Beiträge von Titus Matinius Pacatus

    Wahrscheinlich hatten die Fleischberge den Ictis mit Sägespänen und Ziegelmehl durchgefüttert, um die Reisekosten niedrig zu halten. Pacatus vermutete sicher zu Recht, dass der Quaestor von Argentorate mindestens so geizig war wie der hiesige. Hihi, 'die Verpflegung konnte man auch nur unzureichend nennen'. Was für eine gepflegte Formulierung!


    "Na, dann wollen wir mal die unzureichende Verpflegung mit einem Eintopf fortsetzen. Nicht, dass Du denkst, ich wäre herzlos, aber erstens wird meine Nächstenliebe dadurch angefeuert, dass ich selber Hunger habe und zweitens ist der Eintopf der beste im ganzen Imperium. Hast Du dazu noch irgendwelche Bedenken?"

    Im Officium der Scribae gab Pacatus den Fleischklöpsen die Tabula und wünschte ihnen einen guten Heimweg. Als sie draußen waren, wandte er sich an Ictis.


    "Setz Dich erst mal, Ictis. Ich bin Matinius Pacatus, der Magister Vici hier und nebenbei noch Scriba. Oder auch umgekehrt, so genau krieg ich das meistens nicht auseinander. Jetzt, wo das Amtliche abgehakt ist, können wir uns mal um das Wichtige kümmern. Hast Du Hunger?"

    Es sah danach aus, als ob sich die Debatte ihrem Ende näherte. Pacatus war sehr daran gelegen, dass ein Beschluss zustande kam.


    "Also ich bin absolut nicht davon überzeugt, werte Decuriones, dass eine Steuer einem Hinterwäldler, der auf einem Gehöft ganz weit draußen wohnt, so einfach schmackhaft gemacht werden kann. Ich meine auch, dass der Verwaltungsaufwand für einen Zoll wesentlich geringer ist als für das Eintreiben einer Steuer. Der Zoll kann ja vom Hafenmeister abkassiert werden, der ohnedies Liegegebühren einziehen muss. Ich greife hier auch den Vorschlag des ehrenwerten Domitius Massula auf, die Bauzeit auf zwei oder mehr Jahre zu strecken, was uns ermöglichen würde, den Zoll so niedrig zu halten, dass er unter der Schmerzgrenze bleibt. Wenn es gelingt, den Zoll auf ein oder zwei Asse pro Centumpondium* oder pro Amphora* festzulegen, wird niemand verhungern, weil er sein Brot nicht mehr bezahlen kann. Ich schlage deshalb vor, über das Vorhaben 'Ausbau des Zuwegs zum Hafen', die Frage der Finanzierung mit Zoll oder Steuern abzustimmen und die Verwaltung zu beauftragen, aufgrund der ihr sicherlich vorliegenden Daten über den Umschlag im Hafen die Höhe des Zolls zu bestimmen."


    Sim-Off:

    * Centumpodium 32,6 kg
    Amphora 26 Liter

    Pacatus lächelte. Er hatte ja beim Aedil als Schreiber gearbeitet und wusste gut genug, was da noch alles zu tun war.


    "Ich schlage mal vor, dass er dem Aedil zuarbeiten sollte. Da liegt eh noch ein ganzer Haufen Arbeit rum. Wenn er tatsächlich so gut lesen und schreiben kann, dann kann er zum Beispiel den ganzen Krempel aufarbeiten, den ich für die Marktordnung zusammengetragen habe. Oder sich mal darum kümmern, wieviel über den Hafen in die Civitas importiert wird."

    Nach einem kleinen Weilchen erschien Duccius Marsus. In dem Halbdämmer, der dem verregneten September zu danken war, konnte Pacatus den Hausherrn gerade noch erkennen. Er erwiderte den Gruß.


    "Salve Duccius Marsus, ich muss Dir aber entschieden widersprechen, was Dein bescheidenes Haus angeht. Wenn ich mich so umsehe, kann ich mir kaum vorstellen, dass man es noch großzügiger haben könnte."


    Er suchte noch etwas nach den richtigen Worten, mit denen er sein Anliegen vorbringen konnte.


    "Nun, ich bin auf der Suche nach einem Patron und das ist es, was mich hier her geführt hat. Kurzum, ich möchte Dich bitten, mich als Klienten anzunehmen."

    Pacatus nahm die Tabula wieder an sich. "Danke, Duumvir."


    "Wir haben da noch einiges rumliegen, was noch nicht richtig einsortiert ist. Der ganze Krempel vom letzten Census hinten in der Kammer beim Officium des Quaestors.. Eigentlich sollte Boduus das machen, aber der ist ja schon lange krank."


