Beiträge von Aulus Tiberius Verus

    Es endete wohl nicht mehr. Verus suchte nach Haltung und Würde. Sein Trauma kochte, brodelte, wie ein kaltes Feuer in seinem Herzen. Er hatte genug von Erklärungen und ständigen Gesprächen über seine Erfahrung. Immer wieder, musste er sich erklären und vermitteln, was dort geschehen war. Doch niemand würde klar verstehen, was dort geschehen war. Es war Krieg, ein grausames Gemetzel und er hatte den Tod eigenhändig erlebt. Die Stimmen, der Sterbenden und die Gerüche, hatten sich eingebrannt und das für eine Ewigkeit. Er würde niemals vergessen aber er konnte nicht immer wieder die Gräber öffnen, die er jede Nacht mühsam zu schüttete. Jeder Traum, der Albtraum wurde, war Leichentuch seiner Erfahrung. Er litt und musste dennoch die Kraft finden, was ihm mit der Würde seiner Seele gelang. Verus würde nicht kapitulieren. Nicht in dieser Sache. Es gab ein Leben, nach all dem; ein echtes Leben, außerhalb der Rüstung und fern der Waffen. So selten und wertvoll es ihm jetzt erschien; und ihm verschlossen war, war Verus durchaus bewusst, dass das Militär niemals alles sein konnte. Dieser Legatus hatte nur so viel Macht über ihn, wie ihm sein Posten verlieh aber nicht über sein Herz. Verus Lippen zitterten unter der Anspannung, bevor er Worte als Antwort fand:


    "Ein Bote überbrachte mir einen dezent falschen Befehl, da dieser sich verhört hatte. Dieser Befehl wurde von Präfekt Iulius entsandt. Mein Bote, ein Miles unter meinem Kommando, überbrachte mir nach einem langen Ritt diesen Befehl aber hatte diesen deutlich fehl-interpretiert. Daraufhin rückte ich aus, um die Überfälle auf die Grenzregion, die mir als Centurio Statorum unterstellt war, zu untersuchen und mit Fortunas Willen zu beenden. Ich rückte mit erfahrenen Legionären aus dem Praesidio aus. Da bereits durch Zeugen diverser Verbrechen gegen die Pax Romana belegt, wurde dieses Dorf als Urheber ausgemacht und sollte sich römischen Recht beugen, also untersucht werden. Ich plante es zu durchkämmen auf Diebesgut oder andere bedeutsame Tatmittel. Im Dorf selbst wurden wir unfreundlich empfangen aber es gab sicherlich noch kein Blutvergießen. Ich verlangte in alter Sitte, dass die Bewohner zur Befragung bereitstehen sollten. Es kam leider nicht zu einer Befragung und die Situation eskalierte schnell, als es zu diversen Missverständnissen kultureller Fragmente beider Seiten kam. Wir wurden angegriffen und in die Gänge zwischen den Hütten gedrängt. Die Situation geriet unübersichtlich aber ich ordnete einen Rückzug an. Schließlich gelang es uns, zeitweise in zwei festen Reihen Schutz zwischen zwei Hütten zu finden. Doch es war absehbar, dass uns die Übermacht erdrücken würde, da jeder kämpfte; auch die Frauen. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits einen Ausbruch entschieden und befahl diesen. Ich ließ eine Reihe aufgeben, um durch verdoppelte Kampfkraft einen Durchbruch in Richtung Wald zu erzielen. Mir selbst war klar, dass ich zurückbleiben musste, um die Germanen daran zu hindern, meinen Männern in den Rücken zu fallen. Auch wollte ich meinen Soldaten genug Zeit verschaffen, um Richtung Limes zu fliehen. Ich nahm meinen Tod bewusst hin und stellte mich alleinig den Germanen und hoffte, dass die Überlebenden entkommen konnten. Es gelang ihre Flucht. Für mich ging das Scharmützel weiter und schnell wurde ich umschlossen. Ich konnte mich diffuser Angriffe erwehren und stand ihrem Anführer gegenüber, der eine Art barbarisches Ritual zu pflegen schien. Seine Kämpfer, auch die Frauen, griffen nicht mehr an und ich stand ihm in einem Zweikampf gegenüber. Ich verwundete ihn aber er auch mich. Die Wunde war lebensbedrohlich und ich sank zu Boden, wo mich dann jene Seherin errettete. Den genauen Hergang der Rettung meiner Person kann ich nicht beschreiben, da ich bewusstlos war. Ich wachte später in ihrer Hütte auf und sie verbrachte mich dann zu herannahenden Legion. Man nahm sie in Gewahrsam. Es kam das Gerücht auf, sie sei eine mächtige Seherin und hätte Zauberkräfte. Sie hätte mich verhext und so sahen wir, auch der Präfekt, uns gezwungen, diese Gerüchte, welche Unruhe nach dem Fiasko im Dorf schufen, zu beenden. Ich sollte die Seherin mit Potestas versklaven, um den Legionären zu zeigen, dass ich nicht verhext wurde. Die Versklavung wurde abschließend öffentlich hier in Mogontiacum vollzogen. Neben der Kreuzigung, der ich auch federführend beiwohnte. Ich möchte anmerken, dass sich die Sklavin vorzeigtig an mich verkauft hatte, um eine Schuld zu begleichen, die wohl germanischer Natur war und die öffentliche Versklavung nur vollzogen wurde, um die Gerüchte zu zerstreuen. Ich tat stets, was mir befohlen wurde und im Interesse Roms war."

    Pflichteifer? War Verus wirklich eifrig gewesen oder nach schlafwandelnd in seinen persönlichen Albtraum geraten? Es fiel dem Tiberius schwer, nach all den Jahren, noch echten Eifer aufzubringen, denn was wirklich übrig blieb, war die Verkleidung einer Charaktereigenschaft. Etwas, was als Eifer erscheinen wollte, aber niemals sein konnte. Verus hatte sich verloren in seinen Idealen. In seinem Weltbild, welches unter all den Jahren im Dienst und schlussendlich im Eindruck des Gemetzels keinen Bestand mehr hatte. Sein Rom war eine ferne Erinnerung, der er nachsehnte aber nicht in dieser wirklichen Welt existierte. "Ich tue, was ich kann," kommentierte Verus nur und wollte nicht weiter auf die flüchtigen Worte des Flavius eingehen. Die Hand seiner Idun stützte ihn, gab ihm Kraft, diese Gedanken an den Krieg und den weiteren Dienst unter Waffen abzuschütteln. Mit einem wütenden Atemzug, der kräftig Luft in seine Lungen sog, blickte er den neuen Tribun an. "Lunas Verlust ist ein schmerzlicher Verlust aber...," sagte Tiberius Verus kalt, wenn auch gespielt, denn er wollte als guter Römer erscheinen, der nicht allzu sehr an einer Sklavin hin und doch konnte er nicht verbergen, dass seine Augen Sehnsucht gefunden hatten. "... ich kann sie ersetzen." Er nickte dem Flavius zu. "Zudem ist diese Leihgabe nur von Dauer und nicht bis Ultimo," fügte er ernst an und strich sich unsicher durch die Haare. Der Offizier war nicht mehr so standfest, wie gewohnt und schien auch eine Krümmung in seiner Haltung zu widerfahren. Er stand nicht mehr so gerade, wie vor wenigen Momenten. Nein, er machte sich nicht krumm aber es fehlte an Körperspannung, da sein Herz trauerte und Luna bereits ernstlich vermisste; ohne bereits gegangen zu sein.

