Beiträge von Titus Pompeius Atticus

    Atticus hatte nur gesehen, dass zwei Fahrer mit Wagen gekommen waren, die weder zur Albata noch zur Russata augenscheinlich gehörten, aber ihre Namen hatte er noch nicht gekannt. “Dann drück ich dir die Daumen, dass du dir von ihnen gleich einen guten Eindruck machen kannst.“ Das war ja der Grund, den sein Patron bei der Vereinbarung dieses Rennens für deren Einladung angegeben hatte.


    Die ersten Wagen setzten sich in Bewegung, noch langsam und gemütlich, die Fahrer aber schon sehr konzentriert. Sie lenkten die Pferde teilweise in Schlangenlinien die Bahn entlang, als wollten sie noch einmal das Lenken testen. “Ich fürchte, wir müssen langsam dann hoch, bevor wir hier unten im Weg rumstehen?“ fragte Atticus daher schon fast wehmütig. Ein Rennen anzusehen war natürlich auch nicht zu verachten. Zumal er jetzt bei diesem Trainingsrennen auch am besten Platz im ganzen Stadion sitzen konnte: Direkt an der Ziellinie ganz vorne! Als Sohn eines Ritters bekam er zwar immer einen guten Platz im Stadion, aber von einem so guten Platz konnte er sonst nur träumen. Aber trotzdem...

    Bei dem ganzen Durcheinander hatte Atticus seinen Patron nicht gleich gesehen. Als er dann aber sah, wie der Consular sich durch die ganze Versammlung im Sand schob, winkte er ihm fröhlich und kam dann auf ihn zugelaufen, Pontus wie immer ihm dicht auf den Fersen. Der große Hund bemühte sich, so viel Abstand wie möglich zwischen sich und den Pferden zu lassen. Nicht, weil er Angst vor den Tieren hatte, aber weil er heute schon viel mal geschumpfen worden war, weil die Pferde sich vor ihm erschreckt hatten. Und er wollte ja ein braver Hund sein.


    “Ja, wir sind so gut wie fertig. Die fahrer wollen noch eine oder zwei lockere Runden fahren, damit die Pferde sich warmlaufen können, und dann... kann es eigentlich losgehen.“
    Atticus drehte sich strahlend zu den Gespannen um. Einige Pferde scharrten mit den Hufen und wieherten hin und wieder, als wüssten sie ganz genau, was gleich von ihnen erwartet wurde. Ganz so, als würden sie sich selbst darauf freuen, endlich mal zeigen zu können, was in ihnen steckte. “Ist das nicht einfach großartig?“ fragte Atticus euphorisch dann noch und konnte es selber kaum erwarten, dass es los ging.

    Atticus war schon seit den frühesten Morgenstunden wach, so aufgeregt war er wegen dem Trainingsrennen am heutigen Tag. Wahrscheinlich würde er beim ersten richtigen Rennen seiner Factio in der Nacht gar nicht schlafen, für das jetzige Trainingsrennen war es wohl nur die halbe Nacht. So aber war er schon weit vor Sonnenaufgang wach und zum Haus der Factio geeilt, um den Transport der Rennwägen zum Stadium Domitiani am Marsfeld zu begleiten. Tagsüber war es ja nicht möglich, die Wägen wegen des Fahrverbotes zu transportieren, also musste dies noch vor Sonnenaufgang geschehen, während die Straßen voll mit hunderten von anderen Wägen waren, die Waren zu den verschiedensten Märkten, Verkaufsläden und Ständen brachten. Die Pferde hingegen sollten sich ausruhen und noch weiterschlafen, weshalb die Rennwägen ziemlich unrennwagenhaft von jeweils einem Gespann Maultiere gezogen wurde, während sämtliche Sklaven und Angestellten der Factio aufpassten, dass man nirgendwo hängenblieb oder etwas jetzt kaputtging.


    Etwa eine Stunde vor dem eigentlichen Beginn des Trainingsrennens wurden dann auch die Pferde geholt. Natürlich musste man als Factio darauf achten, dass man die schnellsten und gesündesten Tiere bekam. Wenn die Albata aber die Wahl gehabt hatte zwischen den Pferden, hatte sie häufiger weiße Pferde bevorzugt. Bei drei Rennwägen mit je vier Pferden kamen nun also zwölf Pferde, je zwei gehalten von einem Pferdeknecht, durch die Straßen Roms, von denen über die Hälfte tatsächlich weiß war. Atticus fand allein den Anblick der Pferde sehr beeindruckend und er hoffte inständig, dass sie auch das halten würden, was ihr imposantes Auftreten versprach.


