Schon als sie in den nicht zu verachtenden Raum getreten war, hatte die alte Beklommenheit von ihrem Herzen Besitz ergriffen. Sie hatte sofort an die Beisetzung ihres Mannes denken müssen, kaum dass die kalte Hand nach ihrem Herzen griff. Einige Minuten war sie andächtig noch am Eingang stehen geblieben und hatte mit geschlossenen Augen andächtig um Fassung gerungen und zur gleichen Zeit einige ihrer Gedanken den Laren und Penaten gewidmet. Dann hatte sie sich daran gemacht, den Weg zu dem Podest im hinteren Teil zu beschreiten, auf welchem die Urne ihres Mannes lag.
Mit jedem Schritt schienen ihre Beine schwerer zu werden und ein fast ungekannter Schwindel griff nach ihr. Lange Zeit, seit sie das erste und letzte Mal diese Halle betrat, war sie nicht mehr hier gewesen. Sie war stets vor dem Mausoleum stehen geblieben und hatte sich nicht überwinden können, die Räumlichkeiten zu betreten. Nun war sie wieder hier und es war, als würden die Laren um sie herumwuseln, ihr verächtliche Blicke zuwerfen. Vielleicht wäre es doch der bessere Weg gewesen, nach einem Messer zu greifen und Maximus zu folgen, anstatt ihrer Liebe untreu zu werden und sich auf einen neuen Mann einzulassen. Niemals würde sie Metellus die gleichen Gefühle wie Maximus entgegenbringen und damit belog sie nicht nur ihren ersten Mann, sondern auch ihren künftigen.
An seinem Bildnis war Helena letztlich kraftlos auf die Knie gefallen, als hätte man ihr die Beine unter dem Körper weggerissen. Hier war sie keine Pontifex mehr, keine Mutter. Hier war sie nur noch die untreue Frau ihres ersten Mannes, der vor ein paar Jahren sein Leben lassen musste. Doch gesunken war ihre Trauer nicht. Noch immer beweinte sie ihn wie in der ersten Nacht, da sie von seinem Tod erfuhr. Viel war seitdem geschehen, Gutes und Schlechtes, doch sie hatte nicht einen Tag verbracht, an welchem sie sich nicht seiner erinnerte.
Hier nun saß sie bereits eine längere Zeit. Von draußen schimmerte schwaches Dämmerlicht, der Abend brach an. Doch sie wollte noch nicht heim, wollte bei ihm bleiben. Ihre Palla lag längst nicht mehr auf ihren Schultern sondern neben ihr auf dem marmornen Boden. Ihr Kopf lehnte erschöpft an der Wand während sie stetig zu seiner Urne hinaufsah, in der Nische, in welcher sie ruhte. Eine Zeit lang hatte sie leise flüstern gesprochen und gebetet, eine andere Zeit hatte sie bittterlich geweint. So rannen ihr auch jetzt die heißen Tränen lautlos über die erbleichten Wangen. Helena war insgesamt sehr blass geworden und wirkte nun, als habe sie seit Jahren nicht mehr gelacht. Und in diesem Moment dachte sie gar, dass sie es wohl nie mehr könnte.
Sie hätte längst hierher kommen sollen. Sicher hatte Publius schon vermisst. Ihr Haar war zerzaust und ihre Sinne schon beinahe so sehr im Anblick des Mausoleums gefangen, dass sie glaubte Maximus würde sie in ihrem Arm halten. Sie selbst hatte nicht wahrgenommen, welch späte Stunde es schon war und für sie an der Zeit zur Cena nach Hause zu kehren.