    Mit stampfenden Schritten, die den Staub des Platzes aufwirbelten, näherte sich Verus in einfacher Soldatentunika. Nur der cingulum militare mit jeweils einem daran befestigten Pugio, deuteten auf seinen Stand als Legionär hin. Darüber hinaus führte er in diesem Moment kein Standeszeichen mit sich. Ihm folgten seine Männer. Die Männer der Centurio, welche einst das praesidio gesichert hatte. "Ihr kennt eure Aufgabe," donnerte Verus in Richtung seines Optios, der verstehend nickte und die Männer in Übungspaare einteilte. Am Rande des Campus waren Kisten aufgestellt, mit jeweiligen Übungswaffen, darunter stumpfe Pila und doppelt-beschwerte Holzgladii. Auch Übungsscuti standen bereit und auch diese waren schwerer als die Regelwaffen, um bei Übung Muskelmasse aufzubauen. Verus selbst griff noch zu keinem Gladius und trat interessiert auf Frugi zu, da dieser der einzige Gast auf dieser späten Übung schien. "Salve," grüßte Verus fixierend und baute sich vor dem Miles auf. "Hier, um an der Ausbildung teilzunehmen?" - eine konkrete Frage, da Verus entsprechendes vorher wissen musste, um nicht einen unbeteiligten Legionär mit anderen Aufgaben in dieses Training hineinzuziehen.

    Warum fiel es Verus so schwer, Idun loszulassen? Sie für eine Zeit gehen zu lassen, damit ihr Theater nicht zusammenbrach. Er wollte kein Theater spielen und doch war diese ganze Welt nur ein mieses Stück in einer großen Geschichte, die beide zu erdulden hatten. Wie selten und schön, war doch dieses Gefühl, so seltsam und angsterfüllend es war. Bereits jetzt war er einsam und vermisste die Zukunft mit ihr, da er nicht mehr bereit war, in jenes Tal der Einsamkeit zu gehen. Der Krieg hatte ihn nicht nur am Körper verwundet, sondern auch an der Seele. Sie half ihm, nicht nur durch Nähe, sondern durch eine Wärme, die er vermisste. Ja, Verus erinnerte sich an den Brief seiner einstigen Calena. Noch immer hatte er nicht geantwortet, da er keinen klaren Gedanken zu ihr fassen konnte. All seine Kraft sowie Aufmerksamkeit galt dem, den Tag zu überleben und nicht von seinen Albträumen heimgesucht zu werden. Ohne Idun würde dies nur noch schwieriger. Wahrscheinlich gab es niemals eine Flucht vom Schlachtfeld. Wahnsinn lag im Detail der Erfahrung. Es war der Geruch, der Geschmack und die Erinnerung. Die Welt hatte keinen Gegenwert gegen diese Erfahrung und doch präsentierte sie ihm Idun. Sie war die Antwort; etwas, was die Welt sinnvoll machte. Nicht für sich, sondern für sie. Beide hatten etwas, was selbst den Tod vergessbar werden ließ. Wenn auch nur für Momente. Unbemerkt und unbewusst hatte der junge Flavius eine Wunde geöffnet, die niemals vernarbte. "Ja," antwortete Verus ehrlich und hatte diesen traurigen Glanz in den Augen. "In vielerlei Hinsicht," offenbarte er in Teilen ihr Geheimnis und wich dann aus, um beide zu schützen: "Der Krieg ist grausam. Ein Mann kann dort nur verlieren," begann Verus mit einer Weisheit, die der junge Flavius vielleicht nie verstehen würde, wenn er nicht selbst auf dem Felde gestanden hatte. "Man geht als fremde Person dorthin, verliert entweder sein Leben oder etwas von sich, doch wirklich für sich selbst gewinnt man nie etwas. Man kehrt als ein anderer Mann zurück, als der man aufgebrochen ist," sprach Verus vielsagend und seine Stimme brach dabei leicht, obwohl er sich am zynische Standfestigkeit mühte. "Das Echo des Schlachtfeldes brennt, wie ein Gesang der Sterbenden, und erinnert einen stets daran, wie wertvoll ein Tag ohne Blut ist. Es erhöht den Wert von Ordnung und...," wollte Verus seine Gedanken verdeutlichen aber scheiterte. "... Rom selbst," folgte dann nüchtern, als ihm bewusst wurde, dass er alles für Rom geopfert hatte. Nicht nur sein Herz, seine Wärme und Seele, sondern auch Tatkraft und Hingabe. Als Antwort und Geschenk hatte er nur unsägliches Leid empfangen und ... doch war dort etwas, was ihn reifen ließ. Das Schlachtfeld hatte ihm etwas Wichtiges gezeigt: lebe den Moment. Alle Zeit, die er hatte, so schön und verloren sie war, war wertvoll, weil sie mitunter nie wieder kam. Idun war wertvoller als jeder vergangene Moment und selbst ihr Angesicht schaffte ihm ein Fundament an Hoffnung. "Ich wäre im Kampf gefallen, um das Überleben meiner unterstellten Kameraden zu sichern. Luna rettete mich und ich...," sagte Verus mit dem Blick zum Boden gewandt. "Ich habe sie im Namen Roms in einer gerechten Gnade unterwiesen und als Sklavin errettet. Meine Pflicht als Römer war es, sie zu versklaven und aus den Fängen des Barbarenwesens zu befreien," formulierte er hart und seine Worte gerieten fest; fast in Zement gegossen, während er wieder aufblickte. "Ich bin ihr dankbar und habe es ihr auf römische Weise gezeigt," erklärte er bitter, wobei sich seine Augen krude verfinsterten und sein Gesicht wieder an Farbe verlor. Verus fühlte sich nun okkult entrückt in einen neuen Nachtmahr, da ihm die Zeit entglitt und auch seine Gefühle, die Schweißperlen in seinen Nacken trieben.

    Mitteilung


    Hiermit biete ich, Centurio A. Tiberius Verus, eine Sonderausbildung für alle Legionäre an, die bereit sind, mehr zu leisten und sich auf einen kommenden Kampf vorzubereiten. Ich werde mich jeden Abend auf dem Campus einfinden und euch ausbilden. Da ich nicht in die Hierachie eurer Einheiten eingreifen kann, ist dies ein unverbindliches Angebot. Für meine Centurie ist dieses Angebot jedoch verpflichtend und ein klarer Befehl.