    Schließlich also war alles am passenden Ort und man begab sich nach unten auf den Sand des Hippodroms. Die wagen wurden herausgeholft, die Pferde von den Pferdepflegern eingespannt und von den Fahrern inspiziert. Atticus war aufgeregt. Überhaupt war es sehr ungewohnt, hier unten im Sand zu stehen, aber bis das Rennen beginnen konnte, waren noch einige Dinge zu tun. Die Pferde mussten sich warmlaufen, die Fahrer tauschten sich untereinander aus. Weil es ein Trainingsrennen war, durchaus freundschaftlich auch mit dem Gegner. Heute war es ja nicht das Ziel, den anderen auf Gedeih und Verderb zu überholen und notfalls in die Wand des Stadiums zu drängen. Heute würde hoffentlich niemand verletzt werden. Zur Sicherheit war dennoch ein Arzt mit einigen Helfern anwesend.
    Und Atticus genoss es , hier unten zu sein. Es hatte etwas verbotenes an sich. Der Sand unter seinen Füßen fühlte sich geradezu abenteuerlich an! Aufgeregt sah Atticus sich um, ob Purgitius Macer auch schon da war und ob dieser ebenso wie er selbst es sich nicht nehmen ließ, das alles erstmal aus wirklich nächster Nähe zu betrachten, ehe es hinauf auf die Tribüne ging und man nur mehr zuschauen konnte.


    Sim-Off:

    Zuschauer auf den Rängen sind natürlich auch gerne willkommen, auch wenn es nur ein Trainingsrennen ist :D

    Atticus hatte nicht angenommen, dass sein Patron gleich alles stehen und liegen lassen würde, um zum Palast zu rennen und Einlass zu verlangen. So allerdings klang es danach, als wolle sein Patron irgendwann zwischen Tür und Angel mit dem Kaiser reden. Und ein klein wenig Engagement wünschte sich Atticus da eigentlich schon. Allerdings war er kaum in der Position, zu meckern und dem Purgitier vorzuschreiben, wie dieser seine Aufgaben erledigen sollte. Immerhin war der Mann dreimal so alt wie Atticus!
    “Dann... werde ich mich so lange mehr mit den Rennen beschäftigen“ meinte Atticus also abschließend. “Ich danke dir, Patron.“ Sonst hatte Atticus keine weiteren Wünsche, erstmal. Wenn Purgitius Macer ohnehin noch Zeit für das alles brauchte, dann war es sowieso zu früh, irgendwelche weiteren Wünsche zu äußern. Erstmal hatte er ja auch zu tun.

    Pontus brummte zustimmend und schloss genießerisch die Augen, begleitet von einem sehr, sehr tiefen Seufzen.
    “Sehr gut. Dann brauchen wir nur noch einen Termin“, freute sich Atticus und hoffte, dass sein Patron selbigen auch bald ankündigen würde. Atticus konnte es nämlich wirklich kaum erwarten, zu sehen, ob vor allen Dingen Lusorix auch das halten konnte, was er versprach. Wobei Atticus da auch ehrlich genug zu sich und 'seiner' Factio war, nicht anzunehmen, dass auch nur einer der Fahrer der Albata den sehr erfahrenen und routinierten Fahrern der Russata das Wasser reichen könnte. Aber zumindest hoffte er, sich nicht ganz zu blamieren und den ein oder anderen Kniff dabei zu lernen.


