Beiträge von Aulus Tiberius Verus

    Ich habe eine Frage; eine historische Frage. Ich entnehme dem Buch "The Roman Army: A Social and Institutional History", dass der Trecenarius rangtechnisch über dem Praefectus Castrorum rangierte und diesem mittelbar vorgesetzt war? Oder war er diesen gleichrangig, weil die Prätorianer eine recht flache Hierachie hatten? Es waren ja alle Centurionen bis auf den Trecenarius gleichrangig und nur der Posten entschied über die Führung. Der Trecenarius wurde ja auch mit einigen Sonderaufgaben beliehen, die ihn innerhalb der Garde recht "federführend" gemacht haben. Die Prätorianer scheinen zwischen stationären Verwaltungsaufgaben und eigentlicher Diensttätigkeit stark getrennt zu haben.

    Dunkelheit würde ihn finden aber nicht jetzt. In dieser Sekunde entschied sich Verus seinem Mitgefühl nachzugeben und auch Luna eine Freude zu machen. Die Gebote sprudelten bereits. Die reichen Bürger schienen sich versammelt zu haben, um ein neues Objekt zu ersteigern, um ihre Sammlung zu füllen. Doch für Verus war diese Fremde nicht nur ein Objekt, welches man verschenkte oder sammelte, sondern wie einst Luna mit einer Gabe versehen. Sie strahlte in ihrer einsamen Erscheinung etwas aus. Er konnte es nicht benennen oder beschreiben aber sein Herz wusste, dass es das Richtige war, diese arme Seele vor falschen Händen zu schützen. Verus wusste, dass Fremdlinge oft nur Dekoration waren oder etwas anderes. Sie waren nie etwas von Nutzen oder von Wert, sondern schlicht ein Sammelstück, wie ein Schmuckstück. Eine widerwertige Weise einen Sklaven zu degradieren. Alles musste seinen Nutzen haben aber dieser Nutzen missfiel dem Funktionsmenschen Verus, der als Soldat alles mit Aufgaben in Verbindung brachte. Und an den anderen Nutzen wollte er nicht denken, der sich bei Fremden auch abzeichnen konnte. Diese arme Seele war viel zu mitleidig, um diesen Nutzen zu erfüllen. Tatendrang wuchs. Verus fasste den Entschluss für Luna diese Frau zu ersteigern, damit sie ein besseres Leben in seinem Hause führen konnte. Oder viel mehr dem Hause von Luna. Der Trecenarius riss seine Pranke hoch und rief mit soldatischer Präzision: "900!" Es war klar, dass er deutlich mehr Geld bereithalten musste, da diese Bieterschlacht gerade erst begonnen hatte. Doch ihm war das Lächeln seiner Luna jeden Sesterz wert und wenn er damit noch etwas Gutes für dieses Gschöpf tun konnte, war es kein verschwendeter Sesterz. Manche Dinge waren unbezahlbar. Dass Chyou Schmerzen hatte, konnte Verus nur erahnen aber noch nicht sehen. Ihr Leid stand dennoch in ihrem Gesicht, welches verängstigt wirkte. Verus kannte diese Gesichter, welche Leid und Tod kannten. Er selbst konnte solche Menschen lesen, weil er selbst genug Leid erlebt und gesehen hatte. Vielleicht war dies jene Verbindung, die er sah.

    Verus zeigte keine große Emotion über den zornigen Optio. "Unfug ist eine Bewertung, die man nicht während einer Befragung trifft, Urbaner," scheute sich der Prätorianer keiner Belehrung. "Man lässt Zeugen sprechen und notiert sich relevante Informationen, um diese später mit anderen Informationen zu vergleichen. Grundsätzlich ist jedes Gespräch sinnvoll," meinte der Trecenarius dann, der in seiner langen Karriere als Soldat viele derartige Gespräche führen musste. Einst als Statorum und nun als Trecenarius. Seine Erfahrung als Ermittler und Sicherheitsbeauftragen hatte ihn damals schon in die Primi Ordines gebracht. Verus konnte sich zurücknehmen und sachlich bewerten, wenn auch seine eigene Person nicht unstreitig war, so konnte er andere außerhalb seiner eigenen Position sauber bewerten. Ein Talent, welches ihm angeboren schien. Ihm mangelte es nicht Empathie, auch wenn er diese oft zurückstellen musste, wenn Gewalt beschlossen war. "Zudem decken sich die Aussagen dieser jungen Frau mit den Aussagen diverser Zeugen und auch der Befragung der Gefangenen, die wir längst durchgeführt haben. Es gibt Überschneidungen," sagte Verus nun mehr zum Konsul gesprochen. Der Trecenarius konnte soweit zufrieden sein, da sich das Bild der Prätorianer in Ansätzen zu bestätigen schien. Natürlich musste man immer etwas korrigeren und verbessern aber im Kern schien die Varia Frage bei den Prätorianern bessere Beantwortung zu finden.

    Ihre Fassungslosigkeit zerstörte seine paranoide Selbstsicherheit, die aus Angst Macht erwachsen ließ. Seine Gedanken über diese Ängste zerbrachen und gaben die Fakten frei, dass er im Irrsinn seiner Tätigkeit verkommen war und sich verrannt hatte. Ihre zorniges Funkeln durchbrach seine Mauern und ließ den armen Mann wehrlos zurück. "Ich ... ," versuchte Verus einen Satz zu finden aber ihr Zorn war eine wirksame Waffe gegen den tapferen Soldaten, der nicht einmal sprechen konnte. Er wurde sentimental, wollte ihre Liebe nicht beschädigen und sich höflich zurückziehen. Es war ihr Haus. Nicht seines. Er wohnte nur hier. Niemals hatte ein Soldat ein wirkliches Zuhause. Aber wo Luna war, dort war seine Heimat. Hier fühlte er sich heimisch, auch wenn dieses Domus zu viel Luxus für seinen Geschmack besaß. Annehmlichkeiten passten dem Mann nicht, der den Großteil seines Leben auf Pritschen verbracht hatte. Ihr Flüstern traf ihn erneut. Blut hatte er bereits genug in seinem Leben vergossen. Zu viel Blut, welches sein eigenes Blut schwer machte. Der Schatten des Krieges folgte ihm stets, ließ ihn fast wahnsinnig werden und doch hielt diese verdammte Kälte und Vernunft seinen Verstand zusammen. Doch diese Vernunft wollte hier nicht funktionieren. Emotionen überfluteten seine Wahrnehmung. Seine Augen zitterten, konnten Luna nicht mehr scharf erfassen. Er wollte fliehen, sich verstecken und diese schandvolle Reue abschütteln, die ihn überkam. Doch der Stolz verbot es. Luna wusste, wie zerrissen und zerstört Verus in Wahrheit war. Es war nicht mehr viel Mensch im Soldaten übrig, der immer noch alten Befehlen nachhing. Die Hände am Dolch zitterten, wie sein Blick, als ihm klar wurde, dass dieser Zorn in ihm wohnte, der mit Tod auf Leben antwortete.


    Mit einer langsamen Bewegung überließ er Luna den Kriegsdolch, der bereits einige Kerben davon getragen hatte. Sicherlich waren einige Seelen durch dieses Metall gegangen. Es war verflucht, denn es wog schwer in den Händen und wollte nicht ganz in dieses Haus passen, da es nach Konflikt und Blut rief. "Ja, viel Wein. Sehr viel Wein," war die Antwort auf die Frage, als er weiter eintrat.


