Verus fühlte sich so, als ob er beständig seinen Verstand verlor. Die Welt wollte nicht mehr ganz passen. Dieser Konsul setzte sich für eine Person ein, die bereits in Ketten lag und zeigte Herz, welches unpassend erschien. Es passte nicht in das Bild eines harten Berufspolitikers, wie dem eines Claudius. Diese Weichartigkeit seiner Person erstaunte Verus einerseits, und andererseits verstörte sie den Prätorianer, da es bedeutete, dass dieser Mann leicht über Emotionen und Mitgefühl zu beeinflussen war. Mitgefühl war eine Schwäche, die auf dem Schlachtfeld schnell im eigenen Blute enden konnte. Natürlich war auch Verus nicht frei von dieser Schwäche aber die Umständen verbaten eines Eingeständnisses. Rom - repräsentiert über seinen Konsul - wollte hier echte Gnade beweisen und drohte einem getreuen Monster, welches alles für diesen Staat geopfert hatte, mit Willkür. Verus war klar, dass das Wort eines Konsuls stets höher wog, als das eines Soldaten. Rom war eine verfluchte Ständegesellschaft. Und wieder geschah jenes, was Verus gänzlich verdammte. Die Gesellschaft, die ihn beauftragt und entsandt hatte, strafte ihn dafür, dass er seinen Dienst mit Hingabe erfüllte. "Es ist eine Drohung," kommentierte Verus frostig und brachte damit die Worte des Konsuls eine Aussage zusammen, auch wenn dieser Mann es sicherlich anders darbieten wollte. "Ich verstehe Drohungen sehr wohl, Konsul." Der Trecenarius wollte diesen Verrat benennen, den der Konsul gerade an seiner Aufgabe beging. "Und, dass sich dein Sekretär und Liktor unbedarft in diese Geschäfte einmischt und sich dazwischen drängt, ist ebenso eine offene Drohung gegen die Prätorianer, Konsul," erklärte Verus dieses Theater. Hier ging es um Macht und staatliche Interessen. Doch inzwischen erkannte die geschundene Seele des Soldaten, dass dies nicht sein Schlachtfeld war. Hier galten persönliche Empfindungen und der Verrat. Der Konsul hatte Rom verraten und es gegen Verus benutzt, mit seinen Gerichten und seinen Wünschen. "Doch ich werde hier nicht die Grundfesten unseres Staates angreifen, indem ich in dieser Bagatellentscheidung einen Konsul attackiere," wich der Trecenarius zurück und gab seine Position vorerst auf. Natürlich würde er nicht seinen Griff und die Kontrolle über Morrigan aufgeben. Diese Frau war zu gefährlich. Zudem war der Großteil des Planes bereits umgesetzt, so dass der Konsul bereits in gewissen Teilen ausgeliefert war. Die Prätorianer hatten diesen Fall vorerst abgeschlossen, so auch Verus. "Sie wird kein Brandzeichen erhalten," rief er lautstark, fast brüllend in Richtung der Bühne, wo Morrigan noch immer in Ketten hing. Man ließ von ihr ab. "Wir rücken ab. Sie ist dein, Konsul," schimpfte Verus grantig. Nicht grantig über diese Niederlage, sondern über den Verrat an ihm durch einen Konsul. Mit einer schwingenden Handbewegung wies er seine Geheimleute an den Platz zu räumen. Verus verweilte noch einen Augenblick: "Valete." Ein knapper Abschiedsgruß, bevor auch er in den Massen verschwand, die sich vom Markt entfernten. Morrigan selbst verblieb immer noch verkettet auf der Bühne, jedoch unbewacht und nun dem Konsul ausgeliefert. Nun konnte man auch deutliche Folterspuren erkennen, wie blaue Fingernägel oder schwere Prellungen auf ihren Oberschenkeln und bereits eingetrocknete Wunden auf der Haut. Die Prätorianer ließen eine entkräftete Frau zurück, doch ihr Martyrium war vorerst vorbei. Was niemand wusste, dass man einen verdeckten Prätorianer unweit zurückgelassen hatte, um das baldige Gespräch zwischen Morrigan und dem Konsul zu belauschen. Verus wollte natürlich alles über die Beziehung der beiden wissen.
Beiträge von Aulus Tiberius Verus
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Christen kann man nie genug haben.
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"Wahrheit ist nicht von Belang, denn Wahrheit ist immer nur eine Mehrheitsmeinung, die sich durchgesetzt hat, Augustus. Es geht in einem Staat nicht um den Erhalt einer Wahrheit, sondern um eine glaubbare Geschichte, die alle teilen können. Diese Geschichte kann grausam sein aber muss Emotionen und Verstand gleichermaßen befriedigen. Natürlich müssen wir als Prätorianer und du als Kaiser, die möglichst objektiv angenäherte Wahrheit kennen aber dem Volk genügt eine schöne Lüge oder ein brauchbarer Feind mehr, als eine verkopfte Wahrheit über Hintergründe, die wahrscheinlich nicht mehr vollens zu ermitteln sind," erklärte Verus nüchtern und machte eine wischende Geste mit seiner Hand. Fast so als ob er jeden Zweifel wegwischen wollte. "Es mag den Konsul kümmern, es mag den Senat interessieren aber am Ende ist dies irrelevant für deine Macht als Kaiser. Ein Kaiser muss handlungsmächtig erscheinen, da sich sonst seine Feinde erheben. Deine Macht basiert nicht nur auf dem Willen des Senates, sondern viel mehr auf deinen Legionen, auf uns, deinen Prätorianern und auch dem Volk selbst, welches deinen Schutz genießt. Aber dieser Schutz ist ein Glauben, eine Überzeugung, die auf einer Geschichte beruht. Sie wollen keine Wahrheit, sondern einfach eine Geschichte. Die Christianer sind brauchbare Opfer, eine gute Geschichte, die sich schnell verbreiten wird und die vorhandenen Zweifel an ihnen aufgreifen soll. Das Volk wird mit diesem Blutopfer zufrieden sein und es als Wahrheit akzeptieren. Es wird deine Herrschaft festigen, sogar deutlich machen, dass du jede Maßnahme treffen kannst, um Rom zu schützen," setzte Verus fort aber schien dabei wenig emotional. Ihn wunderte es nicht, dass er dem Kaiser kalte Machtpolitik erklären musste. Nur wenige trauten sich derartig zu denken aber diese Politik war zwingend erforderlich, da das Imperium geschwächt war. Der Bürgerkrieg, die Grenze war ausgedünnt und innere Unruhen deuteten auf einen politischen Machtzerfall hin. Verus musste diesem entgegen wirken und zarte sowie weichen Politiken führten nicht zu einer Lösung des Sachzwanges. "Es gibt Anhaltspunkte für die Christianer, da viele in Varias Heer aus ihren Reihen stammten und sie haben viele Anhänger unter den Sklaven dieser Stadt. Der Konsul möchte einen Hergang rekonstruieren aber für diese Ermittlung haben wir keine Zeit, Augustus. Natürlich soll er seine Untersuchung haben, feststellen kann man vieles aber das Geschwür der Unsicherheit breitet sich aus. Wir brauchen jetzt Handlungen und Entscheidungen," verlangte der Trecenarius.
