Beiträge von Cnaeus Decimus Casca

    Ich nickte, als der Iulier mir erklärte, dass er die Vereinssatzungen gelesen hatte. Dabei musste ich mir eingestehen, dass er mir darin schon ein wenig voraus war. Letzten Endes aber war es ja so, dass Iulius Dives nicht im Hause war und dass es wohl in den Sternen stand, wann er das wieder sein würde. Doch wer jetzt genau der Stellvertreter war… Ich runzelte die Stirn, nickte dann und wann und verstehen und legte nachdenklich meinen Finger an die Lippen. Als Iulius Caesonius endete, kam jedoch wieder ein wenig Regung in mich. “Aber nein, nein, nein!“, sprach ich dann, “Ich denke, es wird sich schon jemand finden, der die Aufnahme durchführen kann.“ Immerhin war es ärgerlich, wenn man im großen Rom einen Weg auf sich genommen, das Ziel erreicht und dann doch nichts gewonnen hatte. Das ging mir des öfteren so, weshalb ich mich vorsorglich schon einmal in die Lage meines Gegenübers hineinversetzen konnte. “Also, wenn ich nun das einzig greifbare Mitglied bin, dann könnte ich… ich meine… ja, ich ja das Verfahren… also… aufnehmen,“ erklärte ich dann. Schließlich konnte es keine allzu große Sache sein ein Gespräch zu führen und dieses dann mit einigen Insignien zu versehen, die bestimmt hier irgendwo aufzutreiben waren. “Ich meine, wenn man das gut protokolliert und so weiter, dann… wäre es das, was ich gerade anbieten könnte.“ Ich lächelte ein wenig schräg und hoffte, dass ich meinen Mund nicht zu voll genommen hatte.

    Im Inneren des Gebäudes angekommen wurden mir sogleich zwei Dinge klar. Das Erste war, dass es hier drinnen bedeutend kühler war als draußen und das Zweite war, dass ich keinerlei Ahnung hatte, wie genau ich denn nun dem Iulier behilflich sein konnte. Dass ich es tun würde war mir natürlich eine Ehrensache. “Ich…,“ begann ich etwas hilflos. “… habe hier ein kleines Arbeitszimmer. Einen kleinen… Raum sozusagen, den ich mir mit anderen teile… aber der dennoch recht einladend sein kann, wenn man sich einen Wein oder etwas Obst bringen lässt.“ Wage deutete ich dabei in den Gang, der von der Hauptpforte fort führte. Der greise Aushilfsianator unterdessen hielt die Tür geöffnet, damit mein Sklave Muckel über die Schwelle schnaufen konnte. “Ulcus! So steh doch da nicht rum, hilf dem Nepomuk!“, forderte ich daraufhin tadelnd, ehe ich dem Iulier wieder meine volle Aufmerksamkeit widmete. “Hast du dich schon mit den Aufnahmeformalitäten vertraut gemacht?“, wollte ich wissen, wobei ich hoffnungsvoll lächelte. Ich hoffte es sehr, denn dann musste ich nicht gestehen, dass ich davon überhaupt keine Ahnung hatte. Ausgenommen natürlich eines angenehmen Gespräches, das ich durchaus im Repertoire hätte.

    “Ach!“, stieß ich halb erstaunt und zur anderen Hälfte erfreut aus. Der Iulier wollte hier Mitglied werden. “Das ist eine wunderbare Sache!“, erklärte ich dann schnell, nicht recht wissend ob ich dabei den Umstand meinte generell einen Mitstreiter zu haben oder die Möglichkeit ein wenig Arbeit abzugeben, auch wenn diese Arbeit hier ja eigentlich keine war. “Ach!“, erklärte nun auch der hutzelige Alte, der sich nun zur Gänze in der Tür zeigte und diese infolgedessen auch ein wenig weiter öffnete. “Der Magister ist nicht im Haus,“ schnarrte er dann aber geflissentlich. “Und er kommt auch so schnell nicht...“ Er stutzte kurz und fügte dann an: “...glaube ich.“ Mein Blick schwenkte wieder zu Caesonius hinüber, ehe ich leicht seufzte. Dann sah ich wieder zum Ianator. “Aber vielleicht können wir dennoch eintreten. Ich denke, da wird sich sicherlich jemand anderes finden lassen.“ Ich nickte und gab schon einmal meinen beiden Sklaven ein Handzeichen, damit sich zum Eintritt bereit machen konnten. Tatsächlich schulterte Muckel wieder die Stoffe und auch Ulcus stapfte bereits näher, was den alten Herrn dazu brachte einen Schritt zurück zu treten und die Tür frei zu gebe. Offenbar hatte er vor Ulcus Statur reichlich Respekt. Wohl ebenso vor dessen Gesichtsausdruck, der eingefroren wie er immer war, so machen Weg freiräumen konnte. “Vielleicht kann ich ja behilflich sein,“ bot ich mich nun dem Iulier an. Ich hatte zwar überhaupt keinerlei Ahnung von verwaltungstechnischen Angelegenheiten, doch wäre es nicht verkehrt, die generelle Bereitschaft zu signalisieren. Bei meinen Worten übertrat ich auch sogleich die Schwelle und deutete dem neuen, potentiellen Mitglied an, es mir gleich zu tun.

    Ich merkte selbst, dass ich ein wenig die Lippen aufeinander gepresst hatte, in der Hoffnung, dass sich die Süße des Kusses davon nicht allzu schnell verflüchtigte. Dabei verschafften unsere Blicke sich die intimste Nähe, die sich ein Mann wie ich nur wünschen konnte. Valentina, mir gegenüber, gehalten unter einem bloßen Blickkontakt. Ich musste mir eingestehen, dass ich ewig so hätte dasitzen können, wenn nicht das Drängen meines Herzen dagewesen werde, was nach Beantwortung der Frage gierte. Würde ich um sie werben dürfen? Nur zu gern würde ich es tun und ich war mir sicher, dass die Tage dann in Freude und Vollkommenheit dahinfliegen würden. Ihre Worte jedoch, die dann erklangen waren noch süßer als der Kuss. Ich lächelte, nein, ich strhlte vor Glück und schenkte meiner Angebeteten einen noch wärmeren Blick, während ich ihre Hand verfolgte, die eine widerspenstige Strähne hinter ihr Ohr strich. Der Fackelschein tauchte ihr Gesicht in geheimnisvolles – nein, fast magisches Licht und ich war mir sicher, dass jeden Moment die Götter auf die Erde nieder steigen würden, um mir Valentina zu entreißen, weil sie so hübsch aussah! Und dann sagte sie etwas, was mein Glück vollends in meinem Inneren verankerte. Sie liebte mich?


