Beiträge von Aulus Tiberius Verus

    Hier war sie wieder. Diese Angst, dass nichts genug sein würde. In seinen Augen schwand die Melodie des Lebens nie ganz, doch verschmälerte sich zu einer einfachen Tonfolge. Es war Idun, die ihn fürchten ließ. Nicht, dass sie ihn verriet, sondern vielmehr, dass sie ihm genommen wurde. Wie gerne würde er ihr nun sagen, dass er die Welt verändern konnte. Wie gerne wollte er rufen, dass er andere Welt für sie machen konnte. Doch konnte er es nicht. Er konnte nur kämpfen. Vorallem gegen sich selbst. Nichts machte sein eigenes Schlechtes ungeschehen und doch war hier dieses Gefühl. Ein Gefühl, so simpel und doch so stark. Sie lehnte sich gegen seine Brust. Sein Herz schlug heftig in ihrer Nähe. Hier war er wieder, jener Mensch. In seinen Knochen war Würde, die niemals gebrochen werden konnte. Es war ihre Würde. Beide lebten; ja, waren ihr eigene Welt, gegen alle Widerstände der Götter und Mächte. Ja, er konnte sich und ihr eine neue Welt machen, wenn sie ihn ließ. Idun musste es zulassen. Es lag nicht in seiner Macht, sondern in ihrer Macht, ihm eine Vision zu geben. Keine Vision gegen Rom, sondern eine Vision für die Zukunft der Republik. Geheime Kräfte testeten seinen Willen, der wieder ungebrochen werden sollte. Das kalte Gift der Hoffnung, welche verloren werden konnte, brodelte in seine Augen, die allein Idun galten. Seine Augen sangen für sie im Spiel der zwei Tränen, als sie ihn an seiner Hand hinaus führte. Als sie die Berührung gebrochen hatte, wurde es wieder kalt. Diese furchtbare Kälte, die aus der Angst gespeist wurde, Idun verlieren zu können. Nein, allein der Gedanke kostete Kraft, die Verus kaum noch besaß. Eine Kette, geschmiedet aus Mitgefühl, verband beide Wesen in diesem Schritt hinaus. In Betrachtung schienen diesen beiden Körper ungetrennt, verbunden durch eine einfache Handgeste; jenes Halten zweier Greiforgane, die Grenzen niederrissen und alle Zweifler an so einem Wunder mit Kraft unterwarfen. Idun und Verus machten ihr Schlechtestes ungeschehen, ohne es jemals gewünscht zu haben, sondern diese Brücke zweier Welten erschuf etwas Gutes, etwas Strahlendes, was selbst die Götter lachen ließ. Eine einfältige Seele, getrennt auf zwei Geister, wollte wieder mit der Macht des Schicksals ringen. Es war ein Kampf, den sie nur verlieren konnten, doch ohne Entscheidung, sondern durch Hingabe zueinander, fanden sie sich darin wieder. Es war dieses liebevolle Verlangen, diese Sehnsucht nach Nähe, nicht körperlich, keine Wollust, sondern schlicht diese Gewissheit, dass ein Leben allein und ohne einander einsam sein würde. Einsamkeit war der Preis ihres Zusammentreffens, der gefordert wurde, sobald diese Berührung für immer gebrochen wurde. Die Melodie spielte still auf.


    "Lass es mich tun," stammelte er Worte zusammen und wollte sich Mut zusprechen, dass Pferd alleine aufzusatteln, als sie sich zu ihm wandte. Ihre Schönheit bedurfte keiner Beschreibung, anders als eine Römerin war eine solche Beschreibung für sie unpassend und sogar unweigerlich lächerlich. Schönheit lag nicht in Aufmachung, in Darstellung oder Geschmeide, sondern in den Augen, die eine Seele spiegelten. Idun spiegelte auf Verus, wie Verus auf sie spiegelte. Es war diese Schönheit, die mehr Traum als Wirklichkeit war aber dennoch mit aller Tatendrang zwischen beiden tanzte. Dachte er an Calena? Ja, Verus erinnerte sich an ihren Verrat, als sie ihn verstoßen hatte, nur damit er Soldat wurde. Doch Idun verstieß ihn nicht, war hier, wollte für ihn sogar mehr sein als nur ein Gefolge. Sie opferte ihre Freiheit, nur um ihm zu helfen. Es war dieser Akt des Selbstopfers, der sie größer machte als jedes Amt, jede Staatsgewalt oder auch seine Calena. Nicht, dass er seine Calena verraten konnte oder wollte aber eine Macht trieb ihn in Iduns Arme. Es war diese Verbindung, die nun Gewicht hatte und somit auch seine eigene Gravitation. Sie beide waren zu Sternen geworden, die ineinander fielen, um im letzten Akt heller zu strahlen, als alle anderen Sterne im Universum. "Ja," wisperte Verus zu Idun zurück, während sich seine Augen schlossen und die Tränen über die Lider vertrieben. Verus stieg auf das Pferd, keuchte dabei und versuchte den Schmerz nicht zu zeigen, da sie ihm half und er ihr vergewissern wollte, dass sie sich keine Sorgen zu machen brauchte. Doch er wusste, dass sie sich beide gleichermaßen Sorgen machten. Schließlich brachen sie auf, da sie die Zügel hielt und nun bestimmte, welchem Weg Verus folgen sollte. Der Tiberius konnte nur beobachten von seiner erhöhten Position und ließ seinen Blick schweifen, nachdem der Schmerz seiner Wunde etwas abgeklungen war und er seine Augen nicht mehr zusammen kneifen musste.

    Meine persönliche Meinung, die hier niemanden angreifen soll:


    Ich war damals auch lange im IR aktiv, auch schon vor dem Bürgerkrieg, und habe bereits bekannte Höhen und Tiefen mit verschiedenen IDs erlebt, die mitunter spannend oder auch furchtbar trist waren. Das vorweg, damit man meine Meinung einordnen kann, die auf mehreren Jahren IR fußt aber durch gewisse Exil-Zeiten durchbrochen wurde.