    "Falerner." Seine Schritte waren behäbig, fast ängstlich als er auf Globolus zuhielt. Die glasigen Augen verloren sich in der gelebten Schande seiner Vergangenheit. Lügen und Wahrheiten verwoben sich und diese verfluchte Unsicherheit wogte in ihm. Was hatten das Militär und die Prätorianer aus ihm gemacht? Eine Maschine, die nur gut in der Gewalt und Konflikt funktionierte aber außerhalb dessen völlig verloren war. Er tat sich inzwischen furchtbar schwer mit zivilen Prozessen und Handlungsabläufen, die nicht durch ein klares hierachisches System gesteuert waren. Die Prätorianer gaben ihm gleichsam Sicherheit aber auch mehr Pein. Verus war ausgeliefert. So auch in dieser Situation. Mit Mühen seines Willens versuchte er diesen Umstand zu versachlichen. Seine Emotionen zu zügeln aber es gelang ihm nur mäßig. Das Rauschen war wieder in seinen Ohren, als sein Blut mit erhöhten Geschwindigkeit durch seinen Körper peitschte und sich gleichzeitig Schweiß auf seiner Stirn sammelte. Adrenalin breitete sich aus und der Soldat fand sich in jener Welt wieder, der er nicht entkommen konnte: dem Kampf. Sein Körper stellte sich auf ein Gefecht ein, obwohl sein Verstand längst mit den Folgen seiner Paranoia zu kämpfen hatte. Dieses beständige Dröhnen hämmerte gegen seine Bemühungen. Es war Zeit und doch konnte er nicht gehen. Niemand würde Erklärungen verstehen. Denn niemand fühlte außerhalb des Militärs ähnlich. Niemand wollte ihn wirklich verstehen, außer Luna, die zur richtigen Zeit mal wieder das Richtige getan hatte.


    Verus zwang sich zurück in den Moment, während seine strengen Oberarme zuckten und die Muskeln bebten, als er gegen die Anspannung ankämpfte. Das Gefühl der verlorenen Klinge lag noch in seiner führenden Hand, welche stark schwitzte. Die Lippen suchten Worte und fanden sie. "Tiberius Globolus," sagte Verus, der sich gebrochen auf eine Kline hockte und gaffend zum Gast blickte. "Ich muss mich nicht erklären. Du behauptest, den Namen eines Tiberius zu tragen. Hast du Beweise?" Die Versachlichung gelang, wenn auch mit großem Kraftaufwand. Der Prätorianer in ihm trat zurück und gab den Menschen frei.

    Verus wartete ab, bis er etwas sagen konnte. Er blickte zum Konsul und suchte Augenkontakt. Der Prätorianer wollte sich rückversichern nun sprechen zu können, was er dann auch tat. "Varia ist ohne Zweifel die Anführerin gewesen, Quintilia," stellte der Trecenarius fest und ließ auch keine Antwort darauf zu, da er direkt seine Fragen stellte. Immerhin bestätigte diese Zeugin in Teilen die Berichte der Prätorianer, auch wenn ihre Einsicht stark eingefärbt war und nicht ganz ohne Emotion geschildert wurde. Ein übliches Problem bei Aussagen: Emotionen. Details, die vom Tathergang ablenken und nur wenig zum Inhalt beitragen. "Hast du eine persönliche Beziehung zu Varia unterhalten? Du sagtest, dass du sie mochtest?" Verus musste wissen, wie eingefärbt ihre Erzählung war. Zu ihrem Glück bestätigte diese Frau sogar weite Teile des Berichtes, der hier bereits vorlag, so dass der Prätorianer kein großes Interesse daran hatte, diese Quintilia mit kausalen Fragen auf lange Sicht zu quälen. "Ferner: Kannst du mir berichten, welche Aufgaben sie für den Helvetius wahrgenommen hat? Sie war sicherlich nicht nur Leibwächterin. Hat sie dir von Aufgaben oder Dingen berichtet im Zusammenhang mit einer Sergia Fausta?" - wurde er nun doch konkreter aber verzog keine Miene.


    Verus bemerkte den warnenden Ruf und schaltete sofort in seinen dienstlichen Modus um. Kalt berechnend entschied er, dass er längst am nächsten am Hergang stand und sich sofort einschalten musste, auch wenn er dadurch seine Position und Zugehörigkeit verraten konnte. Mit einer erhobenen Faust deutete er zwei Prätorianern aus den Reihen an, sich ihm zu nähern und den Dieb einzukreisen, den man noch nicht klar identifizieren konnte. Doch ausgehend vom Getöse und dem Lärm war der Kreis eng genug, dass man den Mann stellen konnte. Jeder der sich jetzt schnell oder behände entfernen würde, würde gestellt werden. Zudem war das Fangen eines Diebes eine willkommene Abwechslung für den überlasteten Trecenarius, der sich gerade durch die Mengen drängte und bereits jenen kleinen Holzknüppel in fester Faust hielt.

    Gedanken sprangen ungezügelt, nicht immer beständig durch seinen Verstand, wie eine Melodie, die in Gesang überging und sich wieder in einzelnen Tönen verlor. Verus konnte verstehen, was Luna sagte. Ihre Worte waren diese Melodie, auch wenn sie banal und klein waren. Ihre Stimme verschaffte Heimat. Ein Zuhause. Auch wenn Verus sich stets weit von diesem Gefühl entfernte, fand er immer wieder dorthin zurück, weil ihre Melodie ihn rief. Er blickte zu seinen Soldaten, die erleichtert waren, dass sie ein wenig Erholung erhalten konnten, sofern ihr kommandierender Offizier zustimmte. Verus stimmte wortlos mit einem Nicken zu. Ein Verwandter war eingetroffen? Er kannte keinen Tiberius Globolus. Und bei Weitem war die Familie durch Krieg und Aufstand weitreichend zerschlagen worden. Diese Entwicklung erforderte seine Aufmerksamkeit, auch wenn dies kein Moment war, den er ersehnte. Verus war misstrauisch geworden. Überall sah er möglichen Verrat und Gefahren. Das Angesicht des mächtigen Prätorianerführers erstarrte. Die Wärme, die er kurz gefunden hatte, verflog und sein Gesicht passte zum fremden Blut und dem Schmutz zu unter seinen Nägeln. Es war kalt. Dieses Gesicht war fokussiert und rechnete mit allem, nur nicht mit Vertrauen und Wahrheit. Die beiden anderen Offiziere traten mit einer gedrillten Bewegung ab und fanden sich bald im Bad wieder. Verus blieb mit Luna für einen Augenblick allein zurück. "Ich kenne keinen Tiberius Globolus. Informiere die beiden Wachen," sagte Verus ernst zu Luna, während er bereits seinen Dolch vom Gürtel löste, um diesen hinter dem Rücken zu verbergen. Er würde nicht unbewaffnet einem Eindringling gegenüber treten. Mit festen Schritten trat er durch die Flure bis er argwöhnisch das Triclinium betrat. "Salve," grüßte Verus knapp und blickte ohne Emotion in die Richtung von Globolus. Die Tür ließ er offenstehen, damit die beiden Wachen, die stets sein Haus bewachten, hinzu stoßen konnten. "Tiberius Globolus?"- fragte der Prätorianer und blickte finster auf den Mann. Verus rechnete mit allem. Einem Attentäter, einem Betrüger und auch einem Dieb.