Auf Varia ging er nicht weiter ein und kommentierte die Freigabe mit einem Nicken. Wenigstens hier konnte er ohne Probleme weitermachen.
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Geht klar. Immer rein mit brauchbaren Leuten, die Verus bei seiner Tyrannei helfen!
Familie wird nachgereicht.
Liebe Grüße
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Verus deutete zwei Soldaten an, heran zu treten. Denn der Trecenarius rechnete wirklich mit einer Eskalation durch diesen Liktor, der sich in Sachverhalte einmischte von denen er nichts verstand. "Ganz ruhig, junger Liktor," säuselte Verus fast zynisch, da ihm dieser Bursche wirklich in die Parade gefahren war und er sich eine Emotion über diesen Umstand nicht verbergen konnte. "Ich zwinge den Konsul nicht zu einer Handlung. Entweder er führt sie durch oder ich führe sie durch. Entweder ist es sein Zeichen oder das Zeichen des bestraften Sklaven," sagte der Trecenarius bitter und zog dann die Schultern gelangweilt hoch. Ihm war diese Sache inzwischen wirklich lästig aber der Umstand zwang ihn dazu, das Interesse seiner Speculatores in den Vordergrund zu stellen. Noch immer schien keiner zu verstehen, was Verus wirklich plante und somit war der Geheimdienstchef innerlich äußert ruhig, da der geheime Plan noch immer geheim war. Diese Ablenkung tat ihm sogar gut. "Und Liktor, du solltest gut zuhören, denn mir scheint, dass du nur die Hälfte verstanden hast und nun lass' mich bitte wieder allein mit dem Konsul sprechen," forderte der Prätorianer kaltschnäuzig. Der Liktor schien wirklich unwissend, ob der Vorgänge und Tatsachen. Es ging hier nicht nur um eine Sklavin oder deren Besitz, sondern um ein politisches Zeichen.
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Verus ließ sich nicht beirren. Denn er hatte altes Kriegsrecht auf seiner Seite, welches die Prätorianer zu jeglicher Maßnahme ermächtigte, sofern sie dem Staatserhalt diente oder dem Schutz der Kaisermacht. Es gab keine notwendige Rechtfertigung, die er nach Außen vorweisen musste, da es sich nicht mal um eine Bürgerin handelte. Sie hatte keinerlei Schutzrechte mehr, die einem Bürger zugestanden hätten. "Sie ist eine Straftäterin und wird bestraft nach geltendem Kriegsrecht, Konsul. Für uns Prätorianer gilt permanentes Kriegsrecht und als ranghöchster Vertreter der Prätorianer in dieser Sache und ferner sogar direkt vom Kaiser mit der Aufarbeitung der Unruhen betraut, fällte ich dieses Urteil und um zukünftige Delikte dieser Person zu vermeiden und sie für Verfolger erkenntlich zu machen, muss sie gezeichnet werden," erklärte Verus mit fester aber nicht lauter Stimme. "Ich denke nicht, dass du dich gegen eine Staatsschutzmaßnahme stellen willst. Wenn du mir rechtlich erklären magst, welcher Umstand das Kriegsrecht in dieser Sache aufhebt und gesonderte Dokumente notwendig macht, bin ich gerne bereit diese vorzuweisen." Verus wusste, wie man schnell an Dokumente gelangte und würde sie im Zweifel einfach beschaffen lassen. Niemand würde in dieser Sache die Wünsche der Geheimpolizei unterlaufen. Nicht wegen einer solchen Bagatelle. Zumal es ohnehin geheime Anweisungen gab aber diese Papiere gingen den Konsul nichts an. Das vertrauliche Berichtswesen der Prätorianer waren fremden Augen nicht zu eröffnen.
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Warum machten es ihm jene Menschen von Stand immer am Schwersten? Sie beharrten auf Standpunkte und egozentrische Weltsichten, die sich nur nach eigener Maßgabe richteten. Ihre Gnade, ihre Willkür und Unwollen lag nicht allein im Stand, sondern auch in ihrer Person, die sie zu jenem Stand verholfen hatte. Ein Konsul würde immer befehlen wollen, was in seinem Gewissen von Wichtigkeit war. Doch dies war keine Gewissensfrage, sondern viel eine Frage des Staates. Ein Staat war keine Liebe, keine Gnade oder Willkür, sondern schlicht geordnete Macht. Organisierte Gewalt, die oft eigene Richtlinien und Zwängen folgte. Verus begriff, dass der Konsul nicht verstand, was dieser Akt bezwecken sollte. Es war nicht nur bloße Gewalt gegen eine Person, sondern eine Darbietung von Staatsgewalt, die anderen zeigen musste, dass der Staat stets handlungsfähig war. Es ging hier nicht um ein moralisches Gewicht oder Ungewicht. Gnade war nicht von Bedeutung, wenn das Imperium ein deutliches Zeichen brauchte. Die Prätorianer hatten beschlossen, dass dieses Zeichen notwendig war, um weitere Aufstände bereits zu zersetzen oder zumindest Teilnehmer zu verunsichern. Angst war ein probates Mittel. Doch Angst brauchte immer den Nebel der Vorstellung und albtraumhaften Fantasie. Morrigan sollte diese Fantasie beflügeln, denn jene Gewalt, die man ihr antat, war in einem größeren Maßstab gedacht. Sie war leicht zu rechtfertigen aber sicherlich nicht leicht zu ertragen. Für den Befehlsgeber und für Morrigan selbst. Auch der Konsul schien sein Zögern in eine korruptive Handlung zu verwandeln. Verus stutzte, trat sogar einen Schritt zurück, als der Mann unverhöhnt in sein Ohr flüsterte. Nicht das Verus von Geheimnissen überrascht war aber so dreist war ihm noch nie jemand herangetreten. Beugte sich der Konsul etwa? Nein, das tat er nicht. Er wollte Verus bestechen. In seiner Zeit an der Grenze wäre er noch bestechlich gewesen aber als Trecenarius war dies unmöglich anzunehmen. Er forderte ein und wurde nicht bestochen. Der Prätorianer forderte ein, was ihm zustand oder jenem Kaiser. Aber er würde nicht konkret bestochen, sofern nicht unter besonderen Umständen und größeren Mengen. Morrigan war zu unwichtg als Mensch und gleichsam zu wichtig für andere Interessen, dass Verus darauf nicht eingehen konnte. "Du kannst die Kasse der Kohorten gerne mit einer Zuwendung von einigen Aurii aufbessern," flüsterte Verus dezent zurück, als der Konsul sein Haupt zurückgenommen hatte, um den Worten des Trecenarius zu lauschen, wie es üblich war. "Ich kann die Brandmarkung nicht aufgeben. Ich kann dich aber davon befreien, dass du diese ausführen musst. Ich kann eine brauchbare Stelle wählen, die deinen Augen nicht negativ auffallen wird. Ich würde das Zeichen der Strafe wählen und nicht jenes deines Hauses. Es wäre nicht deine Handlung, sondern meine und des Staates," erklärte Verus flüsternd mit kalter Stimme.