    Allerdings gab es auch noch eine zweite Sache. Die war nun mit nicht ganz so viel Euphorie verbunden wie die Wagenrennen, auf lange Sicht aber vermutlich wichtiger. Zumindest hatte seine Mutter ihm seit frühesten Kindertagen eingebläut, dass es das Wichtigste überhaupt wäre. Und sie hing ihm damit dezent bei jeder Gelegenheit nun in den Ohren. Daher sprach er es lieber an, ehe er sich wieder zuhause die frage anhören musste, ob er denn gefragt hätte. “Ähm, ich habe noch ein Anliegen. Also... eigentlich eine Bitte... Vielleicht sogar eine große Bitte....“ fing Atticus also etwas unsicher an und kratzte sich wieder verlegen am Hinterkopf.
    “Also... ich bin ja jetzt schon fünfzehn und ein erwachsener Mann... und, ähm... mein Vater ist Ritter, und mein Onkel ist Ritter und überhaupt, alle in der Familie sind Ritter. Und... jetzt so als erwachsener Mann... ähm... fände meine Mut... also ICH fände es gut, wenn ich dann auch etwas zu tun hätte, das einem jungen Mann aus ritterlicher Familie gebührt. Und daher wollte ich dich fragen, ob du es im Bereich des Möglichen hältst, vielleicht den Kaiser darum zu bitten, mich zum Ritter zu machen.“ So, jetzt war es raus, jetzt hatte er gefragt und musste sich keine weiteren Nervereien diesbezüglich anhören.

    Dass es ein simples Platzproblem geben könnte, wenn sie zu viele Factiones einluden, so weit hatte Atticus gar nicht gedacht. Etwas verlegen kratzte er sich am Kopf. “Naja, man könnte ja auch nacheinander zwei Rennen fahren, erst die einen, dann die anderen, oder so... Und die müssten ja auch erstmal überhaupt ja sagen“, versuchte er also seinen Vorstoß in den nicht vorhandenen Bart nuschelnd zu retten. “Aber erstmal das Trainingsrennen zwischen Russata und Albata, das ist das wichtigste. Dürften da denn auch Zuschauer kommen, oder lieber nicht?“ Atticus träumte ja davon, wieder gefüllte Hippodrome zu zaubern, mit jubelnden Menschen und allem, was dazugehörte. Vielleicht nicht gleich am Anfang, aber wenn er ein paar Freunde vielleicht einladen durfte, bestand die Chance, dass er vielleicht noch ein paar Leute fand, die in die eine oder andere Factio aus Begeisterung eintraten.


    Pontus hingegen nahm die ihm angebotene Hand dankbar an. Natürlich schnüffelte er sie erst einmal nach essbaren Bestandteilen ab und überzeugte sich dann auch mit einem zweifachen Lecken mit der Zunge davon, dass wirklich nichts Essbares darin war. Mit einigen gebrummelten Lauten legte er gewohnt seinen großen Kopf beim Consular in den Schoß und ließ sich dann streicheln. Das war immerhin nach etwas zu fressen das nächstbeste.

    Von einer Welle des Erfolg geradezu hereingetragen, kam Atticus nach Hause, seinen Hund Pontus direkt auf den Fersen. Am liebsten hätte er tanzen wollen, weil alles gerade einfach so großartig war! Wirklich alles, was er sich für die Belebung des Wagenrennsports vorgenommen hatte, hatte er geschafft: Er war bei der Factio Albata aufgenommen worden, er hatte einen neuen Fahrer verpflichtet, und die ersten Trainingsrennen konnten starten. Vielleicht konnte er ja noch den Aedil ein wenig nerven, dass bei den kommenden Festtagen vielleicht auch ein Rennen ein gutes Idee wäre. Vielleicht bei den Meditrinalia, aber auf jeden Fall auch beim Equus October! Selbst wenn sie dadurch vielleicht ein Pferd verlieren würden, aber das Rennen! Das war wichtig!


    Freudestrahlend also kam Atticus ins Atrium hereingetänzelt. “Jemand zuhause?“ rief er laut einfach ins Nichts und hoffte, dass irgendjemand unvorsichtig genug wäre, zu antworten, damit er seine Freude teilen konnte.

    “Naja, einen Tag vorher sollte ich es schon wissen, damit ich den Fahrern Bescheid geben kann.“ Atticus grinste immer noch wie ein Honigkuchenpferd. Pontus hingegen schlich wie er es gewohnt war freudig mit dem Schwanz wedelnd auch einmal zum Hausherrn hinüber in der Hoffnung, vielleicht eine Kleinigkeit abzustauben. “Aber ansonsten können wir jederzeit loslegen. Und gegen weitere Fahrer habe ich auch nichts. Wenn wir vielleicht später eine größere Rennbahn dafür bekommen können, könnten wir ja auch mal bei der Veneta und der Aurata fragen, ob sie auch ein Trainingsrennen mitmachen wollen. Das wäre dann fast schon ein 'richtiges' Rennen. Vielleicht kommt sogar Publikum!“ Das fände Atticus ja richtig klasse. Wenn die Aedilen sich schon beständig weigerten, Wagenrennen zu zeigen, konnten die Factiones dann einfach so ihr Publikum begeistern! Wobei seine Fahrer dann wohl wegen dem nicht vorhandenen Preisgeld meckern könnten... egal! Wenn erst einmal wieder das Interesse an den Rennen geweckt war, kam der Rest von ganz alleine! Außerdem wollte Atticus ohnehin in naher Zukunft den Aedil mit seinen Ideen so lange belagern, bis dieser wieder selbst Rennen anbot.
    “Du kannst mir die Termine auch bei der nächsten Salutatio einfach sagen, oder einen Boten zu mir nach Hause schicken. Am Haus der Albata ist nicht so oft jemand...“

