Beiträge von Titus Pompeius Atticus

    Das erklärte einiges. Atticus wich dem Blick seiner Mutter leicht aus und versuchte, möglichst ruhig zu wirken. Er machte sich aber Sorgen. Was für einen Grund konnte es schon geben, dass seine Mutter hier das halbe Haus durchwühlte und dann meinte, weggehen zu müssen, wenn auch nur für ein paar Tage. An die glaubte Atticus auch nicht, sonst wäre seine Mutter nicht so aufgebracht. Es musste etwas wichtiges sein. Etwas, das seiner Mutter Angst machte. Und das machte Atticus Angst. Er wusste nicht, was los war, aber es musste wirklich schlimm sein.
    Seine Mutter lächelte, aber er kannte das Lächeln. Das war nicht echt. Es kam nicht bis in ihre Augen. Es war das Lächeln, das sie hatte, wenn sie eigentlich traurig war und wollte, dass er es nicht mitbekam. Aber er bekam es mit. Er bekam alles mit. Und dass das hier noch schlimmer sein musste als die Male davor, wenn sie nicht weinen wollte – beispielsweise an den Tagen, nachdem Vater wieder nach Rom abgereist war und sie nicht weinen wollte – das war sehr beunruhigend.
    Aber seine Mutter gab sich so Mühe, und er wollte nicht, dass sie noch mehr Angst bekam, wenn sie merkte, dass er Angst hatte. Er war sich nicht ganz sicher, wie es jetzt richtig war, zu reagieren. Es war schwierig. Sie wollte sicher nicht, dass er weinte. Ein Mann weinte nicht. Aber er wollte auch nicht, dass sie dachte, es wäre ihm egal, wenn sie ging. Dann würde sie sich gekränkt fühlen.
    “Ich verstehe...“, antwortete er ein wenig ausweichend. Eigentlich verstand Atticus gar nichts. Er erwiderte das Lächeln seiner Mutter, aber so, dass es immer wieder leicht abbrach und sie es merkte. Sie sollte wissen, dass es ihm nicht leicht fiel, es aber überleben würde.

    Eine Kindheit in Ostia. Nicht besser oder schlechter als sonstwo. Atticus vermisste Rom nicht, er erinnerte sich kaum daran. Nur ein entferntes Bild von vollen Straßen und Lärm nachts, und von anderer Luft. Drückender, schwerer. Stinkender.
    Ostia war kleiner, mit anderer Luft. Hier roch es nach Salz und Fisch und Menschen, vor allem am Strand neben der Stadt, wo die Fischer ihre Netze auslegten und reparierten. Atticus sah gern dabei zu, beobachtete sie, wie sie ins Wasser gingen bis zur Hüfte und dann ihr Netz ins Wasser warfen mit einem gekonnten Schwung. Es sah faszinierend aus, wenn es sich öffnete wie ein Vogel, der die Flügel ausbreitete, und dann mit einem klatschen genau zwischen zwei heranrollenden Wellen landete und ganz langsam von dem Fischer an einem langen Seil zurückgezogen wurde. Manchmal waren dann Fische und Krebse darin, aber nicht immer. Atticus saß gern so stundenlang am Strand, grub die Zehen in den Sand. Auch im Winter, wenn es kalt war und der Sand fast schon gefror, zog er seine Schuhe aus und ging barfuß über den Strand. Er mochte das Gefühl sehr.
    Manius fand es langweilig. Er jammerte dann immer. Sie sollten zurückgehen. Sie sollten etwas unternehmen. Sie sollten schauen, was die anderen machten.


    Die anderen. Das waren seine Freunde. Jungs, die auch zu Kheiron, dem Griechen, in den Unterricht gingen. Sie waren in Manius' Alter. Sie waren alle stärker als er. Aber nicht größer. Außer Calvisius, aber der war auch schon zwölf und sein Vater war ein Riese. Er war ein Schlachter und hatte seinen Laden in der Straße hinter dem Serapisschrein.
    Sie waren älter, sie waren stärker. Trotzdem hörten sie auf Atticus, wenn er einen Plan hatte. Wie man einer gemeinen Schwester die 'Haare abschneiden konnte, ohne dass die Eltern oder Lehrer es mitbekamen. Wie man eine Lyra umbauen konnte, um damit improvisierte Pfeile zu verschießen. Wie man die noch älteren Schüler dazu brachte, einen in Ruhe zu lassen. Wann man besser weglaufen sollte. Wo man genügend Holz zusammenklauen konnte, um sich im Garten von Lucius einen schönen Verschlag zusammenzubauen, der auch hielt, bis die Köchin dringend Feuerholz gebraucht hatte, als es kälter geworden war.
    Trotzdem war Atticus lieber am Strand, auch ohne die anderen. Sogar ohne Manius, zumindest manchmal. Es war schön, den Möwen beim fliegen zuzusehen. Dabei musste er nicht nachdenken, konnte einfach nur zuschauen. Konnte überlegen, wie es wäre, so fliegen zu können. Wie die Welt wohl aussehen musste von da oben?


    Und so saß er auch am Strand, als Pulchra kam, und ihn und Manius Heim befahl. Manius schnaufte erleichtert, ihm war langweilig. Atticus atmetenur einmal tief durch und erhob sich. Der Sand klebte an seiner Tunika, die er schnell abklopfte. Er lief los, hinter seiner Amme und seinem Milchbruder her, ehe er nochmal schnell umdrehte und die vergessenen Schuhe flink vom Strand holte. Erst danach rannte er ihnen hinterher. Pulchra war vorgegangen, Manius hatte gewartet. “Weißt du, was los ist?“
    Manius zog eine Schnute und schüttelte den Kopf. Keine Ahnung.


    Der Weg nach Hause war nicht allzu weit. Die Erwachsenen redeten miteinander, aufgeregt wie immer. Atticus schnappte Wortfetzen auf. Es waren dieselben wie in den letzten Wochen und Monaten. Rebellion. Truppenbewegungen. Sieg. Niederlage. Tod. Zerstörung. Plünderung. Für Atticus waren es inzwischen nur noch Worte, die ihre Faszination schon lange verloren hatten. Anfangs war es aufregend gewesen, inzwischen war es immer dasselbe.
    Erst, als er die Tür zur Wohnung aufmachte und hörte, wie seine Mutter verstummte, merkte Atticus, dass etwas anders war. Langsam trat er ein und sah sich um. Es lagen Sachen unaufgeräumt in der Wohnung. Und seine Mutter sah angespannt aus.
    Ein ungutes Gefühl machte sich in Atticus breit, aber er wollte nicht, dass seine Mutter sich Sorgen machte. Zumindest nicht noch mehr Sorgen, als sie sich ganz augenscheinlich im Moment machte. “Mama? Warum sollten wir heim? Ist doch noch schönes Wetter draußen.“ Das klang neutraler als die Frage, was los war. Glaubte Atticus zumindest. Er stellte fein säuberlich seine Schuhe beiseite und versuchte, sämtlichen Restsand noch im Eingangsbereich zu lassen. Er sah seine Mutter nicht einmal an, damit sie nicht dachte, er würde sich sorgen. Wenn er so tat, als wär er beschäftigt und in Gedanken, machte sie sich weniger Sorgen um ihn.

    Ich werde hoffentlich schon erwartet:


    Name: Titus Pompeius Atticus
    Stand: Civis
    Wohnort: Rom


    Vater: Gaius Pompeius Imperiosus
    Mutter: Iunia Axilla


    Dann lass mal meinen Vater ausrufen, Marcus Tiberius Magnus, damit er mich im Wunderland abholt :D