    “Oh!“, entfuhr es mir erfreut und aus tiefstem Herzen – das zugegebener Maßen nun ganz schön zu klopfen begonnen hatte. “Ich liebe dich auch, Valentina, … ich … liebe dich auch!“, hauchte ich beseelt dahin und merkte kaum, dass ich ihre schmale Hand noch fester drückte. “Ich schwöre dir, dass mein größtes Streben von nunan sein wird, dich glücklich zu machen!“ Und ganau dieser Wunsch war die reinste Wahrheit. Das konnte ich in mir spüren, in diesem Moment, der ewig hätte währen können, wäre da nicht ein Räuspern gewesen, welches hinter uns im Raum ertönte. Ich zögerte kurz meinen Blick von Valentina abzuwenden, doch dann schaute ich hinüber zu Euphorbus, der fast verlegen dastand und von einem Bein auf das andere trat. Ach ja! Die Liebeslyrik! Unter einem tiefen Atemzug sog ich Luft in meine Lungen. Auf sonderbare Weise erschienen mir all die schönen Verse der Dichter nun nichts mehr als graue Theorie zu sein, die nun drohte, der Praxis das Wasser abzugraben. Viel lieber hätte ich nun selber geküsst, als von feurigen Lippen zu hören und viel lieber hätte ich nun selbst die Glut entfacht, die nur Mann und Frau gemeinsam wieder löschen konnten. Ich seufzte. “Magst du weiter Gedichte hören oder wollen wir… ich meine… es ist warm und wundervoll draußen...wir könnten auch ein wenig in den Garten….“ Ich deutete auf den verhangenen Vorhang, der sich im lauen Lüftchen wiegte. Zaghaft sah ich Valentina entgegen und wagte es nicht zu sagen, dass ich dort draußen noch gerne hundert Küsse mit ihr teilen wollte.

    Ich lächelte herzhaft, als mein Gegenüber sich als Iulius Caesonius vorstellte. “Bist du verwandt mit Iulius Dives?“, wollte ich dann wissen. “ja, der Ianator hört auf den Namen Evax. Wenn er denn mal hört!“ Ich grinste noch einmal dümmlich und schaute auf die Tür, die sich noch immer nicht öffnen wollte. “Ich würde ihm eher zutrauen, dass er versucht, sich mit den Vögeln zu unterhalten!“ Ich lachte über meinen eigenen Scherz und wendete mich dann zu Muckel und Ulcus um, als der Iulier vorschlug meinem Sklaven beim Tragen zu helfen. Auf Nepomuks Gesicht erkannte ich sogleich die Erhellung eines Hoffnungsschimmers, mit welchem er meinen neuen Bekannten nun betrachtete, doch ich hob meine Hand und schüttelte den Kopf. “Oh nein, nein!“, erklärte ich gerade heraus. “Das kann ich nicht annehmen. Die Stoffe sind reichlich schwer und wohl doch eher etwas für die Schulter eines kräftigen Sklaven gedacht!“ Aus dem Augenwinkel heraus sah ich, dass ich der hoffnungesvolle Funken in den Augen meines Sklaven erstarb und er mich mit einem pikierten Blick bedachte. Doch Ulcus war ja schließlich auch noch da, auch wenn ich meinte, dass der Bursche die Hände frei behalten sollte, falls wirklich übles Gesindel unseren Weg kreuzte.


    “Vielleicht sollten wir noch einmal klopfen!“, schlug ich vor und trat auch gleich einen Schritt auf die Pforte zu, als das Türblatt doch in der Tat in qietschenden Angeln aufsprang. “Ja?“, fragte eine gealterte Stimme, noch ehe man den weißbehaarten, zotteligen Kopf eines ebenso zottelig behaarten Mannes erblicken konnte. Das war eindeutig nicht Evax, doch letzten Endes war es auch egal, wer uns den Einlass gewährte. “Decimus Casca und Iulius Caesonius bitten um Einlass!“, erklärte ich schnell. “Ich bin hier um zu sehen, ob es Arbeiten gibt, die erledigt werden müssen und Iulius Caesonius ist hier weil….“ Weiter sprach ich nicht, weil ich nicht recht wusste, welcher Grund zu nennen war. Also schaute ich den Iulier fragend an und beschloss, dass es wohl besser wäre, wenn er es gleich selbst erklärte.

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    “Nun mach‘ schon, Muckel!“, gab ich einem enervierten Nörgelton von mir. Mein Sklave folgte mir in einigem Abstand und war beladen mit einigen aufgetürmten Stoffen und einigen Schatuellen, die nur das Beste der Färberskunst zu bieten hatten. Auch hatte ich daran gedacht, für meine Angebetete einige Schmuckstücke zu erwerben, die zwar nicht allzu teuer, jedoch äußerst schön anzuschauen waren. Deshalb hatte ich auch meinen Barbier Ulcus mitgenommen, der hinter Muckel einher wankte. Der Bursche konnte zwar keiner Fliege etwas zu Leide tun, doch sah er breit und stattlich aus und verfügte über ein Gesicht zum Fürchten, was vielleicht einige Wegelagerer abschrecken würde. Bevor ich meine Schätze jedoch nach Hause tragen lassen konnte, wollte ich noch einmal bei der Societas vorbei schauen, ob es nicht irgendeine Form von Arbeit gab. Diese konnte ich im Moment zwar überhaupt nicht gebrauchen, doch wo ich schon einmal Mitglied war, sollte ich mich auch recht mühen, so wie ich es eben bei meiner Aufnahme versprochen hatte.


    Wie ich feststellten, war ich nicht allein. Bereits ein zuvor angekommener Herr wartete wohl auf Einlass. Da konnte ich mich doch gleich anschließen. “Salve!“, grüßte ich also und hinkte mit meinem schmerzdenen Knie die Stufen empor, wobei ich mich auf meinen Gehstock stützte. Dieser Tage war es wieder besonders schlimm mit dem alten Leiden und ich nahm mir fest vor, mich daheim massieren zu lassen. Den jungen Mann hatte ich zuvor noch nie gesehen und er mich im Gegenzug wohl auch nicht. Also lächelte ich ihn an und meinte: “Ein wunderschöner Tag. Vielleicht dauert es deshalb immer etwas, bis diese Tür geöffnet wird.“ Ich wollte nicht gleich sagen, dass der verantwortliche Evax ein recht vielbeschäftigter Sklave war, der gewiss gerade wieder seiner Neugierde nachging. Hinter mir kamen nun auch Muckel und Ulcus an. “Uff…,“ schnaufte mein Sklave hervor und setzte die Ballen ab. Ulcus stierte einfach nur gerade aus und kratzte sich ungeniert am Schritt. Ich schnappte nach Luft und versuchte den Fremden von der Szene abzulenken. “Mein Name ist Decimus Casca,“ erklärte ich fast schon zu fröhlich. “Ich bin hier Mitglied!“

