Beiträge von Aulus Tiberius Verus

    Wenn es ein letztes Lied geben sollte, welches Verus sang, war es das Lied seines Herzens. Ein Lied, welches allein aus Hoffnung und Zuwendung zu ihr geschrieben war. Ein Lied, welches unsterblich war und von der letzten Kraft eines Lebens ins Nichts getragen wurde. Das letzte Lied, welches ihm niemand nehmen konnte, denn er hatte seine Erinnerung an das, was er nun hatte. Es war das Lied seiner liebevollen Sehnsucht nach Idun, die einem wachsenden Mondlicht gleich, auf seine Lebensnacht fiel. Die Idee von Rom war zu groß für den Tiberius geworden, da er nun etwas kannte, was keinerlei Größe bedurfte, um Ewigkeit zu haben. Sein eigenes Streben war zusammengebrochen, denn er hatte nun sein Zuhause gefunden und zwar in ihren Augen. Ihr Schmollmund war der erste Ton seines Liedes, welches in der Melodie seiner Augen angespielt wurde. "Du machst alles schön," entfiel es ihm entfremdet, wie einem Kind gleich, welches etwas beschreiben musste, was es nicht verstand aber betrachtete. Doch dabei verstand er sehr wohl, was er vor sich sah. "Dein Dominus war ein Dummkopf," antwortete er mit freundlicher Stimme und näherte sich, um ihr einen vorsichtigen Kuss auf die Stirn zu geben. Wärme verweilte dort, die sie beide tauschen konnten. Er lächelte erleichtert, losgelöst von dieser Welt und einmal echt ohne das Blei seiner Vergangenheit, welches an seiner Seele zog. "Das freut mich!" Verus strich ihr mit seiner Handfläche über die Schulter, bevor seine Hand von fremder Macht an ihr Kinn gezogen wurde, wo sie verweilte, um ihre Haut zu spüren. Er spürte sie und wusste, dass sie real war und der Wunsch Wirklichkeit war. Der einsame Soldat war nicht mehr allein. Doch da war ein Geräusch, welches ihn aus dem Traum riss. Es war der bekannte Wolf, der Idun stets gefolgt war. Verus verspürte keine Furcht aber verweilte ihn ruhige Pose, als seine Hand von ihrem Kinn fiel. Sie sank auf ihre Knie und liebkoste ihren Ziehwolf. Seine Geliebte weinte für ihren Wolf, so dass auch Verus seine Tränen mit ihr teilte. Dieses Geschöpf war ihm so viel gleicher, als er bisher erahnt hatte. Dieser Wolf war einsam, wie er es selbst einst war. Verus verstand endlich, dass diese Welt durchzogen von geheimen Wundern und Zeichen, die sich nur denen offenbarten, die ein wahres Herz hatten. Endlich spürte er Wahrhaftigkeit und auch den damit verbundenen Schmerz. Der Wolf blickte zu Verus auf und Verus blickte brüderlich herab. Lunas Blick folgte ebenso hinauf. "Er kann hier im Obstgarten bleiben. Ich finde eine Lösung und sage, dass er mir gehört und ein besonderer Kriegshund ist," ersann Verus eine List, um Fenrir ein einsames Schicksal zu ersparen. "Du kannst ihn hier besuchen." Vielleicht gelang es, denn als Centurio konnte Verus einiges bewegen und mit etwas Glück sogar die Soldaten überzeugen, dass dieser Wolf keine Gefahr war, sofern sie nicht gegen agierten. Auch war ein Wolf ein gutes Omen, denn die Stadt Rom selbst hatte eine Wölfin als Wappentier. "Er darf nur keine Probleme machen," schränkte der alte Veteran nun doch ein. Es bestand natürlich immer eine Gefahr, dass ein wildes Tier seinen Trieben folgte und somit ein Risiko wurde.