    Ein paar Tage später und einige Erfahrungen reicher war Atticus also wieder einmal in der Domus Purgitia zur Salutatio und wartete gespannt darauf, dass er an die Reihe kam. Auch Pontus neben ihm merkte die Aufregung seines Herrchens, was den großen Hund dazu veranlasste, etwas näher bei Atticus zu bleiben, fleißig und beständig mit dem Schwanz zu wedeln und nur dann und wann den näher gelegenen Fußboden nach Krümeln abzusuchen.


    Als Atticus also endlich an der Reihe war, kam er von einem zum anderen Ohr grinsend auf seinen Patron zu. “Sei gegrüßt, Consular Purgitius.“ Die Höflichkeit hätte es eigentlich gefordert, dass er jetzt wartete, bis sein Patron sich nach seinem Befinden erkundet hatte und von sich aus fragte, warum Atticus so gut gelaunt war. Aber mit seinen fünfzehn Jahren hielt Atticus es nicht aus, so lange geduldig zu warten. Daher platzte er mit seinen Neuigkeiten geradezu heraus. “Ich bin in der Albata! Und wir haben einen neuen Fahrer! Ist das nicht großartig? Wenn die Russata Zeit hat, dann können wir quasi sofort mit Trainingsrennen starten!“

    Das Grinsen in Atticus Gesicht reichte beinahe von Ohr zu Ohr. Kräftig schüttelte er die gereichte Hand und strahlte, wie man eben nur in seinen jungen Jahren strahlen konnte. “Ja, auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit! Mein Sklave bringt gleich morgen früh das Geld zu dir!“ Auch er nahm jetzt einen Becher mit Wein und nahm fröhlich einen Schluck.
    Jetzt konnte es endlich losgehen! Gleich morgen früh würde Atticus wieder mit seinem Patron reden und ein Trainingsrennen vereinbaren. Vielleicht sollte er auch mit der Veneta reden und da ein anderes Trainingsrennen vereinbaren? Oder eines zu dritt! Das wäre quasi schon ein Rennen! Vielleicht kämen zu sowas sogar ein paar Zuschauer? Oh, und den neuen Aedil sollte man auch besuchen. Im November waren die Ludi Plebei, und wenn in den zwei Wochen nicht wenigstens EIN großes Rennen stattfand, das wäre doch wirklich eine Schande!


    Atticus schwirrte der Kopf vor lauter Gedanken. Aber es war ein freudiges Gefühl. Er hatte den ersten Schritt geschafft, den Rest würde er auch noch meistern!


    Sim-Off:

    600 Sesterzen an Staatskasse II überwiesen!

    Vermutlich würde Atticus seinen Factio-Kollegen doch das ein oder andere erklären müssen, wenn diese die Abrechnung dieses Gesprächs sahen. Allerdings war er sich sicher, dass er das aus der Welt schaffen konnte, wenn er selber die sechshundert Sesterzen aufbrachte und das Vereinsvermögen unangetastet ließ. Mit Geld ließ sich vieles regeln. Und wenn seine Mutter auch so manche krude Ansicht und Erziehungsmethode vertrat, für eines hatte sie in ausreichendem Maße gesorgt: Dass ihr Sohn Geld hatte.
    “Und das Versprechen, danach auch erst wieder mit uns über eine Verlängerung zu verhandeln, ehe du mit anderen Factiones sprichst.“ Atticus streckte also Lusorix seine Hand entgegen. Wenn er sie ergriff, dann war das Arrangement besiegelt. Und die Factio konnte dann endlich in die Zukunft blicken und mit dem Training anfangen.

