Beiträge von Aulus Tiberius Verus

    Verus, immer noch geplagt von seiner Kriegswunde, wollte sich untersuchen lassen. Festen aber vorsichtigen Schrittes näherte er sich der Holztür zum Valetudinarium. Sie standen offen? Verus, skeptisch über diesen Vorgang aber wissend, dass heute wieder ein Tag war, wo die Legion Rekruten aufnahm, trat durch die Tür und fand ein bekanntes Gesicht vor. "Rupus," gab Verus von sich und Rupus nahm bei der Stimme eines angesehenen Legionärs Haltung an. "Centurio Tiberius," kaute er halblaut die Worte und blickte erschüttert über dessen Anwesendheit zur Seite. "Wieder Frischleisch für den Stößel?" - fragte Verus mit einem bissig-zynischen Lächeln. "Ja, Centurio," antwortete Rupus, der dezent in Richtung der Wand rückte, um dem Tiberius Platz zu machen. Verus trat ein. "Gut, dann muss ich wohl warten," meinte Verus, blickte dabei aber auf den Neuling. Der Arzt murrte erneut. "Anklopfen gibt es wohl nicht mehr in dieser Legion," donnerte seine Stimme krächzend. "Gut, lass' mich das eben notieren," kritzte er müde ein paar Worte in die Wachstafel. Der Arzt nahm den Finger herunter und näherte sich dann ungefragt dem jungen Licinius. Er schlug ihm unerwartet mit der flachen Hand auf die Brust und fühlte dann mit zwei Fingern am Hals wohl seinen Puls. "Gerade stellen," schimpfte er und ließ dann die beiden Finger wieder vom Hals ab. "Husten und die Augen schließen und sofort wieder öffnen," erklärte der Arzt weitere Handlungsanweisungen, während er selbst den Rekruten genau betrachtete. Verus hingegen schmunzelte über diese Prozedur und erinnerte sich an seine Zeit damals, als er sich eingeschrieben hatte. Damals, als die Legion wirklich noch Abenteuer und sogar erstrebenswertes Ziel war. Heute war sie für ihn mehr ein Gefängnis aber jene Unfreiheit kannte er und konnte damit umgehen. Es war seine Welt geworden, die nicht immer schön aber kontrollierbar war. Er konnte darin überleben und dies wohl nicht mehr außerhalb. Ob es diesem jungen Mann ähnlich ergehen würde? Das würde die Zeit zeigen aber Verus nickte Iosephus aufmunternd zu, da dieser Arzt doch recht ruppig agierte. Dann fiel sein Blick herab und mit ihm blickte auch Rupus, jener Optio, herab. "Iudäer," fragten beide fast simultan aber nicht in einem abwertenden Tonfall, denn die Beschneidung vor vorallem dort gebräuchlich oder bei wenigen griechischen Stadtstaaten. "... oder Grieche?" - fragte Verus dann noch, lächelte frech und klopfte Licinius dann mit der breiten Faust auf die Schulter. Man zog ihn bereits ein wenig auf. Sicherlich war die Legion ein Zuhause und noch stand diesem Mann die Tür offen. Der Arzt rumorte erneut: "Nicht die Untersuchung stören!" Es war ihm ernst und so funkelten dessen Augen böse. Der medizinisch ausgebildete Mann machte weiter, während Rupus hektisch zur Seite blickte.

    Es war tatsächlich Runa. Verus war überrascht aber nicht wirklich perplex. Er hatte damit gerechnet, dass diese Frau, die mehr mit Germanen als mit Römern gemein hatte, eine eifrige Gehilfen in dieser diplomatischen Frage sein würde. Es gab nur wenige in Mogontiacum, die beide Welten verbinden konnten. Was trug sie dort bei sich? Ein Seherinnenstab? War es jener Stab, den Idun ihr einst gegeben hatte? War sie nun selbst eine Seherin? Verus zweifelte immer noch an diesem Aberglauben aber erduldete dessen Wirkung. Die Vorstellung durch seinen Tribun war für den Tiberius sicherlich überflüssig aber die militärische Höflichkeit gebot es, diese mit einem vertrauten Nicken zu kommentieren. Ein Wort war überflüssig, so dass Verus wissend zu Runa lächelte. Man kannte sich und dies sicherlich auch besser, als manchem hier bewusst war. Diese Duccia kannte Verus Seele, denn in seinem Moment der Schwäche hatte sie hinein geblickt und den verletzten jungen Mann gefunden, der er eigentlich war. Schließlich entspannen sich die Ereignisse, so dass Verus nur noch Beistehender war. Die Reiter machten Meldung, ein Lagerplatz war gefunden und auch das Gespräch zwischen Runa und seinem Tribun, jenem Flavius, entwickelte sich. Verus entschied sich, lauschend und wartend bereit zu stehen. Er hatte als Soldat gelernt, in Momenten zu schweigen, wo sein Rat oder seine Expertise nicht gefragt waren. So hielt er seine Position und blickte erwartungsvoll zwischen der Duccia und dem Flavius mit aufgeklärten Augen auf und ab. Nun stieg auch die Duccia wieder auf ihr Reittier, so dass er nun auch zu ihr aufschauen musste. Wollte er nicht doch wieder auf sein Pferd steigen? Nein, er war ein Legionär und besser zu Fuß unterwegs. Der Boden gab ihm eine natürliche Sicherheit. Hier konnte er behändiger stürzen und seinen Weg finden, als auf einem Pferd. Nun war doch sein miltärischer Rat gefragt, so dass er zwei Auskünfte geben musste: "Einfach ist nichts in diesen Landen. Sei' niemals zu überzeugt von dir oder von denen." Dies war die erste Auskunft, die er gab und die auf seine lange Erfahrung als Statorum zurückzuführen war. Er hatte vieles von diesem Land kennengelernt und wusste, das vieles nicht so war, wie es den Anschein hatte. Man konnte sich niemals sicher sein. "Wir Legionäre präparieren unseren Lagerplatz, Tribun. Die Reiter sichern nur das Vorfeld ab und sorgen dafür, dass wir keine Überraschungen erleben. Wir, die Legionäre, kümmern uns um die grundlegende Lagerarbeit selbst. Ich selbst werde mit eigenen Händen im Dreck wühlen," gab er ein wenig selbstgerecht von sich, während er danach ernst seine Lippen aufeinander legte. Scheinbar vermochte der Tribun nicht klar zwischen Hilfstruppen und ehrbaren Legionen trennen. In Verus keimte ein wenig militärische Arroganz, denn seine Männer und er waren Legionäre und Bürger Roms, die für Rom Dienst taten. Sie waren jene Elite, welche das Reich erschaffen hatte. Die Hilfstruppen leisteten zwar auch ihren Beitrag, waren aber selten vollens römische Bürger und waren zur Unterstützung ausgebildet, während die Legionen die blutige Schlachtaufgabe zu ertragen hatten. Verus wollte nur jene Wertschätzung ernten, die er sich schlicht erwartete und erst recht nach alldem, was ihm und seiner Centurie in den letzten Jahren widerfahren war. Es war arrogant, mit Sicherheit aber konnte man es einem Mann verübeln, der alles für die Legion geopfert hatte? Nicht nur seine Vergangenheit, sondern auch seine seelische Gesundheit?