    Das IR braucht dringend eine Plot-basierte Basis, die Posten auch mit Aufgaben verknüpft, da man ansonsten wirklich schlicht seinen Posten besetzt, wartet das etwas passiert und dann mit irgendwelchen Minigeschichten abgespeist wird, die wenig Bedeutung haben und auch ansonsten eher auf Geschichten zwischen zwei IDs beruhen, die man sich selbst aufgegabelt hat. Von der Spielleitung kam selten Input und man musste sich viel selbst gestalten, was nicht immer schlecht ist aber oft erwartet man, wenn man einen Führungsposten oder politischen Posten besetzt (ich hatte einige in meiner ewigen Laufbahn hier), dass etwas vom Schicksal passiert, womit man nicht gerechnet hat und man eben in jenem Szenario agieren kann. Es muss wieder echte Entscheidungen geben, da man als Spieler ja auch das Gefühl eines Gewichts haben möchte. Wenn ich einen politischen Beamten spiele, der möchte ja später auch etwas berichten können und nicht einfach nur den Standard runterplappern, der immer erzählt wurde. Oder sich durch eigene müßige Geschichten quälen, um überhaupt ein Amt mit Leben zu füllen. Manchmal hat man nämlich das Gefühl, dass größere Dinge nicht passieren sollten und sogar abgeblockt werden.


    Der Bürgerkrieg als Beispiel war eine gute Idee aber furchtbar umgesetzt! Wenn man so etwas gestaltet, muss eine freie Entscheidung möglich sein, nicht per Definition ein Sieger feststehen, sondern die Spieler gestalten dann. Das IR krankt an einem grundsätzlichen Misstrauen gegeüber Spielern, da man ihnen zwar Ämter gibt aber diese nicht mit "Schicksalinterventionen" verknüpft. Ein Beispiel aus der Historie: Was wäre wenn Caesar in Gallien keinen Krieg vorgefunden hätte, sondern sich die Gallier direkt ergeben hätten? Der Senat hätte ihm ja nie weitere Legionen bewilligt, die für seine Umformung der Republik notwendig waren. Das IR braucht dringend echte Gestaltungsmöglichkeit und Spielerfreiheit, die sich nicht im langweiligen Umherplätschern äußert, sondern in echten "römischen" Geschichten.


    Das IR ist ja schon lange kein reinres Histo-Board mehr und kann sich ruhig etwas Fantasy erlauben und eigene Geschichten erzählen.


    Mit verschiedenen Figuren, (kein Angriff!) , zum Beispiel Sergia Fausta ist das IR ja nicht mehr historisch und somit sollten man auch den Spielern Geschichten an die Hand geben. Ich erwarte mir kein friedliches Spiel oder ständigen Konflikt, sondern eben Geschichten, die mich mitfiebern lassen, die Entscheidungsgewicht haben und am Ende lesenswert sind. Ich möchte eben ein Spiel spielen, das mich begeistert. (Und auch in einigen Punkten historisch sein darf! ;))


    In dieser Hinsicht muss ich Italicus zustimmen.


    Nun zu den gestellten Fragen:
    Was erwartet ihr vom IR?


    Wollt ihr ein friedliches Rom, in dem man einkaufen, sich vergnügen oder ähnliches geht?Oder wollt ihr auch mal etwas Spannung in der Stadt? Die könnte zum Beispiel in Form von kleinen Aufständen sein oder einen Hungersnot, was die arme Bevölkerung auf die Barrikaden bringt etc. - Ganz klar: beides. Vorallem aber Plots und Geschichten für alle, die lebendig von Spielern und der SL getragen werden. Wenn ich einen Magistraten spiele, soll dieser aktiv entscheiden können und auch den Plot mit Leben füllen.


    Frage an die Spieler der Einheiten. Wie sieht es bei euch aus? Würde wir euch dafür begeistern können, das die Legio auch mal in den Krieg gegen externen Feinde zieht (Germanen, Prater etc.) - Ja! Rom hat genug Feinde und man kann sicherlich, wenn man die Einheiten bündelt, zum Beispiel alle zur Legio I, einen Feldzug starten oder auch Aufstandsbekämpfungen, denn weil Italien friedlich ist, kann man sicherlich auch diese Legio I als Feuerwehr in Krisenherde entsenden. Ferner kann man auch Sklavenaufstände ausspielen oder schlicht eine Seuche, bei der die Legio mithilft.


    An die Amtsträger oder die die es mal werden wollen. Wäre es für euch ein Mehraufwand der das Amt unattraktiv macht , wenn wir ein Amt an einen bestimmte kleineren Aufgabenknüpfen? z.B. Curator Viarum – eine wird Straße überschwemmt Curator müsste sich kümmern. - Ja, bitte! Unbedingt! (Bitte mehr Aufgaben und Inhalt für die Posten! :D)