    Atticus hatte ernsthafte Zweifel, ob er wirklich ein harter Brocken war. Er sah sich selbst mehr als einen Brocken Bimsgestein: Sah massiv aus, war aber leicht und zerbrechlich. “Ich kann dich gut verstehen, Gaeticus. Beim Zusehen humpelt man hinterher seltener von dannen.“ Atticus setzte sich und streckte das geschundene Knie etwas aus. Malachi kam stumm wie immer herbei und kniete sich vor ihn hin. Glücklicherweise war der Gladiator sehr wortkarg, so dass Atticus eine Standpauke zu den hundert Fehlern, die er sicherlich gemacht hatte, jetzt nicht sofort zu hören bekam.


    “Das war hier heute das erste Mal, Eigentlich AaaaaAAAH! Atticus jaulte unvermittelt auf, als Malachi mit seinen überdimensionalen Pranken kurz das Knie abtastete und dann einmal von allen Seiten kräftig drückte. Sobald der Gladiator losließ und sich mit einem “Nur geprellt“ ein paar Schritte entfernte, umfasste Atticus noch einmal das Knie und sah etwas entgeistert drein. Als wäre zu verlieren nicht schon schlimm genug gewesen!
    Nach einem kurzen Moment, in dem er sich wieder fangen musste, fuhr Atticus also fort. “Äh, ja, eigentlich haben wir bislang nur mit Schwert und Schild geübt. Da bin ich nicht ganz so hoffnungslos. Aber aus irgendeinem Grund fand Malachi es wichtig, dass ich mich heute hier einmal unbewaffnet blamiere. Und du? Trainierst du hier regelmäßig, oder nur, wenn der Zufall es ergibt?“

    Da Atticus jetzt auf sechshundert Sesterzen erhöhen musste, fiel seine Rechnung von zuvor natürlich anders aus. Bei zehn Sesterzen pro Monat, wie ihm vorgeschwebt hatte, wären das 60 Monate, also fünf Jahre. Allerdings nahm er an, dass die beiden Gallier auch so schnell im Kopfrechnen waren, daher war er gewillt, sich dahingehend von den beiden ein wenig übervorteilen zu lassen und weniger einzufordern. So hatten die beiden hoffentlich ein gutes Gefühl bei der Sache und sagten eher ja.
    “Vier Jahre, und das Versprechen, zuerst mit uns nachzuverhandeln, ehe ihr euch an eine andere Factio wendet.“

    Atticus bemühte sich, nicht beleidigt zu schauen. Er konnte doch nichts dafür, dass die Albata in der Versenkung des Rennsports verschwunden war. Er wollte das ja gerade ändern.
    “Ich kann garantieren, dass wir ihn zu sämtlichen Rennen, die nach seiner Zusage stattfinden werden und zu denen die Albata Zugang hat, aufstellen und fahren lassen werden, sofern er nicht verletzt oder krank ist. Da ich aber nicht der Aedil bin, kann ich nur versichern, dass ich und Consular Purgitius von der Russata uns redlich darum bemühen werden, dass wieder regelmäßige Rennen in Rom stattfinden werden. Aber ob der jeweilige Aedil an den Festtagen der Götter nun Wagenrennen ausrichtet oder nicht, das können wir nicht bestimmen. Wir können ihn lediglich darum bitten.“

    Ein Rennen. Mit einem guten, vierten Platz, weshalb ich Lusorix ja gerne für die Albata haben möchte. Aber es ist auch schon eine ziemliche Weile her.“ Wie das mit dem Verhandeln funktionierte, das wusste Atticus immerhin. Auch wenn sein Gegenüber mit dem schier unaussprechlichen Namen ihm nicht den Gefallen tat, ein Gegenangebot einzufordern, so dass man sich auf der Mitte irgendwo letztendlich treffen konnte. “Aber gut, dann erhöhe ich für dieses eine Rennen noch einmal um hundert Sesterzen auf insgesamt sechshundert.“