    Oh, ihre Hand war zart wie wunderbarste Stoff aus der Fertigung eines geschickten Webers. So sanft, so duftend, so schmal. Es hatte mich tief berührt, wie bewegt und wohl auch wie ängstlich Valentina in die Zukunft schaute und mit schlechten Erinnerungen rang. Die ganze Zeit hatte sie mir nur entgegen gesehen und mir blieb nicht mehr übrig als zu hoffen, dass meine Worte bis in Innerstes drangen und dort ihre Prüfung auf Wahrhafigkeit bestanden. Es wäre nicht auszudenken, wenn mir diese Frau, die sich doch als Frau meiner kühnsten Träume herausgestellt hatte, nun davon flattern würde wie ein waidwunder Schmetterling. Nein, so wollte ich Valentina nicht sehen. Ich wollte sie glücklich machen, zum Lächeln und zu neuerlicher Hoffnung bringen. Was ich sah, war eine kleine, schimmernde Träne, die sich nun an ihrem Auge rührte und sich alsdann ihren Weg an der zarten Wange hinunter bahnte. Wie ein funkelnder, glitzernder Diamant.


    Meine Blicke waren einen Moment lang wie gebannt davon und ich ließ es geschehen, dass mir Valentina ihre Hand entzog. Jedoch nur um sie dann an meine Wange zu legen. Auch die andere Wange wurde bedacht und so hoben sich meine Blicke in die Augen der wunderbarsten Dame Roms. Einen tiefen Atemzug lang dachte ich noch daran wie glücklich ich wäre, wenn es ihr ebenso ergehen würde wie mir. Wenn auch ihr Herz Wärme und Zuneigung für mich tragen würde. Wie atemberaubend könnte die Zukunft aussehen? Valentina und Casca. Ein besonderes Paar. Ein Paar wie füreinander bestimmt. Valentina rückte nun näher zu mir und neigte sich mir entgegen und ich konnte ihren Atem spüren bevor unsere Lippen aufeinander trafen. Zaghaft zunächst, doch dann entfesselte sich ein wunderbarer Kuss, der für meinen Teil niemals hätte enden müssen. Ihr Götter! Sie schmeckte süß und lieblich, wie ein ewiges Versprechen. Als sich unsere Münder wieder voneinander lösten, sah ich meiner Geliebten wieder in die Augen und ein herzliches Lächeln erschien in meinem Gesicht. Vielleicht mochte es fassungslos, ja, sogar dümmlich wirken, doch es war so ehrlich wie es nur hätte sein können. “Oh Valentina,“ seufzte ich beglückt und ich musste mich bremsen, um nicht die Kusstat noch einmal zu begehen.


    Der Sklave und das Mädchen schwiegen inzwinschen und im Raum hätte man gewiss einen Strohhalm hören können, der nach einem kurzen Segelflug auf dem Boden auftraf. Noch einmal füllte ich geräuschvoll meine Lungen mit der herrlichen Luft und rang im Anschluss nach Worten, welche die Situation noch mehr erheben konnten. Doch war dies möglich? “Du bist eine wundervolle Frau!“, entschlüpfte dann meinem Mund. “Und ich weiß, dass ich an deiner Seite der glücklichste Mann Rom wäre! Sag mir, was dieser Kuss die Erlaubnis war, dass ich weiter um dich werben darf?“ Meine Stimme klang hoffnungsvoll und ich wollte keineswegs Valentina gegenüber wie ein aufdringlicher Schwerenöter wirken, auch wenn ich ein Mann unter vielen war, dem diese Eigenschaft vielleicht durchaus zur Last gelegt werden konnte.

    Bildete ich es mir nur ein, oder wirkte Valentina einen Moment lang verschreckt ob meiner Vermessenheit? Ein wenig Besorgnis schlich sich auf mein Gesicht, doch es entspannte sich schnell wieder, als ihre zarte Hand nun meine Finger drückte. Wie sanft ihre Hand war, wie weich und zart! Dennoch. Ihr Schrecken blieb anscheinend, selbst nachdem ihre Blicke noch einmal den Raum durchmessen hatten und schließlich in meine Augen fanden. Ihr Götter! Welch ein Anblick. Unter diesem schluckte sich schwer. Oh ja. Es war wie ein wundervoller Traum, den Gedichte und die Flöte untermalten. Sie drückte ein wenig fester zu, doch ich hielt still, harrte ihrer Worte, die offenbar noch folgen sollten. Wie Magie waren diese Stunden, wie der Kuss der Musen selbst. Wie ein Narziss, der dem Spiegelbilde entrissen endlich ein wahrhaftiges Gegenüber aus Fleisch und Blut fand und… dann waren da diese Befürchtungen, die sie formulierte. Sie hatte Angst davor aufzuwachen und sich neuerlich allein vorzufinden. Ob dieser Aussage entfuhr mir ein leidvolles “Oh!“ und instinktiv begannen nun meine Finger damit, ihren Handrücken beruhigend zu streicheln.


    Sicherlich hatte es in ihrem Leben viele Versprechen gegeben. Zuletzt das meines Cousins, der nun fern von Rom einem Schicksal nachging, von dem niemand etwas wusste. Doch es war nicht die Sorge um Serapio, sondern jene um Valentina, die mich nun urplötzlich bestürmte. Nicht nur um sie, sondern auch um mich. Einen Augenblick lang fühlte ich mich wie ein Schwerenöter, der mit einem lauen Abend bei Kerzenschein, Musik und Wein um die Gunst einer flüchtigen Nach warb. Doch das war mitnichten so! Sorge schlich sich in meine Blicke. Doch ich war kein Mann, der Frauen umgarnte. Überhaupt hatte ich das noch nie getan, sah man von günstigen Huren und einigen Sklavinnen einmal ab. Ja, auch ich war ein Mann mit Bedürfnissen, doch mein Herz war ein Heiligtum, in das nicht jeder Zugang fand. Meinte ich zumindest. “Oh, Valentina, denk soetwas nicht!“, entkam es mir leise und ich hielt ihre Hand etwas höher an meine Brust, meinem Herzschlag entgegen. “Auch ich dachte erst, es wäre ein Traum, doch ist es keiner! Du bist nicht mehr dazu verdammt allein zu sein. Und ich möchte es auch nicht mehr sein. Wenn wir allein sind, so sind wir es doch ab nun gemeinsam!“, sprach ich, wobei ich meiner Geliebten auch weiterhin in die Augen blickte. “Du bist eine tapfere Frau. Eine Frau, die ich verehre und in die ich mich… nun….“ Ab hier begann meine Rede ein wenig zu holpern. “Nun ja. In die ich mich… stürmisch, wenn nicht gar unendlich… verliebt habe!“ Nun war es an mir tapfer zu sein, denn ein solches Geständnis hatte ich in meinem Leben bisher nur Sklavinnen gemacht. “Und solltest du dich fürchten, so sei dir gewiss, dass ich stets da sein werde, um dir deine Ängste zu nehmen.“ Ich nickte fest. “Sofern ich es darf, werde ich immer an deiner Seite sein… um… der Einsamkeit… nun ja… vorzubeugen.“ Einen Moment lang überlegte ich, ob ich meinem Schwur noch einen Kuss auf ihre wundervollen Lippen folgen lassen sollte. Doch ich wollte es nicht übertreiben und entschied mich für ihre Hand, die ich nun noch weiter empor lupfte, um ihr einen festen Kuss aufzudrücken..