    Zitat

    Original von Manius Flavius Gracchus Minor
    Augenscheinlich war der junge Flavius wieder in jene Selbstverständlichkeit der Aristokraten verfallen, Sklaven weniger gleich einem Menschen als einem Stück Vieh zu traktieren, was ihm hingegen erst ins Bewusstsein drang, als der Tiberius ihn irritiert repetierte. Fortunablerweise präsentierte der Centurio sodann jedoch ein Lächeln, welches das Gefühl des Ertapptseins bei dem Jüngling, welcher bei seiner Rückkehr aus Aegyptus den Vorsatz gefasst hatte, sich zumindest jene epikureische Wertschätzung auch des geringsten Sklaven zu bewahren, verwischte und ihm ebenfalls ein, wenn auch ein wenig genantes Lächeln abrang.


    Sodann kehrte der Centurio jedoch nochmalig zu einem ernsten Sujet zurück, das zweifelsohne der Eifersucht eines Liebenden war geschuldet und damit die Hypothese des Flavius irrtumslos konfirmierte. Zwar hatte er nicht bewusst bedacht, ob jenes Mägdlein ihm eine adäquate Gespielin mochte sein, zumal er in Roma stets über darauf spezialisierte Dienerinnen hatte verfügt, doch schien es ihm kein allzu großes Opfer, diese Option zu exkludieren.
    "Dies sollte kein Problem sein. Ich denke, meine Coqua wird es ohnehin präferieren, wenn ihre Hände ihr in gänzlich profanen Angelegenheiten zur Verfügung stehen."
    Sie hatte immerhin bereits lamentiert, dass jenes umfängliche Haus impossiblerweise mit nur einem Gefährten reinlich zu halten war.


    Die Situation war nun seltsam und merkwürdig. Verus musste sich auf seine Vernunft besinnen und ließ sein Herz für einen Moment schweigen, damit er genügend Sachlichkeit an den Tag legen konnte, um sich nicht weiter die Blöße zu geben. Immerhin konnte er sich nun sicher sein, dass Luna in guten Händen war. Sie konnte wenigstens zur Ruhe kommen und hatte einen geschützten Ort gefunden oder besser erhalten. Er selbst hingegen musste in die kalte Welt des Militärs zurück, welche keine Gnade mit ihm haben würde. Es galt wieder Soldaten zu befehligen, Befehle zu erhalten und den üblichen Drill sowie Hierachie zu durchleiden. Verus wurde bei dem Gedanken daran mulmig zumute. Dennoch konnte ihn die kleine Hoffnung aufrichten, dass er seine Geliebte besuchen konnte. Es würde die Tage erträglicher machen, wenn der Dienst und die Erinnerung belastend wurden. "Dann verstehen wir uns," kommentierte Verus höflich aber bestimmt. Er atmete tief aus, blickte nickend zu seiner Sklavin, die er nun verabschieden musste. Vorerst zumindest. "Achte wirklich gut auf sie, Tribun," drängte Verus noch einmal, auch um sich selbst zu versichern, alles mögliche getan zu haben, bevor er sich mit zwei Schritten rückwärtig zu entfernen begann. "Ich verabschiede mich in den Dienst," erklärte der Tiberius monoton, während seine Augen mit Kummer gefüllt waren, als sein Blick Idun verließ. Sein Herz wurde schwer aber die Beine des Legionärs trugen ihn bereits in Richtung Ausgang. Luna war nun hier angekommen. "Valete," verabschiedete er sich von beiden.


    Sim-Off:

    Ich schließe diese Mini-Szene damit mal ab, da sie nun doch recht lange zurückliegt! Danke, Flavius! ;)

    Verus überlegte kurz. Doch seine Gedanken tanzten um diese Liebe, welche er spürte und die weltfremd und entrückt war. Die Fragen dieser Frau durchbrachen jenen Schild, welchen er sich mit letzter Allmacht seines Roms gegeben hatte. Stolz und Arroganz zerfielen, wie Staub und es blieb nur diese eisige Trauer und leidsuchende Sehnsucht in seinen Augen. "Sie war allein und einsam," erklärte er, während er an die Hütte dachte, in der Idun lieben gelernt hatte. Dort hatte er die einsame Seele gefunden, die sich nach mehr sehnte, als bloßer Existenz. Sie war ihm gleich geworden oder gleich gemacht. "Wir fanden uns durch Schicksalsmacht und sie ließ mich nicht gehen," setzte er fort und versuchte eine Erklärung für die Ereignisse zu konstruieren. Doch es fiel dem Offizier schwer, der sein ganzes Leben kalter Vernunft gefolgt war. "Wir haben uns und diese kalte Nacht, die dort war, im satten Mondenschein, konnte uns nicht frieren," drückte er sich verschwommen aus, da nun sein Herz sprach und sein Verstand Abstand nahm. Er akzeptierte jenes Wunder heimlich, trotz Unwillen des Krieges in ihm. "Sie gibt mir ...," brach er ab und blickte Runa mit Mondglanz strahlenden Augen an. "... Leben," war die Antwort, die er versuchte und schließlich auch gab.