    Die Dinge nahmen eine seltsame Wendung. Eine wirklich seltsame Wendung. Als der Germane mit jener Waffe auf Verus zukam, war der altgediente Legionär bereits zur Abwehr bereit aber zeigte nicht, dass er jenes Bewegungsmuster bereits im Kopf plante. Er war bereit, seine Armschienen zu einem abwehrenden Schlag hoch zu reißen und den Gegner zu entwaffnen. Geübte Kämpfer würden dies in seinen Augen erkennen, dass er stets bereit war, seinen Gegner zu überwinden. Die Dekaden an Frontdienst hatten ihn erfahren gemacht aber nicht überstürzt. Panik war nicht seine Wahl, so dass er der Situation jene Entfaltung erlaubte, auch wenn seine eigene Lippen sich verfestigten und schmal wurden. Diese Germanen waren undurchschaubar aber hatten wohl eigene Geltungsregeln. Der Chatte sprach und Verus hörte zu. Es blieb ihm auch nichts anderes übrig. Flucht war ebenfalls nie seine Wahl. Ein Soldat stand fest und würde ohne Todesangst vergehen, wenn seine Zeit gekommen war. Verus hatte dies mehrfach bewiesen und sogar erst vor kurzer Zeit als er seine Einheit mit seinem Opfer retten wollte. Der Centurio blickte auf die in den Händen gelagerte Waffe des Germanen und versuchte diese zu beurteilen, welchen Wert und Kriegsgegenwert sie hatte. Es ging um Idun, ja, seine heimliche Geliebte und somit war sein Fokus nach kurzer Zeit nicht mehr auf der Waffe gelegt, sondern auf dem Angesicht des Germanen. Er wirkte immer noch grimmig und unnahbar. Doch Verus verstand, was dieser Mann ihm sagen wollte. Die Erinnerung an jene Tage trug er jeden Tag mit sich. Er träumte von seiner Grausamkeit und seiner Idun. Verus lebte in der Schuld seines Lebens. "Ich verstehe und werde folgen, bei meinem Eide," antwortete Verus, als man ihm das Schwert übergab. Auch wenn er selbst nicht an Götterurteile glaubte aber eine gewisse Schicksalhaftigkeit dieser Erfahrungen konnte er nicht absprechen. Hoffentlich würde eines Tages eine Gnade über Verus fallen, dass er sich selbst verzeihen konnte, was er Idun und anderen angetan hatte. Hoffnung war ein Symbol, welches nun auch die Form dieses Schwertes hatte. Ein Feuer entflammte in seinem Herzen und vertrieb den kalten Blick, der sein Leben verbarg. Mit gerechter Hand nahm er das Schwert entgegen und nickte Gunar dann aufrichtig zu. Eine leichte Vorbeugung des Kopfes vor dem Werte der Hoffnung, welche Idun damit bewiesen hatte, als sie sich gestellt hatte. Idun hatte mehr Mut gehabt, als er jemals beweisen konnte. Verus war dankbar und traurig zugleich. "Mein Wort zählt und ich werde Idun ...," sagte er und entschied für die Wahrheit nach einem Zögern. Sollte der Tribun doch wissen, was geschah und wie Verus fühlte. In diesem Augenblick war Wahrhaftigkeit wichtig. Nur Wahrheit konnte Frieden verheißen. "... lieben." Ein Wort, welches größer war, als Rom oder Pflicht, denn Verus war nun bewusst, was Liebe war. Es war eine mächtige Sehnsucht und Verantwortung. Liebe führte durch die dunkelste Nacht einer Seele und zeigte sich einem Lichtschein gleich. Verus vergab sich nicht, sondern gab sein Leben in einen Traum, der sich hier beweisen ließ. Mit nur einer Geste. Er nahm die zweite Hand auf und strich damit vorsichtig über die Klinge, welche schön gefertigt war. "Danke," sagte er mit warmer Stimme, die durch Erinnerung an Liebe gewärmt war. Das Dunkle war für einen Augenblick verbannt. Auf den Aufruf zum Gelage konnte er nicht sofort reagieren, denn kurz verschenkte eine Gedanken an seine Idun, den er einem Vogel gleich, in die Ferne schickte. Nur der Tribun riss ihn aus jenem Gedanken mit seinem nicht ganz so soliden Scherz. "Es scheint mir so," erklärte Verus missverstanden und nickte nun auch dem Tribun zu, während er das Schwert immer noch achtsam vor sich trug. Schließlich sprach ihn jene Duccia, die ihre ersten Sätze mit dem Flavius gewechselt hatte, an, die ihn sicherlich heute besser verstand, als alle anderen Anwesenden. Sie kannte sein Herz. "Das Schlachtfeld kennt keine Banner," gab Verus eine alte Soldatenweisheit von sich, um der Duccia vorsichtig zu antworten. Verus konnte nicht ganz akzeptieren, nun als germanischer Stammeskrieger zu gelten. "Verheiratet?" - erhob er überrascht seine Stimme und schmunzelte. "Dann sei es so," war die ehrliche Antwort, die er bei diesem Gedanken an eine Heirat mit Idun hatte.