    In der Tat war ich selten so entzückt wie in diesem Moment. Doch geschah es auch nicht oft, dass ich eine Herzensdame in mein Reich einlud und mit ihr zu Abend speiste. Hinzu noch in einem solchem Ambiente. Normalerweise saß ich zu diesen Stunden mit Muckel in meinem Zimmer und rekapitulierte die Tage, die ja ach so anstrengend waren und mir bisweilen das Letzte abforderten. Doch dies hier forderte mir kaum etwas ab. Im Gegenteil. Es gab mir Auftrieb in das Gesicht einer schönen Frau zu sehen, die dazu noch behauptete ebenso gerne mit mir zusammen zu sein wie ich mit ihr. Darüber hinaus schmeichelte sie mir noch, denn meine Redefreude kam nicht immer so gut an, wie sie nun meinte. Dabei liebte ich doch Geschichten und ich verfügte dabei über einen reichhaltigen Schatz. Ich lächelte beglückt und bemerkte selbst, wie sich nun zusätzlich zu dem Stolz auch noch ein gewisses leidenschaftliches Feuer in meine Blicke schlich. Schon einmal hatte Valentina erwähnt, dass sie mit Männern bisher nur wenig Glück gehabt hatte, doch in mir würde sie sich nicht täuschen. Ich würde sie auf Händen tragen, über jede Hürde hinweg. Das versprach ich mir selbst und heimlich in meinem Inneren auch ihr. “Du ahnst nicht, wie froh es mich macht, was du mir gerade sagst,“ gab ich unumwunden zu. Der Sklave räusperte sich nun, da er sich in seinem Vortrag gestört fühlte. Etwas widerwillig wendete ich ihm meinen Kopf zu und schüttelte diesen dann. “Mein guter Euphorus, so warte noch einen Moment…,“ erklärte ich und hob dazu mahnend meinen Zeigefinger. “Die Musen, welche die Dichter auf das Pergament gebannt haben, können noch einen Moment unserer harren.“


    Es war wirklich eine Schande, dass so viel Raum mich in diesem Moment von Valentina trennte. Wieder lächelte ich und besah mit dann den Tisch mit dem Essen. Dann Valentinas Kline. “Nun, da wir uns gestanden haben, wie gerne wir beieinander sind, ist es doch eine Schande, dass noch immer so viel Raum zwischen uns ist!“, wagte ich dann einen Vorstoß und erhob mich von meiner Liegegelegenheit. Im Anschluss winkte ich Euphorbus herbei, der sich sehr überrascht zeigte. “So fass an meine Kline und ziehe!“, forderte ich und machte mich meinerseits daran, an wenig an dem Tisch zu rucken, um meinem Vorhaben Raum zu verschaffen. Die Flötistin hatte inzwischen ihre Melodie unterbrochen und sah zu uns hinüber. “Nur weiter!“, sprach ich ihr zu und griff dann an das Kopfende der Kline, die nun direkt neben jene meiner Angebeteten geschoben wurde. Mit einem hässlichen Knirschen auf dem Mosaikboden wohlgemerkt. “Ich hoffe, es ist nicht zu unverschämt von mir, doch ich möchte deutlich machen, wie sehr ich deine Nähe… also dein Dasein und Hiersein vor allem schätzte,“ sagte ich und schickte mich an, mich wieder auf die Liege zu begeben. Dabei bedachte ich Valentina wieder mit einem Lächeln. Ich konnte nur hoffen, dass dies nicht unschicklich war, doch ich konnte in diesem Moment nicht anders. Zaghaft ergriff ich die Hand der Quintilia, um dieser einen Kuss aufzuhauchen. Wieder vermessen. Ihr Götter! “Was wären die Musen ohne die Hand einer wundervollen Frau,“ wisperte ich obendrein tollkühn.

    Als Valentina mich ansah, hatte ich einen Moment lang das Gefühl, die Ewigkeit würde mir entgegen schauen und ich gebe gerne zu, dass mir ein warmer Schauer über den Rücken lief. Also genoss sie diesen Abend ebenso wie ich? Ich wollte sie natürlich keineswegs langweilen und einen Augenblick wallte noch einmal diese Befürchtung auf. Andererseits konnte ich mir nicht vorstellen, dass Valentina diese erhebende Dichtung nicht schätzte und ein billiges Massenspektakel in irgendeiner Arena vorzog. Zumal im Moment ja nicht einmal eine davon stattfand. Ja, dies hier war doch mehr als Brot und Spiele. Es war warmer Braten und etwas für das innere Feingefühl, welches bereits so angenehm in mir kribbelte. Wie ein Arm oder Bein, das eingeschlafen war und sich nun anschickte zu erwachen.


    Meine Blicke schwenkten nun wieder zu dem treuen Sklaven, der noch immer rezitierte als ginge es um sein Leben und dann blickte ich hinunter zu dem Mädchen, welches so wunderbar flötete. Dann entfuhr mir ein wohliges Seufzen und sah verliebt wieder zu Valentina hin, welche beschaulich lächelte. Am liebsten hätte ich ihr meine Hand hingestreckt, auf sie diese ergreifen konnte, doch leider befanden sich unsere Liegegelegenheiten so weit auseinander, dass dies kaum möglich war. Ein Manko, ohne Zweifel. So würden es für den Augenblick also Worte richten müssen. “Mitunter höre ich gerne Tibull,“ erklärte ich salbungsvoll. “Manchmal erscheint er mir wie ein weiser Mann.“ Ein neuerliches Seufzen schlüpfte über meine Lippen. “Ich denke, es dauert lange, bis man Weisheit erlangt hat. Ich strebe nach ihr schon mein ganzes Leben und nun sitze ich hier mit einer wundervollen Dame und bin ihr noch kein Stück näher.“…. Ich stutzte kurz und schob schnell: “Also, der Weisheit!“ nach. Natürlich wäre ich auch gerne der Dame näher gewesen, doch das wäre wohl zu unschicklich zu diesem Zeitpunkt.