    A. Tiberius Verus


    Sim-Off:

    Bei Interesse: PN an diese ID! ;)

    Ein Gebet, welches Verus achtungsvoll zur Kenntnis nahm. Was war Erlösung? War dies eine Absolution? War dies eine Strafe? Verus, nun mehr altgedienter Soldat, wusste nicht mehr um seine eigene Position, während er das Sterben betrachtete. Müde suchten seine Augen umher, um die leidverstellten Gesichter zu erkennen. Die Soldaten, die er kommandierte, meldeten Vollzug seines Befehls und blickten ebenso teilnahmslos auf den Wall an Aufgereihten. Verus spürte das Blut in seinen Adern, wie es kochte und pumpte. Es rauschte in seinen Ohren. Die Bestie genoss das Leid, welches sie angerichtet hatte und trieb das kleine Herz des Römers vor sich her. Gar wollte Verus Gesicht grinsen, gegensätzlich zur Szene, irre verstellt sein. War dies die schöne neue Welt? Seine erste Kreuzigung und er hatte einen wichtigen Teil des Kommandos. Die Wehtöne und das Geschrei durchfiel die Stille der Beistehenden. Verus verachtete die Bestie, die in ihm steckte und sich bemerkbar machte. Es fühlte sich nach Genugtuung an. Nach Gerechtigkeit und doch wusste Verus, dass dies keine Gerechtigkeit war. Keine Erlösung. Der Tiberius wusste, dass nur die Zeit ihm vergeben konnte. Die Bestie; das eine Monster, genannt Krieg, verlief sich in seiner Seele und verlor sich. Es blieb nur dieses taube Gefühl zurück. Machtlos stand er seiner eigenen Gewalt gegenüber. Hilflos wartete der Centurio die Zeit ab, die nicht zu vergehen schien. Inzwischen zog der Geruch des ersten Blutes zur Einheit hinüber. Verrottende Gedanken bemächtigten sich seines Geistes. "Es ist Zeit," bemerkte der Offizier und deutete zu einem Legionär, der eine Lanze hielt. Eine Hasta. "Deine Waffe, Miles," befahl Verus und ließ sich die Stoßlanze geben. "Beenden wir ihr Schicksal." Mit der Waffe in der Linken und der freien Rechten zeigte auf die einzelnen Kreuze. "Töten," war der knappe Befehl, der eines Römers würdig war. Keinerlei Melodie oder Schönheit. Brachiale Einfachheit, die sich aus dem Staub erhob. Die Legionäre nahmen ihre Stoßlanzen und stellten sich vor die Kreuze. "Ausführen," donnerte Verus dann, der selbst seine Lanze mit beiden Händen anhob und schwungvoll nach Hinten ausholte, um mit einer aufwärts geführten Bewegung in den Bauch des Wulfgar zu stechen, der frei lag. Ihm taten es ausgewählte Soldaten gleich, während ein kleiner Rest auf absichernder Wachposition verblieb. Die Metallspitze durchstieß das Fleisch in der wuchtige Bewegung und fuhr schnell in die Gedärme, zum Herzen hinauf, bis der Brustkorb nach Außen wölbte und die ersten Rippen brachen. Verus blickte über den Laufweg des Lanzenholzes hinauf zum Brustkorb, um das tödliche Zeichen zu erblicken; jene roten Linien unter der Haut eines neues Muster formten. Mit einem Ruck drehte er die Lanze um sich selbst, um sie dann mit einem rückwärtigen Stoß aus dem Leib zu ziehen. Bei dieser Bewegung spritzte ihme eine rote Wolke an Blut ins Gesicht, was er kalt zur Kenntnis nahm und nur fest seine Lippen schloss. Inzwischen war er es gewöhnt, jemanden grausam zu töten. Und dafür hasste er sich selbst. Er fühlte nichts mehr, außer diese furchtbare Kälte und diese frostige Verachtung. Nun floss Blut in kleinen Mengen aus der Wunde, während zerfetztes Gedärm nachfiel und die Wunde zu verschließen schien. Verus stellte die Lanze auf, blickte zu den anderen Ausführenden, die dem Befehl mit gnadenloser Präzision folgten. Römische Legionäre waren erprobte und erfahrene Kämpfer, die auch diesen Handgriff beherrschten und so fanden die Verurteilten ein schnelles aber brutales Ende. Die Krähen kreisten bereits mit ihrem Gesang, was Verus mit einem Blick in den Himmel erkennen konnte. "Lasst die Leiber noch einen Tag hängen," befahl Verus, während er sich mit zitterenden und unsicheren Schritten entfernte; immer wieder auf die Lanze stützend, von der noch immer Wulfgars Lebenssaft tropfte und nur langsam eintrocknete. Er hatte für heute und für den Rest seines Lebens genug Tod gesehen. Seine Handlungen würden nur seinen Ruf als römischer Held und Germanenschlächter untermauern. Doch dieser Ruf war ihm egal, denn allein ihm galt seine eigene Schuld. In gewisser Hinsicht genoss er die Verachtung der germanischen Bevölkerung, da sie zu seinem Selbstbild passte. Er hielt sich für verachtungswürdig. Nun mehr wollte er sich waschen, da er Blut schmeckte und sich grausam schmutzig fühlte. Dennoch machte der Centurio keine Anstalten, sich das Blut aus dem Gesicht zu wischen und trat mit diesem Zeichen sogar der Menge der Zuschauer vorbei. Ja, er musste jedem zeigen, was es bedeutete, am Kreuz zu sterben und was Römer zu ertragen bereit waren, um jemanden zu bestrafen. Rom war hier Gewalt und Macht. Erst in der Lagertherme würde er sich ausgiebig waschen. Seine Einheit folgte, nach Befehl des Optios, im leichten Marsch und der junge Soldat, dem Verus vorhin seinen Helm gereicht hatte, folgte ebenfalls hingebungsvoll. Es war für Verus nicht mehr notwendig einen gesonderten Befehl zu geben, denn sein Weg und seine Haltung waren eindeutig. Trotzdessen zeigte er seinen Männern mit einem Handzeichen an, dass sie wirklich abrücken konnten.