    Was war schon erfreulich in einem Leben, welches allein dem Dienst galt? Es verschwand zwischen dem Dienstalltag und der Hoffnung auf einer Änderung. Nein, Verus hatte nicht jenes Licht verloren, doch strahlte es nur weiter Ferne. Das Vaterland war für Verus auch nur noch ein Begriff, kein heroisches Ziel mehr, dem er folgte. Es gab genug Rechtfertigungsversuche für Gewalt. Es gab genug politische Schachzüge und am Ende zahlten die einfachen Soldaten, wie Verus mit ihrer Hingabe und Aufopferung für die Spiele anderer. Verus erinnerte sich an die Spielzeugfiguren aus Holz und Ton, mit denen er früher Legionär gespielt hatte. Ein bitteres Schmunzeln zeigte sich. "Es gibt ein Lied bei uns, welches vielleicht mehr erklärt, als ich es je könnte. Es sei meine Antwort auf deine Aussage, dass jedem das seine widerfährt," sagte Verus und blickte in den Himmel, um sich an die Worte jenes Liedtextes zu erinnern. Er wollte es möglichst akurat wiedergeben, damit der Flavius nicht nur heroische Heldensagen kannte, sondern auch den Blick des einfachen Soldaten, welcher stets für andere blutete. "Mein Rom, ich vergaß, wer oder was ich war: nur ein kleiner Tonsoldat, dem das Feuer Leid antat," begann er mit fast gesundener Stimme in Melodie den Text anzupreisen. "Standhaft steht der Tonsoldat, auf dem Schlachtfeld bunt bemalt. Tapfer zieht er in den Krieg, denn die Urbs ist verliebt. Er denkt an sie und singt ein Lied," setzte er fort und senkte dann seinen Blick vom Himmel herab, um die nächsten Zeilen besonders zu betonen: "Spiel mit mir mein Vaterland! Zeig mir den Weg zu ihr, reich mir die Hand; Spiel mit mir mein Vaterland; Zeig mir den Weg zu ihr; Reich mir die Hand, geliebtes Vaterland." Er brach ab und suchte nach Luft, denn die Worte trafen genau jenen Punkt, an dem er seine Erinnerung, wie ein bösen Schatz verwahrte. Die Gefallenen und die Eindrücke holten sich ein und gaben sich preis. Der Veteran schloss für einen winzigen Augenblick seine Augen, als er das Wärme das Feuers dachte, welches einst seine Waden versenkt hatte. Auch der Geschmack des Blutes, welches über seine Lippen lief, wollte nicht sofort weichen. Verus hatte sicherlich mehr gesehen, als es für sein weiches Herz gut war. Dennoch raffte er sich auf, schüttelte den Gedanken und verbannte die Erinnerung wieder in die Truhe in seinem Herzen. "Der Schutz dieser Gesellschaft ist immer eine hässliche Angelegenheit," stellte der Centurio knapp fest und nickte dem Flavius ernstlich zu. Dabei wurden die kalten Augen ersichtlich, die nun gar starrend auf dem jünglichen Angesicht des Tribuns lagen. Verus hatte getötet und der Tod hatte sich in diesen Augen verbissen. Vielleicht waren diese Augen auch das, was die vielen dahingerafften Feinde durch seine Hand gesehen hatten. "Ich tue, was ich gut kann. Es mag sicherlich nicht heroisch sein oder den Heldentaten entsprechen, die besungen werden. Doch wir alle tun das, was wir können. Diese Welt ist nicht erfreulich, sondern voller anstrengender Tat und Pflicht," antwortete Verus mit fallenden Worten. Der kleine Sarkasmus des Tribuns war ihm nicht entgangen und so seufzte der Veteran nur, da ihm klar war, dass dieser Tribun viel mehr seinen Märchen folgte, als der Wahrheit. Er konnte nicht begreifen, was er nicht selbst gesehen hatte. Noch war der Flavius kein Tonsoldat und würde es wohl auch nie sein. Das Vaterland spielte nicht mit ihm. Verus wurde klar, dass eine Offenbarung vor diesem Mann sinnlos war, denn er konnte nicht verlangen, dass ein junger Patrizier die bekannten Heldensagen verneinte. Er konnte ja auch nicht verlangen, dass er Rom von seinem strahlenden Podest hob, um es der Erde nahe zu bringen. Die Realität war doch zu kalt und zu trist, so denn sie diesem Flavius genug bieten konnte. Verus entschied sich wieder für das übliche Theater, welches sich immer als lukrativ erwiesen hatte. Ein Theater für nicht-militärische Erwartungen über das Militär. "Wir dienen Rom, damit dessen Licht für immer strahlen möge. Ohne Rom wäre die Welt nur Chaos," begann er sein altes Stück erneut und lächelte todesverachtend. Verus hoffte damit, diesen Tag wenigstens ohne weitere Erklärungen zu beenden. Der Centurio glaubte nicht daran, dass dieser Flavius wirklich jemals das Schlachtfeld verstehen würde. - Und noch weniger wirkliches Kriegshandwerk erleben wollte. Also ließ er sich wieder als Tonsoldat nieder und spielte den eifrigen Marsch, welcher stets beachtlich wirkte auf unerfahrene Militärs. Kalter Schmerz war nun im Leibe verbannt, wie einst sein geliebtes Vaterland.

    Ihre Hand gab Halt und Zuversicht, dass nicht alles verkommen in dieser Welt war. Nicht alles von Grautönen durchzogen war und man am Ende selbst etwas hoffen konnte. Sie war Hoffnung und ihre Wärme überstrahlte den frostigen Splitter in seinem Herzen; ließ ihn sogar schmelzen. Es bestand kein Bedarf an weiteren Worten, denn ihre Blicke waren Aussage genug. Beiden ihr Vertrauen in dieser geteilten Zuversicht, welche nun nicht mehr einsam war. Verus malte nicht mehr nur Schwarz in diese Welt, sondern sah nun auch andere Farben, mit denen er malen konnte. Sein Verstand adaptierte dies, wenn auch langsam. Doch das Geld schien ein neues Gewicht zu sein. Es machte seine Geliebte nachdenklich, was Verus stutzten ließ. "Wir beide sind frei," antwortete der verliebte Offizier überzeugt und fand schließlich zu seinem Wohlgefallen erneut ein kindliches Lächeln in ihrem Gesicht. Es beruhigte ihn. "Ich kenne einen guten Schneider in Mogontiacum. Wir können gerne gemeinsam dorthin gehen," sagte Verus fragend, da er sich nicht sicher war, ob Idun ihn begleiten würde. Immerhin würde es offenkundig sein, was Verus dort mit einer Frau suchte. Man nahm keine Sklavin mit zum Einkaufen von Männer-Tuniken, sofern man nicht Mengen oder bestimmte Stoffe benötigte. Frauen galten als Stoffverständige, so dass man es im Zweifel darauf schieben konnte aber getuschelt werden würde ohnehin. Aber durch seinen Akt an Grausamkeit würde das Getuschel kein böses Gerücht werden, welches sich gegen Idun und ihn richten konnte. "Und ja, du brauchst dringend bessere Kleidung," neckte er zurück und grinste frech, als er mit seinen Augen über ihren Körper fuhr.