    Getrieben von wahnhaften Gedanken über aktuelle Berichte, die ihn nicht mehr losließen. Immer wieder musste er jene Fälle in Gedanken zerkauen, verarbeiten und erneut denken. Die Lage in Rom war mehr als prekär. Nicht nur, dass die Prätorianer politisch bloß gestellt waren, sondern viel mehr entglitt ihnen stückweise die Kontrolle über Entwicklungen, die vor Jahren undenkbar waren. Aufstände in einem solchen Ausmaß in Rom selbst. Unruhige Geister in den Reihen der Führung und dazu noch unsichere Grenzen im Osten durch politischen Verwicklungen in den Klientelstaaten. Zwar sollte der Caesar diese bereinigen aber mitunter würde dies nur Zeit erkaufen. Darüber hinaus bereicherten sich Gewinnler unsäglich am Leid der Urbs, so dass Verus bereits neue Unruhen aufkeimen sah, die unvermeidlich über die Gier weniger genährt wurden. Die Lage war konfus und der Kaiser sah zurecht nur auf den Senat, dem er näher stand als seinen Armeen. Verus war in seinem Amt isoliert, musste alleinige Entscheidungen rechtfertigen, die nicht nur die Prätorianer betrafen. Diese furchtbaren Geheimnisse zerfraßen die Seele. Mit niemanden außerhalb seiner vertrauten Seilschaften und handverlesenen Prätorianer war ein offenes Gespräch möglich. Der Sachzwang diktierte und der eigene Wille schwieg. Auch Luna sollte nicht wissen, was wirklich geschah. Sie konnte es nur in seinen Augen ablesen: Sorgen, Ängste und Reue. Verus verachtete sich selbst aber konnte seiner ihm eigenen Eigenschaft nicht entfliehen. Er war nun mal Trecenarius und damit nicht nur Geheimdienstchef, sondern auch Chefmeuchler und Problembeseitiger des Reiches. Und die Probleme wurden nicht weniger. Sie nahmen eher mit jedem Bericht zu. Mit seinen beiden getreuen Offizieren, deren Namen selten offen genannt wurden, trat er zerknirscht und erschöpft durch das Portal des Hauses. Die Arbeit heute war wieder hart gewesen. Zudem konnte er sie nicht beenden und würde mit den beiden Offizieren ein weiteres Vorgehen besprechen müssen. Verus hatte Blutstropfen am Hals, welche nicht ihm gehörten. Auch war unter seinen Fingernägeln Erde, welche diese entstellte. Auch die beiden Offizieren waren dezent mit Blut besprenkelt. Man hatte diese Zeichen dezent unter weiten Mänteln verborgen, die aber nun abgelegt wurden. "Luna," donnerte Verus Stimme durch das Haus. Er war unruhig und hatte keine Zeit. In dieser Sache musste schnell eine Entscheidung gefällt werden. Überaus schnell. "Ich habe Gäste mitgebracht. Kameraden. Wir essen einfache Kost und werden diese im Officium einnehmen," rief der Prätorianer-Offizier, der Verus nun einmal war, nicht fordernd aber bestimmend in die Hallen des Hauses. "Auch brauchen wir Wasser und Tücher." Ein wenig Reinigung wollte er sich erlauben, um dieses unreine Gefühl entsorgen zu können. Ein Vollbad und somit eine Gesamtreinigung war erst später möglich, wenn diese Sachlage endgültig entschieden war. Und wie dies nun mal war, würde dies erst spät in der Nacht möglich sein. Die Männer trugen verdeckt ihre Stoßdolche, die sich jedoch am Gürtel der Tunika abzeichneten. Diese Pugio waren zum Selbstschutz notwendig geworden, da Verus jederzeit mit Angriffen auf sich und Gleichartige rechnete. Der Mann konnte nicht wissen, dass ein Familienangehöriger eingetroffen war, den er nicht mal wirklich kannte. Seine Sippschaft war nach dem Bürgerkrieg und ohnehin schon seit Ahnenzeiten weit über das Imperium verstreut. Verus würde davon überrascht werden und es würde seine Paranoia nähren. Denn ein Prätorianer dürfte niemandem vertrauen. Nicht einmal sich selbst. Kontrolle über die Umstände und Faktoren war entscheidend, nicht nur für das eigene Überleben unter den verdeckten Waffen, sondern auch um seine gesteckten Ziele sowie Interessen verfolgen zu können. Der Auftrag war stets klar.

    Verus schien überrascht, dass dieser Mann in übliche Obrigkeitsverhaltensweisen fiel. Obrigkeiten konnten nur dann helfen, wenn man ein klares Ordnungsverhältnis hatte. In dieser Sache galt kein Ordnungsverhältnis, sondern schlicht Interessen zumindest gleichrangiger Gruppen. Der Trecenarius war nicht in der Stimmung dieses Theater länger als nötig zu betreiben, denn in dieser Sache war seine Zeit begrenzt. Eine Unmenge an Aufklärungsarbeit lag vor ihm. "Ruhig atmen," ließ sich Verus Zeit und gab dem guten Procurator einen Rat, den er selbst auch häufig beherzigen musste. Man sollte sich niemals all zu sehr beteiligen und aufregen. Nicht über Dinge, die man ohnehin nicht ändern konnte. "Ich möchte dich nicht an das Kriegsrecht erinnern. Die Zuständigkeiten der Prätorianer?" - fragte der Geheimdienstchef rhetorisch und nickte dem Fabier gelassen zu. "Warum diese Drohung? Diese Forderung?" - fragte er nun ehrlich interessiert, da er verstehen wollte, warum dieser Mann sich an seine Obrigkeit klammerte. In dieser Sekunde erinnerte sich Verus an ein Gedicht, welches er gelesen hatte. Schöne Worte, die umschrieben, welches Dilemma Menschen besaßen. Niemand konnte wirklich seiner Haut entfliehen und war verdammt dazu, hier zu sein. Einfach hier zu sein. Dieses Hier hatte Verus schon immer fasziniert. "Übrigens, wenn wir bereits Straftaten etablieren: Die Behinderung der Prätorianer in einer Sicherheitsermittlung ist Förderung und Beihilfe zum Umsturz oder Verrat. Was machen wir nun?" Verus schien unbeteiligt und deutete seinen beiden Soldaten an, dass sie sich mit den geborgten Unterlagen entfernen konnten. "Wir können gerne den Kaiser in dieser Sache informieren und dann informieren wir ihn auch gerne über diesen Vorfall und erklären ihm, dass du eine wichtige Ermittlung aus Stolz behindern wolltest," sagte der Prätorianer-Offizier im dezenten Schritt an Fabius vorbei. "Oder wir gehen einfach auseinander, so als ob wir nie hier waren. Du behinderst uns nicht und wir stören die Archivruhe nicht weiter?" Für den Trecenarius war die Sache längst entschieden.

    Verus hegte zwar keine Abneigung gegen die Urbaner aber eine große Wertschätzung ebenso wenig. Für ihn waren es ebenso Soldaten, wie er selbst. Der Trecenarius war kein Freund von Elitenbildung und Sonderstatus. Insofern tat er hier seine Pflicht und hatte sich als Leitstelle für diesen Einsatz unter die Zuschauer gemischt, wo er Abseits die verdeckten Soldaten der Prätorianer steuerte und mit geheimen Zeichen anwies, Personen festzunehmen und somit zu behandeln oder eben Beobachtungsposten einzunehmen. Die Sicherheit dieser Veranstaltung war überaus wichtig, so dass Verus es sich nehmen ließ, jeden einzelnen Posten selbst einzuteilen. Dies war zwar eine erstaunliche Arbeit aber das gute Gedächtnis des Mannes zeichnete sich hierbei besonders aus. Verus hatte gelernt zu führen und tat dies auch mit einer Effizenz, die selten erreicht wurde. Dennoch mangelte es ihm an gewisser Feinfühligkeit, so dass viele Bürger, die nur verdächtig erschienen, von der Veranstaltung schnell und geordnet entfernt wurden. Man tat ihnen nichts weiter an aber man gab ihnen klar zu verstehen, dass sie nach Hause gehen sollten. Verus selbst hatte durch diese Aufgab kaum Zeit seine Augen auf das Opfer oder die Veranstaltung selbst zu richten. Er würde später seine Ehren erweisen, in stiller Minute mit ein wenig Ruhe.