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    Schien das Äußere des Tempels den Betrachter schon mit seiner Detailfülle schier zu erschlagen, wurde dieser Effekt hier im Inneren des Tempels noch einmal um ein vielfaches übertroffen. Nicht nur die zahlreichen Kunstwerke, die hier ausgestellt waren - mehrere Gemälde von Aristides von Theben, mehrere Statuen von Philiskos von Rhodos, eine Apoll-Statue von Trimarchos und eine aus feinstem Zedernholz aus dem fernen Seleukia, darüber hinaus noch eine atemberaubende Statuengruppe, die die Niobiden darstellten – sondern auch die Vielzahl der baulichen Details, auf die Kephalos nun einging:
    “Wenn ihr euren Blick nach Oben wandern lasst, seht ihr, dass die decke entgegen dem äußeren Anschein des Tempels gewölbt ist. Dies wurde mittels einer speziellen Mischung aus opus caementitium bewerkstelligt, die als Stuck aufgetragen wurde, der anschließend kunstfertig bemalt wurde.
    Die Decke wird unterstützt von jeweils einer Säulenreihe aus afrikanischem Marmor am Rand. An der Wand seht ihr dahinter noch jeweils Ausbuchtungen. Dies sind diejenigen Stellen, an denen an der Außenseite der Wand die Halbsäulen sich befinden. Jeweils zwischen diesen Ausbuchtungen nun sehen wir kleine Tempel im Tempel, sogenannte Aedicula. Diese stellen jeweils eine – verkleinerte – Tempelfront dar mit zwei äußeren Säulen und einem reichhaltig verzierten Tympanon – also Giebelfeld. Ihr werdet feststellen, dass sich keine zwei Aediculae hierin gleichen und bei einigen sogar auf die klassische, dreieckige Giebelform verzichtet wurde. Stattdessen finden wir hier auch halbrunde Giebel – sogenannte Segmentgiebel – und geschwungene Giebel – sogenannte Pagodengiebel. Letztere stammen aus dem Osten, wo ja auch der Kult des Apollo ursprünglich beheimatet war.
    Jeder Giebel nun zeigt durch die bemalten Statuen darin eine der zahlreichen Geschichten, die dem Apoll zugeschrieben werden.
    Bei den Säulen wiederum finden wir nicht nur den weißen Marmor aus Luna wie im Eingangsbereich, sondern auch mehrfarbigen, insbesondere mit roten oder schwarzen oder violetten Linien durchzogenen Marmor aus Docimium in Asia oder gänzlich roten Marmor aus dem griechischen Chios oder gelben marmor numidicum aus dem africanischen Simittu.


    Kurzum: Es wurden keine Kosten gescheut, um diesen Tempel reicher auszustatten als alles, was Rom bis dahin gesehen hatte. Allein die einzelnen Bauteile wurden aus der gesamten Welt herbeigeschafft, um die Pracht dieses Tempels sicherzustellen. Dazu noch die Kunstwerke diversester Künstler.


    Ich hoffe, dass ihr bei eurem nächsten Besuch hier die Anstrengungen und Mühen der Erbauer und ihre 14 Jahre währende Bauzeit etwas mehr zu schätzen wisst. Nun, wenn ihr noch abschließende fragen habt, könnt ihr diese jetzt stellen und ich werde sie gerne mit euch erörtern. Andernfalls sind wir hiermit am Ende unseres kurzen Ausfluges in die diversen Bauelemente der Tempelarchitektur angelangt.“

    “Aber dafür muss man den ganzen Tag und die ganze Nacht genau das tun, was die Vorgesetzten einem sagen, und darf nicht verheiratet sein und wird vielleicht ans andere Ende der Welt versetzt“, stellte Atticus auf den Einwand heraus, dass ein Legionär weder Miete noch Essen zahlen musste. Im Grunde konnte Lusorix die Hälfte seiner Zeit auch einem privaten Gewerbe nachgehen, solange er zum Training und zu den Rennen hier war und sein bestes tat. Irgendwie musste er ja jetzt auch sein Essen und seine Miete wohl bezahlen.
    “Wir können statt dem regelmäßigen Gehalt auch eine einmalige Summe vereinbaren, wie die anderen Factiones das machen, wenn es euch lieber ist.“ Bis eben wusste Atticus zwar nicht, dass die anderen das so machten, aber dafür klang er jetzt doch sehr selbstsicher. Das war eines der wichtigsten Dinge, die man beherrschen sollte: Auch bei völliger Ahnungslosigkeit den eigenen Standpunkt überzeugend rüberzubringen. “Sagen wir... 500 Sesterzen?“