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Meine Ohrkrankheit macht mir noch zu schaffen. Antworten verzögern sich etwas.
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Es war nicht seine Entscheidung. Niemals war es seine Entscheidung gewesen. Es war leicht zu rechtfertigen, auch diese Handlung und diese Gewalt war leicht zu ertragen, wenn man sie anderen anlasten konnte. Der Konsul entschied. Er gab die Flammen frei und doch zögerte Verus für einen Atemzug. Es fiel ihm nicht leicht. Denn er wusste um die Schmerzen, die Qualen, die entstanden aber auch schnell vorbei sein würden. Schnell würde Varia in jenen Zustand fallen, der sie in den Tod begleiten sollte. Und dieser Zustand war einsam aber schmerzfrei. Ein Mensch konnte nur einen gewissen Grad an Schmerzen ertragen und das Feuer würde schnell wichtige Funktionen ihres Körpers zerschlagen. Varia würde bewusstlos werden und ihren Körper als Wachs dem Feuer preisgeben.
Verus wollte es nicht tun und doch war er längst nur noch Maschine fremder Hand. Seine Wünsche waren bedeutungslos, da sie längst im Feuer der eigenen Schuld brannten und nicht vergeben wurden. Der Wind zog sanft durch die Arena, tänzelte Staub auf, der elegant seine Kreis um die Füße der Soldaten zog, die einen festen Stand hatten. Verus blickte bekümmert aus den beiden Sehschlitzen seiner Maske, während sich seine Pupillen weiteten. Er musste es sehen, was er tat. Er musste es begreifen, was er tat. Dennoch wollte sein Herz nicht jenes Gewicht aufgeben, welches hinab zog und zögern ließ. Die Fackel in seinen Händen knirschte, knatterte und fauchte gierig. Die Prätorianer in der Arena warteten auf sein Zeichen. Seine Fackel würde auch die anderen Feuer entzünden, sobald sie auf die öligen Hölzer gesenkt war. "Lege age," wiederholte Verus lautstark, um dem Befehl des Konsuls Sicherheit zu geben. Eine Sicherheit, dass er stets das Ausführen würde, was ihm befohlen war. Verus hatte als guter Soldat verstanden und würde folgen. Er folgte immer. Mit zittriger Hand aber fester Bewegung senkte er die Fackel auf das Holz, welches sofort Feuer fing und die Flammen schlangen sich an ihren Füßen hinauf. Das Öl zog die Wärme an und entzündete sich ebenso. Schnell gierten die rauschenden Flammen und Feuer hinauf, bis sie das Gesicht in einen merkwürdigen Glanz hüllten. Es roch fürchterlich und Verus trat mit seiner Fackel einen Schritt zurück. Das Licht der brennenden Varia spiegelte sich auf seiner Maske und auch auf seiner Seele. Er war längst in seiner eigenen Hölle angekommen. Auch die anderen Feuer waren bereits entzündet und ein tosendes Rauschen zog durch die Arena als die Flammen ihre Opfer nahmen. Ein Geschrei ertönte aus den Leibern der brennenden Seelen, bevor ihre Stimmen verstummten. Schlagartig blieb nur das Licht der Flammen, welches die Körper umschloss und kaum mehr zeigte. Die menschlichen Fackeln, die Nero so sehr geliebt hatte, entfalteten ihre böse Pracht. Verus fühlte Hitze auf seiner Haut, welche sich ausbreitete aber den Frost in seinem Herzen nicht sprengen konnte. Sein Herz wollte schlagen, doch er fühlte diese einsame Kälte in sich. Erneut umgab sich sein Herz mit einem Panzer, um nicht zu zerbrechen. Dies war einst Varia, eine Feindin Roms und nun mehr nichts mehr als Wachs für eine grausame Flamme einer übergroßen Fackel.
Er redete sich immer wieder ein, es tun zu müssen. Der Mann redete sich ein, eine Funktion zu erfüllen aber Worte machten es niemals leichter. Nun gab es keine Flucht mehr. Schwarzer Qualm rauchte hinauf, als die Häute der Sterbenden längst verascht waren und das Mark ihres Körper die Flammen nährte. Sie alle würden noch lange brennen. Sie taten ihren Zweck als Beleuchtung aber Verus wollte sie nicht mehr sehen. Nicht mehr jenes Licht ertragen, welches ihn blendete. Er wandte sich ab und warf mit einer rückwärtigen Bewegung die Fackel auf die brennenden Hölzer an den Füßen des Kreuzes. Die Prätorianer taten es ihm gleich und verschwanden mit festen Schritten im geübten Marsch durch das Portal. Die Helfer zogen sich ebenso zurück und die brennenden Kreuze blieben zurück, und gaben ihre grausame Geschichte frei. Hier brannten Menschen und ihr Leid stank und strahlte frei in die Gesichter der gaffenden Römer.