    Der Schlafgesang der Geächteten war das Stöhnen in der Pein des Leides, welcher in einer bösen Symphonie der an das Kreuz geschlagenen Seelen, müde und sterbend über den Platz wimmerte. Es gab nichts mehr zu erreichen, außer den Tod und die kalte Dämonen, welche durch die Musklen fuhren, waren die letzten Bringer eines Gefühls. Der Tod am Kreuze war würdelos, grausam und niemals ein schöner Anblick. Doch war dieser Tod auch eine klare Botschaft. Das Kreuz war ein Symbol von Macht und Unterwerfung; ein Instrument der Herrschenden über die Beherrschten. Verus war angewidert von dem Szenario, auf dem seine brechenden Augen lagen, die im diesigen Dunst des Geruchs und des sandigen Nebels, kaum gerade blieben. Doch er konnte seinen Blick nicht abwenden. Nicht mehr abwenden, von dieser Grausamkeit, die auch ihm ein Symbol war. Hier gab es nichts mehr zu zähmen, zu bändigen oder zu halten. Hier waren sie alle Menschen; Feind und Freund waren verbunden durch diesen Symphonie, die in alle Ohren drang und die Herzen zu fressen drohte. Man brachte die letzten Opfer des Gerichts und darunter war Wulfgar, der scheinbar ehrbare Mann, der sich Rom und auch Verus widersetzt hatte. Verus nahm seinen Helm ab, reichte diesen an einen Miles weiter, der für seinen Centurio eifrig nach diesem griff, um diesen zu halten. Der Tiberius wollte atmen, frei atmen und sich der Situation stellen. Es wurde erwartet, dass er den Anführer kreuzigte und damit seine Ehre bewies. Eine Ehre, der Hinrichtung, dass er als Held und Anführer, für Rom das finale Urteil vollstrecken würde. Ihm oblag nun jede Entscheidung in dieser Sache, so dass er mit zögerlichem Herzen vortrat. Zwei Soldaten folgten ihm als moralisches Geleit. "In einer Stunde durchstoßt ihre Herzen mit Hastae," befahl er den Männern mit fester Stimme, bevor er den Hammer vom Boden aufnahm, um Wulfgar, welcher bereits durch vier Mann auf das alte Holz des Kreuzes gepresst wurde, sein Urteil zu erlauben. "Brecht bereits ihre Beine," donnerte seine Stimme über den Platz. Es war römische Sitte kurz vor dem Ende, auch um die Sache zu beschleunigen, die Knie und Beine der Hängenden zu brechen, damit der Schmerz ihre letzten Sinne betäubte, bevor die Soldaten ihnen die breiten Lanzen in die Herzen stießen. Es war eine Gnade, da sie ohnehin nicht mehr zu retten waren. Der Tod und die bereits kreischenden Aasvögel, wie einige Raben waren bereits in der Nähe. Wulfgar schien regungslos auf sein Schicksal zu warten und auch Verus gab sich seiner bösen Pflicht hin. Es fiel ihm nicht leicht und auch diese Szene würde ihn bis an sein Lebensende verfolgen; nicht nur in der Nacht oder im Tage, sondern jeder Handlung, die er von nun an tun würde. Das Gewicht des Krieges und der Grausamkeit wichen nie wieder von einem Mann. Mit dumpfen Schlägen zertrümmerten die Legionäre bereits die Knie der umliegenden Gekreuzigten, welche schreiend in Qual ein nahes Ende vermeldeten. Ihr Geschrei ließ Verus mit dem schwerem Hammer in seiner Hand zögern. Sein Geleit wickelte bereits die Seile um die Arme des Wulfgar. Man reichte Verus einen alten rostigen Nagel, den er mit fester Hand umschloss, während in seiner anderen Hand der Hammer lag. Der Centurio suchte die Augen des einstigen Gegners, der ihn fast getötet hatte. Vielleicht fanden beide Gnade in diesem Moment. Verus tat, was er tat, nicht ohne Achtung und nickte Wulfgar verständnisvoll zu. Scheinbar wartete der Veteran auf ein Zeichen des Verurteilten. Schließlich kniete sich Verus ab, setzte den Nagel auf den Unterarm, genau zwischen die Venen und schlug mehrfach heftig auf den Nagel, der ätzend durch die Fleisch trieb. Es quoll Blut vorbei. Verus ekelte sich und fand diese traurige Verachtung wieder. Er nahm den nächsten Nagel und setzte am anderen Arm an, wo er selbes vollführte, bevor er sich mit schwerem Atem aufraffte und den Hammer in den Staub fallen ließ. "Aufrichten," befahl Verus, so dass die Legionäre das Kreuz in die bereitete Kuhle und Halterung stellten und es mit einigen Tritten auf einen Riegel befestigten. Wulfgar hing am Kreuz und Verus verweilte kalt vor ihm. Nun war er auch Henker, Folterer und Kriegsbestie der römischen Macht. Verus hatte jede Pflicht erfüllt, die man ihm gestellt hatte und es tat ihm weh. "Centurio Tiberius, ein Held Roms," riefen ein paar Legionäre, als Verus Feind aufgestellt war und der Jubel verhallte dann im Gestöhne und Wehklagen der Sterbenden.


    Verus betrachtete den dicklichen Tribun skeptisch aber nicht verachtend, sondern eher interessiert. Der inzwischen langgediente Offizier wollte sich ob der Person vergewissern, die ihm nun entgegen trat. "Ave," grüßte der Tiberius militärisch knapp und erhob die Stimme dabei mechanisch, bevor seine Hand an die Brust wanderte und dann zum römischen Gruß wurde. Schließlich näherte sich der Flavius und Verus war über die Tatsache erstaunt, dass er ihm die Hand reichte. Verus, kurz zögernd, streckte diesem Tribun die Hand entgegen und schüttelte diese auf soldatische Weise; hinter dem Handgelenk im festen Griff. Mit einem hektischen Blick zur Seite, versicherte er sich seiner Idun, dass sie sich nicht verlassen fühlte. "Ja, ich bin Centurio Tiberius Verus," stellte sich Verus vor, indem er seinen Kopf und somit sein Angesicht zum Flavius zurück bewegte. Dieser Mann schien eindeutig keinerlei militärische Erfahrung zu besitzen, stellte der Veteran achtsam fest, da in seiner Haltung und seinem Gestus keinerlei Kriegshandwerk oder Disziplin lag. Ihm fehlte die kalte Traurigkeit in den Augen, diese brutale und zynische Einstellung zur Existenz und die stabile Haltung, gegen alles, was kommen mochte. In Verus Augen lag diese Traurigkeit und in seiner Haltung lag ein fester Stand, wie auch ein fester Griff in seiner Hand, die recht drastisch das Handgelenk des Flavius drückte. Ein guter und prüfender Druck als Prüfung über die Standfestigkeit des frischen Tribun. Verus ließ vom Gelenk ab und verblieb in gerechter und disziplinierter Haltung mit erhobenem Kreuz. Der Tribun sprach seine Geliebte an, die mitunter hier nur noch Sklavin war. Er nannte einen falschen Namen, was Verus murrend aufstieß. "Sie heißt Luna," erklärte er und korrigierte damit den Tribun in sachlicher Weise. Verus hoffte dadurch zu zeigen, dass er auch in ihrer Sklavenschaft ihre Ehre verteidigte und dafür sorgte, dass sie nicht falsch angesprochen wurde. Immerhin war Luna ein geschenkter Name, der mehr verband als nur ihre eigene Existenz als Sklavin, sondern der Name stand für ihre magische Macht und ihre vergangene gemeinsame Zeit unter dem mächtigen Blutmond.