    Äh“, machte Atticus zuerst wenig intelligent. Solche Feinheiten hatte er tatsächlich nicht bedacht. Und sich natürlich auch nicht erkundigt, wie die Albata das bei den anderen Fahrern handhabte. Aber der Einwand war ja durchaus logisch und berechtigt. Und irgendwie zweifelte Atticus daran, dass das Angebot, Mietfrei im Stall bei den Pferden zu schlafen, das war, was Lusorix sich vorgestellt hatte.
    “Also, wir können auch ein Festgehalt zahlen. Zehn Sesterzen pro Monat?“ Soviel verdiente ein Anwärter bei den Legionen. Atticus hoffte, dass das ein vernünftiger Maßstab war. “Aber dafür verpflichtest du dich auch zu regelmäßigem Training mit den Pferden.“

    Kaum hatte Atticus wieder soweit Luft und sich erholt, um irgend etwas vernünftiges zu tun – zum Beispiel aufgeben – da spürte er auch schon einen heftigen Schmerz in seinem Knie, das ihm just in diesem Moment wegsackte. Mit einem Aufschrei ging Atticus in die Knie, reflexartig hielt er sich mit den Händen den malträtierten Körperteil. Er hatte ja schon so eine Abneigung gegen dieses ganze Gekämpfe gehabt, nun hatte er wieder einen guten Grund mehr, seine Meinung bestätigt zu sehen. Sein Hals schmerzte, sein Bein tat geradezu dolorisch weh, und weil ihm Tränen in die Augen geschossen waren, sah er nicht richtig. Bevor er neben einigen blauen Flecken und einem schmerzenden Knie noch einen gebrochenen Knochen hier heraus davontragen würde, tat er das einzige, was ihm annähernd sinnvoll schien: “Aaaah! Ist gut, ich gebe auf“
    So konnte er wenigstens soweit kurz verschnaufen, um sich zu fangen. Noch peinlicher, als zu verlieren, wäre es nur, zu heulen. Auch, wenn es vor Schmerzen wäre. Das war reichlich unmännlich.


    Atticus humpelte also zum Rand zu einer Bank, um sich da hinzusetzen. Nur kurz blickte er auf zu Malachi, dessen Miene aus Stein hätte gemeißelt sein können. Trotzdem war Atticus sich sicher, dass der Gladiator mit ihm reichlich unzufrieden war. Hoffentlich verpetzte er ihn wenigstens nicht bei seiner Mutter. Auf ihre Standardrede, dass ein Mann gefälligst bis zum Schluss zu kämpfen hatte, konnte er nämlich wirklich sowas von verzichten.
    Bevor aber Malachi auf die Idee kam, sich doch nochmal mit irgendwelchen Ratschlägen – zum Beispiel dem einer Revanche – bemerkbar zu machen, wandte sich Atticus doch lieber selber an seinen Gegner. “Du hast eindeutig mehr Übung in sowas, als ich.“

    Eigentlich hatte Atticus das gar nicht als Witz gemeint. Aber schön, wenn er zur allgemeinen Erheiterung beitragen konnte. In seinem jugendlichen Stolz etwas geknickt, versuchte er, sich möglichst wenig anmerken zu lassen. Zum Glück stellte Lusorix nun Fragen, zu denen er die Antworten kannte.
    “Du darfst zehn Prozent aller Preisgelder, die du persönlich für die Albata gewinnst, behalten. Außerdem bekommst du fünf Prozent von Preisgeldern, die vom Team gewonnen werden. Wenn du beim Training oder beim Rennen verletzt werden solltest, übernimmt die Albata die Kosten für die Behandlung. Außerdem haben wir eine Sterbekasse, in die für das gesamte Team fünf Prozent der Preisgelder eingezahlt werden und aus der Hinterbliebene einen Anteil erhalten, sollte ein Fahrer sterben.“ Atticus hoffte, dass das Angebot gut genug war. Sehr viel weiter nach oben gehen konnte er nämlich nicht. Immerhin mussten von den Preisgeldern auch die Pferde und die Pferdeknechte bezahlt werden, die Wagen und ihre Wartung, hin und wieder eine Startgebühr.... Atticus konnte nicht sämtliche Reserven auf den Kopf hauen und alle Anteile, die gewonnen wurden, herausgeben. Er hatte vielleicht keine allzu großen Mathematikkenntnisse, aber um das auszurechnen, reichte es.