    Euphorbus, der sich wohl in seinem Vortrag ob meiner Worte gestört fühlte, blinzelte und blickte dann finster drein, doch war es mir egal was er dachte. Das Mädchen spielte einfach weiter, als wären ihre Klänge ein munterer Bach, der fröhlich dahin plätscherte. Statt nun meine Hand nach meiner Geliebten -und oh ja, das was Valentina wohl, wie ich feststellen musste – auszustrecken, ergriff ich ein Stück Braten und führte er mir unter Mitnahme des Tellers zum Munde. Die Coqua hatte sich selbst übertroffen und wohlgefüllig tupfte ich mir mit der Hand die Mundwinkel ab. Dann strahlte ich Valentina entgegen, während Euphorbus einige Liebeszeilen zum Besten gab. Liebe war doch immer etwas für Auge und Ohr. Und auch für den Magen. “Ich muss gestehen, ich schätze dich sehr!“, entfuhr es mir dann verwegen und ich hoffte sehr, mein Vorstoß wäre nicht zu vermessen. “Ich wünschte, die Zukunft würde noch mehr Abende wie diesen bereit halten.“ Vielleicht schaute ich etwas treudoof drein, doch meine Dame sollte nicht denken, dass ich dergleichen Worte öfters und auch zu anderen sprach.

    Meine Blicke hatten zwischenzeitlich auf Euphorbus gelegen und auch ihnen entbehrte nicht eine gewisse Bewunderung für diesen Sklaven. Gleich nach seinem ersten Tag in diesem Hause sah ich mich bereits sogar eifersüchtig und hätte gerne getauscht. Wie herrlich musste es sein, ein Leben für die Poesie zu leben? Ohne weitere Pflichten in der Bibliothek nach Herzenslust in ihr zu baden, sie schier zu trinken, um sie so mit dem eigenen Inneren zu vereinen? Bisweilen fragte ich mich, ob es etwas Höheres als das geben konnte und ich sagte mir, wie armselig es doch für einen Römer war, dass ein Sklave, so klein und unbedeutend und zu nichts anderem taugend als zu lesen und zu rezitieren, schon in dieser Welt im heiligen Elysium weilte. Und das, während er noch lebte und atmete! Doch diesen Gedanken durfte ich mich nicht hingeben, denn allein das hätte mir schon die Kraft genommen fest im Diesseits zu stehen und meinen Aufgaben nachzukommen, zu denen ich mich eh schon kaum mehr aufraffen konnte. Begleitet von dem Gefühl, dass mir im Leben etwas Entscheidendes fehlte und dass meine Tage eintönig dahin plätscherten und für niemanden auch nur das Geringste an Bedeutung in sich trugen, bescherte mir bisweilen doch eine leichte Melancholie. Diese allerdings war just an diesem Abend verflogen. Wie auch am Tage schon. Ein Tag, den ich mit Valentina verbracht hatte, welche es mir wenig übel nahm, dass ich bisweilen in schwärmerisches Geschwätz verfiel und mich über die Maßen gerne reden hörte.


    Wie ein Trunkener habe ich ihr Geschichten und Anekdoten erzählt, welche mich stets tief im Inneren beglückten und welche mir des Öfteren selbst aufsagte, um dann – für Außenstehende vollkommen ohne Grund – vor mich hin zu lachen und zu grinsen. Nein, das alles nahm sie mir nicht übel, was mich sehr beglückte und mich jeden Moment an ihrer Seite sehr genießen ließ. Doch nun war ich gespannt, welches Werk von welchem Poeten sie nun zu hören wünschte und es überraschte mich, dass sie diese Verantwortung an den Sklaven abgab. Kurz hob sich meine Augenbraue, als sie meinte, sich überraschen lassen zu wollen. Dann nickte ich anerkennend und lächelte wieder vergnügt. Wie großzügig sie war und wie freundlich zum alten Euphorbus, der nun ein wenig ungläubig drein schaute, nur um dann ein glückliches Lächeln erstrahlen zu lassen. Wahrscheinlich wusste Valentina nicht, dass sie mit ihrer Erlaubnis dem Sklaven gegenüber nun einiges an Wortgewalt und emotionalem Reichtum entfesselt hatte, der dem schmächtigen, alternden Griechen inne wohnte, der Band um Band von Oden und Waisen verschlungen hatte, nur um sie in Momenten wie diesen wieder freizugeben. Ich räusperte mich leicht, mit der geballten Hand vor meinem Mund, in welche ich dann auch sogleich vorsichtig hinein hustete. Meine Blicke waren noch immer der Quintilia zugewandt. “Es ist freundlich von dir, Euphorbus dies zu erlauben, nur hoffe ich, dass du einige Tage an Zeit mitgebracht hast!“ Dann lachte ich fröhlich und auch der Sklave wagte es nun, ein leises, wenn auch ehrliches Lachen von sich zu geben. “Ich werde mich mühen, nur das Beste in aller Kürze preiszugeben, von dem ich sicher bin, dass es der Dame gefallen wird,“ erklärte er unter einer sachten Verbeugung sehr bescheiden.


    Im selben Moment betrat ein junges Mädchen mit einer Flöte den Raum. Sie blickte scheu auf Valentina und mich, verneigte sich ebenfalls leicht und ging zu einem Schemel hinüber, auf welchem ein weiches Kissen drappiert war. Dort nahm sie Platz und tauschte flüchtig ihre Blicke mit Euphorbus auf, der ihr zu nickte, jedoch die Hand hob, um ihr zu bedeuten, dass sie noch einen Moment Geduld aufbringen musste. “Das ist Nicaea!“, gab ich erklärend von mir und lächelte Valentina zu. “Sie mag jung sein, doch sie versteht sich sehr auf die Flöte!“ Stolz schwang in meiner Stimme mit, auch wenn ihr Können keineswegs mein Verdienst war. “Denn unsterblich in Tönen lebt fort, was ein Mund kunstvoll erzählt hat!“, stellte Euphorbus nun in den Raum und trat zwei Schritte von den Klinen zurück, was ihn direkt neben das Mädchen brachte. “Das war ein Zitat von Pindar!“, sagte ich erfreut und der Sklave lachte, ehe er nickte. Freudestrahlend blickte ich Valentina entgegen. Oh, könnte doch jeder Abend so sein wie dieser! Auf Euphorbus Zeichen hin setzte nun die zarte Flöte ein und er begann zu sprechen: “O wenn kränken du wolltest die zärtliche Liebe, wozu mir


    Heiligen Bund, um geheim ihn zu verlezen, gelobt?


    Elender, ach! ob einer zuerst Meineide verhehlet,


    Spät doch, schleichendes Gangs, wandelt die Strafe daher.


