt es für dich besondere Gründe einzutreten?“ Da der Weg nicht sonderlich weit war, erreichten wir bald die Türe, welche ich öffnete und hinein deutete. Es war ein enger Raum mit einem hohen Fenster. Links befand sich ein Regal, unter dem Fenster ein Schreibtisch. Dahinter und davor war jeweils ein Stuhl. Zu sehen gab es also recht wenig. Dennoch war Gastfreundschaft oberstes Gebot und ich deutete auf die Sitzgelegenheit vor dem Tisch.