    Vernunft war eine böse Waffe. Diese berechnende Ratio der Prätorianer, der in der alten Zeit schon viele zum Opfer gefallen waren. Nero hatte sie benutzt, auch schon Caligula und jeder Kaiser danach. Die Prätorianer waren besessen von Macht aber gleichsam triumphierend kalt. Sie führten aus, was man ihnen auftrug aber führten auch ihre eigenen Interessen aus, um ihr Bild von Rom zu schützen. Sie schützten das, was sie für Rom hielten und verteidigten jene Staatsmacht nicht nur mit Blut, sondern auch mit Verstand und Furcht. Durch diesen Terror waren sie verdorben und unersetzlich. Jeder Kaiser brauchte sie, denn sie waren die tapferen Henker und Handlanger einer alten Idee. Sie scherten sich nicht um Anstand, um ständische Geschehen oder Geschichte, sondern taten das, was notwendig war. Nur der Zweck schien ihre Mittel zu begrenzen. Leider war ihr Ansehen dadurch beschmutzt, denn jeder wusste, was sie tun konnten und auch würden, wenn der Kaiser es befahl oder sie es für notwendig erachteten. Der Dienst forderte seinen persönlichen Tribut von allen Prätorianern. Sold konnte nicht jede Wunde heilen. So auch in dieser Nacht. Die Prätorianer waren zur Erkenntnis gekommen, dass ein Mann sich am Umstand des Aufstandes bereicherte. Er zog Gewinne aus zerstörten Grundstücken, bereicherte sich an leidenden Familien und entzog dem Markt Gelder. Ein Mann, der wie viele Gewinnler am Leid profitierte. Doch dieser Mann war nicht bereit zurückzustecken, für einen Moment auf seine Gier zu verzichten und dem Kaiser zu geben, was dem Kaiser war. Ein instabiler Markt, verarmte Bürger in großem Umfang und wenige Reiche, die sich die zerstörten Grundstücke unter den Nagel rissen, konnten einen erneuten Aufstand beschwören. Es galt dies zu verhindern. Verus persönlich wollte diesen Bürger beseitigt sehen, da dieser Mann nicht nur durch deutlich unmoralische Geschäfte aufgefallen war, sondern auch weil er den Prätorianern entsprechende Anteile verweigerte. Er ließ sich nicht begrenzen, forderte mehr ein und ertrank in seinem Gold. Die Berichte sprachen eine deutliche Sprache, dass dieser Mann einen neuen Aufstand billigend inkaufnahm. So ritten die handverlesenen Speculatores aus. Ihre brennenden Öllichter an den kurzen Stangen wiesen ihnen einen Weg.


    Bereits im Vorfeld waren sie nach Ostia gekommen, hatten diesen Einsatz geplant und waren bereit das Problem mit diesem Bürger endgültig zu lösen. Das Landgut des paranoiden Bürgers lag außerhalb der Stadt. Dennoch gut erreichbar. Der Mann bezahlte Schläger, die ihn schützten, darunter auch einige Veteranen. Doch Verus kannte die alten Tricks. Sie waren längst bestochen und öffneten das beschlagene Tor der Anlage und ließen die Prätorianer, die keine Rüstungen trugen, ein. Man löschte die Fackeln, während man sich dem großen Haus näherte. Die Schläger und Veteranen hatten sich bereits zurückgezogen, da sie an dem weiteren Geschehen nicht beteiligt sein wollten.


    Statuen, gepflegte Parklandschaften zeigten sich und ebenso viel Marmor. Der Mann war überaus reich. Verus kümmerte dies nicht. Der Auftrag war klar. Man öffnete leise das Hauptportal, um in die Villa einzudringen. Schnell fand man die große Treppe, welche nur sperrlich beleuchtet war.


    Mit Mühe konnte man sich herauftasten, bis man im zweiten Stock war. Die Prätorianer erreichten das Schlafgemacht, wo der Hausherr mit seiner Geliebten nächtigte. Seine Frau war ohnehin in Rom verblieben, mitsamt der Familie. Dies war das geheime Liebesnest des schmarotzigen Römers. "Publius Ofillius Crepereianus Classicus," sagte Verus bewusst laut aber nicht zu laut und ließ seine Männer weiträumig den Saal absperren. Zwei Männer bezogen Position an der Tür. Der beleibte Römer riss erschreckt die Augen auf, mit ihm auch seine Geliebte, welche bildschön war. Die Frau wollte kreischen, doch ein Soldat schnitt er mit einem geübten Schnitt die Kehle durch, so dass Blut in die Seidentücher des Bettes lief. Sie konnte nicht mehr schreien, sondern nur noch gurgeln, bis sie schließlich mit aufgerissenen Augen ihr Leben aushauchte. Ofilius war vor Angst erstarrt. Verus nickte dem Mann, der die Frau zum Schweigen gebracht hatte, kalt dankend zu. Nicht immer musste man Befehle klar aussprechen.


    Diese Einheit wusste, was sie tat und hatte dies auch schon öfter getan. Rom war nicht groß geworden, weil es nett oder rücksichtsvoll war. "Ofilius, mit Schrecken mussten wir erfahren, dass du deine Geliebte im Schlaf ermordet hast, um schließlich in Schmach und Schande im Opiumrausch vom Balkon in den Tod zu stürzen," erklärte Verus nüchtern und blickte ohne Emotionen in das Gesicht des Goldbarons. "Ich...Ich," versuchte er Worte zu finden, bis er realisierte, was geschehen war. "Sie hatte damit nichts zu tun!" - schimpfte er mit unterdrückter Wut und Angst. "Jeder zahlt seinen Preis, Ofilius," mahnte der Trecenarius. "Nun auch du. Deine Familie wird es dir danken," meinte Verus.


    "Entweder du trinkst nun das Opium in flüssiger Form und wir gehen dann gemeinsam zum Balkon, wo du dich herunter stürzen wirst oder wir helfen nach," ordnete der Prätorianer an. Ofilius verfiel in eine tote Angststarre, da ihm nun klar wurde, dass er nicht entkommen konnte. Doch in Panik versuchte er einige Atemzüge später, einen Fluchtversuch, welcher durch Verus mit einer kräftigen Armdrehung verhindert wurde. In diesem festem Griff konnte der Delinquent nicht mehr fliehen und wurde mit der anderen Hand von Verus an der Nase in Position gehalten. "Los," befahl Verus und ein Soldat trat heran, um dem armen Mann jenes Opium, welches durch diverse Stoffe verdünnt war, über den Mund zu kippen. Man sollte es nur riechen, sofern man ihn fand. Zwei Haussklaven, welche nicht in den bereits verschloßenen Quartieren nächtigten, trauten sich herauf, die durch das Getöse geweckt worden waren. Doch an der Treppe erkannten sie jene Vorgänge und zogen es vor, durch den Eingang zu verschwinden, doch Prätorianer stellten sie und machten den Wissenden einen schnellen Prozess. Man verbrachte die Getöteten an den Treppen aufgang, so dass es so erscheinen musste, dass auch diese von Ofilius getötet wurden; in seinem Rausch und Wahn. Ofilius wehrte sich müde, konnte aber nicht entkommen, da Verus seinen Griff verfestigte. Das Opium floss über den Mund, gab seinen Nebel frei aber wirkte nicht, da sich der Mann verweigerte den Mund zu öffnen.


    "Unterstützung," donnerte Verus leise. Der zweite Mann ihm gegenüber, der noch immer die Klinge hielt, legte diese auf dem Bett ab, um Verus mit seinen blutigen Händen zu helfen. Er packte die Schultern des Mannes und gemeinsam tänzelten sie in Richtung des Balkons, welcher offen stand. Ofilius wehrte sich heftig, so dass seine Nase leicht einbrach und seine Schulter auskugelte aber er konnte nicht verhindern, dass die beiden Prätorianer den Mann über die Brüstung warfen. Zu seinem Glück kam er günstig auf, so dass er sofort tot war. Das Geräusch weckte die anderen Sklaven und Bediensteten, die jedoch am Herausstürmen gehindert wurden, da ihre Quartiere durch die Prätorianer blockiert waren. Sie würden einige Momente brauchen, um die einfachen Schlösser aufzubrechen, die mit Ofilius Schlüssel verschlossen worden waren.


    "Abrücken," befahl Verus, der sich seine blutigen Hände am Bettuch abwischte, auf welchem immer noch tote Geliebte lag. Man trat eiligst die Treppen hinab, eilte zu den Pferden und entschwand in der Nacht. Ofilius war nun wieder nur ein Bericht, welcher abgeschlossen werden konnte. Durch seine Gier sollten keine weiteren Unruhen entstehen können.