    Ein tumber Klotz von Kerl. Verus schmunzelte zynisch und erhob seine feste Stimme. "Es gibt eine wichtige Regel," erklärte der Centurio, immer noch den Stock an das Kinn des Iosephus pressend und mit beiden Augen auf dem Angesicht des jungen Mannes haftend. "Jeder hat zu kämpfen, keiner drückt sich," donnerte er die Worte herab, wie bei einem Gewitter und zog dann den Stock zur Seite weg, so dass womöglich eine kleine Strieme blieb. "Jeder Befehl wird ausgeführt und du wirst lernen das Leid nur in deinem Kopf existiert. Du bist jetzt Teil der Legion und die Legion wird dir alles nehmen, um dir bei guter Lebensführung, eine Auswahl wieder zu geben," erklärte Verus zynisch. "Versagst du oder drückst dich vor einem Auftrag oder dem Kampf, werde ich dich eigenhändig töten," drohte der altgediente Tiberius und spuckte vor Licinius auf den Boden. "Darauf hast du mein Wort!" - spielte er seine gewohnte Rolle als harter Kriegshund. "Aus der Reihe treten, Miles," befahl Verus und deutete mit dem Stock neben sich auf den Boden. "Eine weitere Regel ist, dass ich nun dein Vater bin. Du wirst Respekt zeigen. Du wirst nicht ohne meine Erlaubnis das Lager verlassen. Du wirst dich nicht betrinken, ohne meine Erlaubnis. Du wirst mich nicht belügen. - Und, du wirst niemals deine Hand gegen mich erheben."

    Niemand konnte wirklich verstehen, warum Verus im falschen Eifer jegliche andere Rettung verweigert hatte. Er hatte sich selbst anderer Möglichkeiten entzogen, um seiner verdammten Ehre zu folgen, die ihm bis heute nichts als Pein und Leid gebracht hatte. Niemand konnte begreifen, warum eine eigentlich gute Seele, im Blute anderer seinen Segen fand. Vielleicht mussten einige Menschen mehr geben, als sie erhalten konnten. "Jeder hatte zu dieser Zeit sein persönliches Joch zu tragen. Entweder man verstellte sich und diente dem Pseudo-Rex oder wurde in Pein oder Elend getrieben," erweiterte Verus die Aussage des Flavius mit seinen Worten und gab damit Verständnis preis. Es schien nicht so, dass Verus einen großen Groll hegte oder wirklich emotional teilnahm, denn seine Stimme war gleichbleibend kräftig aber nicht schreiend. Als Soldat hatte er lernen müssen, dass das Leben nicht immer das war, was man sich wünschte und oft war es einfach nur grausam ungerecht. Dieser Tiberius fügte sich in diese Welt ein und fand seinen Platz derzeit allein unter den Waffen, denen er mehr vertraute als jedem Menschen. Böse war Verus nicht aber auch sicherlich nicht unschuldig. Durch seine Hände waren im Kampf viele Leben genommen worden. Trotz seines warmen Herzens und seiner versteckten Güte, war dort was, was kalt brannte und eine heimliche Schuld war. Er bezahlte seinen Preis auf seine Weise. "Meine Intention ist nicht immer klar und manchmal auch mir nicht verständlich," offenbarte sich der Veteran nun doch, da er hoffte, dass der Flavius nicht die gleichen Fehler machte, wie einst er. "Ich äußerte eine Idee von Ambition und Motivation aber das Schlachtfeld kennt keine Tugend oder Gegenwert, sondern allein Blut und Brutalität. Mein rasanter Aufstieg ist meiner kriegslustigen Vergebung zu verdanken. Ich machte jede Arbeit, die mir aufgetragen wurde. Jegliche Tat, die Blut verlangte, war die meine und ich erkaufte mir damit jene geteilte Ehre, die uns zu Dienern des Mars macht," drückte sich Verus verschlüsselt aus, da er nicht zugeben konnte, moralische Zweifel an seinem Tun zu haben aber dies auch nicht vollständig verbergen konnte. "Ich habe den Tod mehrfach gesehen. Ich habe ihn selbst beinahe erlebt und durch meine Waffe starben viele Feinde. Am Ende stand die Legion auf den Gebeinen der Gefallenen und der gemeinen Feinde," gruselte ihn selbst der angebotene Gedanke. Wieder roch er jenes Schlachtfeld, spürte das warme Blut, welches in sein Gesicht spritzte und über seine Arme lief. Verus war wieder dort und seine Augen verloren jene Lebenskraft, wurden zu leeren Kristallen der militärischen Macht, die er und andere waren. Der Tod war in ihm und wollte ausbrechen, in gieriger Erfahrung und dem einsamen Abgesang des eigenen Vergehens. "Ich hätte...," wollte er eine Antwort finden aber brach dann. "Wünsche werden niemanden retten. Die Vergangenheit ist abgeschlossen. Es ist zu spät für mich. Ich bin gebunden durch Eid und Blut an den Krieg und kenne auch keinen anderen Weg mehr," war schließlich die dahingeworfene Antwort, die auch Selbsterkenntnis war. In der Tat war in der einsamen Nacht oft der Wunsch nach einem anderen Leben oder einem anderen Sein da. Ein Wunsch, so fragil und seltsam, dass er nur heimlich bedacht wurde. Denn jeder Soldat wusste, dass es keine Flucht aus der Erinnerung gab. Man war eben das, zudem man geworden war. Die Zeit hatte sie alle geformt und Verus eben zu einem einsamen Wolf, der eine Heimat suchte aber niemals finden konnte. Wenn nicht Idun wäre, wäre der Wolf längst verhungert auf seiner Suche nach Wärme.