    Die Welt war nicht gerecht. Ihr Flüstern war gnädige Sehnsucht. Verus empfand einsame Liebe für seine Idun, welche gefesselt durch Fieber und Wunden von seiner Hand, gebunden war. Alles, was sie durchlebte, durchlebte sie für ihre gemeinsame Zukunft und doch war er selbst in der Verantwortung für ihren Zustand. Ihr Zustand war entstanden, um ein Wunder zu verbergen, was niemand verstehen würde. Idun hatte ihm vergeben. Doch er selbst haderte mit dieser Vergebung. Der Römer zweifelte an dem, was er war und was er sein sollte. Doch etwas hielt ihn hier: Liebe. Kein vorsichtiger Versuch von Nähe, sondern tiefer Hingabe, die so ehrlich und natürlich war, dass er in dieser Sache keinen Zweifel kannte. Alles schien bedeutungslos; verloren in ihrem Schmerz. Verus wollte wachen, nicht weichen und das Fieber mit seinem Mitgefühl erschlagen aber seine Macht in diesem Kampf war begrenzt. Gefangen von ihrem Angesicht, vergaß Verus das Geschehen und bemerkte erst später, dass man den Chirurgius kommen ließ, welcher sich unlängst anschickte, sein blutiges Werk zu verrichten. Skeptisch blickte Verus auf, während der Mann mit seinem Assistenten eintraf. Auch die Frau, welche ihm gerechte Verachtung schenkte, schien bereit dem Mann zu assistieren. Verus, erfahrener Soldat, wusste was nun kommen würde und hoffte, dass seine Liebe seiner Idun Schutzschwingen sein würden. Alsbald begann der Mann, dessen Namen Verus nicht kannte, mit seinem Handwerk und Mithilfe eines jungen Mannes. Die Heilerin schien sich zurück zu halten, da sie nachdem sie die Wunden vorbereitet hatte, in den Hintergrund geriet. Doch Verus Wahrnehmung war beeinträchtigt, da er nur noch Augen für seine leidende Geliebte hatte, die seinen Namen rief, während sie sich in seine Hand krallte. Es wurde beachtenswert schauderhaft und der spritzende Eiter schien auch Verus zu ekeln, der betont seinen Blick abwandte, um seiner Idun ein Angesicht zu schenken. Mit seiner anderen Hand stützte er sie ab und verhinderte, dass sie vom Lager fiel. Immerhin konnten schmerzende Leider große Kräfte entwickeln und sich damit schaden. Verus, als Kriegsveteran, hatte viel erlebt und kannte jene Reaktionen, so dass seine andere Hand fest ihre Schulter hielt. Ihr Schmerz wurde zu seinem, denn ihre Liebe war Band und Fluch zugleich. Kalter Schauer breitete sich in ihm aus, während sein Herz fest für sie schlug. Man brachte die Glut, welche Verus kaum erkennen konnte, da auch seine Augen glasig wurden.

    Dieser Sklave schien seltsam zu blaffen, was auf einen ungehaltenen Gemütszustand schließen ließ. Verus, seiner selbst unsicher, wandte seinen Blick von der geliebten Luna ab und beäugte den Sklaven Pollux musternd. Schließlich entschied sich der Veteran zu antworten: "Ich bin Centurio Tiberius Verus," war die übliche Vorstellung und dann deutete er mit einer fließenden Bewegung seines Armes auf die Sklavin, die unweit seiner Person stand. "Ich bin hier, um die Serva mit dem Namen Luna, deinem Herren für eine gewisse Zeit zu überstellen," versuchte er sich an einer sachlichen Aussage, obwohl seine Worte seltsam gebrochen aus seinem Mund fielen.

    Mit gemischten Gefühlen in Begleitung seiner geliebten Sklavin trat der, inzwischen bei der Truppe angesehene, Tiberius vor die Porta und klopfte mit zwei festen Faustschlägen an, um dann durch die geöffnete Tür einzutreten, da in römischer Sitte die Türen zum offiziellen Eingangsbereich nur gegen Abend verschlossen wurden. Im Eingangsbereich wartete Verus mit Luna und seufzte traurig, während sein Blick ängstlich-suchend zu Idun flüchtete. "Ich werde dich im Traum bei mir halten," sagte er zu ihr. Er wollte ihr versichern, dass er mit dem Herzen immer bei ihr war. Das war es, was er noch sagen konnte und sagen musste. Verus richtete seinen cingulum militare, welcher auch den standesgerechten Stock trug, neben dem geschliffenen Pugio in wertvoller Dolchscheide aus silber-beschlagenenem Leder, welches das Wappen der Tiberii trug. Nervös knackte er mit seinen Fingerknöcheln, drehte dann an seinem Siegelring, der durch die Kämpfe und Einsätze der Legion bereits erhebliche Spuren aufwieß, da an einigen Stellen das Gold eingekerbt war und das tiberische Wappen aus edlem Opal noch fest saß aber von den Zeichen seines einstigen Konfliktes umschlossen war. Die Luft in seinen Lungen wurde schwer als er auf den Sklaven wartete, der sie begrüßen würde. Seine Augen lagen aufrichtig auf Idun, welche wertvoller als jedes Siegel war. Schwerfällig ließ er beide Hände fallen und gab sich diesem Schicksal hin.

    War sie wirklich bereit? Verus war sich über ihre Aussage nicht sicher. Er wäre es an ihrer Stelle nicht. Eigentlich war Verus niemals bereit gewesen. Nicht für den Krieg. Nicht einmal für dieses Leben. Bis vor wenigen Monaten war er durch diese Welt getrieben, ohne großen Wunsch und Antrieb, bis Idun kam. Hoffnung war eine neue Schönheit, die er durch sie gewann. Ruhm und Pein gingen in seiner Welt zwar Hand in Hand aber in Wahrheit suchten seine Hände ihre Nähe, wollten nicht verlieren, was ihre Nähe gebar: diese engelsgleiche Hoffnung, die sein Leben lebensvoll machte. Ohne sie war er im Herzen der Dunkelheit, welches in stets verfolgte und hinabriss in diesen dunklen Ozean aus Kälte und Verachtung. "Dann wollen wir aufbrechen," sagte der Tiberius fast so leise, dass es niemand vernehmen konnte. Er wollte nicht aufbrechen und diesen Moment verlieren. Er wollte sie nicht verlieren. Doch ihm blieb, wie so oft, keine Wahl und so blieb es nur bei einem liebevollen Wunsch. Immerhin hatten sie ihre Erinnerung und ihre gemeinsame Zukunft, welche leider noch fern lag.

