Es endete wohl nicht mehr. Verus suchte nach Haltung und Würde. Sein Trauma kochte, brodelte, wie ein kaltes Feuer in seinem Herzen. Er hatte genug von Erklärungen und ständigen Gesprächen über seine Erfahrung. Immer wieder, musste er sich erklären und vermitteln, was dort geschehen war. Doch niemand würde klar verstehen, was dort geschehen war. Es war Krieg, ein grausames Gemetzel und er hatte den Tod eigenhändig erlebt. Die Stimmen, der Sterbenden und die Gerüche, hatten sich eingebrannt und das für eine Ewigkeit. Er würde niemals vergessen aber er konnte nicht immer wieder die Gräber öffnen, die er jede Nacht mühsam zu schüttete. Jeder Traum, der Albtraum wurde, war Leichentuch seiner Erfahrung. Er litt und musste dennoch die Kraft finden, was ihm mit der Würde seiner Seele gelang. Verus würde nicht kapitulieren. Nicht in dieser Sache. Es gab ein Leben, nach all dem; ein echtes Leben, außerhalb der Rüstung und fern der Waffen. So selten und wertvoll es ihm jetzt erschien; und ihm verschlossen war, war Verus durchaus bewusst, dass das Militär niemals alles sein konnte. Dieser Legatus hatte nur so viel Macht über ihn, wie ihm sein Posten verlieh aber nicht über sein Herz. Verus Lippen zitterten unter der Anspannung, bevor er Worte als Antwort fand:
"Ein Bote überbrachte mir einen dezent falschen Befehl, da dieser sich verhört hatte. Dieser Befehl wurde von Präfekt Iulius entsandt. Mein Bote, ein Miles unter meinem Kommando, überbrachte mir nach einem langen Ritt diesen Befehl aber hatte diesen deutlich fehl-interpretiert. Daraufhin rückte ich aus, um die Überfälle auf die Grenzregion, die mir als Centurio Statorum unterstellt war, zu untersuchen und mit Fortunas Willen zu beenden. Ich rückte mit erfahrenen Legionären aus dem Praesidio aus. Da bereits durch Zeugen diverser Verbrechen gegen die Pax Romana belegt, wurde dieses Dorf als Urheber ausgemacht und sollte sich römischen Recht beugen, also untersucht werden. Ich plante es zu durchkämmen auf Diebesgut oder andere bedeutsame Tatmittel. Im Dorf selbst wurden wir unfreundlich empfangen aber es gab sicherlich noch kein Blutvergießen. Ich verlangte in alter Sitte, dass die Bewohner zur Befragung bereitstehen sollten. Es kam leider nicht zu einer Befragung und die Situation eskalierte schnell, als es zu diversen Missverständnissen kultureller Fragmente beider Seiten kam. Wir wurden angegriffen und in die Gänge zwischen den Hütten gedrängt. Die Situation geriet unübersichtlich aber ich ordnete einen Rückzug an. Schließlich gelang es uns, zeitweise in zwei festen Reihen Schutz zwischen zwei Hütten zu finden. Doch es war absehbar, dass uns die Übermacht erdrücken würde, da jeder kämpfte; auch die Frauen. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits einen Ausbruch entschieden und befahl diesen. Ich ließ eine Reihe aufgeben, um durch verdoppelte Kampfkraft einen Durchbruch in Richtung Wald zu erzielen. Mir selbst war klar, dass ich zurückbleiben musste, um die Germanen daran zu hindern, meinen Männern in den Rücken zu fallen. Auch wollte ich meinen Soldaten genug Zeit verschaffen, um Richtung Limes zu fliehen. Ich nahm meinen Tod bewusst hin und stellte mich alleinig den Germanen und hoffte, dass die Überlebenden entkommen konnten. Es gelang ihre Flucht. Für mich ging das Scharmützel weiter und schnell wurde ich umschlossen. Ich konnte mich diffuser Angriffe erwehren und stand ihrem Anführer gegenüber, der eine Art barbarisches Ritual zu pflegen schien. Seine Kämpfer, auch die Frauen, griffen nicht mehr an und ich stand ihm in einem Zweikampf gegenüber. Ich verwundete ihn aber er auch mich. Die Wunde war lebensbedrohlich und ich sank zu Boden, wo mich dann jene Seherin errettete. Den genauen Hergang der Rettung meiner Person kann ich nicht beschreiben, da ich bewusstlos war. Ich wachte später in ihrer Hütte auf und sie verbrachte mich dann zu herannahenden Legion. Man nahm sie in Gewahrsam. Es kam das Gerücht auf, sie sei eine mächtige Seherin und hätte Zauberkräfte. Sie hätte mich verhext und so sahen wir, auch der Präfekt, uns gezwungen, diese Gerüchte, welche Unruhe nach dem Fiasko im Dorf schufen, zu beenden. Ich sollte die Seherin mit Potestas versklaven, um den Legionären zu zeigen, dass ich nicht verhext wurde. Die Versklavung wurde abschließend öffentlich hier in Mogontiacum vollzogen. Neben der Kreuzigung, der ich auch federführend beiwohnte. Ich möchte anmerken, dass sich die Sklavin vorzeigtig an mich verkauft hatte, um eine Schuld zu begleichen, die wohl germanischer Natur war und die öffentliche Versklavung nur vollzogen wurde, um die Gerüchte zu zerstreuen. Ich tat stets, was mir befohlen wurde und im Interesse Roms war."