    Er drehte sich zu Ictis um. "Na, Ictis, rück mal raus, was hast Du Dir denn so vorgestellt?"

    Der Sehschlitz blinzelte ein wenig und knurrte dann einen albin'schen Willkommensgruß. Immer die gleiche Liturgie hier. Pacatus nahm es gelassen.


    "Salve Albin! Ich bin da, Matinius Pacatus und geben tut es nichts, außer, dass ich, mit Deiner Erlaubnis natürlich, den Hausherrn sprechen möchte."

    Einige gequälte Aufschreie gab es schon, wobei man bedenken musste, dass Händler halt nur für ihr Leben gerne in Gejammer ausbrechen und dies auch beim geringstmöglich denkbaren Anlass. Streng nach dem Prinzip, Jammern hilft immer. Gejammer ist eben ein adäquates Mittel, um die eigene Knete vor irgendwelchen Zugriffen zu schützen. Es war Pacatus vollkommen klar, dass die Ängste der Händler keinen handfesten Hintergrund hatten.


    "Verehrter Ovinius Sabinus, Du weißt doch ganz genau, dass die Frachten in die Germania Magna oder nach Westen den Hafen gar nicht verlassen. Sie werden lediglich in den Lagerhäusern im Hafen zwischengelagert oder gleich von Schiff zu Schiff umgeladen und dann gehen sie per Schiff den Moenus hinauf nach Osten oder über die Naha und die Mosella nach Westen. Ledigleich die Händler kommen in die Basilica am Forum zur Warenbörse. Der Transitverkehr wäre also von einer Maut so gut wie nicht betroffen, falls man nicht den Händlern eine Maut pro Centopondium Lebendgewicht abknöpfen wollte. Einzig und allein das, was nach Mogontiacum und ins Hinterland geht, würde davon erfasst."


    Und dann war da noch der herzzereissende Aufschrei aus dem Vicus Salutaris, der beklagte, dass es immer und immer wieder die Händler träfe.


    "Beim Hades, jede Abgabe, die man Händlern abfordert, wird doch postwendend auf die Endpreise umgelegt. Es trifft also nicht immer wieder die Händler, sondern die Verbraucher. Du kannst also Deine Tränen gleich wieder trocknen."

    Pacatus ging mit Ictis rüber zum Officium des Duumvir.


    "Salve, Duumvir, ich bringe Dir hier den neuen Servus Publicus aus Argentorate. Er heißt Ictis und kann lesen und schreiben. Schau ihn Dir an und wenn Du einverstanden bist, unterschreib bitte diese Quittung."


    Er legte die vorbereitete Tabula auf den Tisch.



    Civitas Mogontiaci


    Wir bestätigen hiermit
    die Übergabe eines Servus Publicus namens Ictis.


    Er wurde ohne Beschädigungen und lebendig abgeliefert.




    Quintus Varius Celer

    Duumvir Mogontiacum

    Die Fleischberge hatten ersichtlich keinen Schimmer vom Schreiben und Lesen, so erschrocken waren sie, als Pacatus darum bat, die Quittung für die Fußfesseln zu unterschreiben. Da schnappte sich Ictis flink die Tabula und setzte seinen Kaiser Augustus drunter. Pacatus schüttelte den Kopf.


    "Nein, so nicht, Freunde. Das können nur die dicken Argentorater tun. Alles muss ja seine Ordnung haben, oder was?" Er kratzte sich am Kopf. "Aber halt, ein richtiger Bürokrat findet stets die richtige Lösung. Solange nämlich der Duumvir die Übergabe von Ictis noch nicht quittiert hat, können wir Ictis doch mit Fug und Recht als zugehörig zur Delegation aus Argentorate betrachten, nicht wahr, Bolanus? Und der barhäuptige Wachmann hat ihm ja, wie wir gehört haben, den Auftrag zum Unterschreiben gegeben. So gesehen is doch alles in Butter."


    Pacatus nahm die Tabula und quetschte zwischen Text und Unterschrift noch ein 'Iussu' (im Auftrag) rein.

    Hiermit bestätigen wir,


    dass wir von der Civitas Mogontiaci ein Paar Fußfesseln, mit deren Hilfe der Sklave Ictis nach Mogontiacum überführt wurde, vollständig zurückerhalten haben.
    Iussu
    Caius Crinitus


    "So, Ictis, jetzt gehen wir zum Duumvir (dort). Und Ihr rührt Euch nicht vom Fleck, bis ich zurück bin," sagte er zu den Fleischklöpsen.