    Der flappsige Scherz, bevor sie ihm half, seine Rüstung anzulegen, traf ihn in vielerlei Hinsicht. Denn Verus wollte sie nicht als gelebte Sklavin unter seiner Herrschaft wissen und mochte es auch nicht, das sie damit cogitierte aber gleichsam verstand er den Scherz und den Witz darin, so dass er vergessen lächelte, um ihr nicht das Gefühl einer seltsamen Leere zu geben. Unbewusst war dieses Lächeln voll überragender Hingabe und Zuwendung an Idun, wenn nicht sogar mit ein wenig Träumerei. Schließlich begann sie ihm in die Rüstungsteile zu helfen, was einige Zeit in Anspruch nahm. Insbesondere die jeweiligen Stahlschienen, die Arme und Beine panzerten, waren recht aufwendig anzubringen, da sie mehrere Lederriemen benötigten. Die lorica hamata, jenes doppelt bearbeitete Kettenhemd mit verstärkten Schultern, war recht leicht anzulegen, da es Verus schlicht über sein Haupt ziehen musste und seine Arme durch die Armöffnungen zu bewegen hatte. Es war bereits leicht beschädigt und eine Schulterverstärkung hing leblos herab, da die Ringe an einigen Stellen durch einen Hieb gebrochen waren. Die reparierten Beinschienen fielen Verus insbesondere auf, so dass er sofort mit einem Satz reagierte: "Danke, dass du sie repariert hast. Zumindest soweit, dass sie nicht hin und her rutschen." Der wieder entstehende Centurio schmunzelte, bewegte seine Füße um zu prüfen, ob sie wirklich nicht rutschten. Als sie sich von den Knien erhob, fast aus einer unterwürfigen Geste vor Verus, schien sie sich schwerfällig zu bewegen. Verus streckte seine Hand dankend aus, um ihr Halt anzubieten und streifte dabei ihren Unterarm. Doch bevor er etwas sagen konnte, reichte sie ihm bereits seinen zerbeulten und unbrauchbaren Helm. "Den Helm kann man nur noch einschmelzen," merkte er an und nickte erleichtert ab. Es war doch ein Kraftakt gewesen. Ihm fehlten noch gesundheitliche Kräfte, um dieses Gewicht wirklich zu verarbeiten und einstecken zu können. Schließlich war es Idun, die ihm eine helfende Hand reichte, so dass Verus das Zeichen verstand, den Helm zur Seite auf das Lager legte, um mit ihrer Hilfe aufzustehen. Murrend, brummend und nach Luft suchend, stand Verus unter ihrer Führung auf, bis er endlich wieder alleinigen Stand gefunden hatte. Das cingulum militare und der breite Waffenrock aus Lederstreifen bebte nach, gab im Zusammenspiel mit Metall und Leder Töne von sich, die einem rauschenden Klirren nicht unähnlich waren aber laut und betäubend war es nicht. Nur durchbrach es die Stille der Prozedur des Anlegens und des Aufstehens. Idun sagte dann nur ein Wort und benannte ihn mit seinem Rang und somit auch seiner alter Person. Er war römischer Offizier. Ein Centurio, der Roms Macht symbolisierte und die Militärgewalt dieses Imperiums. Verus fühlte sich unwohl in dieser Aufmachung, dieser Uniform des Reiches, welchem er lange gedient hatte und das für ihn immer noch etwas Bedeutung besaß. Er war Römer und konnte dies auch nicht leugnen. Sein Blick fiel über seine eigene Brust hinab, auf die Rüstungsteile und schließlich legte er die Hand an den Knauf seines Schwertes, welches wieder befestigt war. Das herunter gerissene Schulterstück des Kettenpanzers konnte mit einer Handbewegung seiner anderen Hand wieder notdürfitig eingehängt werden aber würde sicherlich nicht sehr lange halten. "Danke," sagte er traurig, denn nun trennte ihn diese Rüstung wieder von seinem Herzen. Er wollte Idun nahe sein, nicht durch Metall oder dessen Symbol von Macht von ihr getrennt sein. Der junge Mann fühlte diese unsichtbare Trennung, die Rom war und Idun stand verlassen vor ihm. Nein, so sollte es nicht sein. Mutig streckte er seine Hand aus, um ihre Schulter zu berühren. "Danke," wiederholte er mit einem aufgehenden Blick in ihre Augen.

    Ja, er konnte glauben, dass er mit ihr eine andere Welt erschaffen konnte; ihr und sich eine neue Welt erschaffen. Mit ihr war jede Vision eine Möglichkeit. Die Schatten der Vergangenheit, konnten mit einem Handstreich verwandelt werden. Verus konnte mit ihr sein eigenes Schlechtes vergessen machen. Manchmal rechtfertigte er seine Worte und Gedanken aber Idun verlangte keine Rechtfertigung, keine Absolution, denn ihre Anwesendheit machte die Welt kleiner und damit auch den Zwang zur Erlösung. Der Moment mit ihr war Elyisum und zugleich Epiphanie. Verus wollte ihr sagen, dass er keine Fragen mehr an sie hatte aber das stimmte nicht. Ihr gehauchter Kuss war bereits Antwort auf die vielen ungestellten Fragen. Die Hand auf seiner Wange war Trost. Ein Trost, der ihn erlöste. Von den Fragen. Verus fand in dieser Berührung einen neuen Wunsch. Einen wahren Wunsch. Dieser Wunsch konnte nicht beschrieben werden aber gefühlt. Verus war hier mit ihr. Das war alles, was in dieser Berührung zählte und der gehauchte Kuss war der Odem des Lebens, welches ihm fast genommen war. Sie brauchte sich nicht zu bedanken. Denn Dank war ungenügend für diese neue Welt, die für beide entstand. Nur für beide hoben sich die Götter aus den Himmeln, stürzten herab, um zu sehen, was hier geschah. Nur für sie knisterte das Feuer und brannte lodernd hell, um das Licht schützend um sie zu hüllen. Eine ungesungene Melodie, die lautstark und lautlos gleichsam verband. Götter waren machtlos im Angesicht dieser neuen Macht. Doch dabei war diese Macht gewaltlos, ohne Eifer und Gier, sondern allein für sich. Es war dieses Vertrauen, welches nicht erzwungen oder genannt werden konnte, sondern schlicht entstand aus dem Mitgefühl einer Seele, welche getrennt war. Idun und Verus wurden durch eine Würde verbunden, die alles ungeschehen machte; nur für diesen Moment. Sie war nicht mehr nur Idun, eine Seherin, und Verus, nicht mehr nur römischer Offizier, sondern sie waren beide eine neue Macht. Ungetrennt, ungebrochen und verbunden durch die eine Seele, die durch Schicksal getrennt war. Hier lag keine Rache am Schicksal, keine Lust, sondern ein natürliches Wiederfinden des Verlorenen. Sie waren hier. Beide waren hier. Das war die Epiphanie des Momentes, der bald vergehen würde. Zeit floss gnadenlos davon, riss alles mit sich und am Ende eines Lebens würden diese getrennte Seele gemeinsam gehen. Leben war eine Fraktur, ein zerschmetterter Traum von Ewigkeit, der immer wieder endete, und die Herzen mit Pein prüfte. Doch Idun und Verus waren sich selbst ein Zeichen der Macht geworden. Keine politische Macht, keine Götter, waren hier für sie, sondern sie waren für sich da. Neidisch würden die anderen Mächte sein, neidvoll mussten sie huldigen, was hier die Grenzen sprengte. Idun machte ihr Leben unvergessen, wie auch Verus sein Leben brennen ließ. Beide brannten, nicht in Lust, aber in Hingabe. Es brauchte keine Worte, keine Gesten, sondern nur diese Berührung und den flüchtigen Kuss, da die Würde alles hinweg schlug, was Lüge war. Ihre Augen sprachen mit dem Licht des Feuers, welches schützend brannte; während seine Augen mit Hingabe fielen. "Zwischen uns ist keine Stille, zwischen uns ist Leben," sprach Verus auf ihren Satz und führte sie näher an sich heran, schloss beide Arme fest um sie. "Wir sind hier," sagte er in Überzeugung, dass die Götter es hören sollten. All das Leben war eine Lüge, eine schlichte Abfolge von Ereignissen aber dieses Ereignis war zu wertvoll, um es den Göttern zu überlassen oder der Zeit. Es würde vergehen, doch nicht ohne seinen Widerstand. Nein, er verfluchte nicht die Welt, nicht die Götter aber würde kämpfen, seine Idun nicht mehr zu verlieren. Schließlich trennte sie sich von ihm, um die Rüstung und sein Schwert zu holen. Verus, der um seine Fassung und erneute Vernunft rang, musste schwer atmen. Er suchte nach Luft, um Idun nicht all sein Leben zu vergeben. Doch seine Augen folgten ihr, in fester Absicht ihre Augen zu finden, um diese mit der Macht zwischen beiden zu verbinden. "Du hast sie ja poliert," merkte der Römer an und nickte dankbar. Idun war wirklich etwas Besonderes. "Ja," antwortete er und deutete auf die Untertunika aus Wolle. "Die Wolltunika wird über meiner normalen Tunika getragen," erklärte er und deutete auf seine rote Soldatentunika. Die Wolltunika war ebenfalls leicht rot gefärbt und war mehrfach umschlagen genäht, um Stöße und Hiebe abzufangen, die das schwere Kettenhemd trafen.