    Es war alles erledigt. Sofern man in einem Haushalt wirklich alles erledigen konnte. Verus war kein guter Hausverwalter und verstand auch nicht wirklich jene zivilisatorischen Standards, da er fast sein ganzes Leben Soldat war. Für ihn war bereits ein Bett, welches keine einfache Pritsche war, ein erstaunlicher Luxus. Noch immer schmerzte der Rücken von der weichen Unterlage, die er sonst nicht kannte. Wolldecken als Unterlage waren ansonsten seine Schlafstätte gewesen, doch Luna hatte auf gute Betten mit Fell und dicken Unterlagen bestanden, da sie erfahren hatte, dass dies in besseren Kreisen Standard war. Rom wollte seine Herkunft gerne verdrängen, doch gehörte auch er zum Adel dieser Stadt. Sein Stand verlangte gewisse Attribute. Er musste nicht mehr in der Castra Praetoria nächtigen und doch zog er es oft vor, dort zu verbleiben, denn die Arbeit schlief niemals. Dort war er besser erreichbar, näher am Geschehen und war umgeben von vertrauten Gesichtern, die verstanden, was er war. Außerhalb der Soldaten fand er selten Vertrauen und Verständnis. Zu seinem Glück hatte er Luna, die inzwischen viel von Rom verstand oder zumindest eine Sicherheit im Umgang mit den Verwalterpflichten eines Haushaltes besaß. Verus verbarg vor ihr nicht, dass sie nach germanischer Sitte verheiratet waren und dies wohl nun ihr Haus war. Zwar würde diese Ehe niemals in eine legale Ehe überführt werden können aber Verus Herz verlangte eine Bekundung, die er Luna im Geheimen längst gegeben hatte.


    Die Villa Tiberia stand unter sanftem aber festem Blick seiner vermeintlichen Sklavin, was die anderen Sklaven des Hauses erstaunlich wertschätzten. Auch wertschätzte dies, weil der Umgang mit Sklaven für ihn immer noch problembehaftet war. Nach den Eindrücken in Germanien, jenem Schmerz den Luna und er teilten, war es für ihn fast unmöglich als harter Dominus zu wirken, wie es wohl einem ranghohen Soldaten erwartet wurde. Insofern entstand in Verus Stammhaus eine ruhige Atmosphäre einer gewissen Freiheit, die die Sklaven genossen aber auch nicht überspannten, da sie wussten, das ihr Schicksal auch hätte anders verlaufen können. Seine Sklaven waren stets ordentlich gekleidet, warm gebettet und aßen oft die gleichen Speisen, wie auch Verus, der einfache Kost bevorzugte. Luna achtete auf eine gewisse Ordnung und sorgte stets dafür, dass die Sklaven niemals vergaßen, was richtig und was falsch war. In den letzten Wochen war sie fast zu einer römischen Hausmatrone gereift, wenn sie nicht ihre Herkunft und Umstände daran hindern würden. Luna war eben im Herzen immer eine germanische Seherin, die stets auf das Gute hoffte und das Leben in jeder Form achtete. Diese Eigenschaft löste bei Verus stets Bewunderung aus. Eine echte Bewunderung, welcher er selbst nichts entgegenbringen konnte; nichts gegenbeweisen konnte, denn seine Welt war voller Gewalt, Heimtücke, Grausamkeit und kalter Agonie. Als Trecenarius fielen ihm viele unsaubere Geschäfte für den Kaiser zu, die er nur schwerlich ertragen konnte aber musste, da er tapfer war. Er war ein tapferer Soldat, der mutlos seinem Schicksal folgte, weil er sich immer davor fürchtete, was danach kommen konnte. Verus war nun mal Soldat und das definierte ihn, auch wenn er gerne nur Mensch wäre aber der Mensch, der einst nur Philosoph sein wollte, war auf den Schlachtfeldern der Grenze gefallen, unter all dem Blut und dem Geschrei; gefolgt von dieser trostlosen Stille, die keine Antworten geben konnte. Wenn ein einfaches Leben so genommen werden konnte, war auch er bedeutungslos, verschwindend gering konnte sein Leben sein. Und doch fand er auf den Schlachtfeldern diese Tapferkeit, die ihn mächtig und stark machte aber der Preis war hoch, denn er war längst mutlos überhaupt etwas an den Umständen zu ändern. Verus war ein guter Krieger, ein Kämpfer, noch unbesiegt, der tapfer seine Funktionen ausfüllte, sich in jeden Konflikt für Rom warf aber nicht den Mut fand, Mensch zu sein und sich aufzulehnen. Er konnte nichts mehr ändern und doch war da Luna, welche ihn darin erinnerte, was er einst war und tief in seinem Herzen noch immer war: ein guter Mensch.


    Nicht einmal der Schmutz, das Blut und die Gewalt konnten verbergen, was er wirklich war. Sie liebte ihn. - Und er liebte sie. "Danke," sagte der Römer mit liebevoller Stimme. Mit einer Stimme, die Luna allein gehörte; ohne Zorn, ohne Wut und ohne Herrschaft. Ein ehrliches Danke war entstanden, welches alles zeigte, was er ihr schuldete: Dankbarkeit. Luna war sein Leben, welches längst unter den Schwertern lag. Sein Herz blutete noch. Beide blickten sie zur Bühne. Verus dachte an dieses arme Geschöpf, welches ähnlich einfach genommen war, wie viele in dieser Welt. Auch war Chyou in gewisser Hinsicht entrissen worden.


    Als Soldat verstand er den Zwang und die Ketten sehr wohl. Sie war anders, auf ihre Art eine Blume unter diesen tristen Gesichtern an Römern, die ihren Alltag mehr schätzten als Würde. Würde, etwas das Verus selten fand aber wertschätzte. Menschen, die sich selbst und anderen Würde bewiesen, egal welche Umstände sie quälen mochten. Würde war etwas, was nicht verdient werden konnte aber verloren und entrissen werden konnte. Viele Römer verloren ihre Würde schneller als es ihnen selbst bewusst wurde; manchmal hatten sogar Sklaven mehr Würde als ein Senator, welcher seinen Stand missverstand und als selbstverständlich erachtete. Verus beobachtete Menschen. Dies war seine Aufgabe, sein klarer Auftrag und somit verstand er etwas von Würde. Leider wusste er selbst um sich, dass er selbst seine Würde verloren hatte. Er diente. Ein Sklave des Befehls und angekettet an seine Taten, die niemals sein Wunsch waren. Doch neben ihm stand Luna, seine Idun, die ihm Würde gab. Ihre Liebe verlieh ihm Würde, weil sie an ihn glaubte. Ihre Wirkungsmacht strahlte aus, und sie wieder das Richtige tat und bot für die Blume auf der Bühne, welche ihre eigene Würde besaß.


    Ein ängstliches Lächeln legte sich auf seine Lippen, als er mit einem Nicken das Gebot bestätigte. "Ja," rief Verus dezent und legte Luna seine Hand auf die Schulter. Eine Geste des Vertrauens und des Zutrauens. "Ich biete 600!" Nun war er sich sicher, dass Luna, ähnlich ihm, diese Blüte bewahren wollte. Nicht nur, dass sie ein Talent besaß, welches im kalten Rom für einen Soldaten von Wert werden konnte, wenn sie schöne Dinge pflegen konnte, sondern auch das sie Luna helfen konnte. Ferner wollte Verus inzwischen der armen Chyou helfen, auch wenn er den Umstand, das sie Sklavin war nicht ändern konnte. Mitgefühl war eine mächtige Kette für das von Frost umgebene Herz des Römers. Für Lunas Lachen würde er Mauern einreißen, wie einst in Dacia.

    Verus beugte sich dezent vor und nickte dem Konsul zu. "Eine direkte Augenzeugin und nicht minder Beteiligte befindet sich doch in deinem Besitz, Konsul," offenbarte der Trecenarius zynisch und spielte selbstverständlich damit auf Morrigan an. "Wir können sie gerne befragen und werden sicherlich weitere Hinweise aus ihrem Munde erhalten." Natürlich hatte er bereits Informationen im unangenehmen Geheimgefängnis der Prätorianer von Morrigan erhalten und war verantwortlich dafür, dass sie sich nun hier befand. Auch hatte Verus ein Geständnis, welches ihm umfassende Möglichkeiten einräumte, gegen andere vorzugehen. Morrigan war ein guter Spielball, der nun aus der Kiste geholt werden konnte.