    "Liebste," begann Verus leise mit vorsichtigen Worten, während er seine Luna, seine Idun, in seinen geschundenen Armen hielt, die immer noch Wunden der Schlacht trugen. Kleine Risse und Abschürfungen von Metall und Waffen. "Ich habe den Befehl, dich zum neuen Tribun zu bringen, wo du als Haussklavin arbeiten wirst," erklärte der nun wieder in der römischen Welt angekommene Tiberius mit glasigen Augen. "Dort bist du sicher aber keine Sorge, wir gehen gemeinsam dorthin," meinte er und nickte ihr aufmunternd zu. "Niemand wird dir etwas tun. Du gehst nicht in den Besitz des Flavius über..." Noch immer fiel es ihm schwer, von Luna als Objekt zu sprechen, denn sein Herz sah sie völlig anders. Immerhin würde sie eine bessere Unterkunft haben als er und würde sicherlich beim Jüngling gut versorgt sein. Der Flavius machte keinen bösen oder gehässigen Eindruck. Er würde sie gut behandeln und vorerst wäre etwas Ruhe wohl beiden Recht. Verus würde sie natürlich oft besuchen und im Zweifel hatte er als Veteranencenturio auch jegliches Recht dazu, denn wer sollte ihn daran hindern, den neuen Tribun ins Militärhandwerk einzuweisen? Im Lager galt Verus bei vielen Soldaten als erfahrener Mann, der nicht minder hart war und sich um Rom verdient gemacht hatte. Immerhin hatte er mit seinen Männern drei Jahre auf einem schäbigen praesidio ausgeharrt, gekämpft und Stand gehalten. Und viel wichtiger, am Ende hatte er viele seiner Männer gerettet, als es zu allseits bekannten Verwicklungen kam. "Ich liebe dich," flüsterte er dann leise in Ohr und löste die Umarmung, die beide hier im Geheimen teilen konnten. Es waren diese kurzen Momente der Nähe, die sich beide erlauben konnten. Niemals konnte Idun lange in der Unterkunft bleiben und tat nach Außen als gute Sklavin, die ihrem Herren Lebensmittel oder Alltagsgegenstände brachte. Solange dieses Theater notwendig war, würden sie es spielen. Denn niemand konnte ihnen wirklich das nehmen, was sie längst gefunden hatten.

    In einer Ecke des Wärmeraumes kauerte Verus auf einer Marmorbank, da er seine Wunden pflegte, die inzwischen zwar vernarbt waren aber immer noch in satter Farbe erstrahlten. Mit den Zeichen des Krieges gesegnet, strich sich Verus mit einem kleinen Holzstückchen; einem Spachtel, eine Creme auf, die ihm eine bekannte Heilerin verkauft hatte. Er tat dies in diesem Raum, weil es seinen schmerzenden Gelenken gut tat. Seine Oberschenkelnarbe, welche sich über das ganze Bein zog und die groben Schnittwunden an den Oberarmen sprachen von einem harten Kampf. Auch eine Narbe über dem Auge erzählte ihre eigene Geschichte. Verus beachtete die anderen kaum, wurde aber gelegentlich von hereinkommenden Soldaten gegrüßt und zwar mit einem knappen: "Centurio." Es war die stille Achtung vor einem Mann, der alles zu opfern bereit war und am Ende sogar für Rom eine nahezu unschuldige Frau bestrafte.

    Pflicht oder Vergehen? Verus fand sich in einem leeren Traum wieder. Einem Traum, dem er nicht folgen konnte; nicht nachgehen konnte. Seine Seele krauchte, gierte nach Leben und seine Atmung gab diesem Drang nach. Die Gehässigkeit des Duccius traf nicht nur seine kleine Welt, sondern auch jenen Traum, dem er nicht mehr ganz folgen konnte. Der Duccius unterlief alles, was ihm von der Pflicht geblieben war. Er wählte für ihn das Vergehen, so dass der leere Traum mit einem kräftigen Atemzug im Nichts verschwand. Verus wurde zornig, nicht nur über die gehässige Charakteräußerung des Legaten, sondern über den Zustand, dass dieser alles mit Füßen trat, wofür er und andere geblutet hatten. Verus war bereit gewesen, die Schuld auf sich zu laden; sie mit einer gewissen Achtung vor dem Tod der Kameraden zu tragen aber er war nicht bereit, deren Andenken durch Gehässigkeit zu beschmutzen. Er war nicht mehr bereit, mit falscher Gnade abgespeist zu werden und war sogar bereit lieber endgültig zu vergehen, als diesem Mann, der nicht mal wirklich Römer war, diesen Sieg zu schenken. Wenn man als Soldat etwas lernte, was es zu sterben und zu kämpfen, wenn es notwendig war. Eine Sammlung an Zorn und Verachtung schuf sich einen neuen Traum. Möge Idun ihm verzeihen aber er konnte nicht mehr schweigen; nicht mehr daneben stehen, und dieses Ungemach erdulden. Dennoch in einem Moment der Klarheit bremste sich der Offizier ein, ordnete seine Gedanken, um seinen Angriff zu bedenken. Er verachtete Duccius Vala nicht nur für seine Lebensweise, sondern auch dafür, dass er die Männer mehrere Jahre an Grenze vergessen hatte und nun auch noch die Frechheit besaß, einem Soldaten Roms mit einem Münzwurf auf Leben und Tod abzustrafen. Verus konnte die Verachtung in seinem Gesicht nicht verbergen, da erneut die Maske bröckelte. "Lasst mich die Aussagen ein wenig korrigieren," begann Verus mit betont ruhiger Stimme. "Ich denke, dass es mir zusteht als römischer Soldat, der seine Pflicht getan hat, einen Kommentar abzugeben und dir einen klareren Bericht aus einer anderen Perspektive zukommen zu lassen, legatus." Verus verstaute seinen Stock am Militärgürtel, blickte dann kalt zu Seneca und Licinus, denen er indirekt eine Mitschuld an diesem ehrlosen Verhalten des Legaten gab. "Ich war bereit, um Schaden von den Männern und dem Boten abzuwenden, die Schuld des Versagens auf meine Schultern zu nehmen. Dennoch, da ich nun vermute, dass du von falschen Tatsachen ausgehst: das Versagen beruhte auf einem Fehler in der Kommandokette, da mir als centurio statorum falsche Befehle übermittelt wurden. Ich rückte aus, um meinen Befehlen zu gehorchen. Die Verdammungswürdigkeit, die mein Präfekt ansprach, sieht er wohl in der Ausführung, die meine Männer sicherlich anders bezeugen werden," erklärte Verus nun öffentlich und war bereit die Konsquenzen der Wahrheit zu tragen. "Ich tat dort das, was von mir erwartet wurde und als die Hölle ausbrach, schützte ich diejenigen, die am Verwundbarsten wahren, eben meine Soldaten. Ich rettete einen Großteil der abgerückten Einheit aber dies nicht aus Eigennutz oder falschem Eifer, sondern weil ich an Rom glaube und Rom verdient Hingabe," setzte er fort und deutete dann mit einem Finger in den Himmel. "Eines Tages werden die Götter entscheiden, ob mein Verhalten verdammungswürdig war," stellte er, wie Stein, in das Gespräch, bevor er nach einer kurzen Wirkungspause fortsetzte. "Du kannst gerne die legio befragen und jeden Einzelnen meiner Männer, ob ich ein Feigling, ein Verdammungswürdiger bin und ich denke, dass sie dir klar eine Auskunft geben werden," nickte er ab und blickte dann urplötzlich kalt zum jünglichen Tribun, dessen Schweigen vieles über seinen Charakter sagte. Immerhin ging es hier um die Ehre, und das ein Legat das Leben eines Römer von einem Münzwurf abhängig machte und seine Willkür praktsich offenbarte. "Ich würde an deiner Stelle das Leben römischer Bürger und Soldaten nicht von einem Münzwurf abhängig machen, sondern mit gebotener Vernunft agieren. Da ich römische Tapferkeit beobachten konnte und sogar Treue bis in den Tod, würde ich die Soldaten belobigen und sichtbar ehren und nicht zusätzlich einen Vorwurf konstruieren," konterte Verus bissig und blickte dann mit fixierten Augen auf Vala. "Ich brauche keine Auszeichnung oder eine Ehrung, denn ich tat das, was ich tat für die römische Idee," ließ er noch fallen, bevor der Iunius sprach. Dem Tiberius war es egal, was ihm widerfahren würde aber ihm war nicht egal, was mit der römischen Idee geschah, die von sovielen missbraucht und geschändet wurde. Vala war mit seiner Gehässigkeit nur ein Symptom einer chaotischen Zeit. Verus fand in dieser Sekunde seinen Glauben an Rom wieder aber mit Sicherheit nicht das Rom, welches Vala wollte. "Da ich in dieser Sache nichts mehr hinzufügen kann und mein Truppendienst wartet, bitte ich darum, wegtreten zu dürfen," sagte Verus nüchtern und wandte sein Gesicht zum Präfekten. Dem Tiberius war diese verdamungswürdige Gesprächsführung und diese Kulisse von Selbstgerechtigkeit zu viel. Wenn sie ihn hinrichten wollten, dann sollten sie es vor den Männern tun und ihn auf dem Campus verhaften. Er würde sich keine Sekunde länger dieser Situation aussetzen, die alles zerstörte, woran er glaubte und was für ihn Ehre war. Pflicht oder Vergehen?

