Verus zögerte. Es dauerte, bis er sich eine Antwort zurecht legen konnte. Es fiel ihm schwer, einer Person, die scheinbar keinerlei Eigenschutz besaß, ein Gespräch passend zu seiner Obrigkeit zu vermitteln. "Was ich meine, spielt keine Rolle. Es geht darum, was Rom von dir denken soll," antwortete Verus schließlich, um der Misere zu entkommen. Die Sachlage entwickelte sich zu seinen eigenen Ungunsten. Er hatte auf Antworten gehofft, die sich einer Wahrheit möglichst annäherten aber dieses Gefasek einer eifrig den Tod Suchenden, half ihm nicht weiter, sondern vertiefte nur den Unzustand dieses Falls. Er ahnte bereits, dass dieses Ergebnis nicht ausreichen würde. "Was ich suche ist für meine Herren eine objektiv angenäherte Wahrheit, was wir daraus machen, ist etwas anderes," offenbarte sich Verus, da er bei dieser Frau keinerlei Maske mehr brauchte, da sie ohnehin dme Theater entronnen war. Ihre Bühne war baldig einer grausamer Tod durch fremde Macht.
"In diesem Konflikt geht es nicht, um deine persönliche Macht oder deine Freiheit. Es geht um eine politische Idee und diese Ideen müssen stets mit Blut erkauft werden. Rom ist eine Idee, ein Schmelztiegel vieler Kulturen, zusammengehalten durch schlichte Macht und Größe. Diese Macht und diese Größe entspringen einer einfach Angst und ich brauche deine Antwort, um dieser Angst dienen zu können," sagte Verus mit einer sanften Geste seiner linken Hand. "Diese Gesellschaft ist eine Waage. Ihre Furcht ist das Gegengewicht. Sie gleicht die Unordnung aus, welche folgen würde, wenn die Freiheit überwiegen würde. Ohne Furcht gäbe es keine Gesellschaft. Wir alle fürchten etwas, Gefangene," erklärte der Geheimdienstchef sachlich und ruhig.
"Moral, Gewissen und Anstand sind Schlüssel und Ketten in den Händen der Narren. Mein Gewissen ist befreit von der Unvernunft, dass es bedeutung innerhalb der Gesellschaft genießen könnte. Die Menschen interessieren sich nur oberflächlich für Moral, sofern es ihre eigene Lebenswelt betrifft. Moral ist das Konzept eines Wahnsinnigen. Ich halte objektive Vernunft dagegen: Aktion und Reaktion. Du hofft auf eine Erlösung im Tode, doch wirst du dort nichts finden. Du hast nur ihren Alltag gestört und damit ihre Angst sichtbar gemacht. Im Grunde hast du uns einen Dienst erwiesen. Du hast unsere Angst gesteuert, übernommen und uns mehr Macht gegeben als zuvor," argumentierte Verus zynisch. "Wenn wir ein Vakuum schaffen, dass nicht mit erzogenem Verstand zu füllen ist, bleibt Kontrolle über die Leere, wenn wir die Leere mit Angst füllen können, folgen sie brav, um nicht mit ihrem erzogenem Selbst zu kollidieren. Ich mag es selbst nicht. Aber wir alle scheinen keine Wahl zu haben, nicht wahr? Am Ende liege ich genauso tot am Boden, wie du, Gefangene. Wir alle spielen auf, tanzen munter unseren Tanz und verschwinden dann, wie alle anderen von der Bühne. Es wird sich nichts ändern. Niemals. Die Namen ändern sich, die Farben aber der Tanz bleibt stets der selbe zur selben Musik, die monoton unsere Lebenszeit bestimmt. Mit jedem Herzschlag wird unsere Zeit geringer, die uns verbleibt. Mit deinem Leben hast du uns einen großen Dienst erwiesen," schloss Verus diesen Fall ab. Ihm war klar, dass Varia gekonnt Rom gegen sich selbst benutzt hatte aber in diesem Zustand lag ein Zugewinn an Sicherheit. Denn Varia konnte in Wahrheit nichts zerschlagen, sondern nur verbrennen. Aber dieser Brand war eine geeignete Kontrollfunktion für die Gesellschaft. Rom musste stets gelenkt, überwacht und kontrollert werden. Es war seine Aufgabe. In diesem Augenblick fasste Verus den Entschluss, dass die Christianer als Angstfeind herhalten mussten. Es war einfach, denn man kannte sie. Man hatte Listen längst angefertigt und konnte diesem einfach nachgehen. Verus würde nicht zulassen, dass Varia die Kontrolle behielt. Nun übernahmen die Prätorianer. "Weiter im üblichen Verfahren," sagte der Trecenarius, während er hinaus ging und im Korridor verschwand. Siene Gehilfen leisteten nun ihre Arbeit.