    Verus hustete gespielt. "Tuscenius Tutor war Besitzer der Bäckerei. Besitzer, nicht Bäcker. Eine kleine Korrektur." Der Trecenarius schien immer noch unberührt, gänzlich kalt über die erneuten Darbietungen. "Im Dunstkreis der Subura? Fraglich, da beide in besseren Vierteln lebten. Ich denke, dass sie einfach zur günstigen Triebabfuhr in der Subura waren," erklärte Verus. "Ich kann gerne eine ausführliche Opferliste nach unserem Stand präsentieren," bot er an und nickte dem Konsul zu. "Das Kommunikationsmängel vorlagen, steht wohl außer Zweifel, Optio," ging er vorsichtig auf den Olivenzweig ein. Auf die Ermittlungsmängel der Urbaner wollte er auch nicht weiter eingehen, da sie bereits aus seiner Sicht dargelegt waren.

    Zitat

    Original von Luna


    [...]


    "Dominus." sagte sie leise und grüßte mit einem Kopfnicken.


    Erleichterung. Verus sah seine geliebte Luna an, die sich näherte. Ein vorsichtiges und zerbrechliches Lächeln fiel über seine eigenen Lippen. Der römische Prätorianer spürte einen kurzen Herzschlag, der dumpf durch seinen Leib trieb und seine Atmung minimal beschleunigte. "Luna," grüßte Verus mit einem warmen Wort, welches ohne Schande und Zorn aus seinem Munde fiel. Verus verlor für einen Moment diese kalte Enttäuschung und diese sehnsuchtsvolle Rache, die ihn befallen hatte. Seine Geliebte gab ihm Hoffnung, die Grausamkeit für Momente zu vergessen. Für einen Moment Mensch zu sein. "Es ist schön dich zu sehen," sagte der mächtige Geheimdienstchef, während er deutlich näher an sie heran trat aber er durchbrach nicht die höfliche Grenze. Seine Macht war in ihren Augen bedeutungslos und diese Bedeutungslosigkeit gab ihm Erlösung. In ihren Augen war er nur ein liebender Mensch. Es war eine einfache Wahrheit, die keiner Beweisführung bedurfte. Liebe war ohne Beweis gültig. Sie war immer richtig. "Hast du die Bestellungen aufgeben können?" - fragte der unruhige Verus, der unsicher wurde. Immer noch fiel ihm der Alltag schwer und als neuer Hausherr eines großen Stadthauses hatte er allerhand Alltag zu bewerkstelligen, neben seinem harten Dienst als grausamer Schattenmann. Schließlich wanderte sein Blick wieder hinüber zur fremden Sklavin, die ähnlich einem Stück Vieh angeboten wurde. Ein übliches Geschäft auf diesem Markt, so dass Verus nicht erstaunt war. Dennoch tat sie ihm leid. Dieses einfache Geschöpf, hier so fremd und entrissen, wurde begafft und mitunter an falsche Hände vergeben, die es nicht als Wert schätzten, sondern nur als Objekt. Verus war niemals ein schlechter Sklavenhalter gewesen. Mit jener Ausnahme, dass es von ihm verlangt werden konnte, Sklaven zu bestrafen und zu richten. Rom war immer seine oberste Devise, wenn auch inzwischen eine leere Devise. Doch Verus als Mensch, sofern er nicht durch Pflicht gebunden war, war ein großherziger und warmer Dominus, der sicherlich mehr Menschlichkeit anbrachte, als andere. Dies stand sogar im krassen Kontrast zu seiner dienstlichen Persönlichkeit, die grausam und dominant sein konnte und auch musste. Die Prätorianer verlangten jedwede Hingabe aber verlangten keine hinderliche Moral. Vielleicht trafen es Sklaven in seinem Hause sogar besser als die Bürger, die er bearbeiten musste.

    Getroffene Hunde bellen. Verus war davon überzeugt, dass die Ermittlungen der Prätorianer ausreichend waren und zumindest einen Tathergang liefern konnten. Im Gegensatz zu den dürftigen Ermittlungen der Urbaner, die bis heute nur Behauptungen und Abwehraussagen aufweisen konnten. Weitreichende Berichte fehlten. Auch Quellen innerhalb der Urbaner berichteten den Prätorianern von gewissen Defiziten. In diesem Sinne musste Verus im Sinne der Wahrheitsfindung einige Aussagen korrigieren: "Erstens haben wir keinerlei Belege dafür, dass es sich um einfache Handwerker handelte. Im Gegenteil. Es waren Römer. Römische Bürger. Auch konnten wir durch eigene Ermittlungen an diversen Leichenfunden der Stadt, sogar tote Ritter ermitteln, die ähnlich ums Leben gekommen waren. Es ist eine falsche Behauptung der Urbaner," erklärte Verus nüchtern und wich dem feindseligen Blick des Tribuns der Urbaner nicht aus, sondern hielt Stand, während er weiter ausführte. "Zweitens berichten uns Familien von verschwundenen Bürgern, die zur geraumen Zeit nicht nach Hause zurückgekehrt waren. Durch Vergleich zweier gefundener Siegelringe, konnten zwei der verschwundenen identifiziert werden. Es besteht die Möglichkeit, dass Varia noch weitere Morde begangen hat." Schließlich blickte er zum Optio. "Und in Befragungen gab die Varia an, dass sie nicht nur selbst gemordet hat, sondern auch Teile ihrer Bande. Aussagen belegen uns, dass bei einigen Taten sogar entfliehende Gruppen gesehen wurden. Auch Gefangene berichteten uns davon," gab er sein Wissen preis. "Ich werfe den Urbanern nicht im konkreten Versagen vor." Verus blickte wieder zum Tribun. "Wir besitzen noch weitere Berichte und haben diverse Zeugen aufzubieten, die unseren Tathergang belegen können," sagte der Trecenarius dann mit einer erneuten Handgeste. "Der vorliegende Bericht ist direkt nach der Gefangennahme entstanden," vermeldete Verus kühl und ließ damit offen, was er wirklich damit meinte. Dass der Optio nicht auf die Rückfrage durch den Helvetius eingehen wollte, tat der Geheimdienstchef schlicht ab, denn es war üblich besser zu schweigen als etwas Falsches zu sagen. Der Optio wollte sich sicherlich nicht selbst mit Insubordination oder Schlamperei belasten. Verus kannte dieses Verhalten und nahm es ihm noch nicht einmal übel. Viel interessanter war der Fakt, dass bisher als einzige Organisation die Prätorianer Berichte und Erklärungen vorweisen konnten, insofern waren sie die einzige Einheit, die wirklich ermittelte und sich nicht in die Defensive begab. Die Prätorianer zeigten sich sogar offen in dieser Sache, soweit es eben möglich war. Die Prätorianer präsentierten einen Tathergang und Schlussfolgerungen. Über die Schlussfolgerungen ließ sich streiten aber im Kern konnten die Prätorianer mehr zu Varia vorweisen als die Urbaner. Verus war diese lästige Debatte leid, denn die Urbaner zogen sich in eine Opferposition zurück, versteckten sich hinter Gefallenen und der großen Aufgabe sowie dem Aufstand. Sie gaben jedoch nichts Sachdienliches zum Hergang an, sondern versuchten den Hergang klein zu reden und den Kernfragen auszuweichen. Verus seufzte und lehnte sich dann mit verschränkten Armen in seinen Sitz zurück, bevor er zum Konsul blickte, damit dieser die weiteren Fragen moderieren konnte.

