Beiträge von Rediviva Helena

    Bei seinen Worten konnte ich ein leichtes Lächeln einfach nicht verhindern und ich beeilte mich sehr mit dem Umziehen. Ich hatte eine weiße aber sehr warme Tunika angezogen und darüber einen warmen Mantel und ein Schultertuch. Ich wollte mich nicht erkälten.


    "Wir können dann..."


    meinte ich, kaum dass ich das Atrium wieder betreten hatte. Ich war beinahe froh gewesen, dass ich niemanden unterwegs getroffen hatte. Ich wusste nicht, wie sie darauf reagieren würden. Ich wandte mich der Tür zu und gemeinsam machten wir uns auf den Weg.

    "Gut, warte nur eben einen Moment. Ich sollte mich etwas wärmer anziehen, denn der Wind draußen ist sicherlich ziemlich frisch. Brauchst du auch noch etwas?"


    Ich sah ihn fragend an.

    "Ich nehme an, du bist mit einem Pferd hier...? Ich habe meines in den Stallungen vor der Stadt. Wenn du möchtest können wir mit den Pferden ein wenig an der Küste entlangreiten bis wir einen schönen Platz gefunden haben..."


    Ich verzog das Gesicht leicht. Und nachher stimmte das alles nicht. Nein, er hatte mir... 'Mutters' Brief geschickt und auf Iuppiter geschworen. Das sollte mir genügen. Niemand log vor Iuppiter.


    "Was meinst du?"

    Ich wandte den Blick von seinen Augen und richtete ihn auf die Hand, die nun die meine ergriff. Ein schwaches Lächeln erschien auf meinem Gesicht und langsam wandte ich meinen Blick wieder seinen Augen zu.


    "Was... hältst du von einem Spaziergang...?"


    fragte ich zögerlich, wenn vielleicht auch ein wenig unpassend.

    Ich wusste nicht ob es die Emotionen des Momentes waren oder einfach der Glaube an die Worte dieses Mannes, doch auch in meinen Augen bildeten sich Tränen wo doch von einer völlig unbekannten Welt die Rede war. Ich war nicht allein. Jemand anderes konnte Licinia mit mir teilen. Ich ging auf ihn zu, dies nur mit langsamen Schritten aber beständig.


    "Mein Bruder...?"


    kam es heiser über meine bebenden Lippen. Nach all dem Leid sollte sich ein neuer Weg offenbaren? Wurde dieser mir von den Göttern gezeigt? War dies der Neuanfang für mich? Das Zeichen? Die langersehnte Hoffnung? Ich konnte es kaum glauben. Einen Schritt vor ihm stehen bleibend reckte ich meine Hand in seine Richtung...

    Fragenden Blickes beobachtete ich ihn, als er aufgeregt begann in seiner Tasche zu kramen, bis er ein Schriftstück herauszog. Ich konnte nur erahnen was auf diesem stehen konnte, bis er mir dieses übergab. Ich begann ihn zu lesen und las ihn ein weiteres Mal. Der Rand war von Wellen geprägt, die den Tränen entspringen mochten, die meine Mutter auf dieses Stück Papier geweint hatte. Etwas in mir regte sich für diese mir doch völlig unbekannte Frau. Tertia. Nein, ich kannte sie nicht. Rediviva Tertia. Ich ließ meinen Arm mit welchem ich den Brief hielt wieder sinken und starrte ins Nichts.


    "Tertia... Ich..."


    Langsam begann ich zu begreifen, dass das alles wahr sein musste. Es musste einfach wahr sein. All unsere Namen tauchten auf und...


    "...du bist dir sicher dass du mich nicht verwechselst?"

    War er wirklich gottesfürchtig? Aber auch darauf einen Eid ablegen zu lassen hatte wenig Sinn. Niemand log die Götter an und auf den Glauben an sie brauchte man keinen Eid ablegen, wenn man nicht an sie glaubte. Ich sah ihn eine lange Zeit schweigend an.


    "Romanus..."


    wiederholte ich den mir genannten Namen. Ich war noch immer ziemlich baff ob der unerwarteten Neuigkeiten...