Schließlich hatte Verus das Portal erreicht, blickte sich hektisch um und stellte fest, dass er aus dem Blickfeld der römischen Meute war. Mit einer griffigen Bewegung riss er sich die Silbermaske herunter, um keuchend zu atmen. Er atmete schwer und musste sich an der Wand abstützen. Dieser Gestank von verbranntem Fleisch wollte ihn nicht verlassen. Auch das Licht funkelte noch in seinen Augen, blendete ihn und ließ sein Angesicht benommen zurück. Die anderen Soldaten atmeten ebenso schwer aber waren scheinbar nicht derartig hart getroffen, wie Verus. Zwei Prätorianer sicherten ihren Trecenarius ab, während die anderen Schattensoldaten ihre Helme abnahmen, um sich mit verdünntem Wein zu erfrischen. Doch Verus wollte nur hier weg. Nur konnte er noch nicht gehen. Seine Aufgabe war noch nicht erledigt.
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Zitat
Original von Varia
Varia hob den Blick und starrte aus leeren Augen den Mann vor ihr an. Sie hörte seine Worte doch drang er nicht zu ihr durch. Sie wollte seine Worte nicht hören. Sie wollte nur ein diese Welt endlich für immer verlassen.
„Ehre? Wir kämpfen nicht für die Ehre, nicht für die Götter. Es geht doch immer nur um blanke Macht, also ziehen wir in den Kampf doch dann dürfen wir uns nicht wundern wenn der Zorn den wir sähen in Gewalt nieder bricht und die Seelen verbrennt...Die Gewalt ist doch nur noch das Mittel zum Ziel und unterbewusst wirst du Teil dieses Spiel's.“ Varias Stimme war so kalt wie ihre Augen.
Auf das Angebote des Giftes hin schüttelte sie den Kopf. „Aufrecht....Aufrecht im Kampf und auch im Tod. Ja ich werde lebendig in das Feuer gehen. Es wird furchtbar und qualvoll sein, aber danach bin ich endlich frei.“
Sagte sie, dann wand sie ihren Blick ab von den Soldaten und blicke durch das geöffnete Tor in die Arena. Ihr Körper strafte sich. Ja sie bot ihre letzten Kräfte auf und aufrecht und erhobenen Hauptes in den Tod zu gehen. Endlich würde sie von dem Leben, das sie nie hatte führen wollen – von den Fesseln die sie ein Leben lang getragen hatte befreit werden. Ja sie würde endlich frei sein.Zweifelte Verus? Er zweifelte immer. In seinem Herzen tobte ein beständiger Kampf um Ideale, Wirklichkeit und Wunsch. Diese Zweifel zerrissen ihn, so dass sein Gesicht keine passende Reaktion zeigen konnte. Zwang ermöglichte Erleichterung. Pflicht war einfach, man folgte ihr und fügte sich ein. Doch der Zweifel blieb, nicht einmal die Erleichterung konnte ihn ganz vertreiben. Immer wieder stellte sich Verus seinen eigenen Ängsten, indem er andere strafte. Eine missmutige Rolle hatte ihm diese Geschichte zugeteilt. Eine Rolle, die er elegant ausführte aber niemals ganz zu ihm passen wollte. Sein Gesicht war trotz Narbe noch immer zart, fast ungeschlagen und unerfahren aber seine Augen sprachen jenes Lied, welches ihm seit jenen Tagen in den Gefechten folgte. Es gab kein Zurück. Kein erneutes Versuchen, sondern nur ein stetes Vorwärts auf einem Weg, den Verus nicht mehr verlassen konnte. Zu viel hatte er im Namen des Imperiums bereits getan. Nicht nur Luna war Opfer jener Gewalt, sondern auch viele andere. Als römischer Legionär blieb ihm keine Wahl und doch wünschte er sich eine Wahl. Eine echte Wahl, die einem Wunsch gerecht wurde. Diese Frau lehnte ab. "Mutig," kommentierte der Trecenarius nüchtern, obwohl sein Herz diesen Mut bewunderte, da er selbst militärisch tapfer war aber nicht mutig. Verus versteckte sich feige vor sich selbst. Er versteckte sich vor seiner moralischen Verantwortung und führte immer aus, was man ihm auftrug. - Und er führte seine Aufgaben immer gut aus. Sein Sachverstand arbeitete im Gegensatz zu seinem gebrochenen Herzen außerordentlich zielstrebig. Verus war ein gespaltener Mann, der nicht mehr im Einklang mit sich und anderen leben konnte. Er spielte eine Figur, eine Rolle, wie er es gelernt hatte und jetzt als Trecenarius kamen die großen Rollen auf ihn zu. Die Bühne blieb jedoch die selbe. "Die Christianer aus Subura sind vorbereitet," meldete ein Soldat, der an Verus vorbei trat. "Gut," meinte Verus, der kurz zum elendigen Haufen Menschen blickte, die ebenso nackt, wie Vieh zusammengetrieben waren. Man begann bereits sie mit jenem Ölgemisch zu übergießen, damit sie gleichsam besser brannten und auch länger brannten, damit sie jene menschlichen Fackeln ergaben, die einst Nero so geliebt hatte. Die Gefangenen jaulten, weinten und kreischten in Panik. Enttäuscht fiel das Giftgefäß aus seiner Hand, um auf dem staubigen Boden zu zerschellen. Das Gift zerlief und verschwand unrettbar im Staube.
