Beiträge von Tiberia Lucia

    Im selben Grad wie ihr Bruder stiller wurde, schwand dieses grässliche Schuldgefühl, das sich in Lucias Brust festgesetzt hatte. Ja, sie würde jemanden ehelichen, den ihr Bruder als so unmögliche Wahl sah, dass er es für einen Scherz hielt. Aber sie tat dies ja nicht aus irgendeiner kindischen Schwärmerei heraus. Im Gegenteil! Sie schluckte einen Teil des Kloses in ihrem Hals herunter und richtete sich ein wenig auf. Sie war noch immer blass, wie eine frisch gekalkte Wand, aber sie hatte sich wieder gefangen, als ihr Bruder abermals ungläubig nachfragte. Sie atmete schwer ein und lies die Luft mit einem leisen Seufzen entweichen, ehe sie ihren Rücken komplett durchdrückte und ihrem Bruder fest in die Augen sah. „Nein, ich meine es ernst. Es tut mir wirklich leid, dass ich hier nicht nach deinen Wünschen handele – das tut es wirklich! – aber ich werde Titus Duccius Vala heiraten.“ Ihre Worte klangen fester, als sie es für möglich gehalten hätte, flatterte ihr doch ihr Herz wie ein kleiner Vogel in der Kehle.

    Es war eine Freude diesen unsicheren Laut von dem frechen Burschen zu hören. So ganz war sich Lucia nicht sicher, womit sie diesen erzeugt hatte, dennoch fühlte sie dar ob einen kleinen Triumph. Doch er hatte sich rasch wieder gefangen und Lucia kam mehr und mehr zu der Überzeugung hier einen Jungen und keinen Adolescens neben sich zu haben. Was war sie bereit zu setzen? Das war eine sehr gute Frage… Doch ehe Lucia sich wirklich Gedanken darum machen konnte, nahm auch sie aus den Augenwinkeln einen Funkenregen wahrnahm. Sie reckte genauso unverhohlen wie der Junge ihren Hals.


    „Ha! Das nenn ich mal ein Überholmanöver! Wer ist dieser Lenker?“, beantwortete sie begeistert die wohl eher rhetorisch gemeinte Frage des Jungen.


    Es waren nun schon zwei Runden um und für Hamiris sah es nicht grade gut aus. Sie sollte sich wohl lieber bald entscheiden, ob und wenn ja wie sie auf die Wette ihres Nachbarn einging. Sein Kommentar mit dem Frosch-küssen hatte sie auf eine Idee gebracht, doch sie zögerte noch. Da ihr aber so spontan nichts anderes einfallen wollte, schlug sie dann doch vor: „Wenn dein Proteneas gewinnt, bekommst du einen Kuss von mir.“ Sie hatte hier immerhin noch ein halbes Kind neben sich und zur Not würde sie ihm einen Schmatzer auf die Wange drücken. Das würde schon nicht an ihrem Ruf kratzen!




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    Durch das eigene kleine Zwischenspiel mit Scaevola, hatte sie die direkte Reaktion von Silanus nicht mitbekommen. Dennoch fühlte sie sich bemüßigt dem Iunier dafür ihre Hochachtung auszudrücken. Sie legte ihre Hand zum zweiten Mal an diesem Abend sachte auf Silanus Arm, diesmal um seine Aufmerksamkeit zu erlangen.


    „Das ist äußerst großzügig von dir!“ Neben den ehrlich gemeinten Worten wurde er außerdem mit einem strahlenden Lächeln seitens Lucia belohnt. Wie um ihre Worte zu bestätigen, verstärkte Lucia kurz den sanften Druck ihrer Finger. Dann löste sie aber wieder rasch den Kontakt, sie wollte ja nicht zu aufdringlich sein.