    Ähnlich einem Fiebertraum, blendete Verus alles aus, und auch die Worte der Duccia fielen nicht in seine Wahrnehmung. Wie von fremder Macht gesteuert, erhob sich der wankende Mann von seinem Schemel, um sich seiner Liebe zu nähern. Sie rief nach ihm, das wusste er und spürte es tief in seinem Inneren. Nein, der Offizier versteckte sich nicht mehr und stand für das ein, was er war. Ein Soldat Roms. Mit ruhiger Bewegung streckte er seine Hand aus, um ihre Wangen zu berühren. Über jene strich er sanft, bevor er sich auf der Bettkante niederließ, um dicht an seiner Idun zu wachen. "Ich bin da," erhob sich aus tiefer Seele seine Stimme, frei von Brutalität und Härte, die sie sonst kannte. Das Militär konnte ihm nicht alles nehmen. Der Hass der Duccia traf ihn nicht mehr, denn er war im Feuer des Krieges aufgewacht und hatte getötet; mehrfach für Rom gemordet und sich im Blute anderer gebadet, so dass dieser Hass und diese Verachtung seiner ihm eigenen Verachtung vor sich selbst nicht gleichkamen. In gewisser Hinsicht passte ihm diese Verachtung einer Fremden, da sie mit seinem Selbstbild übereinstimmte. Er verachtete alles an sich, was er war und nur Idun gab ihm wahre Hoffnung, dass er etwas anderes sein konnte als ein brutaler Centurio. Seine fragile Seele musste dies glauben, da er ansonsten innerlich sterben würde und allein jene Kriegsmaschine wäre, die eine Legion so gerne hatte. Seine Hand suchte ihre Hand, um diese fest zu umfassen. Er wich nicht mehr und seine Augen lagen fest auf ihrem Gesicht, welches ihm ernstes Mitgefühl entlockte und somit teilte er ihren Schmerz, während er selbst einer Trance gleich, immer wieder den Satz wiederholte: "Ich bin da."

    Und so waren die beiden nun Überlebende eines immer ferner rückenden Kampfes. Doch der Kampf hatte beide verändert. Wo Verus um seine Seele rang, rang sie um Leben; nicht im Sinne eines Überlebens, sondern eines echten Lebens mit ganzem Herzen. Jetzt waren sie Überlebende, die lernen mussten, wieder zu leben. Ein echtes Leben zu führen, fern der falschen Ideale und der Lügen ihrer Zeit. Liebe schloss seine Schwingen in guter Absicht um diesen Moment, wollte beiden ein Vergessen der Pein und auch eine Erinnerung an getragene Hoffnung sein. Verus versteckte sich nicht mehr, während er von seiner eigenen Gnade abfiel. All' sein ganzes Leben war er fragil gewesen; zerbrechlich im Angesicht der grausamen Zeiten, die ihm sein Herz gestohlen hatten. Mühsam hatte er es gefunden und zwar im Tempel ihrer Umarmung. Krieg war eine Krankheit, die sich in die Seele fraß, wie jener Hass und jene Gewalt, welche ihn begleitete. Er fühlte sich verloren und doch fand er in ihrer Nähe einen neuen Versuch, diese Kälte abzustreifen, die in ihm hauste. Alles, was er nicht mehr wollte; alles, was er wollte, war bedeutungslos, wenn nur dieser Versuch gelingen würde, ehrlich zu lieben. Er gelang ohne Wunsch und Wollen, denn ihre Nähe war gegen jede Realität und gegen jeden Traum ein wahres Wunder, welches alles verdammte, was nicht minder schön war. In ihrer Nähe lag leise Schönheit, die in der Natur nur selten Dingen vergönnt war. Verus kostete von diesem Anblick und fand daran Erleichterung und auch leider ein Gefühl des Verlustes. Ein Teil von ihm starb langsam aber beständig, um das Vergessen zu erlauben, damit er kein Gift mehr trinken musste. Ein Teil, der längst zerbrochen war und nur noch von unruhigen Händen zusammengehalten wurde. Ironie dieses Kriegsdienstes war, dass er im Hass und Kampf, Liebe gefunden hatte. Es war noch so viel Leben in ihm, welches die Splitter der Maske vertreiben wollte, die er versuchte zusammen zu setzen. Namen, Aufgaben und Pflichten. All das wollte er behalten und doch schrie sein Herz dagegen an. Diese Splitter einer Vergangenheit, die ihn zu Tiberius Verus machten, wollte er behalten, obwohl die Liebe sie nicht brauchte. Er war ganz Mensch und kein Soldat. Die leeren Augen fanden Leben und mit glasigen Angesicht blickte er zu Licinus, im Gedanken seinen Dienst zu beenden und mit Idun zu flüchten; nach Rom oder weiter. An einen Ort mit Sonne und Wasser; eine Zukunft fern der falschen Bilder und irrigen Fantasien von Pflicht und Gehorsam. Doch sein römisches Blut, sein Sein, lag nicht in der Flucht, sondern in der Freiheit zu wählen. Er war Römer und egal, wohin er ging, er stand als Römer für etwas ein, was größer als er selbst. Eine Idee von Rom, oft pervetiert und verraten von Hass und Machthunger. Er wählte Idun und darin lag alles, was er noch brauchte, um Mensch zu sein. Die Maske ließ sich wieder tragen und nicht alle Leerstücke der Maske mussten ersetzt werden. Wenn Verus stürzte, würde er in ihre Arme fallen; und wenn sie fiel, würde sie in seine Arme fallen. So sollte es sein, wenn beide gemeinsam überlebten, um auf ein echtes Leben zu bauen. "Dann haben wir eine Lösung," erklärte der Centurio mit ernster aber ruhiger Stimme. Er hoffte in der Tat darauf, dass diese Lösung funktionierte und er seine Idun regelmäßig besuchen konnte. Verus war klug und würde schon einen passenden Grund finden, um einen Tribun aufzusuchen. "Ja, Praefectus," schloss der römische Offizier ab, der er nun wieder war und mit geübter unsichtbarer Hand setzte Verus seine Maske auf, deren Splitter aus Erinnerungen bestanden. Er würde niemals vergessen.