    Jahrelang. Und ich hatte nichts geahnt, nie etwas geahnt und nie etwas ahnen können. Ich blieb stehen, machte einen weiteren Schritt. blieb wieder stehen und hob einen Arm und öffnete den Mund. Doch ich wusste nicht was ich sagen sollte so machte ich noch ein paar nervöse Schritte. Langsam beruhigte ich mich wieder.


    "Ich... hoffe du verstehst meinen Unglauben. Ich weiß momentan wirklich nicht, was ich von allem halten soll. Momentan läuft alles drunter und drüber und nun..."


    Ein hohles aber nicht wirklich erfreutes Lachen kam über meine Lippen. Er trug keine Schuld, sodenn er denn nicht log. Ernst sah ich ihn an und bat:


    "Bitte schwöre, schwöre auf Iuppiter dass du hier keinen schlechten Scherz mit mir spielst... Das hier ist keine der griechischen Komödien die niemand versteht, oder?"


    Ich sah ihm tief und bittend in die Augen. Ich wusste nicht was ich hören wollte. Ob mir lieber wäre wenn er entspannt lachte und sagte ich hätte es erfasst oder ob ich lieber diesen Eid hören wollte.

    Ich wandte mich der Bank am Brunnen zu und ließ mich auf diese plumpsen. Eine ganze Weile saß ich stillschweigend da und versuchte wieder zu mir zu kommen. Diese Fassungslosigkeit hatte ich das letzte Mal bei dem Tod meines Vaters gespürt. Oder meines... Aoptivvaters.


    "Nehmen wir einmal an.. es stimmt... Wieso erst jetzt? Wieso kein Zeichen, wieso..."


    Soviele Fragen die alle mit "Warum" begannen und eigentlich keiner Antwort außer "Darum" bedurften. Was sollte er auf die Meisten antworten? Ich holte tief Luft, wurde zunehmend Nervöser. An eventuelle Folgen dachte ich noch übrhaupt nicht. Ich stand wieder auf und ging einmal im Kreis.


    "Rediviva...? Ich... verdammt!"


    Meine Hand fand wieder an meine Stirn und nur schwer begann ich zu begreifen, was er da gesagt hatte. Und wenn es stimmte? Wusste Agrippa etwas? Ich wäre sicher böse, doch... zu meinem Besten?

    Im Gegensatz zu mir schien er seine Fassung wiederzugewinnen. Ich sah ihn weiterhin unverwandt an und meinte anschließend sehr leise, nahezu so leise, dass man mich kaum noch verstehen konnte:


    "Du hast Recht, es ist wirklich kaum zu glauben. Mir wurde niemals ein Wort gesagt. Und es erscheint sogar mehr als unwahrscheinlich. Vater... ich... Und Agrippa..."


    Ich fasste mir an die Stirn und drehte mich weg, während ich ein paar Schritte ging und wieder stehenblieb um weiterzusprechen.


    "Iustinianus... Achilles.. Avitus..."


    sie sollten nicht meine Brüder sein? Livia nicht meine Schwester? Ich tätigte wieder ein paar unpräzise Schritte.

    Mein Blick verdüsterte sich etwas. Licinia. Er schien sie zu kennen, doch mein Misstrauen wollte nicht weichen. Es konnte nicht sein dass alles was ich mein Leben lang gekannt habe nicht stimme. Es war nahezu absurd. Es konnte nicht sein dass ein völlig Fremder einfach mein ganzes Leben umkrempelte. Einfach so, mit Worten, die genauso gut eine Lüge wie Wahrheit sein konnten.


    "Weg... Fort, womöglich tot."


    brachte ich abgehackt hervor und wandte meinen Blick von ihm ab um auf meine Hände zu sehen. Testweise hob ich die eine leicht an und bemerkte das starke Zittern. Dann sah ich wieder auf.

    Schweigen trat ein und viele Gedanken schossen mir durch den Kopf. Zuviele. Ich war nicht fähig auch nur einen klaren Gedanken von ihnen zu fassen und weiter zu denken. Ich sah ihn stumm an.


    "Rediviva..."


    wiederholte ich irgendwann mit heiserer Kehle. Keine Octavia, keine Matinia. Sollte das stimmen, warum hatte Vater mir nichts gesagt? Agrippa mir nichts gesagt? Meine Gedanken gingen immer kleinere Schritte und jedes Detail schien mir ein Widerspruch zu sein, ehe ich mit zitternder Stimme herausbrachte:


    "Licinia?"