    Die Stille, die auf ihr Geständnis folgte, war grässlich. Sie kroch Lucia wie tausende kleine Ameisen unter die Haut. Mit einem riesigen Klos in der Kehle saß sie da und spürte wie ihr die Tränen über die Wangen liefen. Sie presste die Lippen zusammen und wartete auf den Sturm, der auf diese Ruhe unweigerlich folgen würde.
    Zuerst glaubte Lucia sie würde halluzinieren. Ihr Bruder lachte? Ihre Gefühle wichen für den Moment der absoluten Verwirrung, selbst die Tränen versiegten. War er verrückt geworden? Er konnte sich einfach nicht über dieses Arrangement freuen! Oder etwa doch?! Ihr Bruder musste wahrhaft wahnsinnig geworden sein und sie war schuld! Da hockte er sich neben sie und eine eiskalte Faust schloss sich um ihr Herz. Ihr ohnehin schon blasses Gesicht verlor jede Farbe, so dass die Tränenspuren wie auf Marmor zu schimmern schienen. Ihre noch immer glasigen Augen wirkten größer als sie waren und ihre zusammengepressten Lippen schienen ebenso bleich wie das restliche Gesicht werden zu wollen. So schlimm war es also. So schlimm, dass sich Lepidus sicher war, sie würde ihn hereinlegen. Lucia wagte es nicht noch ein weiteres Wort zu sagen, doch ihr erstarrtes Schweigen sprach wohl lauter, als es Worte je gekonnt hätten.

    Lucia zuckte erschrocken zusammen, als ihr Bruder aufsprang. Sie wünschte es wäre tatsächlich unmöglich, so wie ihr Bruder sagte, doch es war die bittere Wahrheit. Bangen Herzens verfolgte sie seinen Weg auf und ab. Sie beobachtete gebannt, wie seine ebenfalls nackten Füße sich auf den Bodenfließen hin und her bewegten. Auf die Frage wie das passieren konnte entwich ihr tatsächlich ein leises, hysterisches Kichern, das sie rasch mit ihrer Hand erstickte. Noch schien ihr Bruder zwar nicht grade erfreut und hob seine Stimme tatsächlich etwas, doch er schrie sie immerhin nicht an und sie wollte ihn keinesfalls reizen. Zumindest nicht mehr, als sie musste.


    Dives, Silanus, einer aus der Veneta? Lucia schüttelte mit zusammengepressten Lippen den Kopf. „Ich hab das ja auch nicht geplant!“, verteidigte sie sich belegt. „Ich wollte… Es tut mir wirklich leid!“ In diesem Moment wollte Lucia Lepidus am liebsten die ganze Wahrheit erzählen, doch sie traute sich einfach nicht. Jetzt konnte sie auch nicht verhindern, dass ihr die Tränen in die Augen traten. Sie senkte den Blick und murmelte zu ihren eigenen eiskalten Füßen: „Es ist Duccius Vala.“

    Was für einen frechen Burschen sie da an ihrer Seite hatte! Lucia wollte doch eigentlich das Rennen sehen, aber der Junge schaffte es tatsächlich ihre Aufmerksamkeit immer wieder auf sich zu ziehen. Hamiris fuhr außerdem bei weiten nicht so gut, wie Lucia es erhoffte und der Bursche machte darüber natürlich auch einen Kommentar. Lucia wollte sich schon mit einer entsprechenden patzigen Antwort revanchieren, als der Kerl doch tatsächlich eine Wette vorschlug. Dazu mit einem Einsatz zu dem sie nur schwer nein sagen konnte. Lucia lachte amüsiert auf und wandte sich vollständig ihrem Nachbarn zu. „Na, das nenne ich einen Einsatz! Und was willst du, dass ich tue, wenn dein Proteneas gewinnt?“, fragte sie neugierig, sich noch nicht ganz sicher, ob sie sich auf die Wette einlassen sollte. Doch die Versuchung war unglaublich groß! Dumm nur dass es für Hamiris grade alles andere als gut aussah...




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    Im ersten Moment glaubte Lucia ihr Bruder würde ihr seinen Segen geben und ein Hauch von Erleichterung bahnte sich an. Dann wurde jedoch klar, dass er sie vollkommen falsch verstanden hatte und ihre Knie wurden weich. Sie ließ sich, noch während Lepidus sprach auf den Hocker sinken, auf dem eben noch die vorlesende Sklavin gesessen hatte und schüttelte erst sachte, dann immer heftiger den Kopf.
    „Nein! Nein… Ich meine, ich… ich bin quasi verlobt.“, es klang erstickt. Warum sie jetzt das Wörtchen quasi da rein setzen musste, wusste sie selbst nicht. Es klang, als ob es da noch irgendwelche Zweifel gäbe. „Ich habe schon jemanden. Deine Kandidaten… Es tut mir so leid!“ Ihre Stimme zitterte und sie spürte, wie ihr die Tränen kommen wollten. Doch noch konnte sie diese zurückkämpfen. Sie tat dies zwar eigentlich auch irgendwie für Lepidus, aber für den Moment musste sie ihn so bitter enttäuscht haben. Etwas das nie, NIE gewollt hatte! Sie wagte es nicht Lepidus anzusehen, aus Angst vor seiner Reaktion und starrte deshalb krampfhaft auf den Boden.