    Von fremder Macht an einsamer Leine im seltsamen Rauschen wurde der gediente Mann ans Krankenlager seiner Geliebten gezogen. Er trug nicht nur das Federkleid eines gierigen Raubvogels, die Rüstung eines Römers, sondern auch die strahlenden Augen eines lebendigen Herzens, welches in Kummer und Sorge herbeieilte. Nebel, wie Seide, umgaben seine Seele, zerschlugen weiter die Sehnsucht nach Erholung und Erlösung. Mit spürenden Schritten im Winde seiner unsichtbaren Flügel, die ihm von hoher Macht gegeben waren, schaffte er es trotz Gewicht seiner Sorgen an das Bett zu gelangen. "Ich bin da," versprach seine fürsorgliche Stimme im Fluge. Der Römer kniete sich neben das Bett und blickte still zwischen Runa und Luna, um gebetener Gast zu sein. Seine Hand suchte die Hand seiner Geliebten, um in Würde Kraft zu geben. In sanfter Geborgenheit umgab er die leidende Luna, weckte sie nicht und lächelte müde zu Runa, welche nun doch jenen Stab erhalten hatte; dessen Wert Verus nicht bemessen konnte aber erahnen.

    Einsam hatte es Verus an diesen Ort gezogen. Viele Gedanken peinigten ihn und auch seine Seele litt grausam an dem Blute an seinen Händen. Wie sehr wünschte er sich Erlösung oder zumindest ein besseres Ende für sich und seine kleine Welt. Nach und nach verlor er seine Hoffnung, so dass er jetzt, trotz seiner kalten Ratio, in den Tempel des Mars ging. Mars, selbst Kriegsgott und wohl auch Kriegskundiger über die verletzten Seelen, war wohl der passende Ansprechpartner für die geschundene Seele des römischen Offiziers, der sich so sehr einen Frieden mit sich selbst wünschte aber nie erhalten hatte. Still setzte er sich auf eine der Bänke abseits, trug schlichte Kleidung, mit Ausnahme der soldatischen Kennzeichen, dem Pugio und dem cingulum militare. Traurig waren seinen Augen, bevor er sie schloss und ins lautlose Gebet fiel. Sein Herz schloss in Andacht an die Gefallenen einen Waffenstillstand mit seinem Geist. Es dauerte eine kurze Weile, bis sich Verus wieder erhob, um zum Altar zu schreiten. Dort stellte er eine Repilik eines römischen Legionärs aus Bronze auf. Diese kleine Figur hatte er die ganze Zeit fest in seine Hand gepresst. Danach fiel er vor der Figur auf die Knie, legte die Handflächen an die Altargrenze und wandte mit aufgerissenen Augen seinen Blick an die Raumdecke des kleinen Tempels. "Mars, geleite deine Soldaten, geleite uns alle, über den Krieg in den Frieden. Zeige uns, den Gefallenen und Veteranen, das Elysium," rief er halblaut in den Raum. "Ich biete dir als römischer Legionär diese Opfergabe als dauerhaftes Zeichen und erbitte mir schlicht dein Geleit und das Geleit für die Toten des Schlachtfeldes," bat er und erhob sich dann nach einem langem Atemzug, um den Tempel wieder zu verlassen. Bald würde er das Grab errichten, wie es Sitte war und aus Steintafeln jenes Feld errichten, das dem Andenken an die gefallenen Kameraden seiner Centurie geschuldet war. Es war seine Pflicht als Soldat und als Offizier, sich persönlich darum zu kümmern. Auch die Sterbekasse der Soldaten würde ihm dabei helfen, einen geeigneten Fürbeter aufzubringen und wenn nicht sogar einen kleinen Grabbogen aufzustellen zu lassen.

    In der Tat machte der junge Soldat den Fehler, den Verus erwartet hatte. Mit einer ausfallenden Bewegung seiner Waffe, schob er die stoßende Klinge zur Seite, so dass diese ins Leere stieß, während sein Knie fest in die Kronjuwelen des Octavius traf. Bei den Göttern hoffentlich würde es nicht zu sehr schmerzen! Danach wandte Verus seinen Ellenbogen und stieß an den Hals des Mannes, so dass dieser zurück torkeln sollte. Verus selbst suchte sich wieder einen festen Stand und nahm mit eine rutschenden Schritt etwas Abstand. "Alles gut," fragte der Centurio zur Sicherheit. Er wollte den jungen Octavius nicht unnötig schinden und wollte sichergehen, dass er noch weiter üben konnte.