"Du hast deine Wahl getroffen," erklärte der Römer und blickte wieder zu Varia, die letzte Kräfte zusammensuchte, um erhobenen Hauptes in die Arena zu streiten. Der Jubel dröhnte bereits hinab, gab einen Vorgeschmack auf jene tobende Masse, die ihren Tod bestaunen wollte. Der Trecenarius verstaute seinen Rebstock am Gürtel, nahm die Maske von einem kleinen Tisch auf, um diese vor seinem Gesicht zu befestigen. Poliertes Silber funkelte nun, verbarg sein Angesicht aber seine Augen sprachen noch immer von seiner kalten Grausamkeit, die er vorallem sich selbst antat. Die Atmung erschwerte sich merklich aber nicht belastend. Verus kannte diese Parademasken und als ranghoher Offizier war es eine ehrbare Pflicht Silber als Maske in die Parade zu tragen. Ja, dies war ein würdevoller Auftritt für seine Prätorianer, die die baldigen Fackeln in die Arena geleiten würden. Auch verschaffte die Maske Erleichterung, da ihn niemand erkennen konnte, wenn er jenen Akt an römischer Gnade vollzog. Römische Macht war gesichtslos und so war auch Verus nun mehr nur noch Vollstrecker einer alten Idee, die so falsch und so wahr zugleich war. "Milites," rief Verus. "Aufstellung!" - war der bekannte Befehl, der die Prätorianer in prunkvollen Rüstungen neben die Gefangenen treten ließ. Sie reihten sich perfekt auf, um die Gefangenen mit Schauwert in die Arena zu führen. Rom wollte Größe zeigen und Verus war willfähriger Gehilfe. Verus selbst nahm die Kette von Varia auf, um sie eigenhändig in die Arena zu führen. Ein Zeichen erging. Laute Instrumente, vorallem Trommeln und Hörner, kündigten den Auftritt an. Eine großartige Hinrichtung begann, die in sich selbst eine Leere offenbarte, da sie nichts anbot, außer grausamen Tod. All die gewünschte Ästhetik verblasste. Hinter Varia reihten sich weitere Soldaten auf, um sie ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu ziehen. Auch um eine elegante Formation abzuschließen, da nach Varia die gefangenen Christianer kamen, die man in den Armenvierteln aufgetrieben hatte. Man wollte Rom zeigen, dass man alle Rädelsführer hinrichtete. Weitere Strafgefangene warteten noch in den Katakomben, um ihre Hinrichtung zu erwarten. Dieser Tag war ein glorreicher Tag der Blutlust. Man begann strahlend mit den Staatsfeinden. "Halber Marsch," donnerte Verus, der sich mit festen Schritten in Bewegung setzte und Varia mit sich führte. Die Prätorianer folgten und mit ihnen die weiteren zur Fackeln bestimmten Seelen. Verus war erschüttert vom Jubel, vom Eindruck der Menschenmassen und fühlte sich bestraft. Ein gewichtige Schwere lag auf ihm. Es fühlte sich erneut nicht richtig an aber es gab keine Flucht. Die Soldaten hielten ihre Formation und teilten sich dann mit den Kleingruppen an Gefangenen auf, um die Fackeln jeweils mit ihren Opfern zu bestücken.
Verus selbst führte Varia mitsamt einer kleinen Schar an Prätorianern in die Mitte der Arena. Jene Kreuze waren deutlich kleiner als üblichen Instrumente, da man sie in dieser Aufgabe anders verwendete. Man konnte eine Person leicht auf den Tritt heben und mit ihren Ketten um das Querholz binden. So geschah es auch mit Varia, die von den kräftigen Händen der römischen Soldaten hinauf gehoben wurde, um dann von Verus mit ihrer eigenen Kette am Hals und Händen an jenes Holz gefesselt zu werden. Ein Soldat brachte jenen Tonkrug, der brennbares Öl in sich trug, welches speziell abgemischt worden war. Verus nahm ebenso einen Krug entgegen und begann jenes Öl über den Körper von Varia zu gießen, dann ließ er dann Krug fallen, der am Boden zerschellte. Helfer achteten auf die Reben und Hölzer an den Füßen der Kreuze, damit diese nicht verrutschten. Fackeln wurden bereits in einem großen Zeichen hineingetragen und mit großer Geste an die Prätorianer übergeben. Auch Verus erhielt eine Fackel, die er wartend in seinen Händen hielt. Er betrachtete nur Varia. Es fiel ihm schwer, daran zu denken, was er gleich tun musste aber er war verantwortlich. Inzwischen tropfte das schwere Öl von Varias Gesicht. Die Menge schien zu stimmen. Verus kannte seine Aufgabe und dies schmerzte ihn. Er wandte sich zum Konsul, blickte hinauf und rief dann mit lautstarker Stimme: "Ich fordere dich, Konsul Claudius, jenen Befehl im Namen des Volks dieser großen Stadt zu geben, der jene Christianer und Varia verbrennen soll, die unserer Stadt so viel Leid antaten. Ihre Körper sollen brennen, ihre Seelen verdammt sein und ihr Fluch enden, in den ewigen Flammen des römischen Lichtes! Im Namen des Kaisers, unseres geliebten Augustus, präsentieren wir, die Prätorianer, euch Varia und ihr Gefolge. Mit Wohlwollen des göttlichen Imperators, werden wir sie nun hinrichten, sobald der Konsul für Rom sprechen möge!" Verus hasste sich selbst, während er die Fackel hielt und bereits in die Flamme blickte, die ihn blendete. Nein, er wollte nicht zum Konsul blicken oder zum Kaiser. Quo vadis? - Eine Frage, die er sich nun stellte aber zu seinem Glück verbarg die silberne Maske seine persönliche Regung, die schmerzvoll war.
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Niemand entkam. Niemand konnte vor dem fliehen, was längst durch fremde Macht beschlossen war. Es war die düstere Magie dieses Augenblicks, der die leichte Abfolge von Ereignissen offenbarte. Verus stand in prachtvoller Rüstung in der Vorhalle, umgeben von seinen handverlesenen Prätorianern, um auf die Objekte zu warten, die es zu verarbeiten galt. Noch trug er nicht jene prunkvolle Silbermaske über seinem Gesicht, sondern blickte unter jenem geschmückten Helm hervor, welche überteure weiße Federn zeigte und breites Rosshaar, welches jenen Helmbusch der anderen überragte. Sein Rang zeichnete sich deutlich über diesen Prunkbesatz ab, da er als einziger Prätorianer mit zusätzlichen weißen Federn auflief. Man vernahm die Schritte von Soldaten, die mit Peitschenschlägen eine beachtliche Anzahl an Verfolgten und Gefangenen herantrieben, die in schweren Fußketten kaum gehen konnten. Verus beobachtete dies kühl, sortierte ihm Geiste bereits deren Laufwege, um seine Mission in dieser Arena mit Sachlichkeit erträglich zu erfüllen. Varia folgte dem Tross an Verdammten, jedoch wurde diese Frau, weil sie erheblich entkräftet war, von zwei kräftigen Prätorianern getragen. Mit einem Handzeichen ließ er die besonders Verstoßene heranbringen, um diese ausgiebig zu betrachten. Sie war nackt, einer Bestie gleich und entmenschlicht durch Schmutz und Wunden. Verus nahm seines Rebstock, um ihr Kinn aufzurichten. Er wollte ihre Augen sehen. Die beiden Soldaten stützten Varia behutsam.