    Auch Verus war unter der anwesenden Soldaten. Er führte eine Wachmannschaft, die im Zweifel bei Flucht oder Befreiungsversuch eingreifen sollte. Die Rüstung wog schwer auf seinen Schultern und auch der Helm wollte ihm nicht mehr so ganz passen, da er die beiden Schnüre am Kinn nicht geschlossen hatte. Es fiel ihm schwer, den Anblick zu ertragen, so dass er still die Augen schloss und sich ganz in seine sachliche Aufgabe flüchtete. Zu seiner Erleichterung stand seine Einheit weit genug vom eigentlichen Geschehen weg, dass er nur die Schreie und die grausamen Töne zu vernehmen hatte, die sich in seine Seele gruben. Wieder roch er Blut und die kalte Angst kroch in seinen Nacken. Wieder kehrte er an diesen dunklen Ort zurück, der ihm nun stets folgen würde. Leben kannte keine Gnade, sondern nur Menschen kannten Gnade. Noch wollte sich Verus nicht vergeben, doch seine Idun hatte es getan. Ihre Gnade ließ ihn noch leben, wirklich leben und sein Herz schlug für sie. Auch gegen die Grausamkeit des Erlebten. Fest presste der Offizier beide Augen zusammen, um sich an seine Idun zu erinnern aber scheiterte, so dass er sie bald aufriss und auf das Szenario starrte. Seine Mimik erhärtete und er gab mit seinen Soldaten das Protobild von römischer Stärke ab. Kalt, herzlos und teilnahmslos beobachteten sie etablierte Grausamkeit. In der Nacht würde er davon träumen und wieder weinen; heimlich und verborgen in seiner Stube.


    Sim-Off:

    *durch Zeitverzug etwas knapp aber ich wollte Verus gerne noch dabei haben ;)

    Auch Verus hatte sich eingefunden. Zwar deutlich gezeichnet durch die letzten Wochen und Tage, da sein Gesicht tiefe Gräben zeigte. Auch seine Augen waren umschlossen von tiefem Schwarz, welches von unruhiger Nacht sprach. Dennoch hielt er sich aufrecht beim Betreten des Walles. In seiner Hand trug er die Vitis, sein Standeszeichen, welches ihm auch in der Sache Halt gab. Ganz der Hierachie folgend, folgte er hinter den ranghohen Offizieren und betrat als letzter den Gesprächsort. Das cingulum militare klang noch einen Moment zusammen mit seinem Atemzug nach. Sein Herzu schlug heftig und nun wartete er, dass der Präfekt seinen ersten Bericht abgeben würde. Man sprach nicht vor dem Dienstälteren und Ranghöheren. Verus lauschte aufmerksam und wieder trafen die Worte des Präfekten den traurigen Verus hart. Mühsam hielt er sich an seinem Standeszeichen fest, welches er spielend in seinen Händen drehte. Trotzdessen versuchte er dem Blick der Anwesenden stand zu halten. Er würde nicht flüchten oder zurückweichen. Immerhin ging es hier um seine Schuld. Vergebung war nur doch Akzeptanz zu finden. So atmete Verus nun nur noch bewusst ein und aus. Er versuchte ruhig zu bleiben und nicht wieder in dieses Traumata zu fallen. Es war durchzustehen. Irgendwie. Idun wartete auf ihn, was die Zeit erträglicher machte. Wenigstens schlug ihm eine Brise entgegen, was ihm zur Erleichterung frische Luft zuführte.

    Überrascht aber ganz auf seine Aufgabe fokussiert, antwortete Verus berechnend und militärisch: "Salve." Ihm war nicht am Gespräch gelegen, denn er selbst stand nur noch mit Mühe. Es kostete ihn viel Kraft, auch weil seine eigene Verwundung ihm gerade böse nachspielte. Die Grenzen zwischen Wunsch und Hoffnung verschmolzen sich, so dass Verus einzig und allein hier war, um seine geliebte Idun in sichere Hände zu bringen, damit sie gerettet werden konnte. Sein eigenes Schicksal war von weniger Belang und somit auch ein freundliches Gespräch oder eine weitere Erklärung. Er nickte dem germanisch aussehenden aber römisch gekleideten Mann zu. Der römische Centurio Tiberius wurde dann doch überrascht und zwar durch die zynischen Worte der jungen Frau mit den blonden Haaren. Die Worte trafen ihn aber er kannte keine gute Antwort, denn er selbst wusste von seiner Schuld und würde auch diese Bosheit ertragen müssen. Es ging hier wahrlich nicht um ihn, sondern um seine Liebe. Liebe war etwas, was er nun verstand, welches sein eigenes Opfer kleiner machte. "Ich bringe sie selbst," erhob sich dann doch seine Stimme. Er würde sie nicht mehr allein lassen. Nicht mehr heute und auch nicht in Zukunft. Auch ihm standen Schweißperlen auf der Stirn, als er bereits ein oder zwei kämpfende Schritte hinein tat. Schließlich näherte sich Alpina, die Heilerin. "Sie hat Fieber und ich...", versuchte er passende Worte zu finden. "Wundfieber," schloss er dann den Satz falsch aber mit der richtigen Diagnose ab. Er kannte es. Als Soldat kannte er diese Krankheit leider zu Genüge; bei Kameraden und auch sich selbst hatte er sie erfahren. Dieses Fieber war Feuer, welches aus der Wunde heraus, den ganzen Körper dahinraffte. Nur mit Mühe und Iduns Liebe hatte er selbst überlebt. Nein, er würde nicht weichen. Er trug die nun mehr Sklavin Luna in die Kammer und legte sie dann auf dem Krankenlager ab, bevor er selbst zurückwankte und sich erschöpft keuchend auf einem alten Schemel niederließ aber in deutlicher Nähe zu Idun. Seine Atmung war von Blei durchdrungen. Mit ängstlicher Sehnsucht erhoben sich seine Augen und suchten das Lager seiner Idun, um dort mit dem göttlichen Licht zu wachen, welches ihm nun folgte und die eigene Bestie verbannt hatte.