    Verus verlor sich für einen Moment in seinen Erinnerungen. Die Rüstung wog auf seinen Schultern und auch die Bewaffnung, die er an sich trug, erleichterten nicht seinen Sitz. Als Offizier hatte er gelernt, manche Dinge loszulassen aber auch manche Dinge an sich zu pressen. Nicht alles konnte er verdrängen, von sich weisen oder vergeben. Er wusste stets, was er getan hatte und was er war. Der junge Flavius schien eifrig, wenn auch unsicher im Umgang mit seinem militärischem Kommando. Verus entschied sich, zu schweigen, solange es möglich war. Er wollte dem Flavius nicht verunsichern, denn er selbst fühlte sich hier nicht sicher. Und jede Bewegung, jeder Schritt hier, in diesem Land barg eine große Gefahr. Es war nicht die römische Welt, die im Zweifel auf Ordnungskräfte oder Soldaten zugreifen konnte. Hier galten alte Sitten und Regeln, die Verus immer noch fremd waren. Man war hier stets ein Fremdkörper, der in Abgründe oder Wunder blicken konnte. Er kannte ein paar dieser Sitten aber wollte nie wirklich an diesen partizipieren. Das Gesicht des kriegsgeschundenen Tiberius wurde kalt, während er wieder dieses Gefühl der Angst fand. Keine treibende, sinnesberaubende Angst, sondern viel mehr ein Gefühl, das etwas hinter ihm lauerte und seinen Nicken mit Frost umschmeichelte. Verus blickte sich hektisch um, um die Bestie zu entdecken aber fand sie nicht. Doch sie war dort. Er spürte ihre Krallen, wie sie mit dem Mordwerkzeug über die vernarbte Wunde strich. Die Haut spannte sich und der Schmerz kehrte ein. Nicht fordernd und auch nicht preisgebend aber er machte sich deutlich bemerkbar. Verus schloss seinen Mund fest, biss die Zähne fest zusammen, um einen Druck zu erzeugen, der ihm half die Angst und den Schmerz zu vertreiben. Er hatte sich getäuscht. Auf einem Pferd zu Reiten, verschlimmerte seine Lage und erleichterte sie nicht. Sein Bein verlangte nach Bewegung. Die stille Haltung brachte ihm nur Schmerz, so dass Verus schwungvoll mit einer geübten Bewegung absaß. Er kommentierte dies nicht und gab einem Soldaten die Zügel seines wertvollens Schlachtrosses, welches in sattem Schwarz glänzte und mit roter Satteldecke bedeckt war. Verus landete mit beiden Militärsandalen im morastigen Boden, der mit Moos und Bodendecker überwuchert schien. Es fühlte sich gut an, fest auf dem Boden zu stehen. Der Schmerz löste sich dezent auf, während sich sein Oberschenkel bewegte. Im sanften Tritt folgte Verus, nun dem Flavius im Blicke unterlegen, festen Schrittes. Der Legionär zog das Pferd gezielt neben Verus mit sich, um es Bedarfsfall bereit zu halten. Ein anderer Legionär nahm dem Pferdehaltenden das Marschgepäck ab und brachte es auf den Versorgungswagen, etwas abseits. Es brauchte keine Befehle für gewohnte Handgriffe und Drill. Der Tiberius konnte dem Gespräch des Tribuns mit dem Decurio lauschen, verzog erneut ein wenig sein Gesicht und verdrängte seine Angst. Diese Welt konnte er später noch Schwarz genug färben. "Ich möchte nicht ins Wort fallen," fiel er mit erhoben-militärischer Stimme ins Wort. "Aber ich denke, dass wir germanisch Blütige aus der diplomatischen Mission fernhalten sollten. Uns als Römern ist nicht klar, welche Feindschaften oder Fehden noch bestehen. Diese Kultur, welche wir aufsuchen, ist anders und besteht aus festen Traditionen, die nicht mit den Unseren übereinstimmen," sprach er zum Flavius, bevor er seinen Blick zum Decurio erhob. "Ich unterstelle deinen Männern keine falschen Absichten aber in dieser Sache kann schon eine falsche Geste oder Handlung, ein Blutbad auslösen," nickte er ab und wandte sich dann wieder an den Tribun, während er beide Hände zur Erleichterung ins cingulum militare legte, um sie dort seitlich ruhen zu lassen. Seine Rüstung, ein typisches aber hochwertiges doppeltbeschlagenes Kettenhemd mit verstärkten Schultern gab dabei ein leises Geräusch von sich, wie es schon die ganze Zeit erklang, mit jedem Schritt. Seinen Helm trug er an einer Lasche in der Nähe seiner Hüfte, wo auch dieser dezent klapperte. Er mochte es, frei zu atmen und schätzte dessen Gewicht nur im Kampfe. "Ich empfehle, sobald wir ein befestigtes Lager errichtet haben, mit einer handverlesenen Einheit aus wenigen Legionären zu deinem Geleit aufzubrechen. Wir lassen die Ala um das Stammesgebiet patroullieren, um im Notfall Entsatz zu stellen und die Männer aus dem Lager zu schützen oder zu informieren. Wir müssen wirklich sanft agieren, denn die Germanen könnten dies als Invasion werten," empfahl Verus erfahren und unterstrich diese Aussage mit einem steifen und direkt gerichteten Blick. Er wollte hier nicht erneut in eine Falle tappen aber ebenfalls nicht, einen neuen Kampf herausbrechen, indem man zu drastisch militärische Macht demonstrierte. Natürlich würde er selbst mit seinen besten Soldaten die Garde des Flavius bilden, da er nur so sichergehen konnte, dass alles statthaft verlief. Eine Fremde näherte sich der Front des römischen Heerwurmes, wurde aufgehalten und Verus konnte mit seinen scharfen Augen bereits ein Gesicht ausmachen. "Forderungen stellt man nicht," brüllte Verus gereizt, da diese Unterbrechung ihm nicht gefiel, doch er wollte der Frau nicht ihren Wunsch abschlagen und deutete mit einem Fingerzeig an, dass die Männer Platz machen konnten. "Absitzen und zu Fuß," brüllte er ein weiteres mal, da es ein Sicherheitsgebot war, eine(n) fremde(n) Reiter(in) nicht auf dem Pferd näher kommen zu lassen. Sobald sie abgesessen war, würden zwei Legionäre sie auf Waffen untersuchen und heranbringen. Verus blickte dann wieder zum Flavius und war sich sicher, dass er diesem Jüngling noch viel abnehmen musste, da in dieser Welt schnelle Entscheidungen gefragt waren. Langes Gerede oder Zögerlichkeiten waren hier eindeutig ein Todeszeichen.