    Das Lob ihres Bruders schmeichelte Lucia ungeheuer, sie wurde gar ein wenig rot. Mit glühenden Wangen griff sie nach ihrem Weinglas und versteckte sich für einen Schluck dahinter. Erst jetzt wurden ihr ihre Worte so richtigklar und sie bekam nachträglich kurz Herzklopfen ob dieser. Doch sie schienen nicht gestört zu haben und hatten gleichzeitig Verus ein wenig aus dem Fokus genommen. Nachdem sie ihren Wein wieder abgesetzt hatte schmuggelte sie ein verschwörerisches Zwingern zu Verus und hoffte, dass sie in seinem Sinn gehandelt hatte.


    Ihr Bruder, Crispus und Silanus… Moment, sie sollte ihn ja eigentlich Lucius nennen, aber ihr Bruder hieß doch auch so… Egal! Die drei führten in jedem Fall ihr Gespräch fort und der Petronier verbessterte sein ‚soll‘ ganz schnell mit einem ‚will‘. Das klang in Lucias Ohren aber nicht so, als ob er diesen Plan geschmiedet hätte. Oder interpretierte sie da zu viel hinein? Der beste Sprecher schien der junge Mann ja nicht zu sein. Sie würde das zumindest mal im Hinterkopf behalten!


    Die Gläser wurden nachgefüllt und das Gespräch wurde interessant. Lucia war sich nach Silanus großzügigem Angebot ihr gegenüber jedoch sicher, dass er auch für Crispus ein gutes Wort einlegen würde. Da ihr Silanus jedoch durch das Gespräch mit ihrem Bruder den Rücken wandte ließ Lucia ihren Blick über die anderen Gäste schweifen. Nicht dass sich Manlius, Scaevola oder Verus vernachlässigt fühlten. Ersterer schien ziemlich interessiert der Unterhaltung der drei Männer zu lauschen. Das war schonmal sehr gut. Als Lucias Blick zu Scaevola weiter wanderte fand sie seine Augen direkt auf sie selbst gerichtet. Sie lächelte ihm automatisch zu, doch sein Starren machte ihr ein äußerst unwohles Gefühl. Wie lang er wohl schon zu ihr gesehen hatte? Jetzt hob Scaevola jedenfalls mit einem Lächeln sein Weinglas und Lucia tat es ihm gleich, um ihn nicht zu enttäuschen. Doch schon während sie trank wandte sie sich lieber wieder in Richtung von Silanus, sein Hinterkopf war ihr allemal lieber als Scaevolas Starren.

    Es war wohl der Fluch der Frauen nervös zu sein, wenn ihre Liebsten einen großen Auftritt hatten und dazu konnte man diese Rede eindeutig zählen! Während ihr Bruder Lepidus zwar häufig übte, aber ansonsten ziemlich gefasst wirkte, hatte Lucia die letzte Nacht vor Nervosität kaum geschlafen. Umso schwieriger war es für ihre Leibsklavinnen heute Morgen gewesen sie angemessen herzurichten. Durch das gesamte Opfer hinweg bemühte sich Lucia ruhig zu wirken, während sie innerlich vor Anspannung zu zerreißen drohte. Dann war es endlich so weit. Lepidus trug seine Rede vor.


    Mit dem Gefühl die ganze Zeit die Luft angehalten zu haben, atmete Lucia bei den letzten Worten erleichtert auf. Ihr Bruder war großartig gewesen! Sie schlug begeistert die Hände vor der Brust zusammen und strahlte Lepidus stolz an. Sie erfasste tatsächlich ein Hochgefühl, als ob sie selbst diese Rede gemeistert hätte. Die Worte von Aurelius Lupus und die anschließend aufsteigenden Schmetterlinge nahm sie wie im Rausch wahr. Das schwierigste war geschafft, jetzt konnten sie die Spiele genießen!