    Schont, Unsterbliche, schont! Ungestraft muss Schönen erlaubt sein,


    Euere Macht Einmal durch ein Vergehn zu entweihn. ….


    Ich seufzte glücklich und flüsterte Valentina ein zartes, aber dennoch hörbares: “Von Tibull!“ entgegen, ehe ich einen tiefen Schluck aus meinem Becher nahm, die Augen schloss und der Worten nachspürte, die an mein Ohr drangen.

    Meine Blicke hatten die ganze Zeit über auf Valentina geruht und mich hatte der Gedanke beschlichen, wie schön es doch wäre, einen jeden Abend auf diese Weise zu verbringen. Nach der Mühsal des Tages auf einer Kline zur Ruhe zu kommen, sich in Vorfreude auf Gedichte zu ergehen und dabei diese wunderschöne Frau anzusehen. In meiner Gedankenwelt gehörte sie dabei irgendwie zum Haushalt dazu, an meine Seite. So mussten sich die Dichter fühlen mit ihren Musen so nahe bei ihnen. Beinahe hätte ich geseufzt. Catull! Auch dieser Mann war ein herausragendes Beispiel für die Schönheit des Wortes. “O Sperling, Vergnügen meines Mädchens, mit dem zu spielen, den an ihren Busen zu halten, dem greifenden den ersten Finger zu geben und des scharfen Bisses sie zu reizen pflegt, ich weiß nicht, wenn es meiner Geliebten, nach etwas Liebem verlangend, gefällt zu scherzen und ein schwacher Trost zu ihrem Schmerze ist, ich sollte meinen, dass hierauf die schwere Leidenschaft zur Ruhe kommt!“, rezitierte ich aus seiner Carmen. Ich ließ ein strahlendes Lächeln folgen, das ich Valentina schenkte. So war es doch.


    Dann nickte ich bedeutungsvoll und nahm einen Schluck aus meinem Becher, während hinter mir gerade der Sklave zur Türe herein trat, der den Abend um ein Weiteres verschönern sollte. Euphorbus war bereits ein etwas älteres Semester und zu meiner Überraschung war er auf dem Markt sehr günstig zu haben gewesen. Anders hätte ich ihn mir auch nicht leisten können. Aufgrund seiner schmalen Statur, war er kaum zur Arbeit in der Lage, doch sein Geist war wach und schien förmlich durch seine dunklen Augen hindurch zu strahlen. Etwas Schelmisches haftete ihm an und er trat direkt auf unsere Klinen zu, um sich zu verneigen. Auch zwei weitere Sklaven eilten nun, uns ein paar kalte Speisen auf den Tisch zu stellen, dazu ein Bohnengericht mit duftig dampfenden Braten. “Ich liebe Gedichte!“, erklärte ich Valentina, “Doch in letzter Zeit komme ich kaum dazu zu lesen. Deshalb habe ich mir Euphorbus erbeten, dies für mich zu tun.“ Ich deutete auf den Sklaven, der nun abwartend da stand. “Du wirst sehen, wie viele Verse er in seinem Kopfe trägt!“ Ich lächelte dem Sklaven zu, der es nun ebenfalls wagte, die Stimme zu erheben. “Es ist mir eine Ehre, werte Dame!“, kam es in seiner warmen, männlich tiefen Stimme hervor, die man ihm ob seines Erscheinungsbildes kaum zugetraut hätte und er strich sich eine braun mellierte Haarsträhne aus der Stirn. “Zu den Klängen der Flöte kann ich vortragen, was immer ihr wünscht!“ Daraufhin erhob ich meinen Becher Valentina entgegen. “Du bestimmst!“, gab ich von mir. “Für heute Abend ist Euphorbus ganz dein!“ Und ich natürlich auch. Doch das sprach ich nicht aus, sondern legte dafür diese Tatsache in einen nun – zugegeben – etwas schmachtenden Blick.

    Oh ja, natürlich… vor ihr. Ich lächelte entschuldigend und nickte Valentina zu. Dazu machte ich mir eine gedankliche Notiz für ein wunderbares Geschenk für diese wunderbare Frau. Schon morgen würde ich am Nachmittag auf den Markt gehen und mich nach einem geeigenten Sklaven umsehen. Mit breiten Schultern, einem aufgeglichenen Temperament und Treue im Herzen, um einer Dame sichere Wege zu bescheren. So etwas war bestimmt bei Tranquilus zu finden, der wieder in der Stadt weilte. Ein großer, stattlicher Bursche, der in eine schöne Tunika gehüllt bestimmt bei meiner Herzensdame Anklang finden würde. Nur nicht zu viel. Zumindest nicht so viel, dass ich dahinter verblassen würde. Ich, der ich nicht sonderlich groß und nicht sonderlich körperlich belastbar war. Bis dahin würde ich wirklich Ulcus schicken.


    “Eine solche Güte ist ja gar keine Güte an sich,“ stellte ich dann in der Raum. “Das ist eine Selbstverständlichkeit!“ Ich nickte zu meinen Worten und betrachtete Valentina dabei, wie sie sich auf der Kline nieder ließ und den Raum betrachtete, in dem wir nun gemeinsam den Abend verbringen würden. Auch ich nahm Platz und ließ mir von einem aufmerksamen Sklaven einen Becher reichen. Ich nickte ihm freundlich zu. “Oh, du wirst sie lieben!“, begann ich mit Feuereifer. “Ich dachte, wir beginnen mit ein wenig Homer und den Legenden rund um Aenaeas… vielleicht danach ein wenig philosphisches Gedankengut… Euphorbus ist ein wunderbarer Unterhalter! Er kann auch sehr witzig sein, wenn er will.“ Der Sklave ging nun zu Valentina hinüber, um auch ihr einen Becher zu reichen. Ja, es würde ein wunderbarer Abend werden. “Welche Oden liest du denn gerne?“, wollte ich wissen. “Ich liebe Ovid...“ Seufzend kam es mir über die Lippen.