    Dank spontaner privater Umstände, verzögert sich mein Schreiben ein wenig. Ich denke, dass es die meisten schon gemerkt haben. Die Posts werden nun nach Dringlichkeit nachgeholt. Wenn jemand sofort eine Antwort wünscht, bitte eine PN an mich! Danke! =)

    Verus fühlte sich unwohl. Er hatte immer noch mit den Erinnerungen zu kämpfen. Immer noch erschien ihm vieles undurchdringlich und auch diese erneute Reise ins fremde Land, welches zum Teil auch gewohnte Fremdheit und somit sicherlich ein Teil Heimat war. Dennoch konnte sich Verus nie ganz an diesen Umstand gewöhnen. Verus holte tief Luft, während er seine ängstlichen Gedanken bei Seite schob: "Da ich die Männer schonen wollen würde, auch um die Marschlast zu reduzieren, denn wir befinden uns in Feindesland, halte ich eine baldige Unterbrechung für sinnvoll." Immerhin hatten sie bereits einen Weg zurückgelegt und Verus war nicht bekannt dafür, dass er ein Freund des Gewaltmarsches war. Nun ließ Verus seinen Blick schweifen. Auf dem erhöhten Sitz des Pferdes, konnte er die Straße entlang blicken. Dieses Pferd nutzte er nicht aus Stand, sondern schlicht, weil er nicht gut zu Fuß war, denn seine Kriegswunde machte ihm noch zu schaffen. "Ich denke, dass die Männer noch zwei Stunden marschieren sollten," ergänzte der altgediente Tiberius, während sein Blick wieder zum Flavius wanderte. "Die Reiter sollten in der Tat eine Erkundung durchführen," entgegnete der Centurio Tiberius dann auf den Einwurf des Germanicus mit einem abschließenden Nicken. "Ein Lager benötigt je nach Lage eine Stunde bis vier Stunden. Aus diesem Grund kann ich erst bei Begehung des Lagergrundes eine genaue Aussage treffen, Tribun," formulierte Verus dann erklärend, damit er auch die letzte Frage beantwortete.

    Octavius Frugi. Der Name sagte Verus etwas. "Gut," machte der Centurio blaffend und blickte kurz in den Himmel, um dem jungen Legionär Zeit zu geben, eine geeignete Position zu finden. Verus wollte nicht unfair sein. Zumindest nicht am Anbeginn der Übung. Frugi würde keinerlei Regung im kalten Gesicht des Centurios erkennen. Dieser fand sich in jener abgestumpften Machtwirkung des Krieges wieder. Sein Verstand fokussierte sich und verdrängte jedwede Gefühlsregung, bis auf eine kriechende Angst, die Adrenalin freisetzte. Verus biss sich fest auf die Unterlippe, um mit einer stoßenden Bewegung seitlich in Frugis waffenführende Seite zu gelangen. Doch somit stellte er diesem einem Falle und sobald er in Richtung der Waffe mit seinem Gladius blockieren wollte, würde Verus sein linkes Knie anheben, um mit einem ruckartigen Kniestoß in die besonderen Bereiche des männlichen Gemächtes zu treffen. Schließlich würde er mit seinen eigener Waffe nach Innen drehen und den Knauf in den Halsbereich von Frugi stoßen. Sofern der Legionär auf diese Falle hereinfallen würde.

    Ein Befehl, war ein Befehl und doch befreite er nicht von Verantwortung. Nicht der Befehl hatte es getan, sondern seine Hand. Sein Wille war es, den fernsteuern ließ. Es war seine Entscheidung, dem Befehl zu folgen. Es gab keine Flucht vor der Erkenntnis, dass es seine Hand war, die Idun zugerichtet hatte. Verus verlor seinen Blick und seine Augen wurden leer. Sein Herzschlag flachte ab und dieser kalte Schauer kehrte zurück, der über seine Lungen kratzte und in die Muskeln ausstrahlte. Seine Fingerspitzen zitterten und auch seine Lippen wogten leicht auf. "Es war ihre Entscheidung," antwortete der gebrochene Römer ohne Runa erneut anzublicken. "Es war unsere Entscheidung," erweiterte Verus seine Antwort und konnte selbst nicht ganz glauben, wie es soweit kommen konnte. Doch es gab keine Entschuldigung und keine Flucht mehr. Nur diesen Schmerz, der wie ein Samen von böser Pestilenz wuchs. Sie verlangte, dass er sein Bein zeigte und Verus tat unbeholfen, was sie befahl. Immerhin war er ein guter Soldat und hatte viel freien Geist zu Gunsten einer Karriere aufgegeben. Doch diese freie Geist kehrte, wie eine Heimsuchung zurück und verlangte eine stille Rache. Nicht an Rom oder der Welt, sondern an Verus selbst. Verus selbst hatte seine Seele verstümmelt. Das Bein pochte aber schien ruhig. Die Wunde war bereits vernarbt und nur ein tiefer roter Strich, welcher in der Haut lag, wies noch eine Verletzung aus. "Ja," antwortete er auf die Frage nach dem Anhänger. Es war ihr Geschenk an ihn gewesen. Verus trug es nicht aus Glauben oder Überzeugung, sondern allein, weil es ihn an seine Idun erinnerte. Es war ein Liebesbeweis. "Ich gab ihr Hoffnung in der Einsamkeit," versuchte er Worte zu finden und meinte wohl eher sich selbst als jene Luna damit. "Wir geben uns gegenseitig Hoffnung. Mit ihr, wenn wir zusammen sind, ist die Zeit endlos," erklärte der Tiberius unbeholfen.

    Kälte war die selige Umnachtung seiner feigen Macht, die ihm Allmacht im Kriege beschert hatte. Doch im Leben hatte ihm dieses mächtige Handwerk einsam gemacht. Verus war inzwischen ein geübter Soldat und sicherlich ein Krieger, wie es manche beschreiben würden aber in seinem Herz war jene einsame Seuche, welche Gift strahlte. Nur Idun konnte jenes Gift heilen, welches er seitdem Tag des Blutes und des Kampfes in sich trug. Fast zu Boden sinkend, hielt er sich mit Mühe aufrecht und folgte dankbar der kalten Anweisung der Frau. Er nahm Platz und ließ sich müde auf die Kline fallen, bevor er sich mit dem Angesicht zu Runa wandte. Die Augen waren umgeben von Trauer, die seine Iris leere machte. Seine Fingerspitzen zitterten in eifriger Sorge und sein Herz war längst entflogen, so dass sein Haut weiß wirkte. Sein Herz kümmerte sich um eine andere Seele, die unweit dieses Raum lag. Runa stellte eine für Verus schwierige Frage, da er keine Worte für Idun hatte. Sie war einfach da und half ihm. Denn sie war Hoffnung und ... mehr als das. Er liebte sie. Mehr konnte er nicht sagen oder beschreiben. Also sagte er schlicht mit einem Wort, was er fühlte. Denn in Wahrheit hatte er keinen Schutzschild mehr; keine Macht mehr, sondern war verloren in diesem Trubel. "Alles," war das Wort, welches mit fester Absicht aber auch Sentimentalität gesprochen wurde.