    Sie vertraute ihm. Ihre Worte trafen sein Herz, wie ein Pfeil aus naher Distanz. Es war ein glücklicher Schmerz, dass ihm jemand vertraute. Ihm, dem Römer, der selbst in Rom gescheitert war. Ihm, dem Mann, der mehr fürchtete als lebte. Verus fand in ihrer Nähe Sehnsucht und Zuversicht. Ihre Augen, so schön und okkult, wollten mehr von ihm, sprachen für sich und sangen ihre eigene Wahrheit in diesen Moment. Diese Wahrheit wollte nicht brechen, keine Kette sein, wollte mehr sein als nur bloßes Existieren. Sie musste mehr sein als die kalte Funktionalität des römischen Staates. Aulus Tiberius Verus fand sich haltlos in ihren Händen wieder, die sich gegenseitig Halt gaben. Ihre Hände, so warm und so nah, geschunden durch ein hartes Leben, waren dennoch zart und sanft. Sie waren die Zuflucht an diesem Ort, der Verus immer noch fremd war. Nein, dieser Mann wollte das Vertrauen dieser Frau nicht missbrauchen. Calena hatte ihn einst verstoßen, ihn fort geschickt, um Soldat zu werden, damit er diesem kruden Ideal von Ehre folgte aber Ehre brauchte Verus nicht zum Überleben, sondern Mitgefühl und Liebe. Es war Hoffnung, die fehlte und nun lebte diese Hoffnung direkt in ihren Händen; sie gab ihm dieses Gefühl, welches seine Lebensgeister erneut weckte. Die anerzogene Ratio wich der Emotion, ihr diesen gemeinsamen Traum von Leben zu schenken. Es war nun ihr gemeinsamer Traum, der sich durch Berührung und Nähe verband. Verus träumte zusammen mit Idun. Sein Herz schlug alt und ruhig, trotz der fast geschwundenen Jugend. Der Kampf hätte Verus beinahe gebrochen, vernichtet, was von einem Leben übrig war und doch hatte Idun mit wenigen Worten auch diesen Fluch gebrochen. Verus lebte durch ihre Heilkunst, die weit mehr als bloßes Verbinden von Wunden war. Ihre Heilkunst heilte auch sein Herz, wie auch er hoffte, dass er ihr Herz heilte. Sie suchte Vertrauen, einen echten Ort der Wahrheit, nicht nur einen Fluchtpunkt. Verus wollte ihr Heimat sein. Eine echte Zuflucht für eine Ewigkeit. Ihre Flucht, ihr Leben, waren ihr Makel gewesen, den sie mit Würde trug aber dennoch fehlte ihr etwas, was Verus ihr nun geben konnte, ohne es selbst zu wissen. Sie vertraute ihm. Verus lächelte strahlend, weltfremd und entrückt von dem Gewicht, welches auf seinen Schultern lastete. Verus glaubte an dieses Vertrauen, welches natürlich war. Zwischen Verus und Idun war dieses Band, diese Macht, die niemand beschreiben konnte aber sie war dort. Alles, was Weltlichkeit war, wurde hinweg gewaschen, durch die einzige Träne, die Verus nicht aus Trauer, sondern aus Dank vergoss. Diese Träne fiel streichelnd über seine Wange und dann auf Iduns Unterarm, wo sie sich verfing.