    Ein böses und todessehnsüchtiges Schmunzeln legte sich auf seine Lippen. Nun fragte der Tribun tatsächlich die eine Frage, die den armen Tiberius schon mehrere Jahre beschäftigte. Verus musste nicht überlegen aber die Worte bedächtig wählen, um nicht irrsinnig oder verloren zu erscheinen. "Ich denke, dass ich die gesamte Geschichte in einem kurzen Abriss berichten muss, damit du verstehst, Tribun," leitete Verus seine Worte ein, um den Flavius schonend in eine abgründige Geschichte einzuführen. Nun war der Veteran selbst die längste Zeit seines Lebens Soldat aber hatte die Gründe für dieses einsame Leben niemals vergessen und auch niemals vergeben. "Ich wuchs einst in Rom und Achaia auf. Meine Familie besaß in Achaia Latifundien, die ich später beanspruchen konnte. Neben Fabricae und verschiedenen Landgütern besaßen wir auch einige Gestüte. Uns erging es gut. Ich konnte sogar eine Ehe schließen." Verus brach ab, da die Erinnerung an Calena schmerzte. Er senkte seinen Blick für einen Atemzug ab, um diesen dann wieder zu erheben. "Mit der Machtergreifung des Salinator und dem Untergang des Tiberius Durus, traf es uns ebenso hart. Salinator hegte einen Groll gegen jeden Tiberius und entsandte gewalttätige Häscher, die uns vertrieben und den Besitz in seine Hände überführten. Ich konnte mit meiner Frau fliehen," führte er seine Erzählung ohne Detailliebe fort, da er den Flavius nicht mit unnötigen Details verwirren wollte. Verus war lange genug Offizier, um eine Geschichte entsprechend zu straffen und weitesgehend von sensiblen Emotionen zu befreien. "Wir versteckten uns in Rom in einer Insula und lebten das Leben einfacher Leute. Schließlich endete die Herrschaft des Pseudo-Rex und wir konnten aufatmen. Ich schrieb dem Augustus einen Bittbrief, zumindest einen Teil unseres Besitzes wieder herzustellen aber dieser wurde nie persönlich beantwortet. Wir wurden vertröstet," erklärte Verus die unmittelbare Vorgeschichte und seine Worte klangen bitter. "Ich fand keine Arbeit und noch immer war das Ansehen der Tiberii beschädigt. Zwar unterstützte uns in dieser Zeit Tiberius Lepidus aber er selbst sah uns eher als Ballast als wirklichen Gewinn für seine eigene Lebensführung. Unsere Ersparnisse waren aufgebraucht und ich suchte bei den Göttern Ratschluss, die mir in einem fieberhaften Traum eine klare Antwort gaben, dass ich dem Adler dienen sollte. Um meiner Frau die Schande eines kläglichen Lebens zu ersparen und mir selbst die Ehre zurück zu verdienen, die uns immer wieder verwehrt wurde, ging ich sub aquila. Gleichsam musste ich mich von meiner Frau scheiden lassen und ließ diese in Rom zurück. Ohnehin war es eine Schande, dass ich als Sohn Roms nicht einmal ihr Geschmeide belegen konnte," sprach er weniger verbittert und deutlich sachlicher. "Auch erlaubte mir der Dienst, einen gleichen Umstand, der uns widerfahren war, für andere zu verhindern. Ich konnte Rom schützen und das bewahren, was die künftigen Gierigen und Machthungernden verderben wollten. Ich diente mit fester Absicht und entschloss mich den harten Weg zu gehen, um auch jene Fähigkeiten zu erlernen, die einst Rom groß gemacht hatten: Tugend, Tapferkeit und Wehrtüchtigkeit," schloss er ab und fand sich erneut im Selbstbetrug wieder. Glaubte er wirklich noch an jene Tugend? Der Mann bemerkte schlicht, dass ihm diese Erinnerungen immer noch verfolgten und belasteten. Sein Gesicht verfinsterte sich und seine Augen wurden leer. "Ich diente über viele Jahre an vielen Fronten und als die Grenzlegionen verstärkt wurden, entsandte man auch einen Teil meiner einstigen Stammeinheit aus der Legio Prima an die Grenze. Meine militärische Karriere ist eine übliche Karriere eines tüchtigen Miles, der mit Stand und Ansehen handelt. Als Optio führte ich bereits kleine Einheiten und schließlich, noch zu meiner Zeit in der Prima, wurde ich zum Centurio erwählt. Hier an der Grenze führte ich meine Karriere als Statorum einer Grenzbefestigung fort und wehrte verschiedene Überfälle ab. Man erhob mich nach erfolgreicher Führung der Befestigung in die Primi Ordines der Legio Secunda, um es knapp zu formulieren, Tribun." Damit schloss die militärische Seele Verus seinen Lebensbericht ab und nickte dem Flavius ernst zu. Die grausamen Details seiner Feldzüge und Einsätze ließ er bewusst aus, um nicht erneut tief in diesen Gedanken zu verschwinden.

    Und so tauchte der Veteran mit festen Schritten auf. Mit jedem Schritt wirbelte er etwas Staub auf, der ihm im Wind nachzog. Er schaute die Angetretenen ernst an, denn heute wollte er dem Neuling klarmachen, wo er sich nun befand. Verus trug zwar nicht seine volle Ausrüstung, sondern nur die üblichen Gegenstände des Nicht-Gefechtsdienstes, wie das cingulum militare und den Pugio; neben der üblichen Kleidung eines Soldaten, wie der schweren Wolltunika und den caligae. Doch das Wichtigste Element seiner Tagesdienstausrüstung war der Rebstock, welchen er bedrohlich in beiden Händen vor sich trug. Sein Optio trat aus der Reihe der Anwesenden und erhob seine Stimme. "Centurio anwesend!" Sofort nahmen die Soldaten Haltung an und richteten ihren Blick gerade aus. "Centurio Tiberius, ich melde die Centuria III, Cohors I, Conternubium I bis V angetreten. Restliche Einheit auf Patroullie und Sonderdienst," sagte der Optio tonlos und trat zurück in die Reihe, wobei er seinen Optiostab schützend in seiner Rechten hielt. Verus nahm die Meldung zur Kenntnis, indem er sie kurz wirken ließ. Er nickte dankend ab. "Salvete," grüßte Verus und ging die Reihen ab und holte dann Luft, um mit lauter Stimme den Neuling zu begrüßen. Er blieb genau vor Licinius stehen und drückte diesem seinen Stock unter das Kinn. "Du bist neu hier! Und ich möchte dir bereits ein paar Regeln klarmachen, bevor mit wir der Ausbildung beginnen," blickte er ihn kalt an. Er wartete auf eine emotionale Reaktion seines Gegenübers, um seine Rede entsprechend anzupassen.