    Kalte Rache. Es war dieses frostige Gefühl, welches durch seinen Körper streifte, wie ein Fremdkörper. Ein Geschwür wuchs in ihm, welches ihn emotional verwahrloste. Es waren Gedanken. Wachsende Gedanken, die gegen jeden Herzschlag einen Zweifel setzten. Sein Leben war Funktion. Ein sinnloses Überleben in einem schrumpfenden Universums. Jeden Tag schien seine Welt kleiner, begrenzter und undurchdringlicher. Er war hier gefangen, wie die Sklaven, die er beobachtete, wenn er über diesen Markt ging. Verus trat gerne über die Märkte, sah die Geschichter der Menschen, so frei und unfrei sie waren. Jeder trug hier seine Ketten, ob sie nun geschmiedet oder erdacht waren. Der Trecenarius wirkte unscheinbar, doch die kräftigen Musklen und Narben sprachen ihre eigene Sprache. Dieser Mann hatte gekämpft. Oft gekämpft. Der Tod folgte ihm heimlich und doch sah man ihn in seinen Augen. Es war diese kalte Rache des Krieges, die in ihm brannte. Der Krieg ließ ihn nicht mehr los, ließ ihn taub für viele Wunder zurück. Doch das Gesicht dieser fremden Schönheit, wenn auch unter Leid verbunden, ließ ihn inne halten. Dieses Wesen erinnerte ihn an Luna, seine geliebte Idun, die er aus den Fängen eines fernen Gefängnisses befreit hatte. Ihre Liebe gab ihm einen Hauch Leben. Einen winzigen Hauch der sterbenden Menschlichkeit. Ansonsten wäre er nur eine Bestie, die auf Befehl ihre Ketten verließ, um Feinde ihres Herren zu töten. Verus konnte meucheln, hatte es bereits oft getan und dies sogar im guten Glauben aber inzwischen konnte nicht einmal mehr das ihn erschrecken.


    Er fürchtete sich viel mehr vor dieser Leere, die ihn ergriffen hatte. Der Mann fühlte nichts mehr, außer eine verlorene Sehnsucht nach dem, was er einst war. Das Leben mit seiner Zeit verlief zäh, behäbig und auf ein Urteil wartend. Die wertvolle aber schlichte Tunika, die ertrug, zeigte keinen Stand oder auch besonderen Besitz. Er war unauffällig, gar normal erscheinend, wie er dort stand und zu Chyou hinauf blickte. Seine Augen fanden kurz Glanz, bevor auch diese wieder ermatteten. Ja, sie erinnerte ihn an Luna. Wie ein brauchbares Memorandum; ein schneller Traum, der vorbei huschte und schrie, bevor man ihn verlor. Ihr Gesicht war anders, so anders als alle Gesichter, die er bisher gesehen hatte. - Und er hatte viele Gesichter gesehen, leider auch viele Gesichter im Moment ihres Todes, als sie durch seine Klinge im Kampf fielen. Diese Sklavin war anders. Sie war anders und diese Andersartigkeit schien schützenswert, gar verletztlich und fremd. Chyou war eine echte Fremde in einer Welt der Fremden. Verus hatte sich selbst entfremdet und fand ein Gefühl wieder, welches er verloren glaubte: Mitgefühl. Zweifel nährten sich, gruben sich tief ein aber verstummten wieder, als die Erinnerung an die Kämpfe aufkeimten, die wohl auch Chyou auf die eine oder andere Art an diesen Ort gebracht hatten. Rom war Krieg. Rom war Macht und Rom war hier groß, während die Menschen klein waren.


    Verus war verkümmert, obwohl eine Maschine des Krieges war. Die Narben zeigten deutlich, was er war; zumindest denjenigen, die hinsehen konnten. Unbesiegt im Kampf, erfolgreich als Prätorianer, Geheimdienstchef und Meuchelmörder des Kaisers aber verloren als Mensch. Nur Luna war sein Herzschlag, der ihm leben gab. Er musste sie verstecken, verbergen, damit niemand sein Herz töten konnte. Doch konnte er sie nicht verstecken, denn ihr Herz musste atmen. Genau dieser Gedanke brachte ihn dazu, zu verweilen, weil er jenen Herzschlag vermisste und seine erlernte Grausamkeit drohte diesen zu ersticken. Verus war eben nur ein guter Soldat. Ein guter Soldat, der stets Befehle ausführte. Er rächte sich an seinem eigenen Herzen, welches ihn einst verraten. Chyou war verloren, wie einst er. Der Trecenarius trat heran, unerkannt in seinem Amt und seiner falschen Würde, und blickte reumütig zur Sklavin. Sie tat ihm so furchtbar leid. Beide waren sie entrissen. Wo blieb nur Luna? Er brauchte sie jetzt. Sie wollte ihn trefen, genau hier und sie war noch nicht eingetroffen.

    Verus beugte sich dezent vor und blickte Maro eindringlich an. In seiner Erinnerung stellte sich der Fall anders dar. Auch sahen die Prätorianer bereits eine längere Vorgeschichte. Die geheimen Berichte sangen ein anderes Lied. Es war an der Zeit, dass der Konsul mit ins Boot geholt wurde, damit dieser Optio die Kommission nicht in die falsche Richtung lenkte. "Erstens teilen wir diese Meinung nicht, dass es Gewinninteressen oder Gelegenheitsgründe waren, die sie morden ließen," begann Verus offen zu erklären und fiel damit, nachdem Maro gesprochen hatte, diesem mittelbar ins Wort. "Varia hat gestanden, dass sie Rom hasst. Wir vermuten, dass sie diese Morde gezielt begang, um Römer zu töten. Es handelte sich eindeutig um römische Bürger. Die Siegelringe wurden ihnen in den Hals gestopft, damit sie daran ersticken mögen. Sie sollten an ihrem Rom ersticken. Varia verabscheut Rom eindringlich. Nach ihrer erstaunlichen Lebensgeschichte ist dies auch kein Wunder. Ich werde uns gleich einen vertraulichen Bericht eröffnen," sagte Verus nüchtern und machte eine Handgeste, indem er flach seine Hand zeigte. "Varia wollte Römer töten," schloss er diesen ersten Gedanken ab und führte dann weiter aus. "Ferner gingen die Morde schließlich in die Aufstände über. Aber ich möchte darauf hinweisen, dass zwischen den ersten Ermittlungen und den eigentlichen Aufständen bereits Wochen lagen. Ich denke nicht, dass der Optio wochenlang bei den Leichen gestanden hat und urplötzlich vom Aufstand überrascht wurde. Durch Befragungen konnten wir ermitteln, dass es zahlreiche weitere Morde an Römern gegeben hatte, die ähnlich umgekommen waren. Man fand vor wenigen Wochen noch Leichen im Tiber mit einem ähnlichen Merkmal: Der Siegelring steckte im Hals," teilte Verus unverblümt die ersten harten Hinweise mit, die er ansonsten später angebracht hätte. "Bevor die wertvollen Fragen des Optios beantwortet werden, werde ich nun meinen Mann mit den Kopien des Berichtes hineinbitten, damit wir alle im Bilde sind." Der Trecenarius stand auf, ging wortlos zur Tür und brüllte einen unverständlichen Namen, so dann er alsbald einige Wachstafeln erhielt, die er an die Anwesenden verteilte. Auch an Maro. Dann setzte er sich wieder und erklärte mit starker Stimme: "Was in diesem Bericht steht, ist streng vertraulich und darf diesen Raum unter keinen Umständen verlassen. Dies gilt insbesondere für den Optio und auch für den Helvetius." Dann blickte er selbst auf die Wachstafel. "Ich denke, dass dieser Bericht bereits ein paar Unklarheiten beseitigen kann."


    Befragungsbericht


    Dieser Bericht unterliegt der Geheimhaltung. Nur Personen mit entsprechender Berechtigung erhalten Zugang. Eine Veröffentlichung außerhalb des vertraulichen Personenkreises ist unter Strafe gestellt.


    Fall: Varia
    Ermittler: Manius II
    Gefahrenstufe: Bedrohung für den Kaiser und das Imperium
    Priorität: Hoch


    Allgemeine Lage:
    Aufstände in Rom. Die Rädelsführerin Varia wurde nach harten Kämpfen aufgegriffen. Entsprechende Lageberichte liegen bei den Einheiten vor. Varia wurde ins Verließ gebracht und dort von niederen Soldaten misshandelt. Folter nicht ausgeschlossen. Dem eingesetzten Trupp bot sich eine geschundene Frau als Anblick, welche nackt und mit Wundmalen gezeichnet war. Die Befragung diente der erweiterten Feststellung und Einschätzung der vorhandenen Bedrohung. Die Befragung begann gegen Abend des gegebenen Tages.