    Wieder half sie ihm. Wieder griff sie ein und nutzte großen Verstand, um Verus Argumente zu geben, die er gebrauchen konnte. Aufmerksam hörte der Tiberius zu, denn diese Worte würden Idun retten können, wenn er sie nur richtig verstand und später anwenden würde. Er musste die Legion überzeugen, dass Idun in seinen Besitz gehen sollte. Es war wichtig, um sie zu retten. Nein, es dürfte keine Schwäche geben und kein Versagen. Alle Kraft lag in seinem Angesicht, die er ihr und sich geben konnte. Bei jedem Argument nickte er verstehend. Er wollte ihr signalisieren, dass er wirklich verstand. Verus spürte, dass ihr die letzte Aussage unangenehm war. Sie war jungfrau. Wunderte es Verus? Nein, nicht wirklich. Sie war ihr ganzes Leben geflohen, verfolgt und hatte hier am Ende einsam gelebt. Sie war in seinen Augen etwas Heiliges, etwas, was nicht durch derartige Berührungen der Begierde belustigt wurde. Ihre natürliche Weisheit überschattete diesen Fakt, der in der normalen Welt von Bedeutung war aber nicht für Verus. Er würde nicht nachbohren, nicht nachfragen, was es damit auf sich hatte. "Kannst du Rechnen?" - war also die Frage, die er anbot, um ihr die Peinlichkeit einer Erläuterung zu ersparen.

    Sie erklärte es. Doch Verus verstand nur die Stille zwischen ihren Worten. Es waren viele Worte, doch die Stille, die Leere zwischen den Tönen sprach ihre Wahrheit. Ihr Sein lag in den Zwischentönen der Musik ihrer Worte. Schließlich sprach sie etwas an, was er beantworten musste. Etwas, was ihm auf dem Herzen brannte: "Ich werde dich beschützen." Ob dies auch Lügen beinhaltete? Sicherlich, ja. Er hatte gelernt, eine Maske zu tragen und falsche Schlösser zu errichten, um sich dahinter zu verstecken. Seine Lügen konnte den Anschein von Wahrheit entfalten. Doch ihr Wunsch, dass er nicht für sie lügen würde, brach diese Macht seiner Worte. "Ja," antwortete er knapp, da sie ihm jedwede falsche Macht verdrehter Worte genommen hatte. Er konnte sich nicht mehr flüchten oder hinter etwas verstecken. Idun wurde mehr als Illusion und Traum, sondern wurde Wahrhaftigkeit. In ihren Augen trieb eine fremde Macht, die er nicht kannte und auch nicht erfassen wollte. Auch wenn es nur ein altes Lied von Mitgefühl und Hingabe war, selbst nur Traum, war dieser Traum mit Macht versehen, als die knechtenden Ideen seiner römischen Väter und Mütter. Es war genau das, was ihn glauben ließ, am Leben zu sein. Die Bilder, die in ihrer Stille lagen, waren ehrlich und unverstellt. Idun war mehr Leben als jedwede Idee von Macht und Gier. Nein, sie löste nicht seine Probleme, doch löste die Ketten seines Herzens. Er verlor die Vorherbestimmung seines Seines an Idun und sie gab ihm keine neuen Ideen, sondern schlichte Wahrhaftigkeit. Beide waren nur Menschen. Er wollte sie erneut umarmen, an sich drücken, damit sie seine Fürsorge spüren konnte und doch hielt ihn etwas zurück. "Auf diese Nacht," erhob er den Becher und blickte dann ebenso ins Feuer. Die Antwort würde morgen folgen. Doch jetzt dachte Verus bereits ausschließlich an diese Antwort, auch wenn er nicht mehr fragen konnte. Etwas hielt ihn zurück, erneut zu fragen. Diese Antwort war ihm alles wert. Eine Welt hing davon ab, was sie antworten würde. Sein Herz verlangte es. Es dürfte nicht sein, dass ihr etwas widerfuhr, was er hätte verhindern können. Idun war so wertvoll für ihn, dass der Begriff Wert nicht ausreichend war. Sie war kein Besitz, kein Eigentum, sondern eine lebendige Freiheit, die mit ihm träumte. Beide waren sie Träumer in einer Welt der harten Realität. Beide liebten sie Geschichten, erzählten sich von diesen Träumen und sprachen frei über diese Welt. Es war diese Freiheit, die Verus glauben ließ. Es war diese Träumerei, die für ihn niemals enden sollte. Doch tat sie es, als sie ihn in die Hütte zurückbrachte.