    Hier absolviert


    Titus Licinius Iosephus


    unter der Anleitung und Aufsicht von


    Centurio Aulus Tiberius Verus


    seine Grundausbildung




    Ausbildungsplan:



    Grundausbildung - Titus Licinius Iosephus


    I. Einführung / erste Exerzierübungen


    II. Kampf- und Waffenübungen


    - Scutum/ Gladius/ Schwertkampf
    - Pilum
    - Kampf/Linientaktik


    III. Übungen im:


    - Laufen
    - Reiten
    - Schwimmen

    IV. Übungsmarsch mit Formationstraining oder Manöver




    Grün = Abgeschlossen
    Braun = Laufend
    Rot = Ausstehend



    War es seine Wahrnehmung oder verflog die Zeit ohne sein bewusstes Zutun? Zwar hatte er seine Pflicht erfüllt, das wusste er aber irgendwie war ihm die wirkliche Partizipation daran entgangen. In letzter Zeit schien er Aussetzer seiner Erinnerung zu erleben. Scheinbar funktionierte ein Teil von ihm, ohne das bewusste Entscheiden des anderen. Verus fühlte sich taub, ungelöst und angespannt in dieser Situation. Er versuchte diese Taubheit abzuschütteln, die ihn ermüdete und wollte mehr als ein Beifahrer in seinem Leben sein. Dennoch blieb er auch jetzt wieder nur Teilhaber und nicht Entscheider. Andere entschieden über sein Leben, welches festen Bahnen folgte, wie Planet einer Flugbahn. Als Centurio leistete er stets gute Arbeit und galt als effizienter Befehlsempfänger, der akurat und zielgerichtet seine Aufträge mit seinen Soldaten umsetzte. In letzter Zeit fiel aber auch seinen Soldaten auf, dass er herzloser wirkte und seine Freundlichkeit, die er sich zu bewahren versuchte, wie eine Maske geraten war. Sie war zu einer reinen Floskel verkommen. Seitdem er von seiner Geliebten getrennt war, sei es auch nur für ein paar Tage, schien seine Menschlichkeit rapide zu zerfallen und der mechanische Centurio kehrte ein. Im erwachten Moment, aus seiner entfernten Wahrnehmung gerissen, salutierte er seinem Tribun. Auch Verus umgriff die angebotene Hand fest, wie es römisch war. Die Frage seines Vorgesetzten überraschte den erfahrenen Soldaten, der mit dieser Frage nicht gerechnet hatte. Insofern konnte er auch nur unvorbereit antworten: "Ja, Tribun. Ich bin unter Umständen sub aquila geraten. Dennoch bereue ich diesen Schritt nicht." Er ließ offen, welche grausamen Umstände dies waren und verband die Antwort auch mit einer offenen Rechtfertigung, da es unüblich für seinen Stand war, ex caligae zu dienen.

    Denn eine magische Liebe ergab keinen Sinn für diese Welt und Liebe hatte keinen wahren Namen. Diese Liebe ließ Verus in Tränen ausbrechen und sie setzte sein Herz in Brand. Diese Liebe kannte keine Angst, denn diese Liebe brauchte keinen Grund. Verus betrachtete seine Geliebte, während seine Augen in den ihren Halt fanden. Liebevolle Tränen rannen über seine Wangen, die sein zögerliches Lächeln mit Glanz umgaben. Er antwortete mit hoffnungsvoller Absicht: "Nimm meine Hand, lösch die Vergangenheit für immer aus." Er sprach zu ihr, ohne ihrem Blick auszuweichen. Er war hier, allein für sie. Verus würde sie nicht mehr gehen lassen, ohnen ihren Wunsch. "Meine Liebe bist du; Du bist meine Liebe," sagte er mit einsamen Worten, die für sich an Strahlkraft in der Betonung fanden. Denn wahre Liebe war niemals falsch und brauchte niemals einen Grund, um zu existieren. Er schmeckte seine Tränen, die jene Verzweifelung verwuschen. Sie machte ihn besser und sie verlangte nichts im Gegenzug. In diesem einen Augenblick, in der Andeutung eines Lächelns, fand Idun seine wahre Antwort. In der Art, wie er einst "Lebewohl" gesagt hatte; und jedes Mal, wenn er sie wiederfand. Es war ehrliche und unbestimmte Liebe. Er reichte ihr seine Hand, damit sie diese greifen konnte und zog mit der anderen Hand eine kleinen Beutel von seinem Gürtel. "Hier, das ist Geld, welches allein dir gehören soll, damit du freier leben kannst," meinte er und nickte ihr zu.