Die anderen Verdammten wurden kurz vor dem Tor zum Halten gebracht, da ihr Auftritt zeitversetzt stattfand. Sie sollten mit ihr brennen aber ihre Fackel sollte im Zentrum stehen, so hatte es Verus beschlossen. Der Konsul hatte ihn beauftragt, der Kaiser ermächtigt und Rom fürchtete ihn. "Diese Welt ist begrenzt, nicht wahr?" - fragte Verus die Gefangene, die bald brennen würde. "Wir lügen, um zu überleben. Wir kämpfen, um zu überleben aber am Ende bleibt nichts," stellte Verus nüchtern fest, als ihm selbst bewusst wurde, welche Grausamkeit er selbst inzwischen verkörperte. "Ich frage mich oft, was mit uns geschehen ist aber dann blicke ich hinaus und finde nur ein Gestern, ein ständiges Gestern, was mich fragend anblickt," meinte der Offizier und leistete sich eine müde Sekunde Menschlichkeit. "Ehre für dich, Ehre für uns; Ehre für alle," murmelte der Trecenarius, dessen Authorität weitreichend war und die Männer wagten es nicht, seine Person infrage zu stellen, da er in vielen Bereichen über Leben und Tod entschied. Wenn er mit dieser Frau noch reden wollte, dann tat er es und man erlaubte sich keine öffentliche Meinung. "Dir wurde ein schneller Tod versprochen, Varia!" Mit einer Handbewegung ließ er sich von Manius, der ebenfalls anwesend war, ein Fläschen mit Gift reichen, welches er öffnete. Der Korken fiel in den Staub. "Möchtest du Gift? Oder willst du lebendig ins Feuer gehen?" - fragte Verus ehrlich. Er wollte ihr wirklich den Flammentod ersparen. Ein großes Geschenk, was ihr unlauter zustand, wenn man die anderen Leidtragenden in ihren Ketten betrachtete, welche ohne Unterlass bedrängt wurden, damit sie nicht ihre Position verließen. Ihr Wimmern durchflutete die Umgebung mit einem wachsendem Ton der Ungerechtigkeit. Das Tor öffnete sich. Es war nicht mehr viel Zeit. In der Arena errichteten Helfer bereits mehrere Holzkreuze, die mit Reben, welche in Öl getränkt waren, umgeben wurden. Die Kreuze bildeten an den Arenawänden einen Kreis mit einem Kreuz im Zentrum, welches für Varia bestimmt war.
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Er zögerte. Der Konsul versteckte sich hinter seinem Amt und seiner Würde. Verus nickte kaltherzig. Der Trecenarius verstand, dass dieser Mann in seinen Pfaden festhing und nicht über jene Grenze gehen konnte, die wahre Macht erschuf. Der hasserfüllte Blick des Liktors entging dem erfahrenen Geheimdienstmann nicht. Das Gift des Hasses kannte er nur zu gut. Im Kampf hatte er diesen Blick oft genug gesehen. Jeder war schuldig auf seine Art und Verus leugnete seine Schuld nicht einmal. Das Geschäft war nun mal grausam. Die schwarze Robe, die Rüstung und das Aufgabe brachte nun mal jede Seele in ein Verließ. Verus war längst verlassen von falschen Idealen und Moral. Er traf Entscheidungen auf Basis einer kalten Ratio. Sachzwänge fingen an, das Leben des Mannes zu bestimmen, der einstmals gut sein konnte und sicherlich noch etwas in sich verbarg, was menschlich war. Er konnte lieben, wirklich atmen und lachen aber doch hier in dieser Welt, war sein Weg längst fremd bestimmt. Der Krieg hatte ihm alles genommen, so dass er nicht einmal mehr das Gift des Hasses trinken musste. Längst war er tot, im besten Gewissen, dass es nie eine Erlösung vom Leben gab. Verus ignorierte den Liktor, dessen Position für diesen Vorgang unbedeutend war. Es gab hier nur eine Aufgabe und die befand sich unweit auf einer Bühne. "Es geht nicht um dein Wort, sondern um deine Handlung, Konsul. Sie ist dein Besitz, also beanspruche ihn auch." Verus zeigte keine Regung, während er innerlich jene Eiseskälte spürte, die er so sehr verfluchte. Blei füllte seine Lungen. "Du kannst gerne einen Vertreter oder Sklaven auf die Bühne schicken, der die ad actio durchführt. Das Brandzeichen muss gesetzt werden," forderte Verus mit leisen aber bestimmten Worten. Die kalte Aura des Trecenarius machte keinen Hehl daraus, dass er es wirklich ernst meinte. Gewalt war für ihn Alltag. Und wenn der Konsul es nicht anweisen würde, würde er es tun. Rom war Macht und Macht musste stets präsentiert werden.
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Verus ließ erneut Zeit mit seiner Antwort aber sprach dann recht beherrscht:
"Ich bin nicht nur Ermittler, Konsul. Ich bin auch Vollstrecker der Wünsche des Augustus. In meiner Aufgabe als Ermittler und Vertreter der Prätorianer bin ich hier aber ich diene auch als Soldat in Sonderaufgaben." Die Worte gerieten etwas schwammig aber Wissende konnten einordnen, was Verus mit diesen Worten meinte. Er war Geheimdienstmann. Was der Kaiser verlangte, tat er eben und somit hatte er verschiedene Aufgaben. Hier war er nun als Ermittler aber gleichsam plante er bereits größere Maßnahmen, die nicht in die Zuständigkeit des Konsuls fielen, sondern ganz und wahrhaftig den Schattenmännern zufielen.
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Frost. Eis. Und ein stilles Dröhnen. Männer näherten sich in Rüstungen, poliert und mit silbernen Masken, um Varia von ihren Ketten zu befreien. Doch die schweren Hand- und Fußfesseln blieben, so dass sie die Frau hinausreißen konnten. Man verbrachte sie zu einem Handwagen, der als Gefangenentransporter fungierte. Die Prätorianer in Paraderüstung begleiteten den Wagen. Varia wurde heute hingerichtet. Man wechselte kein Wort mit ihr. Erst in der Arena würde ein Mann mit ihr sprechen. Der Trecenarius.