    Jetzt sollte sie eigentlich mit dem Geständnis herausbrechen. Lepidus hatte sie direkt danach gefragt und es war an ihr endlich mit der Sprache herauszurücken. Doch im Gegensatz zu den die belanglosen Worten, die eben wie ein Wasserfall aus ihr herausgeplätschert waren, blieben ihr die wirklich wichtigen zunächst im Halse stecken.
    Lucia hatte das Gefühl, dass ihr ganzer Körper still stand. Ihr Herz wartete mit dem Schlagen. Sie holte zitternd Luft und schaffte es endlich ein raues Flüstern hervorzubringen: „Ich werde heiraten.“
    Das war die Essenz. Sie würde jemanden heiraten, den ganz offensichtlich nicht ihr Bruder ausgesucht hatte.

    Verblüfft war ein zu neutrales Wort, um Lucias Gemütszustand zu beschreiben. Sie war eindeutig überrascht plötzlich so von der Seite angesprochen zu werden, naja, sie fühlte sich eher ertappt. Arsinoe war inzwischen verschwunden, das hatte Lucia zumindest nicht mitbekommen. Aber dafür war ihr Gespräch mit ihrer Sklavin eben wohl nicht so vertraulich gewesen, wie Lucia es gerne hätte. Sich von ihrem eigenen Gewissen so in die Defensive drängen zu lassen, war in letzter Zeit eine von Lucias Spezialitäten geworden. Da sie nicht die Flucht nach vorne wagte, hatte sie sich auf Ablenkungstaktiken verlegt. Sie ignorierte einfach den Teil, der ihr unangenehm war und ging viel zu ausführlich auf den anderen ein. Und genau das geschah auch jetzt.


    Lucia drehte sich ertappt um, als ihr jemand davon abriet auf die Veneta zu setzen. Mit leicht geöffnetem Mund rang sie kurz um ihre Haltung, während ihr bewusst wurde, dass hier vor ihr kein Mann sondern viel mehr ein Heranwachsender stand. Kein Bartwuchs, also wohl eher noch nicht mal 16, wenn er auch ganz schön groß war! Der junge Mann bekam durch Lucias Überraschung zunächst ein paar Sekunden Schweigen als Antwort. Grade wo es so richtig unangenehm wurde, fand Lucia ihre Stimme wieder und antwortete: „Da magst du Recht haben, aber vor diesen zwei Rennen hatte auch Proteneas noch nie eins gewonnen. Es gibt immer ein erstes Mal. Ich danke dir für deinen fachmännischen Rat, aber ich könnte nie für einen Fahrer der Russata setzen. Siehst du meinen Schal? Ich gehöre der Factio Veneta an. Auch wenn Proteneas der Favorit ist, ich bin mir sicher, dass Hamiris ihn schlagen kann! Du wirst noch dein blaues Wunder erleben!“ Sie grinste den Jungen oder doch eher jungen Mann verschmitzt an.


    Da ging es auch schon los! Beinahe konnte man es sirren hören, so schnell drehte Lucia ihren Kopf beim Startschuss zur Rennbahn. Ihre langen, geflochtenen Zöpfe flogen und konnten gut und gerne einen vorlauten jungen Kerl neben ihr treffen, wenn dieser nicht aufpasste.


    Sim-Off:

    /Edits: Noch eben schnell den blauen Schal wieder angezogen :D


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    Lucia trat aus der Tür um die Sklavin hinauszulassen und schloss diese anschließend. Dabei wurde ihr unangenehm bewusst, dass ihre Hände zitterten. Um sie davon abzuhalten verschränkte sie ihre Finger fest vor dem Bauch.
    „Ich - nun ja… es wird nicht lange geheim bleiben und darum geht es auch nicht. Ich fürchte nur dass dir nicht gefallen wird, was ich dir zu sagen habe und das muss doch keiner mitbekommen, denke ich zumindest, deshalb wollte ich unter vier Augen mit dir sprechen, weil es wirklich besser so ist und wenn du nicht schon sitzen würdest, würde ich dir vermutlich raten dich zu setzen, aber das tust du ja schon und ich rede hier dummes Zeug.“ Wie ein Wasserfall flossen die Worte aus Lucias Mund und erst ganz am Ende schien sie wieder fähig zu sein Luft zu holen. Sie selbst lief dabei unruhig auf und ab und fand einfach nicht den rechten Anfang. Nervös versuchte sich Lucia vergeblich an einem Lächeln und gestand: „Ich weiß nicht wie ich es sagen soll….“