    Die Nacht war für Verus schlaflos. Seine Gedanken waren immer wieder um Idun gewandert, die unweit von ihm genächtigt hatte. Es war diese Frau, die ihn schlaflos machte. Nicht mehr nur der schwindende Schmerz seiner Wunde, so vergänglich schien Schmerz im Angesicht dieses lebendigen Mitgefühls dieser Germanin. Ja, er würde sich etwas einfallen lassen müssen. Schließlich überkam den geschwächten Römer etwas wie Entspannung, denn die Müdigkeit ließ seine Augen kurz im Dämmer zu fallen. Als er wieder erwachte, war sie verschwunden. Traurige Rufe in Wehklage nannten ihren Namen. War sie wirklich gegangen? Geflüchtet? Sein Herz fürchtete und sein Verstand folgte, so dass sein Blick panisch umher suchte. Wo war sie? Verus musste es wissen, denn alles hing davon ab, wie er damit umgehen konnte. Idun! Ein Gedanke, ein Name, presste sich gegen seinen Geist. Immer wieder, wie ein brennendes Eisen verzog er sein Gesicht in tiefer Furcht diese Wahrhaftigkeit verloren zu haben. An diesem fernen Ort, wo alles vergänglich war, und noch dazu fremd, war sie der letzte Halt in seinem Leben. Sie war mehr als das, was er gewinnen konnte durch Tapferkeit. Sie war ein Wunder und nun fehlte ihm dieses Wunder, wie womöglich eingefordert. Er hatte gehofft, dass sie sich retten würde aber der Verlust war schmerzlich und brannte durch seine Seele, wie heißer Stahl. Der Schnitt der Waffe des Germanen war nicht so grausam gewesen, wie diese falsche Gewissheit gerade. Tränen sammelten sich, während er einerseits erleichtert und andererseits schwer geschlagen von diesem Gedanken, seinen Kopf umher wandte. Immerhin war sie in Sicherheit und er musste ihr die Grausamkeit der Sklaverei nicht erneut antun. Nicht ihr. Nicht seiner Idun. Doch schließlich erschien sie wieder in der Hütte, bemerkte, dass er wach war und trat zu ihm. Verus atmete in vielen wechselnden Emotionen aus und ein. "Du...," wollte er sagen aber sie sprach bereits. Sie war hier. Für ihn. Erneut machte sie ihm ein Geschenk, welches er durchlitt und so voller Herzensdank kaum verstehen konnte. Warum tat sie es? Idun erklärte es, aber die Erklärung schmerzte, denn sie offenbarte nicht nur, dass sie nicht mehr fliehen wollte, sonder auch, dass sie bereit war zu sterben oder durch ihn erneut versklavt zu werden. "Ich werde dafür sorgen, dass dir nichts passiert," meinte er aber blickte dann in ihre Augen und fand ihre feste Überzeugung, die er nicht brechen konnte, sofern er es tun wollte. Sie war frei; freier als er es je war und nun wählte sie faktisch ein Leben an seiner Seite. Denn Verus war sich sicher, dass er den Anspruch an ihr durchsetzen konnte, sofern er auf seinen Namen und seine Stellung bauen konnte. Er würde das Problem lösen. "Ich werde nicht lügen und das Schicksal gewähren lassen," antwortete er schließlich mit ernster Stimme und festem Blick in ihren wunderschönen Augen. "Aber ich werde dem Schicksal gerne nachhelfen," sagte er noch und schmunzelte liebevoll. Nein, er würde sie nicht einfach so aufgeben und in Gefahr bringen. Solange er noch genug Geist und Kraft hatte, würde er für sie schützend sprechen und seine Hand erheben. Wie sie treu war, würde auch er treu sein. Es war dieser ungesprochene Vertrag zwischen zwei Träumenden, der ab jetzt Gültigkeit besaß. Für die Ewigkeit. Fest schloss sich seine Hand um die ihre und beide verweilten so einen Moment. Ihre Hand fühlte sich warm und vertrauensvoll an. Eine Berührung, die mehr als nur eine Geste war.

    Warum musste ihm alles genommen werden, was er liebte? Warum war das Leben für ihn so schwer, obwohl es ihm eigentlich leicht fallen sollte? Er hatte Verstand und Herz, dennoch misslang ihm vieles, weil ihm das Schicksal schlicht die falschen Spielsteine geschenkt hatte. Ihm fehlte es an Mut, nicht an Tapferkeit. Er war nicht mutig genug, sein Leben zu gestalten, sondern trieb achtlos durch die Zeit und so nahm ihm die Zeit sein erwünschtes Glück. Niemand konnte ihm genau erklären, warum ihm stets alles genommen wurde, was er liebte. Bis Idun kam. Idun machte diese Welt durchschaubarer, nicht durch große Worte, sondern durch Handlung. Sie handelte mitfühlend, aus einer Lebensliebe heraus, die Verus selbst nicht kannte und niemals gekannt hatte. Er konnte seine Vergangenheit nicht mehr ändern, wollte es aber und so wiederholte er stets die selben Fehler. In seiner Seele brannte ein gleiches Feuer, wie vor seinen Augen, denn endlich hatte er den Mut gefunden, etwas anders zu machen. Nichts blieb für die Ewigkeit, nicht einmal dieses Gefühl aber in ihr fand er einen Hauch Ewigkeit. Idun drohte ihm erneut entrissen zu werden. Ja, er wusste, was seine Kameraden mit ihr machen würden; was geschehen würde, sobald sie wieder aufgegriffen wurde. Seine Augen sprachen ohne Worte die entsprechende Antwort. Es tat ihm furchtbar leid, dass Idun leidlich durch ein Schicksal trieb, was sie zwar akzeptierte aber ihm selbst schrecklich unfair erschien. Verus wollte, dass sie bei ihm blieb. Wirklich bei ihm blieb und er diesen Mut, den er durch sie gefunden hatte, niemals verlieren würde. Sie hatte ihn gerettet und er wollte sie einfach gehen lassen? Was war das für eine Dankbarkeit? Er konnte sie retten, alles möglich machen, denn er war ein Tiberius und römischer Centurio. Wenn er sie retten wollen würde, könnte er es tun und doch war diese verdammte römische Ehre, diese verdammte Gesetzestreue, die Verus nicht brechen konnte. Wieder brannte die Frage: Warum? Warum musste ihm wieder alles entrissen werden, was er schätzte? Verus überlegte, so dass Idun ihre Sätze beendete und mit einem Becher Met prostete. Auch Verus hatte sich einen der Becher genommen, der ihm von ihr angeboten war. "Ich möchte nicht das diese Stunden hier enden," stellte Verus mutig in den Wald und blickte Idun mit ernstem Blick an. Nichts war ihm bisher so gewiss gewesen, dass er Idun mehr brauchte als er bisher geglaubt hatte. "Es soll nicht so enden. Nicht so," sagte er danach etwas leiser und blickte sie treusorgend an. Die Härte verschwand. Doch der Mut blieb. "Ich kann dich retten aber es ist nicht das, was ich dir antun möchte," begann er zu erklären, was ihm für eine Lösung für dieses Dilemma in den Sinn gekommen war. "Du kannst fliehen, immer weiter fliehen und ich werde dich nicht aufhalten, da du mir etwas bedeutest," sprach er mühsam, während er näher an sie heranrückte. Er wollte ihre Nähe, denn er fühlte sich allein, trotz der bedingten Nähe. Zudem wollte er klarstellen, dass ihm wirklich etwas an dieser Person lag. Ja, Idun war für eine Person, kein Objekt, sondern eine fremde aber berauschende Macht, die ihm Hoffnung auf ein neues Leben gab. In gewisserweise hatte sie ihm bereits ein neues Leben geschenkt. Der alte Verus war im Dorf gefallen, dort mit seiner Ehre verreckt und nun war ein mitfühlender und lebenssuchender Mann erwachsen aus der Leiche einer alten Idee. Dennoch musste er bald zurückkehren, denn Rom würde kommen. Und er als Römer konnte dem Ruf seiner Heimat nicht entgehen. Nicht mehr. "Oder ich fordere dich als Sklavin ein, wenn sie kommen. Ich behaupte, dass du längst mir gehörtest und du mit mir auf diese Mission gekommen bist, weil du die hiesige Sprache sprichst. Sie werden mein Wort nicht anzweifeln, denn ich bin ein ehrbarer Römer, Sohn der Tiberii und Centurio unter dem Aquila," setzte er fort und suchte ihr Angesicht. Warum tat er dies? Er unterwarf sich der Willkür seines eigenen Herzens, opferte seine römische Ehre, für das Wohl einer entflohenen Sklavin. Er wollte es. Verus wollte wirklich Idun retten. "Du hast mich gerettet und ich möchte dir helfen." Der Tiberius saß nun direkt neben ihr, dennoch mit einem gewissen Höflichkeitsabstand von einer Handlänge, damit sie sich nicht unnötig bedrängt fühlte. Verus wollte nur etwas klarstellen, dass es ihm ernst mit ihr war. Er sprach die Wahrheit und gab ihr offene Handlungsmöglichkeiten. Doch die Entscheidung überließ er ihr. Denn es lag nicht an ihm ihre Entscheidung zu treffen, auch wenn er sich jenes wünschte, um Idun nicht zu verlieren und sie am Ende am Kreuz wieder zu finden. Der Becher in seiner Hand wog schwer und noch immer hatte er ihn nicht erhoben: "Worauf trinken wir nun? Auf unser Schicksal oder unser getrenntes Schicksal?" Verus legte den Kopf dezent zur Seite, hob den Becher nun ebenso an, um den Prost mit einer Entscheidung zu verbinden.