    "Ist er auch hier..? Also ich meine, der Brautvater?"


    Ich sah Meridius fragend an und mein Blick ging zu dem in der Nähe stehenden Mann, mit dem die beiden sich vorher zu unterhalten haben schienen.


    "Ansonsten... Ich wäre durchaus bereit. Nein, es wäre mir eine Ehre euch zu trauen. Aber das solltet ihr lieber in Ruhe planen sobald es überhaupt Zeit dafür ist."


    schmunzelte ich.


    "Ist Valeria hier auch irgendwo? Ich muss sie sehr loben, sie ist eine äusserst aufmerksame Schülerin! Von ihrer Sorte könnte ich gut mehr gebrauchen. Hättest du mir noch wen anzubieten?"


    Ich musste grinsen.

    Ich starrte ihn kurz äusserst verblüfft an und brauchte eine kurze Zeit um mich zu fassen. Die ganze Situation war mehr als suspekt, sie schien völlig... falsch zu sein. Ich holte einmal kurz Luft und versuchte mich zu sammeln. Keine Octavia... Meine Gedanken wirbelten durcheinander.


    "Wer bist du....?"


    wiederholte ich dieses Mal ein wenig nachdrücklicher. Nun wurde mir erst das volle Maß bewusst. Es tauchte ein völlig fremder Mann in dem Haus meines Onkels auf ohne auch nur seinen Namen zu nennen, ohne ein Abliegen vorzutragen und offenbart mir, dass ich mein ganzes Leben an etwas falsches geglaubt habe. Das war verrückt und wenn ich das alles aus der objektiven Sicht betrachtete - Schwachsinn. Ich runzelte meine Stirn und musterte ihn eingehend.

    Ich musste lächeln ob ihrer beider Glück. Ob Fortuna ihre Finger da nicht mit im Spiel hatte und davon mitbekommen hatte, dass er ihren Tempel mitfinanzieren wollte?


    "Das hört sich beinahe nach einer der alten Sagen an. Eine wunderschöne Geschichte. Ich war anfangs ein wenig verwirrt weil ich nie etwas von ihr gehört hatte, aber nun kann ich es nachvollziehen."


    Ich folgte seinen Blicken zu ihr, mir war aufgefallen, dass er sie ziemlich häufig begutachtete.


    "Habt ihr schon einen Priester für eure Trauung?"


    fragte ich mit einem fast so schelmischem Lächeln wie Minervina.

    "Ja, dort wurde ich geboren. Mein Vater war der Cicero Octavius Anton und meine Mutter Octavia Fannia. Warum fragst Du?"


    Ich wurde zunehmend verwirrter. Er wusste ja scheinbar einiges über mich, dafür dass ich nichts über ihn wusste. Also fragte ich mittlerweile etwas verunsichert:


    "Doch wer bist Du?"

    Ich sah den Fremden ein wenig erstaunt an. Hatte ich sein Gesicht nur vergessen oder warum konnte ich nicht nachvollziehen, wie er direkt nach mir verlangen konnte ohne dass wir uns kannten? Vielleicht wollte er ja auch zur Pontifex und hatte mich in meinem Officium nicht erreichen können. Ich stand auf und machte lächelnd ein paar Schritte in seine Richtung.


    "Salve, was kann ich für dich tun?"

    "Ich bin mir nicht sicher. Heute Morgen schien er ziemlich zerstreut gewesen zu sein, hatte wohl Post aus Rom. Genau habe ich es nicht mitbekommen. Aber ich hoffe doch sehr, dass auch er noch kommen wird, es wäre zu schade wenn er es nicht täte..."


    Ich wies mit einer ausladenden Geste durch den Raum.


    "Sag... Iulia und du. Wie habt ihr euch eigentlich kennengelernt?"


    Es interessierte mich wirklich. Es musste ja recht abruppt gewesen sein und in der Zeit geschehen, in welcher Meridius und ich uns nicht gesprochen haben.

    Ich saß im Atrium, denn in der letzten Zeit betrachtete ich gerne das Wasser beim Plätschern und im Perystil war es noch kälter als hier - auch wenn hier ebenfalls das Dach offen war. Als ich Schritte hörte, wandte ich mein Gesicht in die Ríchtung aus der sie zu scheinen kommen...