    Bericht:
    Varia gab an einem Stamm aus Themiskyra anzugehören. Sie war dort Kriegerin. Ihre Mutter trug den Namen Serdana. Sie wurde im Zuge der Eroberungen versklavt und nach Rom verkauft. Ihr Besitzer war Helvetius Commodus. Ein bekannter Ehrgeizling. Sein Verwandter Helvetius Varus erwarb Varia vom Sklavenmarkt für Helvetius Commodus. Sie sollte als Leibwächterin dienen, was bereits eine merkwürdige Verkettung darstellen könnte. Denn Helvetius Varus ist nach Angaben der Varia und Aussagen diverser Ermittelnder der Besitzer des bekannten Lupanars von Morrigan, welche als geheime Herrin der Subura betrachtet wird. Ferner besitzt Helvetius Varus ein Weingut, welches noch ermittelt wird. Morrigans Lupanar wird verschiedener Aktivitäten verdächtigt, die sich mittelbar gegen Amtsmacht des römischen Staates richten. Noch konnte der Einrichtung um Morrigan keine Straftat nachgewiesen werden. Helvetius Varus scheint in diffuse Machenschaften um dieses Lupanar verstrickt zu sein. Durch den Kauf jener Sklavin Varia für seinen Verwandten zeigt sich eine Querverbindung zum Helvetius Commodus. Dieser ließ Varia in einer Gladiatorenschule zu einer Attentäterin und Meuchlerin ausbilden. Sie sollte verdeckt töten können.


    In Anbetracht der Verbindung zum Lupanar und seinem Verwandten scheint dies kein Zufall zu sein. Varia bestätigte dies innerhalb der Befragung. Scheinbar tauchten die beiden Helvetier im Laufe der Jahre ab. Ihr derzeitiger Aufenthaltsort ist unbekannt. Die Gefangene gab an, ab diesem Zeitpunkt allein gewesen zu sein und sich in der Subura aufgehalten zu haben. Es ist anzunehmen, dass die Varia von fremder Hand gedeckt wurde. Nicht nur, dass sie Graffiti mit staatsfeindlichen Parolen verbreiten ließ, sondern auch, dass diese Frau meuchelte und mordete. Vorallem römische Bürger, die sie einer Schandtat bezichtigte. Der Verdacht liegt nahe, dass jemand an diesen Morden verdienen konnte oder zumindest seinen Nutzen daraus ziehen konnte, da primär römische Bürger betroffen waren. Ein Scheitern der Ermittlungen vor Ort in den letzten Monaten und das keine weiteren Maßnahmen gegen diese Umtriebe beschlossen wurden, zeigt eine gefährliche Verkettung auf. Es ist möglich, dass die Varia nur eine Waffe in einem Waffenlager einer größeren Verschwörung gewesen sein könnte. Konkret wurde dies deutlich, dass sich in der weiteren Befragung weitere Namen ergaben. Im Haus des Helvetius Commodus gingen scheinbar Senatoren und wohlbetuchte Bürger ein und aus. Darunter wohl auch eine bekannte Frau, die einer Tätigkeit in der Kanzlei nach geht. Der Name der Sergia Fausta wurde genannt. Sie scheint eindeutige Kontakte aufrecht erhalten zu haben und scheint ein Netzwerk mit den beiden Helvetiern betrieben zu haben, welches Varia benutzte. Ferner teilte Varia Gerüchte mit, dass Sergia Fausta ihren Mann betrogen haben sollte und Commodus habe ihr darauf ein Grundstück und/oder Geld geschenkt. Die Umstände sind nicht mehr deutlich zu ermitteln. Fakt ist, dass Sergia Fausta mit Helvetius Commodus und Helvetius Varus in diffuse Geschäfte verstrickt war und womöglich noch ist. Die Geschäfte und Anlagen der Helvetier wurden während der Aufstände nicht beschädigt.


    In ihrer Position in der Kanzlei hat sie Zugang zu Informationen und Kanälen. Es ist durchaus möglich, dass sie ihre Position schandhaft ausgenutzt hat. Der Umstand ist noch nicht vollens ermittelt. Das Grundstück und/oder Geldgeschenk könnte ein Anteil an illegalen Machenschaften sein. Sergia Fausta stellt ein Sicherheitsrisiko dar, da nach Annahme des Ermittelnden auszugehen ist, dass sie der Kopf einer Verschwörung ist, die Nutznießen aus verschiedenen Entwicklungen der nahen Vergangenheit gezogen hat. Denn Helvetius Varus und Helvetius sind abgetaucht aber das Netzwerk scheint noch zu existieren. Nur noch Sergia Fausta bleibt durch Ausschluss als Kopf über, sofern außerhalb des bekannten Kreises nicht weitere Tiefen entstehen. Die Aufstände schadeten ihr nicht und bestärkten nur die Position des Netzwerkes um das Lupanar der Morrigan, welches Helvetius Varus gehört. Es ist auch möglich, dass Sergia Fausta nicht nur eine Varia benutzte, sondern andere Meuchler unterhält. Dieses Netzwerk muss aufgeklärt werden und die ersten Einheiten wurden bereits entstandt, um weitere Berichte zu fertigen. Varia scheint hingegen eine außer Kontrolle geratene Waffe gewesen zu sein oder sich ich ihrer eigenen Position in diesem Spiel nicht bewusst gewesen zu sein.


    Betroffene Personen:
    Helvetius Commodus (Bürger),
    Helvetius Varus (Bürger),
    Sergia Fausta (Procuratrix a Memoria) und
    Morrigan (Lupanar-Betreiberin)


    Erkenntnis:
    Es besteht eine geheime Verschwörung, deren genauer Zweck noch unbekannt ist. Sergia Fausta und die bekannten Namen sind darin verwickelt. Sergia Fausta ist ein Sicherheitsrisiko, da mitunter eine kriminelle Persönlichkeit.


    gesiegelt und gesichtet durch
    Manius II, Centurio (Speculatores)



    Verus nickte behutsam. Die Worte des Kaisers ließen ihn nachdenken. Er hatte diese Sichtweise nicht einbezogen, da er selbst nur die Schlachtfelder kannte. Verus war eben nur Soldat. Zwar ein guter Soldat aber niemals mehr als das. Er taugte zum Offizier, zum Planer und Strategen der Prätorianer aber sicherlich nicht mehr zum Senator. Ihm war das politische Establishment so fern, dass er es nicht mal verstehen wollte. Für ihn war die Macht der Waffen und der Furcht probate Mittel geworden. Der Senat war für Verus nur noch eine ehrbare Vertretung, die aber nicht verstand, was den Grenzen des Reiches passierte. Denn Verus hatte längst einen wichtigen Anteil an jener Gesellschaft verloren. "Diesen Standpunkt hatte ich bisher nicht einbezogen," entschuldigte sich Verus soweit möglich, ohne allzu zu unterwürfig einzubrechen. Nun erkannte der altgediente Offizier, dass Rom weitaus schwieriger zu lenken war und der Kaiser ihm dankbar diesen Umstand schilderte. "Ich danke dir," war also der ehrliche Kommentar des Trecenarius, der für die Aufklärung seines Oberherren wirklich dankbar war. Denn so konnte er lernen und seine Auftragsausführung verbessern. Und für die Zukunft seine geheimen Pläne besser einfügen. Die Prätorianer hatten bislang immer eigene Interessen verfolgt, die zwar auf dem Fundament des Augustus standen aber auch weitreichender waren. Verus war nicht anders als andere Soldaten, die gekämpft hatten. Doch hatte sich inzwischen das Schlachtfeld gewandelt. "Ich muss die Grenze hinter mir lassen, Augustus. Meine Welt ist noch sehr durch die Grenzkonflikte und Barbaren geprägt," versuchte Verus sich zu erklären. "Aber ich lerne," sagte der Trecenarius überzeugt. "Es gibt vieles zu bedenken und nicht alles ist jemals den Akten und Schriften zu entnehmen. Mein Vorgänger mag auch daran gescheitert sein," meinte der zerrüttete Soldat, dessen Angesicht erstarrt wirkte. "Nichts wird ohne deinen Wunsch geschehen," unterwarf sich der Trecenarius höflich und senkte dezent sein Haupt.