    Die Umarmung war sein und ihr Heiligtum. Beide fanden sich in den Armen wieder, fanden Hoffnung und eine natürliche Liebe, die fern von Grenzen und Völkern existierte. Beide lebten für einen Moment, der einen Hauch Ewigkeit hatte. Zwischen beiden entwickelte sich eine Kraft, die etwas Großartiges war. Es war ein Licht, eine Macht, die göttlich war und doch so menschlich. Beide waren in dieser Umarmung Götter ihrer eigenen Zeit. Verus neigte sein Haupt an ihr Haupt, während sie lächelte und sprach. Man verweilte in dieser Pose, gab sich Nähe und Wärme, bis der Abend einbrach.


    Idun half ihm hinaus aus der Hütte, nachdem sie kurz selbst durch die Tür getreten war, um hinaus zu blicken. Verus freute sich auf frische Luft und einen Blick in die ungeschönte und unverstellte Natur, die er hier kennengelernt hatte. Römer neigten dazu, allen Dingen ihre Form aufzuzwingen; waren es Gärten oder bestellte Wälder. Römer ordneten alles ihrer Auffassung unter und veränderten ihre Umgebung massiv, während hier alles unverändert, sogar freier wirkte als im fernen Achaia oder Italia. Es brannte ein Feuer, denn es knisterte und warf sein Licht in seine Augen. Verus setzte sich mit ihrer Mithilfe auf das Fell, welches bereit lag. Der Tiberius blickte in den Himmel, so wie sie es tat; bewunderte die Sterne und seufzte dann, denn ihm war bewusst, dass dieser Moment seines Friedens bald enden würde. Sie machte ihn auf den Mond aufmerksam, den er nun aufmerksam betrachtete. "Ja, sie werden kommen. Es verlangt die Tradition und das Gesetz," entgegnete Verus mit trauriger Stimme. Während sie wieder ins Feuer blickte, blickte er weiter zum Blutmond. Er hatte etwas Faszinierendes; etwas Diabolisches und auch Mystisches. Ein seltsam okkultes Monstrum an Farbe und Gestalt. Dieser Mond war ein echtes Zeichen, wenn auch natürlich. Nicht, dass Verus an Zeichen glaubte aber er kam nicht um den Gedanken umhin, dass dieser Mond ein passendes Sinnbild war. Idun blickte schließlich wieder in seine Richtung, so dass auch Verus seinen Kopf senkte, um ihr in die Augen zu blicken. Er hatte es sich bequem gemacht, fuhr mit der Hand über den Boden in ihre Richtung, um nach ihrer Hand zu greifen. Sie sollte nicht alleine mit diesem Gefühl sein. "Du bist etwas Besonderes," erklärte er, während seine Hand die ihre umschloss. "Wenn sie kommen, wenn die Legionen kommen, musst du fliehen. Ich möchte nicht, dass dir etwas passiert, obwohl ich gerne bei dir bleiben würde oder mir wünsche, dass du bei mir bleibst," faselte er ein paar Satzbrocken zusammen, um seinen unruhigen Gedanken Raum zu geben und diese auch mitzuteilen. In seinem Gesicht stand Sorge. Echte Fürsorge um Idun, die ihm geholfen hatte und echtes Mitgefühl gezeigt hatte. Ihm war klar, dasss er als Römer zurückkehren musste aber was sollte mit Idun geschehen?