    Er konnte es halten, wie es ihm beliebte? Verus stutzte, konnte nicht wirklich direkt antworten aber seufzte dann. Die Lage war wirklich kompliziert aber zu seinem Glück schien dieser Flavius unkomplizierter Natur zu sein und somit zumindest die Zweisamkeit von Luna und ihm selbst möglich zu machen. Ein kleiner Sieg in diesen wirren Zeit, wo vieles undurchschaubar war und vieles einfach zusammenbrach. Verus schwieg weiter, bis der Flavius das Schweigen mit einer seltsamen Frage brach. "Handhabung?" - wiederholte Verus skeptisch und schmunzelte dann frech. Ja, irgendwie war diese Frage auf eine gewisse Art erheiternd, dass sie den Trübsinn des Veteranen vertrieb. "Behandle sie einfach gut," sagte der Tiberius dann, da ihm erneut nicht direkt eine Antwort einfiel aber sicherheitshalber setzte er nach, da man so etwas unter Männern klären musste, wenn man Sklavinnen austauschte: "Ich wünsche mir, dass sie nicht anderen liebenden Händen zur Verfügung steht." Er drückte sich etwas verschwommen aus aber seine beiden andeutenden Augenbrauen, sollten dem Flavius zeigen, was er meinte. Luna sollte nicht auf eine Weise berührt werden, die ihr nicht gefiel und wohl folglich auch nicht Verus. Er wollte einfach sicher gehen, dass sie sich hier sicher fühlen konnte. Nun war ihm wieder klar, dass sie im Stand einer Sklavin war und somit auch gehandhabt wurde, was Verus umso deutlicher zeigte, dass diese Welt merkwürdig und manchmal seltsam wurde.

    Verus nickte kalt nach Abschluss seines Berichtes. Er war froh, dass diese Angelegenheit beendet war. Ihm war nicht nach einem Konflikt oder einer erneuten Erklärung. Er hatte sich oft genug vor seinen Leuten erklären müssen und war dieser ständigen Neuerzählung überdrüssig. Es tat sogar weh. Immer wieder in alten Gräbern herum zu schaufeln, schmerzte die Seele, da Verus niemals wirklich damit abschließen konnte. Unbewusst hatte der Legatus erneut Wunden aufgerissen, die Verus mühsam mit Hilfe einer geheimen Liebe geheilt hatte. Schnell wagte Verus einen Blick in den Himmel, um für einen Atemzug diesem Gespräch zu entfliehen. Er schloss die Augen und dachte an ein fernes Wunderland, welches er mit Idun und all dem Guten in der Welt füllen wollte. Doch schnell holte ihn die Realität ein und Verus ließ seinen Blick wieder herabsinken. Dem Tiberius war diese Auszeichnung egal, aber, dass der Legatus nun den armen Boten verdammte, erschien dem Veteranen ungerecht. Auch das Andenken an einen Toten war ein Wert der Ehre. Verus kniff verbittert die Augen zusammen aber schwieg. Er würde dem Boten im Tempel seine gerechte Ehre tun und für ihn beten. Ein Opfer für die Gefallenen war ohnehin überfällig. Er würde mit den Kameraden sprechen, ob und wann ein entsprechendes Opfer angebracht war. Verus wollte es ehrbar gestalten und die Grabplatten der Gefallenen entsprechend fertigen lassen, damit diese unter Aufsicht eines Priesters aufgestellt werden konnten. Doch dies brauchte Zeit, die Verus kaum hatte, da vieles aufzuarbeiten war. Vielleicht gelang dies vor dem Generalappell. Aber daran zweifelte der getragene Held, der sich nicht als Held fühlte. Der Legatus führte weiter aus und Verus lauschte aufmerksam, während sein Blick durch die Gesichter der Anwesenden wanderte. Es war die Stunde des neuen Tribuns, der nun Verus volle Aufmerksamkeit genoss. Eine diplomatische Mission, wohl sinnig aber auch gefährlich. Denn Verus hatte selbst erfahren, wie gefährlich auch einfache Missionen ins Barbaricum sein konnten. Insofern hoffte er, dass der Tribun nicht unvorsichtig sein würde. Schließlich sprach der Kommandant der Ala und erklärte, dass man Männer der Ala als Geleit bereitstellen würde. Verus misstraute den Hilfstruppen aber nicht aus unvernünftiger Angst, sondern weil er stets niemanden vertraute, den er selbst nicht ausgebildet hatte oder zumindest im Blick hatte. Dies war auch eine Lehre aus dem Untergang Teile seiner Einheit. "Legatus," erhob auch Verus seine Stimme aber deutlich weniger prägnant als die von Iunius Seneca. Vorsichtig senkte er seinen Blick vor Vala, bevor er wieder mutig aufblickte. "Ich danke dir erst einmal," erklärte Verus in fester Überzeugung, dass dieses leidliche Thema beendet sein würde und er sich an die Nachbearbeitung des Leides machen konnte, welches nicht nur seine Seele betraf, sondern auch die seiner Soldaten. "Ich bin bereit, den Tribun ebenfalls als Geleit zu begleiten, da ich nun wohl, auch durch jene miserablen Umstände, ebenfalls im Bilde der Lage bin," sagte der Centurio, während er ehrlich zum Flavius nickte. Verus war sich nicht ganz sicher, ob dies eine gute Idee war aber er wollte den jungen und unerfahrenen Tribun nicht in eine Falle laufen lassen. Nicht nachdem er selbst dieser nur knapp entronnen war. Es war die römische Ehre, die es gebot, dass ein Centurio immer bereit stand, wenn eine Aufgabe von Wichtigkeit zu erledigen war oder zumindest für eine Wichtigkeit gehalten wurde.