    Sim-Off:

    * Damit möge ihr ein Konto gestattet sein. ;)

    Geschlagen von der Zeit und seiner Vergangenheit, zog Verus, nachdem er zwei Briefe erhalten hatte, zur Porta Regia, um mit seiner Cousine zu sprechen. Es gab Wichtiges zu besprechen und nicht mehr nur ein Picknick. Verus, von seinen Ängsten zerfressen, war direkt aufgebrochen und trug sogar noch seine Rüstung, so dass er als vollwertiger Centurio auflief. Es blieb keine Zeit für ihn, denn diese Umstände hinterließen eine gewisse Dringlichkeit. Verus, gewohnt an diese Gefahren, fand sich in seinem Element wieder und schien recht erkaltet, während er vor die Porta trat. "Ich muss zu Tiberia Lucia," sagte Verus, der seinen Helm abnahm, um sein Gesicht zu zeigen. "Soldat, ich bin Tiberius Verus, Centurio, Primi Ordines der Legio Secunda," stellte er sich vor, um den hierachischen Regeln zu genügen und dem militärischen Protokoll. In seiner Eile hatte er sogar einen Gruß vergessen und blickte den Wachhabenden bitter an. Verus spürte diese kriechende Angst erneut, die sein ganzes Leben bestimmte. Warum ausgerechnet die Villa Tiberia? Warum seine verbliebene Familie? Es war ein böses Schicksal, welches ihn verbitterte.

    Gut, der junge Rekrut war schneller als Verus gedacht hatte. Er kannte sogar bereits die Eidesformel, was wohl auf die Soldatengeburt zurückzuführen war. "Ehm..," machte Verus überrascht und kratzte sich am Hals. "Eigentlich...," wollte er einen Satz finden aber brach dann ab, da der junge Mann bereits seine Schuldigkeit getan hatte. "Gut, ich werde deine Ernennung einleiten. Herzlich Willkommen in der Legion!" - sagte Verus, der nun wohl sein neuer Centurio war. "Haltung annehmen," begann gleich der übliche Drill. "Du bist nun Legionär! In zweifacher Geschwindigkeit zur Stube," war der Befehl, den Verus ausgab und dem jungen Mann leicht im Scherze und auch im Ernst mit der Faust auf die Schulter schlug.


    Sim-Off:

    * Ich werde die Tage (hoffentlich morgen) einen Ausbildungsthread eröffnen, da können wir dann direkt weitermachen! ;)

    Die Zeit verging langsam. Ebenso erwiesen sich die Verhandlungen als zäh. Verus, der seines Zeichens nur noch stilles Geleit war, erwies seiner Aufgabe die nötige aufopferungsvolle Hingabe und blickte kalt in die Menge an Anwesenden. Auch suchten seine Augen mit einem Seitenblick den Tribun, der seiner Aufgabe mit eloquenter Eifrigkeit nachkam. Verus selbst spürte den Winter in seinen Knochen, der sich kriechend, wie eine Krankheit bewegte. Ihm war der Zustand der Welt gleichgültig. Ferner auch diese Verhandlung. Frieden gab es nicht. Es war eine einfache Erkenntnis der lebendigen Existenz eines Soldaten. Zwar wünschte er sich echten Frieden aber war sich gleichsam bewusst, dass diese Welt aus Konflikten geboren worden war. Rom selbst war selbst ein einziger Konflikt aus widerstreitenden Interessen und Gruppierungen. Die hochgelobte Einigkeit exisiterte nur durch Waffengewalt und kalte Angst. Als Legionär hatte er gelernt, dem Gladius zu vertrauen und nicht auf Worte. Zwar konnten Worte mächtig sein und Kriege bewegen aber am Ende war sein eigenes Überleben nur von seinen Kameraden und seiner Waffenfähigkeit abhängig. Es gab nichts auf dieser Welt, welches Frieden wirklich versprechen konnte oder erhalten. Frieden war eine eifrige Illusion für Narren. Verus kannte nur eine Waffenruhe oder einen persönlichen Frieden, der nicht von Dauer war, da er stets von seinen Dämonen verfolgt war. Nur Idun, seine Geliebte, konnte ihn zeitweise erlösen, wenn wieder Gedanken oder Albträume kamen. In diesem Sinne verfolgte Verus des Geschehen mit zynischer Kälte und ohne offensichtliche Regung seines Gesichtes. Jeder spielte nur die Rolle, die ihm sein eigener Lebenswandel zugeschrieben hatte. Und Verus spielte seine Rolle bereits lange.

    Ein angebissener Apfel, der mehr verhieß, als nur einen süßen Geschmack. Es war nicht nur ein Angebot an Verköstigung, sondern auch ein Zeichen des Vertrauens und der Hingabe. Die Christianer würden eines Tages im Apfel die Frucht der Sünde sehen, doch war dies falsch. Er war nur eine Frucht von vielen und erst jene sachfremde Betrachtung gab ihm jede Wundermächte. Verus selbst fand diese Wundermächte in Wahrhaftigkeit vor sich und seine Gedanken kreisten um ein Gefühl, welches ihn lächeln ließ. Sein Herzschlag wurde ein stampfender Rythmus. Wie in einem Traum verließ er diese Welt und fand sich in einer Welt des roten Mondes wieder, der einst ihr Zeichen war. Der Apel erinnerte ihn an jenen Mond, der bedrohlich aber auch schön beiden einen Weg gewiesen hatte. Eine wortlose Stimme echote in seinem Verstand und drängte ihn dazu, den Korb abzustellen, der nun gut gefüllt war und mit fester Bewegung in den Apfel zu beißen. In dieser Bewegung legte er seinen Arm um Idun, so dass sie ihm nahe sein konnte. Seine Augen schlossen sich, um den Geschmack zu erfahren, der wirklich süß war. Der Arm des Soldaten stützte Iduns Rücken, wo seine Hand vorsichtig lag und ihre Wärme fand. "Ja," antwortete Verus zeitversetzt; entrissen von dieser Zeit und diesem Ort, als sich seine Augen öffneten. Es war ein Bekenntnis, nicht nur zum Apfel.