    Ein Glück hatte Lucia es geschafft die letzte Zeit ihre Finger aus den Essensschälchen zu lassen. Mit vollen Mund sprach mal nämlich nicht, aber jetzt musste sie doch was einwerfen! Nicht nur, dass sie endlich auch etwas Sinnvolles beitragen konnte, nein sie musste es regelrecht! Vielleicht fiel nur ihr es auf, so als einzige Frau in der Runde, aber sie hatte das Gefühl, dass das Gespräch an einem kritischen Punkt angelangt war. Verus fühlte sich in Lucias Augen sichtlich unwohl weiter über sich selbst zu reden und Crispus schien das nicht klar zu sein. Oder war es ihm bewusst und er wollte sich auf Kosten des armen Verus profilieren? So oder so, es waren die trügerisch nichtssagenden Worte einer Frau von Nöten um die Situation ein wenig zu lockern.


    „Aber das ist doch das Wundervolle!“, begann sie augenscheinlich erfreut und völlig aus dem Kontext gerissen. Da ihr offensichtlich niemand direkt folgen konnte gestikulierte sie begeistert und ungeduldig zugleich. „Ein jeder von euch dient der Urbs auf seine Weise, wie es kein anderer von euch könnte.“ Das war ein wenig allgemein und Lucia wollte gerne noch deutlicher machen, was sie meinte, also probierte sie sich an einem Vergleich: „Lasst es mich anders formulieren. Es heißt doch ‚alle Wege führen nach Rom‘. Ein jeder von euch ist auf einem der Wege in die große Stadt.“ Sie strahlte die Männer einen nach dem anderen an. „Ihr kommt dabei aus verschiedenen Richtungen“ Hier wechselte ihr Blick zwischen Manlius und Verus. „oder sei auf eurem Weg schon etwas weiter als andere“ Hier lächelte sie Silanus an. „aber ihr alle habt ein Ziel: Rom.“ Sie hatte keine Rhetorikausbildung, aber sie sprach mit Begeisterung. „Müsstet ihr nun in den Schuhen eines anderen wandeln, würdet ihr vielleicht ins straucheln geraten, doch so… Ein jeder von euch ist mit dem nötigen Können ausgestattet um den eigenen Weg erfolgreich zu beschreiten – dessen bin ich mir gewiss!“ Sie strahlte in die Runde. Also ihr gefielen ihre eigenen Worte äußerst gut. „Ich hab doch recht, oder Lepidus?“

    Hörte sie da etwa eine weibliche Stimme bei ihrem Bruder? Erschrocken wich Lucia von der Tür zurück. Bei sowas wollte sie Lepidus eindeutig nicht erleben! Wohin? Wohin? Nur schnell weg! Hektisch sah sich Lucia um, doch da ging die Tür schon auf. Eine Sklavin, angezogen, mit einem Buch in der Hand… Lucia atmete erleichtert auf, nur um im nächsten Moment das Herz in der Kehle schlagen zu spüren. Er war da, er hatte die Tür aufgemacht und er hatte sie gesehen… Jetzt gab es kein Zurück mehr!


    Doch Lepidus lieferte ihr die perfekte Ausrede um es für diesen Abend doch noch gutsein zu lassen. Sie müsste ihm nur artig gute Nacht wünschen… und dann eine weitere Nacht wachliegen. Nein! Sie zog das jetzt durch! „Ja, das wollte ich auch… aber… ich müsste dich auch nochmal kurz sprechen.“ Mit einem zögerlichen Blick auf die Sklavin fügte Lucia an: „Unter vier Augen, wenn es dir nichts ausmacht…“ ‚Und wenn ich dich nicht grade bei was… Wichtigem störe.‘, versuchte sich noch durch einen äußerst unsicheren Blick anzuhängen

    Eigentlich hatte sie schon früher mit Lepidus sprechen wollen…. viel früher. Aber es war einfach immer etwas dazwischen gekommen! Dann hatte sie heute eigentlich ich Lepidus Officium kommen wollen… eigentlich… Lucia hatte sich einfach nicht überwinden können und nun stand sie hier vor Lepidus Cubiculum und rang die Hände. Sie war eigentlich schon bettfertig: Ihre langen Haare waren in zwei Zöpfe geflochten, sie war barfuß aber wenigstens hatte sie sich ein Tuch um die Schultern geschlungen. Spät abends wurde es noch empfindlich kühl.
    Sie hatte einfach keine Ruhe gefunden. Es musste heute sein! Dreimal war sie aus ihrem Zimmer und wieder zurück getreten und jetzt hatte sie es tatsächlich bis zur Tür ihres Bruders geschafft.