    Ein junger Soldat, wollte sein mörderisches Handwerk verbessern und bei einem Mann lernen, der alles für den Dienst geopfert hatte. Der Legionär, in jungen Jahren, stand wohl noch am Anfang seiner sogenannten Karriere und Verus schmunzelte über die militärische Höflichkeit, die der junge Miles formvollendet absolvierte. "Zumindest die Begrüßung klappt bereits," scherzte Verus, um die Stimmung ein wenig zu lockern. Verus galt zwar als harter Kriegshund aber unter den Kameraden als fürsorglich, da seine Untergebenen stets bestens versorgt waren und sich selten über Ungerechtigkeiten beschwerten, die in anderen Einheiten üblich waren. Nicht jeder Centurio war überaus korrekt. "Dein Name, Legionär?"- fragte Verus, während er zu einer Kiste mit den Übungsgladii schlenderte. Mit einem hektischen Griff fischte er eines dieser beschwerten Holzschwerter hervor, danach griff er erneut in die Kiste, um ein weiteres heraus zu holen. Mit jeweils einem Holzschwert in der Hand, trat er vor Frugi. Im Hintergrund begann bereits die Übung der erfahrenen Veteranen aus Verus' Einheit, die mit ihm im praesidio, im Feindesland, gedient hatten. Verus konnte sich auf seine Leute verlassen und, obwohl viele noch um die Gefallenen getrauerten, galt es in Übung zu bleiben. Für Verus und seine Legionäre war es im kalten Norden überlebenswichtig gewesen, stets vorbereitet zu sein. Auch lenkte der Sonderdrill ab und verhinderte somit fatale Gedanken über die Sinnhaftigkeit des eigenen Handeln. Vielleicht stellte sich viele insgeheime die Frage nach einem Sinn oder wollten eine klare Antwort, welchen wahren Auftrag sie hatten. Verus machte kein Geheimnis daraus, dass er oft nachdachte und schien manchmal auch zu kritisch. Gut, nachdem, was ihm widerfahren, verübelte es ihm auch keiner mehr. Mit einem gezielten Bewegung seiner Linken reichte er Frugi eine Holzwaffe, die er an der vermeindlichen Klinge hielt, damit der junge Soldat einfacher den Handgriff umgreifen konnte. Verus selbst behielt die andere Waffe in seiner Rechten, wandte sie auf den Griff herum. Seine Finger umspielten den Handgriff, während er sein Handgelenk eindrehte, um sein Gelenk auf die baldige Belastung vorzubereiten. "Bevor wir beginnen, muss ich sehen, was du kannst und wie dein Stand ist," meinte der erfahrene Centurio mit einem zynischen Lächeln. Immerhin ging es zwar nur um eine Übung aber Verus hatte sich vorgenommen, dem jungen Soldaten zu zeigen, wie es wirklich zuging. Er würde ihm zeigen, wie man kämpfte, wenn Ehre längst versagt hatte.

    Eines missmutigen Schrittes gehender Offizier trat in das Officium und gab diesen Brief mit einem dezenten Kuss auf das Pergament ab. Danach verschwand der Mann mit festen Schritten.


    Casa Decima Mercator
    Decima Calena
    Roma, Caelius Mons


    In hingebungsvoller Absicht, grüße ich Decima Calena,


    Wie schreibe ich dir Zeilen, nach all den Jahren, die du mich zu vergessen haben scheinst? Einfach vergessen. Ich las deinen Brief spät, da der Briefverkehr hier Oben nicht so funktioniert, wie in unserer Heimat, geliebte Calena. Ich sehe und ich spüre, dass uns noch etwas verbindet. Etwas bewegt sich und doch scheinen wir uns beide verloren zu haben. Es erging mir hier nicht gut. Der Militärdienst nahm mir mit der Zeit nicht nur einen Teil meiner Güte, sondern gab mir mit seiner Härte auch eine Kälte, die man nur im frostigen Eises des barbarischen Winters kennt. Ich war einsam und selbst Aviana, meine Sklavin, zweifelte an meiner geistigen Gesundheit. Doch ich hielt durch. Ich glaubte, dass es für dich und mich richtig wäre, Rom zu dienen. Noch immer diene ich Rom und doch ändert sich alles. Der Dienst verändert eine Seele. Gerade hier in Germanien. Es gibt keine Fluchtpunkte am Limes. Ich kann mir selbst nicht mehr entkommen. Wenn man nicht mehr flüchten kann, stellt man sich seiner Vergangenheit, denn sie ist alles, was man hatte. Ich habe oft an dich gedacht. Oft über dich nachgedacht. Nie kam eine Zeile von dir, bis vor einiger Zeit. Deine Zeilen lasen sich wunderbar und ich hatte für einen Moment wieder diesen Traum von uns, wie damals! Erinnerst du dich? Damals, als wir Jugendliche waren und einfach nur zusammen leben wollten? Als wir blöde Scherze gemacht haben und du mich immer in jedem Spiel besiegt hast? Ja, du hast mich besiegt und auch mein Herz. Doch, im Laufe der Jahre, nicht nur hier, getrennt von dir, haben wir uns verloren. Du wolltest etwas in mir sehen, was ich nicht bin. Niemals sein konnte. Und doch habe ich versucht, dieses zu sein. Ein wahrer Römer. Was ist überhaupt ein wahrer Römer? Kannst du es mir sagen? Ich denke nicht.


    Ich habe die Ahnen geehrt und ehre sie wohl noch immer, denn wir Tiberii waren immer eine dienende Gens. Ein Haus, welches nicht sich selbst dient, sondern der römischen Idee; jenem Traum, den wir alle teilen und doch machte mich genau dieser Traum einsam. Ich begriff hier und jetzt, dass unsere Ehe längst nur noch leere Symbiose war und nur noch aus politischem Sinne gehalten wurde. Ja, ich bin naiv und weiß, dass eine Ehe ein Bündnis ist und doch hatten wir Liebe. Ohne Liebe, kann ich diese Leere nicht ertragen. Denn du hast mich vergessen und einfach ziehen lassen. In diesen Albtraum. Doch hat mich dieser Albtraum verändert und stärker gemacht. Ich habe hier ein anderes Leben gefunden, welches aus den Trümmern unserer gemeinsamen Sache entstanden ist. Ich wünschte mir, dass es anders wäre. Anders wäre, als dieser Zustand aber ich bin Soldat und habe gelernt, Dinge zu akzeptieren. Wir sind geschieden.