    Pacatus hob den Kopf. Da hatten sich zwei Fleischberge durch die Tür gezwängt und als die sich dann wieder etwas auseinander bewegt hatten, sah man, dass zwischen ihnen ein kleines Wesen hing. Das kleine Wesen steckte in viel zu großen Fußschellen, die sicherlich schon seit den Tagen des Titus Tatius in Gebrauch gewesen sein mussten.


    Der eine Fleischberg, dessen Kopf einer rosigen Pille ähnelte, brummte ein paar Worte, aus denen Pacatus so etwas wie 'Argentorate' herauszuhören glaubte und reichte einen Papyrus über den Tisch. Pacatus las sich das Geschreibsel durch und wandte sich an den Pillen-Fleischberg: "Salvete, ach ja, das ist die Lieferung aus Argentorate. Wir sind begeistert."


    Er nahm eine leere Tabula und kritzelte ein paar Worte drauf. "Also, ich quittiere hiermit die Abgabe eines Sklaven, namens Ictis, den die Civitas Mogontiacensis dankbar entgegen nimmt. Das muss der Duumvir, nachdem er den Sklaven in Augenschein genommen hat, unterschreiben."


    Dann nahm er eine zweite Tabula, kritzelte wieder etwas darauf und reichte sie dem Pillen-Fleischberg: "Das ist die Quittung darüber, dass wir Euch diese fabelhaften Fußschellen zurückgegeben haben, mit denen Ihr ihn hergebracht habt. Die sind schließlich das Eigentum von Argentorate. Nimm ihm die Dinger ab und unterschreib."

    Pacatus griff sich das Schreiben aus Argentorate und las es durch. Ein paar Mal hob er die Augenbrauen, dann legte er es zur Seite.


    "Nö Bolanus, die schreiben was von Lieferung frei Haus. Und sie versichern, dass sie das auf jeden Fall einhalten wollen. Bei Plutos Eiern, die scheinen den Burschen koste es, was wolle, loswerden zu wollen. Weiß der Geier, was wir da geliefert kriegen. Ich mach mich mal auf Alles gefasst. Wie auch immer, ich geh davon aus, dass ich den hier in dieser Baracke abfangen kann. Warten wir's ab."

    Genau besehen hätte Pacatus als Magister Vici ja ein Officium im Vicus Navaliorum haben müssen. Ganz genau besehen hatte er das ja auch, denn er empfing die Vicani, die zu ihm kamen, um irgendwas einzufordern oder die sich über irgendwas beschweren wollten, im Tablinum der Casa Matinia. Das 'Tablinum' war ganz obergenau besehen eigentlich bloß der Raum, in dem der Vorbewohner der matinischen Hütte, ein Augenarzt, seine Geschäfte abgewickelt hatte. So besehen hätte Pacatus seine Vicani auch als Patienten betrachten können.


    Die unabweisliche Realität war aber, dass er ja immer noch seine Brötchen als Scriba zu verdienen hatte, weshalb er an diesem warmen Augusttag auch an seinem Schreibpult erschien. Bolanus war an diesem Morgen mit dem jungen Petronius Crispus beschäftigt gewesen, den er zum Duumvir durchgeschleust hatte.


    "Salve Bolanus, irgendwo bei Dir müsste noch ein Schreiben aus Argentorate herumliegen, in dem man uns die Überstellung eines Sklaven für heute oder morgen angekündigt hat. Ich soll den abfangen und dann dem Duumvir vorzeigen".

    Pacatus hatte hatte kurz auf seinem Abacus gerechnet, bevor er Cripus antworten konnte. "Verehrter Petronius Crispus, eine Kaimauer muss hinterfüllt werden, sonst ist sie nicht standfest genug. Das heißt, dass wir allein für das Aufschütten schon die vorhin erwähnte Summe aufbringen müssten. Für die Kaimauer selbst würden dann zusätzliche Kosten entstehen. Man bräuchte rund 2000 bis 3000 gerade gewachsene Eichenstämme. Daraus müssen Balken gemacht werden und Pfähle, die man mit Eisenschuhen versehen muss und die dann auch in den Untergrund gerammt werden müssen. Schon die Beschaffung des Holzes würde teuer werden, weil große Bäume in der näheren Umgebung rar geworden sind."


    "Und was die Straße direkt unterhalb der Stadtmauer angeht," Pacatus rieb sich das Kinn, "die muss nur auf den ersten 130 passus erhöht weden. Dort grenzt sie nicht unmittelbar an Häuser. Ansonsten kann sie ohne Probleme auf der Seite verbreitert werden, die der Stadtmauer zugewandt ist. Dort ist Platz genug."