    Sie wollte mit Lepidus sprechen, es wurde Zeit. Aber sie wollte es auch wieder nicht. Sie sollte klopfen, ganz leise… vielleicht hörte er es ja nicht, dann hätte sie es zumindest versucht. Zögerlich hob sie die Hände und ließ die Fingerspitzen gegen die Tür fallen. Es gab den Hauch eines Lautes. Das musste sie nochmal probieren, es musste doch zumindest hörbar sein. Jetzt erzeugte sie tatsächlich ein leises Klopfen… Eins – zwei- nein ein drittes Mal traute sie sich nicht… Mit wummernden Herzen und angehaltenem Atem verharrte Lucia auf der Türschwelle.
    Hatte Lepidus sie gehört?

    Als noch relativ frisch gebackenes Mitglied der Factio Veneta ließ es sich Lucia natürlich nicht nehmen mit einem tiefblauen Schal auf ihre Präferenzen aufmerksam zu machen. Ihr Bruder mochte ja die Factio Aurata unterstützen, doch sie tat es dann doch ihrem verstorbenen Großonkel nach. Fasziniert lauschte sie den Anfeuerungsrufen der verschiedenen Factios, die sich zu einem ganz schönen Lärm vermischten.


    Noch verzichtete Lucia darauf in das Getöse miteinzusteigen. Es ziemte sich für eine Frau von Stand einfach nicht! Doch es gab etwas anderes, das sie gerne ausprobieren wollte. Möglichst unauffällig wandte sie sich an ihre junge Leibsklavin Arsinoe und senkte die Stimme, soweit es der Lärm zuließ: „Hier, nimm dieses Geld und sieh zu, ob du nicht irgendwo auf den Sieg der Veneta wetten kannst.“ Mit Herzklopfen steckte sie ihrer Sklavin einen kleinen Beutel voller Sesterzen zu und lächelte verschwörerisch. „Wenn du es schaffst, dass weder mein Bruder noch sonst jemand etwas davon bemerkt, bekommst du einen Teil vom Gewinn!“ Lucia versuchte sich an einem Zwinkern und Arsinoe nickte mit einem verschmitzten Lächeln. Lucia wandte sich wieder ihrem Bruder zu und bemerkte zufrieden, dass Arsinoe noch an ihrer Seite wartete. Wenn sie sich nur nicht zu lange Zeit ließ!


    Mit einem möglichst unbefangenen Grinsen wandte sich Lucia an ihren Bruder. Neckend rief sie ihm zu: „Die Fahrer der Aurata werden schon bald wissen, wie der Staub von Hamiris Rädern schmeckt!“




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    Die Kichererbsen waren sehr gut gewürzt. Lucia liebte es ohnehin, wie sie weich aber gleichzeitig noch ein wenig knackig sein konnten. Manche behaupteten ja, Kichererbsen hätten keinen eigenen Geschmack, das sah Lucia ganz anders. Aber das konnte natürlich auch daher kommen, dass sie bisher immer nur schon fertig zubereitete probiert hatte… Ohne zusätzliche Würze hatte sie noch nie eine probiert. Vielleicht war es mit diesem Crispus ähnlich. Sie hatte bisher nur schon erfahrene Staatsmänner als Klienten oder Freunde ihres Bruders kennengelernt. Vielleicht waren ein paar von diesen ähnlich ungeschickt im Ausdruck gewesen, als sie in Crispus Alter waren. Fasziniert folgte Lucia der Unterhaltung. Sie bewunderte vorallem, wie Silanus sich so rasch hatte fangen und tatsächlich eine brauchbare Antwort hatte geben können.