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Verus blickte zu Boden, versuchte dort etwas zu finden, was er verloren glaubte aber nicht fand. Sein Stolz lag nieder, gebrochen durch Umstände und jenen kalten Winter, der ihn immer mehr umnachtete. Er spürte, dass etwas nicht mehr stimmte. Etwas nicht passte. Diese schwarze Krone, die er trug, die ihm Macht über die Furcht gab, wog immer schwerer. Er war verloren. Stets verloren, weil er in seiner Feigheit, stets dem Weg folgte, der vor ihm lag. Niemals wich er ab oder traf freie Entscheidungen. Das Monster geriet heran. Es wuchs, schrie lautlos in seine Ohren und die Stimme, die einst liebevoll war, verstummte im Angesicht von Ketten und Zwängen. "Jeder hat seine Aufgabe," sagte Verus, bevor er sein Haupt erhob und den Konsul direkt anblickte. "Jeder hat seine Aufgabe," wiederholte er betont. "Wir haben etwas besprochen, wenn du dich erinnerst, Konsul. Du hast eine Aufgabe übernommen. Eine wichtige Aufgabe. Und ich folge hier meiner Aufgabe," sprach der Trecenarius ohne wirklich Mimik, fast Maskenhaft schienen seine Züge, und doch brachen seine stechenden Augen hervor, die leblos aber lebenssuchend auf den Claudius fielen. Verus erkannte immer etwas. Dieser Mann fand etwas immer. Nur nie, was er für sich selbst brauchte, sondern stets nur für seine Aufgabe als Meuchler und Schattenmann des Kaisers. "Morrigan ist deine Sklavin. Sie wird es für immer sein. Nach Gesetz wird sie dir überschrieben aber ich möchte dich bitten, dass Brandzeichen deines Hauses sichtbar zu verbringen," forderte der Geheimdienstmann bitter auf. "Es ist deine Gelegenheit, der Urbs zu zeigen, dass du willens bist, diese Sklavin zu halten und zu bewachen, damit von ihr kein Schaden mehr ausgeht. Du versprachst Sicherheit und nun zeige uns in einem Akt dein Versprechen, dass du Strafen kannst," meinte Verus und deutete zur Bühne, die unweit war. Der Trecenarius wollte sehen, aus welchem Holz dieser Mann geschnitzt war. Konnte er Gewalt ohne Zögern anwenden? Würde er zögern? Was würde er sagen? Es war eine Lehrstunde über diesen Charakter, den er vor sich sah. Alles für die wertvollen Berichte in seinem Geschäft. Man musste Menschen kennen, um sie kontrollieren zu können. Leider war Kontrolle die Aufgabe des Trecenarius.
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Die Ordnung einer Gesellschaft war ein fragiles Konstrukt. Oft kamen Entscheidungen zu spät oder wurden nicht in dem Umfang getroffen, wie sie entsprechend notwendig waren. Dieser Kaiser wollte scheinbar nicht übermäßig aktiv agieren, eingreifen und die Kontrolle über weite Teile der Handlungsräume jener Gesellschaft übernehmen. Verus ahnte, dass er vieles im Dunkeln selbst erledigen musste. Nicht direkt gegen den Wunsch des Kaisers aber im weitesten Sinne für ihn. Geheimdienste waren immer im Schatten tätig, um jene Gesellschaft vor sich selbst zu schützen. Es war ein Spiel der Ängste und Mächte. Wenn der Kaiser keinen offenen Befehl geben konnte, würde Verus seinen Befehl in den Worten finden, die ihm präsentiert wurden. Natürlich gab es hier einen gewissen Interpretationsspielraum. Verus gedachte diesen nur im Rahmen seiner originären Aufgabe auszuschöpfen. "Ich werde dich auf dem Laufenden halten und dir zeitnah jenen Bericht präsentieren. Ich bitte jedoch um etwas Bearbeitungszeit, da eine solche Bearbeitung nicht in wenigen Tagen erledigt ist," erklärte Verus mahnend, dass seine Schattenleute keine Wunder wirken konnten. "Ich denke, dass wir die Christianer verantwortlich machen werden. Sie bieten sich übermäßig an und eine nachhaltige Verfolgung ihrer Kreise schadet dem Imperium in keinem Fall. Es entsteht kein Vermögensschaden, wenn nicht sogar ein Gewinn für deine Kassen, wenn wir ihre Vermögen einziehen können," deutete der Geheimdienstmann nüchtern an und eine kalte Sachlichkeit ließ die Worte frösteln. Der Kaiser wollte wohl kein Tyrann sein. Dennoch musste seine Herrschaft stets bewiesen werden. Furcht war leichter zu steuern, als jener Respekt, den sich viele wünschten. Doch Herrschaft war keine Respektbezeugung, oder eine Wunschsammlung, sondern harte Realität. Respekt entstandt aus Furcht. Vertrauen jedoch nicht. Doch Herrscher brauchten kein Vertrauen, sondern schlicht Kontrolle. Verus verstand die zurückhaltende Art seines obersten Herren nicht. Sie war ihm sachfremd und fast naiv. "Die Liste wird dir baldmöglichst in Abschrift gebracht," sagte der Trecenarius kühl und räusperte sich dann. Es war wichtig nun noch eine Sachfrage zu klären. "Mein Imperator, wir haben noch eine Sache, die deiner Entscheidung bedarf. Varia, jene Aufhetzerin und Staatsfeindin, ist immer noch unserem Gewahrsam und bald soll ihre Hinrichtung anstehen, habe ich die Freigabe sie in die Arena zur Hinrichtung zu führen?" Verus würde das tun, was notwendig war. Wenn der Kaiser kein Tyrann sein konnte, würde er selbst einen Tyrannen spielen, der grausam und kaltherzig strafte.