    Verus sortierte die ihm angereichten Äpfel im Korb und betrachtete sie dabei noch ein wenig, um faule Früchte auszuschließen. Natürlich hatte Idun sie vorher ausgewählt aber ein zweiter Blick schadete aus seiner Sicht nicht. Insofern drehte er die Äpfel dezent in seinen Hand, bevor er sie ihm Korb beließ. Seine Geliebte wirkte gelassen und frei, was ihn ebenfalls frei fühlen ließ. Es war genau jene Illusion, die ihm half, etwas Leben zu finden. Etwas Leben außerhalb seiner Vergangenheit. "Der Korb sollte reichen. Wir hören auf, sobald er gefüllt ist," erklärte Verus mit einem freundlich-liebevollen Lächeln, während sein Blick auf Idun ruhte. Immerhin brauchte er für die gewünschten Ergebnisse eine ausreichende Menge an Äpfeln. Verus kannte sich ein wenig mit rudimentärer Küche aus, denn als Legionär war er Selbstversorger. Er musste kochen und Essen zubereiten können. Das erste Mal in seiner Existenz fühlte er sich am richtigen Ort und zur richtigen Zeit. Wie sehr er sich wünschte, dass diese Normalität anhalten würde. Mit weit geöffneten Augen bewunderte er seine Idun, die ihm ein warmes Schicksal nur durch Anwesendheit offenbarte.

    Seine Füße trugen ihn entfremdet von seinem Leibe über den Boden. Wenn er den Boden sah, sah er seinen eigenen Abgrund, wie er sich mit Blut tränkte. Richtig oder Falsch - waren nicht mehr leicht zu trennen. Noch immer brauchte er jede geistige Kraft, um sich nicht von dieser Welt abzuwenden und zudem zu werden, was er immer bekämpft hatte. Einer Kriegsbestie, die nur noch im Chaos seine Glückseligkeit fand. Den Krieg verließ man nicht mehr. Nie wieder war man die selbe Person, wenn man Dinge gesehen hatte, die andere nur aus Geschichten oder Albträumen kannten. Sie brachten Angst mit sich. Eine Angst, die taub machte und einen sprachlos zurückließ. Was war aus ihm geworden? Diese Frage verschmähte sein eigenes Selbst, dessen Arme weit offen standen, um Liebe zu empfangen aber nicht mehr fanden. Der Marsch zog durch seine Monotonie an seiner geistigen Gesundheit, die nicht mehr derartig geraten war. Diese höllischen Bäume, der morastige Boden und das grüne Maas mit seiner satten Farbe verhöhnten seinen Fußweg. Das Blattwerk verdunkelte im sanften Schatten zwischen dem Licht einige Flecken in seinen Angesicht. Wenn sich Verus eine Hölle vorstellen konnte, war dies seine Hölle. Ein ewiger Marsch, um immer wieder in den Krieg zu ziehen. Er konnte diesem Gedanken nur noch Schlechtes abgewinnen. Immer näher kam diese Taubheit an sein Herz, die sein Gesicht bereits eingefroren hatte. Ein Krieger war er. Ein Soldat Roms, der nicht aus Stein war aber dennoch zum Stein gemacht worden war. Die verlassenen Augen des Tiberius erhoben sich, um zum Tribun hinauf zu blicken. Was fühlte er? Auch er würde eines Tages sein Verderben finden. Diese Welt hielt niemals etwas Gutes für eifrige Tapfere bereit. Suchte Verus ein Gespräch? Eigentlich unmöglich in seiner Position aber dennoch wirkte der Tribun seltsam fremd in dieser kriegerischen sowie brutalen Welt der Legionen, dass er vielleicht die richtigen Antworten für den leidenden Mann hatte, der sich unter seiner Rüstung gerne versteckte.

    "Ja," antwortete Verus freundlich und lächelte ungelernt. Er hatte es schlicht verlernt, frei zu lächeln und dieses Lippenbewegung wirkte fremd und gar unentschlossen, obwohl sie seinem Herzen entsprang. Es war schwer für einen Soldaten zu Lächeln, wenn er die Welt anders kannte. Doch Verus spürte diese Wärme, die ihn Lächeln ließ. "Wirklich!" Verus war sich sicher, dass dieser Tag so schutzlos er war, wertvoll sein würde. Er verschaffte ihm Erholung von seinen Ängsten und Heimsuchungen. Mit festen Schritten suchte er den nächsten Apfelbaum und deutete mitsamt dem Kopf hinauf. Der Baum war noch nicht groß gewachsen aber trug bereits ein paar Früchte in erreichbarer Höhe. Noch waren keine Äpfel zu Boden gefallen. Die Blätterkrone war dicht und man musste einige Äste zur Seite schieben, um fruchttragendes Geäst zu finden. "Möchtest du uns ein paar Äpfel pflücken?" - fragte der Römer banal und strahlte mit beiden Augen in ihre Richtung. Wie schön sie doch war, so anders und so fremd, dass sie dieser Welt entrissen wirkte. Der Centurio konnte sich nicht von dem fragilen Gedanken eines Verlustes befreien. Er wollte sie schützen, sofern es in seiner Macht lag.