    Du bist frei, Calena, wirklich frei. Du kannst gehen und leben, während ich meinen Tod längst gefunden habe. Aber durch diesen Tod bin ich frei geworden. Ich beginne ein neues Leben. Der Krieg zeigte mir etwas Wichtiges: die Vergangenheit kannst du nicht ändern aber die Gegenwart. Ich habe jemanden gefunden, der mit mir verbunden ist und wir teilen etwas, was selbst wir niemals hatten. Wir haben Hoffnung. Ich habe wieder Hoffnung, dank ihr. Es ist eine andere Liebe und ich glaube, dass es das ist, was ich mir wünsche. Ich lebe wieder, dank ihr. Ich lebe und träume wieder. Selbst Aviana beobachtet, dass ich wieder lebe und sogar wieder mit Wärme durch das Leben gehe. Nicht, dass ich jetzt ein glücklicher Mann wäre aber ich glaube, dass ich hoffen kann. Mit ihr habe ich ein neues Leben gefunden. Ein gutes Leben, auch unter all dem Blut und Schmutz dieser Welt. Ein Leben, was ich mit dir nicht mehr hatte. Ich wünsche dir alles Gute und ein gutes Leben.


    In Liebe,


    dein Tiberius Verus



    Sim-Off:

    Edit: 10 Sz. an Cursus Publicus überwiesen

    Der Tribun traf die verwundete Seele des Soldaten erneut. Er sprach jene Emotion an, die ihn vergiftet hatte. Eine Emotion, die so weltfremd und nicht greifbar war, dass eine Beschreibung nicht möglich war. Dennoch hatte der junge Flavius erkannt, was vor sich ging und dies ohne jemals klar informiert worden zu sein. Verus suchte die Augen des Mannes; seines Gegenübers, um zu ergründen, was dieser Mann wirklich in Verus und Luna sah. Der Blick des altgedienten Centurios verharrte auf dem Angesicht des Flavius, bis eine unangenehme Stille einbrach. Eine Stille ohne Worte, die nur durch diesen Blick getragen wurde. Waren die beiden Liebenden so leicht zu durchschauen? Noch spürte er die Hand seiner Geliebten, bis auch diese verschwunden war- und zwar mit einer schnellen Bewegung entrissen. Verus schien einen Schritt rückwärtig zu torkeln, doch fand schnell seinen Stand wieder. "Es ist nicht so einfach," versuchte Verus eine Erklärung abzugeben und versuchte es mit einer ehrlichen Komponente. Die harte Charaktermaske eines Legionärs legte er mit unsichtbarer Hand schnell ab. Nervös wischte er sich über das erweichende Gesicht. Sein Herz schlug. Seine Augen wanderten herum, als er einen Seitentritt machte, um seine Luna anzublicken, wie schön sie doch war. Nicht im Sinne einer Modetugend, einer fremden Ästhetik oder einer Gesellschaft, sondern allein, dass sie lebte, machte sie wunderbar schön für den träumenden Offizier. Dass sie errötete, wirklich sichtbar beschämt wirkte, ließ Verus schmunzeln. Es war ein verlegenes Schmunzeln; welches Lächeln sein wollte aber nicht ganz über jenen Punkt gelangen konnte. "Deine Unterstützung ehrt dich, Tribun Flavius," erklärte Verus abschließend und somit legte sich der Tiberius nicht fest. Wie sollte er sich auch festlegen? Er konnte keine klare Erklärung abgeben oder wirklich beauskunften, was er fühlte. Denn es war immer noch eine römische Welt und keine Welt der Liebenden. Sein Blick wanderte in heimlicher Bewunderung von seiner Geliebten zurück zum Flavius, dem er dankend zunickte.

    Es kostete Kraft. Kräfte, die er nicht mehr besaß. Schweiß rann über seine Wangen und auch seine Lippen zitterten. Doch er wollte seine Idun nicht verlassen. Ihre Hand krallte sich in seine Hand. Schließlich, unter Einsatz seiner beständigen Reserven, konnte er ihr Aufbäumen verhindern und die Behandlung sicherstellen. Sie fiel schließlich in Ohnmacht. Verus schmeckte das Salz seines Schweißes, während seine Augen verschwammen und er seinen eigenen Schwindel fand. Zwei Tränen quälten sich gepeinigt aus seinen verstellten Augen, die allein Idun galten. Zu seinem Glück, errettete ihn Runa aus diesem Joch, diesem gefangenen Zustand, der ihn bei seiner Liebe verharren ließ. Ja, er konnte nichts mehr tun und doch musste er etwas tun. Müde stammelte er, kaum verständlich ein paar Worte mit seinen Lippen aber unterbrach dann seinen Versuch der Kommunikation, da die Sorge seine Stimme gebrochen hatte. Er sollte mit ihr kommen. Sie erklärte ihre Forderung, wiederholte und stellte klar, dass er zu folgen hatte. Wollte er folgen? Nein, sicherlich nicht aber er selbst wusste, dass er hier nur noch Ballast war. Eine nutzlose Person, die ihn ihrer Sorge gefangen war und im liebevollen Eifer sogar zum Problem werden konnte. Traurig sowie schwachen Schrittes folgte er Duccia Silvana; gelegentlich traurig schniefend mit eingefallenen Augen im glasigen Glanz.

    Verus stieß Luft durch die Nase und antwortete knapp: "Ja." Der Bote tat ihm leid und die Götter hatten ihm kein gutes Schicksal beschert. "Er möge das Elysium gefunden haben," floskelte er bitter nach und machte eine bedeutsame Geste in Richtung Himmel, wie es üblich für Zeitgenossen aus dem Hause Tiberius war.