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Verus ließ sich gewohnt Zeit mit seiner Antwort, um einen größeren Wissensschatz zu durchforsten, den er nicht ganz offenbaren wollte und somit musste er auswählen. "Unbedeutend ist diese Sekte nicht! Sie lehnen den Staatskult ab, sie lehnen die Macht des Imperiums ab und natürlich deine Person, Augustus," stellte er klar und nickte ernstlich, so als ob das Leben des Kaisers davon abhinge. "Sie werden sich für weitere Politiken zu deinen Gunsten eignen. Wir werden durch ihre Verfolgung Handlungsmacht demonstrieren und dem Volk sicherlich geeignete Delinquenten präsentieren können," gab er jene Interessen der Prätorianer zu, die bereits mit geheimer Politik beschäftigt waren. Es ging hier um Macht und Macht war immer ein Theaterstück, welches eine Bühne und Darsteller brauchte. Die Christen sollten die neuen tragischen Figuren werden. "Ich werde dir eine Liste mit Namen zukommen lassen, Imperator. Wir haben einige Namen ausfindig machen können, die in Zusammenhang mit erheblicher Kritik an dir stehen, mein Kaiser," versicherte der Trecenarius kühl. "Du kannst selbst auswählen, wie wir mit diesen Namen verfahren sollen. Ich werde bei Zeiten mit Handlungsoptionen auf dich zurückkommen, die du frei wählen kannst."
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Verus nahm die Reaktion zur Kenntnis. Dieser Mann schien recht schnell seine Fassung zu verlieren, was sicherlich ein gutes Zeichen war. Denn unbeherrschte Seelen waren leicht durch äußere Faktoren zu eigenen Gunsten zu manipulieren. Ebenso, wie Narzissten und Egomanen. Der Trecenarius ließ sich Zeit zu antworten, sog mehrfach ruhig Luft durch die beiden Nasenflügel, bevor er einige Gedanken sortiert hatte. "Ich denke nicht, dass wir eine Anordnung benötigen," war die zynische Antwort. Immerhin besaßen sich permanentes Kriegsrecht, konnten jederzeit Informationen heranziehen und waren mit einer außerordentlichen Befugnis ausgestattet worden, die sich aus ihrer originären Aufgabe als staatliche Geheimpolizei und Kaisergarde ableitete. "Diese Schriften nehmen wir mit," sagte der Trecenarius und deutete auf einen kleinen Stapel, während er sich vom Stuhl erhob. Geheimschutz war eine wichtige Aufgabe. Eine sehr wichtige Aufgabe sogar. Diese Schriften sollten nicht im Zusammenhang mit der Kommission in Erscheinung treten. Verus würde sich eigenhändig noch einmal sichten, tiefergehend studieren, um eine verbesserte Kopie an die Kanzlei zurückzusenden. "Nicht alle Mühlen brauchen Wasser oder Wind," trat er auf Fabius zu und machte eine ausladende Geste mit beiden Händen. "Dies ist eine Sache der Prätorianer. Eine Sache der imperialen Sicherheit," floskelte der Trecenarius mit einem bissig-zynischen Schmunzeln, welches durch kalte Augen sinister unterstrichen wurde. Verus war durch die frostige Grausamkeit des Geschäftes bereits in jene Welt abgedriftet, die mit beißendem Zynismus nicht nur die eigene Seele, sondern auch fremde Personen strafte.
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Und so begann es. Verus hatte sich seinen Platz gesucht, um schnellstmöglich aus den Augenwinkeln der Anwesenden zu verschwinden und zumindest eine neutrale Position einzunehmen. In seinem Geschäft präsentierte man sich nicht. Man sah sich nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit, sondern verdeckte seine Handlungen und Gedanken stets. Die eigenen Gedanken des Geheimdienstchefs zogen weite Kreise, studierten bekannte Informationen und Fakten zum anwesenden Personenkreis. Verus nahm die Tafel, blickte auf diese und senkte beide Augenbrauen skeptisch herab. Mit einem schnell gewischten Griffelstrich schrieb er seinen gewünschten Worte ins Wachs.
Parolen ---- nicht selbst gesehen ---- ca. August (Consul)
[FONT=freestyle script, amaze]Meldung am Tag des Aufstands ---- nicht selbst gesehen ----- nach Ausbruch (LPC)[/FONT]
Nachricht vom Aufstand ---- zu Hause erhalten ---- nach Ausbruch (Purgitius Macer)
Ausbruch des Aufstandes - Gesehen in der Arena - Ludi Apollinaris (Caius Flavius Scato)
Erlebt als Zivilist: Zerstörung des eigenen Stammsitzes ---- nachermittelt als Trecenarius (Indienststellung nach Zwischenfall) aus Aktenlage ---- weiterhin mit Aufarbeitung und Lösung der resultierenden Staatsschutzprobleme betraut ( Au.Tiberius Verus)Während er wortkarg schrieb, wurde Verus bewusst, dass er auch etwas sagen musste. Dabei sprach er ungern offen über dieses Geschäft und seine Aufgaben. Immerhin arbeiteten sie stets im Dunkeln. Ihre Türen waren schwarz bemalt, strahlten kein Licht ab und öffneten sich nur dankbaren Willfährigen. "Ich bin Tiberius Verus, derzeit Trecenarius und diene dem Kaiser nicht als Ermittler und Aufklärer in dieser Sache, sondern bin auch mit den staatspolitischen Aufräumarbeiten betraut, wie eine organisierte Zerschlagung der Hintergründe und weiterer Staatsschutzmaßnahmen, wie eine erweiterte Zersetzung der Unruhe, durch Verfolung und Nachsetzung der Christianer. Aus unserrer Sicht eigenen sich die Christianer, um weitere Folgen auf unsere res publica abzumildern, indem wir sie nachsetzlich behandeln und abfertigen," erklärte er kalt seine Aufgaben und machte keinen Hehl daraus, dass er mit diesen leicht verschlossenen Worten eindeutig eine erhebliche Verfolgung meinte. Ihm war sehr wohl bewusst, dass dies moralisch fragwürdig war aber sicherlich zeitgemäß, um römische Macht erneut zu etablieren. "Ich kenne einige der Hintergründe aus unseren Akten und Dokumenten," gab er eine vielsagende Aussage von sich und blickte dann von der Tafel hoch, um kurz Augenkontakt zu den Personen zu suchen.
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Ich melde mich vorsichtig zurück. Ich werde ab morgen sicherlich wieder zum Schreiben kommen. Leider wurde ich heute mit allerhand Bürokratie zugemüllt, so dass ich keine Buchstaben mehr tippen kann.