    [...] Im Triclinium angekommen konnte man feststellen, dass in der Tat eine angenehme Stimmung herrschte. Feuerschalen und Öllampen malten flackernde Schatten an die Wand und warmes, freundliches Licht tauchte alles in ein heimeliges Ambiente. Auch duftete es bereits nach Essen, da zwei Sklaven gerade dabei waren, die Speisen herein zu tragen. “Wenn du dich mit großen, starken Sklaven an deine Seite sicher fühlst, so kann ich dir meinen Ulcus zur Verfügung stellen,“ erklärte ich hilfsbereit, während er sich wieder mit Valentina am Arm auf eine der Klinen zu hielt, wo sich sie sich setzen ließ. “Er ist ein wenig plump und kurz angebunden, aber ein wahrer Bulle von einem Mann. Und mit Klingen kann er hervorragend umgehen, wenn es darauf ankommt!“ behauptete ich kühn. Immerhin hatte ich keine Ahnung, wie Ulcus zu Kämpfen stand, doch mit Klingen konnte er gut. Dass es Klingen von Rasiermessern waren spielte bestimmt nur eine untergeordnete Rolle. Lächelnd ließ auch ich mich auf einer der Liegen nieder, die mit den besten Kissen ausgestattet war, welche die Sklaven aufzufinden vermocht hatten. Dass Valentina nicht vermögend war spielte für mich überhaupt keine Rolle. Ich war ein ehrbarer Mann mit aufrichtigen Gefühlen! Und diese hängten sich nicht an Besitztümer. Zumindest an jene der Frauen. Nicht unbedingt. Und wer konnte meinem Gegnüber schon widerstehen? Mein Cousin, der Tribun, musste ebenso verliebt gewesen sein und einen Moment lang erinnerte ich mich an die Verlobung. Eine schöne Feier und auch die Muscheln hatten gut gemundet. Doch noch wagte ich mich ganz, mich vor diesem schönen inneren Bild an die Stelle von Faustus zu setzen. Auch wenn ich es wirklich gerne wollte, denn mein Herz schrie bereits ein großes Ja! Nur der Kopf würde noch einen Moment brauchen, und aus diesem Grund würde eine dichterische Lesung ganz wunderbar betörend sein. “Ich hoffe du magst die Gesänge der Griechen,“ sagte ich. “Ich dachte mir, die Stimmung in diesem Raum wäre daüfr perfekt!“ Strahlend sah ich Valentina entgegen.

    Während wir noch auf das Triclinium zu hielten, genoss ich es, dass sie meinen Arm berührte. Ihre Hand war so zart, ihr Blick so liebenswürdig und ihr Dank schmeichelte mir ungemein. Muckel und der fremde Sklave machten sich also auf den Weg, als Valentina mir erklärte, woher der große, kräftige Bursche stammte. “Iulius Centho?“, hakte ich dann nach. “Ist dieser mit Iulius Dives verwandt?“, wollte ich wissen. Mit Politik kannte ich mich nicht sonderlich gut aus und auch die ganzen Würdenträger blieben mir bisweilen unbekannt. Eine Schande, wenn man es genau bedachte, doch es würde sicherlich die Zeit kommen, in welcher ich den ein oder anderen Herrn kennen lernen würde. So meinte ich bisher zumindest. “Hunger ist gut!“, entfuhr es mir dann, als wir vor dem Triclinium ankamen. Ich wendete mich ein wenig zu Valentina und streckte einladend die Hand aus, da ich die Dame zuerst die Tür passieren lassen wollte. [...]

    Oh ja, es war wirklich ein wunderbarer Nachmittag gewesen und es freute mich natürlich sehr, dass er Valentina so gut gefallen hatte. Besonders das Essen. Immerhin sollte es ein Ausgleich sein zu den Erlebnissen am Tiber, die im Grunde genommen durchaus schön gewesen waren, wenn man Gestank und Mücken abzog. Mit großer Geste näherte ich mich nun auch weiterhin meinem lieben Gast und erkannte auch sogleich dessen Verlegenheit. “Oh, es war genug Zeit, um etwas Herrliches zu bereiten!“, erklärte ich und blieb schließlich vor Valentina stehen. “Ich hoffe, du hast noch ein wenig Hunger mitgebracht. Unsere Köchin hat sich geradezu übertroffen. Es gibt Braten an Saubohnen...“ Ich grinste breit und bot der Quintilia meinen Arm, damit sie ihn ergreifen und mit mir zu Triclinium schreiten konnte. “Du siehst wunderschön aus!“, wisperte ich ihr entgegen, wobei ich versuchte den Hünen von Sklaven zu ignorieren, der der Dame wie ein Schatten folgte. Oder sollte ich sagen, sie beinahe überschattete? Muckel würde sich gewiss um ihn kümmern, auch wenn dieser sich im Moment noch gar nicht rührte. Aber das würde er schon. Mit einem Kopfnicken gab ich ihm die Richtung an, in welche er nun gehen sollte. “Magst du nicht mit der Begleitung in die Küche gehen? Wir haben sicher noch allerlei Kostbarkeiten da!“ Immerhin war ich derzeit ganz allein im Haus, wenn man von den Sklaven absah. Da fiel sicherlich vieles ab und bestimmt hatte sich die Dienerschaft bereits etwas Gutes bereitet, an dem auch ein weiterer Gast teilhaben konnte. “Ich hoffe, das wäre dir recht?“, fragte ich dann aber doch noch einmal Valentina. Schließlich wollte ich sie nicht ihres Sklaven berauben ohne ihre Zustimmung dafür zu haben.

    Auch ich hatte das Klopfen vernommen, da ich mich bereits lauernd voller Vorfreude im Atrium aufgehalten hatte. Auch wenn es mich innerlich schier drängen wollte, so wollte ich nicht sogleich zur Türe rennen, um Valentina überschwänglich zu begrüßen oder gar sogleich in die Casa hinein zu zerren. Das wäre weder sittlich, noch stattlich gewesen. Nein, darin hätte keinerlei Würde gelegen! Statt also sogleich loszustürmen, straffte ich meine Haltung und trat einige Schritte zurück, sodass ich so tun konnte, als würde ich gerade aus dem Triclinium kommen, welches ich für diesen Abend hatte herrichten lassen. Muckel beobachtete mein Tun mit einem verständnislosen Ausdruck im Gesicht und schüttelte den Kopf. Er selbst blieb einfach neben dem Impluvium stehen und sah mir dabei zu, wie ich mich nun, quasi mit ein wenig mehr Anlauf, in Bewegung setzte und auf die Porta zuhielt. Kaum hatte ich Valentina erblickt, hob ich begrüßend meine Arme und lächelte lieblich. “Du bist gekommen!“, stellte ich triumphierend fest und deutete dann leicht hinter mich. “Ich hätte dir sogar selbst geöffnet, doch im Triclinium gab es noch so viel zu tun!“ Irgendwo, nun schräg hinter mir, verzog Muckel spöttisch den Mund, ehe er grinste.