    Es hatte sich doch tatsächlich ein anregendes Gespräch aus dieser ungewöhnlichen Frage entwickelt. Lag das nun daran, dass die Frage garnicht so dumm gestellt war, oder war das mehr Silanus‘ und Lepidus‘ Redekünsten zu verdanken? Crispus antwortete zwar immer, wenn er direkt etwas gefragt wurde, aber irgendwie nie mehr als nötig… Überrascht bemerkte Lucia wie ihre Finger den Grund der Kichererbsenschale berührten. Hatte sie tatsächlich schon alle weggenascht? Vielleicht sollte sie sich wieder in das Gespräch einbringen…


    Aber so ganz wollte sich ihr nicht erschließen, wo sie hier selbst etwas beisteuern konnte. Sie würde sich für einen späteren Zeitpunkt die neugierige Frage nach dieser Taberna Silva Nigra merken. Sobald das Gespräch ins Stocken kommen würde, könnte sie sich dann mit dieser Frage einbringen. Jetzt hieß es aber wohl erstmal weiter interessiert zuhören und hin und wieder wissende Blicke mit Manlius und Verus wechseln. Scaevola versuchte sie dabei tunlichst zu vermeiden, was sich natürlich nicht vollkommen bewerkstelligen ließ.

    „Einkaufen, ohne mich? Wie können sie nur?“, lachte Lucia auf Verus offensichtlich leicht verzweifelte Angabe über den Verbleib seiner Frauen. Ein wenig Wahres lag aber doch in ihren scherzhaften Worten. Auch wenn Lucia der letzte Einkauf mit Flaminina nicht in bester Erinnerung geblieben war, sie würde gerne mal wieder was mit dieser unternehmen.


    Was genau wollte Ahala mit der alten Dienerschaft jetzt andeuten? Natürlich waren noch einige alte Sklaven hier, aber auch viele neue… Eben der Wandel eines normalen Haushaltes, der sein Oberhaupt verliert, auch wenn es auf äußerst tragische Weise geschah. „Mach dir keine Gedanken, Arsinoe hier wird sich um alles kümmern!“ Diese war immerhin schon seit Kindesbeinen an in diesem Haushalt gewesen, sie würde schon wissen, worauf Ahala hier hinauswollte… und wenn nicht war es auch nicht so wild. Immerhin vertraute Lucia der jungen Sklavin blind. Sie hatte bei ihrer eigenen Ankunft sofort gefallen an dem wachen Geist Arsinoes gefunden und sie in ihre privaten Dienste genommen. Mit einer auffordernden Geste schickte sie die junge Frau davon. „Aber natürlich ist es uns recht!“, nahm Lucia dann einfach die Zustimmung Verus‘ vorneweg. „Es ist eine Schande, dass wir uns erst jetzt begegnen! Wir haben einiges aufzuholen!“ Da Ahala seinen Arm eben so bereitwillig stillgehalten hatte, berührte Lucia ihn gleich nocheinmal in einer auffordernden Geste Richtung Trilcinium. „Wart ihr lange unterwegs? Gab es irgendwelche Schwierigkeiten?“, begann Lucia gleich mit den typisch interessierten Fragen, denen sich wohl jeder zu stellen hatte, der grade eine Reise hinter sich hatte.
    Ein weiterer Sklave aus dem Hintergrund war schon bei der ersten Erwähnung von Erfrischungen im Triclinium aufgesprungen und zur Küche gelaufen, so dass Verus, Ahala und Lucia schon kurz nachdem sie es sich bequem gemacht hatten Gläser in der Hand hielten und von einem Sklaven Wein und Wasser getrennt – für das persönliche Mischungsverhältnis – eingeschenkt bekamen.


    „Gib ihn eben mir, ich hatte schon lange kein so kleines Bündel mehr in den Armen!“, forderte Sekunde die Amme freundlich auf und streckte schon die Hände nach dem Kind aus. „Dann kannst du eben auf dem Weg in die Küche deine Arme ausruhen und vielleicht schaffe ich es sogar den kleinen ein wenig abzulenken.“


    Stesichoros


    Mal wieder eine Nachricht für den Herren, hätte Stesichoros sich ja fast denken können.
    "Folge mir bitte in's Officium", sprach er also und ging den gewohnten Weg voran.


    Stesichoros


    Stesichoros führte den flavischen Sklaven durch die Villa zum Officium. Dort klopfte er an der Tür und sie mussten ein wenig warten, ehe er das 'Herein' zu hören war. Stesichoros trat ein und kündigte an:
    "Ein Sklave der Domina Flavia Domitilla mit einer persönlichen Nachricht für dich, Dominus."