    [Blockierte Grafik: http://www11.pic-upload.de/18.09.15/ybv2kdx5kten.jpg]|Ephialtes


    Ephialtes hatte hinter der Tür gewartert. Auf einem Schemel hockend hatte er versucht die zeit zu überbrücken, indem er sich mit einer soliden Nadel und einem ebensolchen Faden versuchte, sich die durchgetretenen Sandalen zu flicken. Dann klopfte es dröhnend an der Tür. Unter einem Schnaufen erhob er sich, legte seiner Hände Werk auf dem Schemel, der nunmehr hinter ihm war und schritt zur Tür, um diese schwungvoll zu öffnen. Dominus Casca hatte bereits erwähnt, dass er an diesem Abend Besuch nicht nur erwartete, sondern sogar schier herbei sehnte. Vielleicht war gerade deshalb Gesichtsausdruck des Ianators nicht ganz so streng wie sonst. “Willkommen!“, erklärte er und blinzelte der etwas blendenden Abendsonne entgegen. Dann erkannte die Quintilia und öffnete die Tür noch weiter. “Dominus Casca erwartet dich bereits!“ Er trat einen Schritt beiseite und musterte den großen Sklaven, der die römische Dame begleitete etwas skeptisch.

    Es war eine liebliche Vorstellung, die mir nun Bilder vor mein inneres Auge trug. Sie alle rankten um den Abend, den ich mir sehr erhebend vorstellte. Mein geliebter Ovid von den geübten Lippen eines versierten Sklaven, meine geliebte Valentina neben mir auf der Kline. Schmachtende Blicke und heißes Feuer. Nicht nur in den Glutschalen und Öllampen, sondern auch in unseren Blicken. Vielleicht ein wenig hinreißende Musik. Eine Flöte vielleicht, oder eine Lyra und dazu etwas Brot, Öl und Mulsum. Auch Valentina schien nicht abgeneigt, denn sie meinte ja, dass sie gerne dem Können des Sklaven lauschen würde und ihr Blick sprach mit Gewissheit den Gedanken zu, die ich mir selber machte. Liebevoll streichelte mein Daumen ihre Hand, nachdem ich froh aufgeseufzt hatte. Muckel eilte noch immer mit stapfenden Schritten vorweg. “Wir werden in die kleine Taverne neben dem Viehmarkt gehen!“, erklärte ich ihm fest. “Du weißt schon, die an der Ecke zur Fleischstraße!“ Ich wendete mich wieder Valentina zu. “Du wirst sie lieben! Sie gehört einer jungen Frau, die sich wirklich hervorragend auf das Geschäft versteht.“ Ja, Valtentina würde sie lieben und auch den Abend zu schätzen wissen, denn ich nahm mir vor der romantischeste Mann zu sein, den mein Leidenschaftlichkeit hervorzubringen imstande war.


    tbc Villa Decima

    Einige Momente schaute ich Muckel noch dabei zu, wie er die Schalen und Becher verstaute, die Decke schüttelte und zusammen faltete. Dabei nicht weniger als ein leises Fluchen auf den Lippen. Wie immer hatte mein Sklave nicht abgewartet, was ich zu dieser Situation zu sagen hatte und er benahm sich wie ein freier Mann, der er in seinen Augen auch sicherlich noch war. Wir teilten nunmehr so viele gemeinsame Jahre, dass es mir gar nicht aufgefallen war, wie sehr Nepomuk mein Leben bestimmte, während ich daneben stand und der Nutznießer seiner Aktionen war. Ein Tadel oder gar eine Strafe für unangemessenes Benehmen war mir bisher noch nie in den Sinn gekommen, auch wenn meine Familie mich des Öfteren ermahnt hatte, den Sklaven nicht immer alles durchgehen zu lassen. Dabei fand ich sie doch so nützlich, erheiternd und überaus zuvorkommen in ihrer Art. Und wer wäre ich, sie dabei zu stören für meine Bequemlichkeit zu sorgen? Außerdem war ich ein Menschenfreund, der keine Probleme damit hatte, wenn selbst der niedrigste Mensch noch so etwas wie ein Eigenleben besaß. Dass ich mit dieser Einstellung nun bei Valentina punktete, war mir keineswegs bewusst. Im Gegenteil dachte ich, ich müsste nun ein wenig durchgreifen, um meine Mannhaftigkeit unter Beweis zu stellen. “Nun sei nicht so grob mit dem Körbchen!“, war aber alles was ich dazu in Richtung Muckel heraus bringen konnte. Dann wendete ich mich wieder meiner Valentina zu und lächelte charmant und vielleicht auch ein wenig entschuldigend.


    Ja, wir würden eine Taverne suchen oder einen anderen Ort und es uns dort gemütlich machen, fern der Insekten und des unangenehmen Odeurs, der unsere Nasen an dieser Stelle umgab. Doch dann überraschte mich die Frau, die ich so gerne an meiner Seite wusste. Sie würde an meiner Seite bleiben, egal wohin ich ginge? Aus meinem Lächeln wurde ein Strahlen und ganz verzückt registrierte ich, dass ihre zarte Hand an meine Wange fand, um sachte darüber zu streicheln. Wie im Anflug einer Trance griff ich mit der meinen Hand nach ihr und liebkoste sie mit der Kuppe meines Daumens. Ein tiefer Atemzug folgte und am liebste hätte ich wonnevoll geseufzt. Vielleicht sollte ich mich nun nach vorne neigen, ein klein wenig, um meine Lippen in die Nähe der ihren zu bringen. Für einen zärtlichen, scheuen Kuss? Ein magischer Moment entstand. Ein Moment, der alle Möglichkeiten in sich barg. Wie dumm von mir, dass ich mich dieser Möglichkeiten schier beraubte, indem ich mich räusperte und dann so etwas sagte wie: “Ich kenne eine schöne Taverne auf dem Forum. Sie haben Schinkenbraten und die zartesten Bohnen die ich kenne!“


    Mich beschlich die Gewissheit, nun etwas zerstört zu haben. Etwas, was sich zum ersten Kuss hätte entwickeln können! Oh, wäre Valentina nur eine Sklavin oder eine der Huren, die man auf den Straßen so fand. Ich hätte sie an mich gezerrt, ihr hundert Küsse gestohlen und sie dann… Aber das war sie alles nicht. Sie war eine Dame. Und sie mochte mich. Sie wollte bei mir bleiben und das Gefühl unter dieser Gewissheit wie auf Wolken zu schweben ließ mich wohlig erschaudern!
    “Dominus?“, ertönte Muckels Stimme und riss mich damit aus den verfahrenen und zum Teil ungehörigen Gedanken. “Schon gut, Muckel!“, erklärte ich, doch ich ließ Valentinas Hand nicht los. “Lass uns gehen!“, schlug ich sanft vor und setzte mich in Bewegung, um das Tiberufer zu verlassen. Hand in Hand. Muckel stapfte vorweg mit dem Korb in der Hand. “Wir könnten… heute Abend… also ich meine… wir haben einen neuen Sklaven in der Villa, der sehr gut rezitieren kann. Dazu ein wenig Flötenmusik, einen guten Wein… also… wenn du magst, dann könnten wir das heute Abend… angehen?“, fragte ich, einen Hauch von weiterer Romantik erahnen lassend.