    Verus schloss die Augen, so als ob er sich selbst vergeben wollte; für all das Blut und die Gewalt, die er anderen angetan hatte. Auch er hatte als römischer Soldat Gewalt und Blut zu vielen Menschen gebracht. Er war auch nicht mehr als eine Waffe. Doch durch dieses Schicksal, durch dieses schreiende Feuer, fand er etwas Seltenes und Wunderschönes. Er lebte. Endlich lebte er wieder. Sein Herz fühlte wieder, während sein Verstand schwieg. "Am Ende leben wir alle und am Ende zählt nur, dass wir gelebt haben," erklärte der Römer, während er Idun zu sich heranzog, um sie zu umarmen. Ein Römer umarmte eine Sklavin in vergebungsvoller Hingabe. "Es ist so einfach, wenn man schlicht lebt; einfach leben," sprach er, während er seine Augen wieder öffnete. "Wärest du als Römerin geboren, wäre ich als Germane geboren, doch am Ende zählen unsere Leben und wir wären genauso, wie jetzt an diesen Ort gelangt," meinte er und blickte ihr erneut tief in die Augen. "Lass' uns für ein paar Stunden vergessen, was wir sind; wer wir sind, sondern lass uns einfach leben," sprach er und lächelte sie menschlich an. Er machte sich frei von seiner Last, da er in ihr und mit ihr Vergebung gefunden hatte. Er musste erst an das Ende seiner Welt reisen, in Blut baden, um die Gewalt zu vergessen, die er sich selbst angetan hatte. Verus fand das Licht wieder, was er einst als Kind besessen hatte. Zerisssen von diesen Gefühlen, unfähig sich zu flüchten, fiel sein Kopf vor, um ihr sanft auf die Stirn zu küssen. Ein Kuss der Gnade, der Sehnsucht und des Dankes; der wahren Demut, die ein Römer einer einstigen Sklavin beweisen konnte. Seine Lippen berührten ihre Stirn, während sich erneut seine Augen schlossen. Er spürte ihre Wärme, ließ sich darin fallen, bevor er seinen Kuss von ihrer Stirn löste und seinen Kopf zurück bewegte. In der selben Bewegung öffnete er seine Augen. Seine Lippen zitterten aber sein Blick war fest auf sie gerichtet. "So selten und wundervoll," sagte er mit liebender Stimme und lächelte Idun vertrauensvoll an.

    Verus legte sich mit ihrer Hilfe wieder ab. Der Römer begriff vieles, verstand vieles aber etwas blieb ihm immer verschlossen. In seiner Welt war Freiheit Schwäche. In Rom hatte jeder seinen festen Platz und für ihn selbst war dieser Platz immer mit seelischen Mühen verbunden. Verus war allzu weich und sensibel, trug eine Maske des harten Römers, der die Tapferkeit vor sich weg trägt aber in seinem Herzen wollte er frei sein. Frei von diesen Zwängen, frei von diesen Normen, die ihn Stück für Stück töteten. In seiner Welt funktionierte alles, irgendwie hielt alles zusammen aber es kostete einen hohen Preis. Sein Rom war teuer mit Gold und Blut erkauft. Er verstand längst die Systematik der Macht, des gebändigten Willen einer Stadt, die ein Imperium bildete. Wieder auf seinem Lager liegend, fielen ihm klare Antworten ein aber ihr mitteilen wollte er sie nicht. Sie waren unpassend. Ungerecht, wenn man er genau überlegte. Sie fragte ihn erneut, doch anstatt weiter zu bohren, entschied sie sich ihre eigene Lebensgeschichte zu erzählen. Verus lauschte aufmerksam, mit seiner Seele und Herzen. Idun breitete ihre traurige Welt vor ihm aus, was ihn sichtlich schmerzte. Nicht die Beinwunde bereitete ihm Schmerzen, sondern auch, dass diese hilfsbereite Frau einst derart leiden musste. Doch der Römer in ihm, der durch Erziehung und Projektion einer fernen Macht, erzeugt wurde, konnte diese Geschichte zwar für tragisch halten aber kam gleichermaßen mit dem Gedanken umher, dass dies ihr Platz gewesen war und ihr Schicksal zum Wohle Roms notwendig gewesen war. Verus war gespalten in eine freie Seele, die einem Vogel gleich, frei schweben wollte und einem römischen Verstand, der Recht und Ordnung brauchte, um zu überleben. Der Tiberius streckte seine Hand zu ihr aus, um ihre Hand zu greifen. Er wollte ihr beistehen, während sie sprach. "Ich verdamme auch nicht aber...," wollte er sagen, doch dann schnürte etwas seine Kehle zu. Er hatte die Barbaren verdammt. In seinen Gedanken hatte er längst ein Urteil über den nicht-römischen Kulturkreis gefällt. Verus hatte die Barbaren verurteilt, weniger wert zu sein als ein Römer. "Ich verstehe dich," antwortete er dies mal ohne Selbstbetrug. Die Klarheit überschwemmte seinen römischen Verstand, der nun schweigen musste und seine Seele flog für einen Atemzug frei, so dass seine Hand Iduns fest in liebevollem Griff hielt. Sie waren sich ähnlich geworden. Und waren es vielleicht immer schon gewesen. Beide waren sie Gefangene ihrer Rollen und ihres Schicksales, wenn auch ihre Herzen im gleichen Rythmus schlugen.

    Hatten ihn die Götter verlassen? War der Himmel der Götter nun schwarz verhangen? Verus wusste nun, dass diese Nachwelt blind für eine Erlösung war. Es kannte keinen Schmerz und keine Hoffnung, denn jenes Gefühl der Verzweifelung, welches er nun kannte, konnten Menschen nicht verstehen, die nicht unter dem schwarzen Himmel gekämpft hatten. Die Sonne war verhangen von dunklen Mächten und so fühlte sich Verus verlassen, nur Idun schien hier zu ihm zu halten. Idun, eine Germanin; Germanen, die er immer verdammt hatte; half ihm aufrecht zu gehen. Sie hatte ihn versorgt, Brücken ins Nichts geschlagen und stellte nun die Frage, die Verus niemals sauber beantworten wollte. Ihre Suppe hatte ihm Kraft gegeben und mit Mühe aber beständig trat er einen Schritt vor den anderen. Ohne ein Wort zu verlieren. Er tat einfach, worum sie ihn gebeten hatte. Verus stützte sich auf Idun, bemerkte das Sklavenzeichen und bemerkte erneut diese Schwärze, die seine Seele umklammert hielt, auch wenn das Licht seines Herzens deutlich in seinen Augen glimmte. War dies hier das Elysium? Waren dies die Felder und Wiesen der Nachwelt? Lag außerhalb dieser Hütte seine Erlösung oder doch in ihren Armen? Schritt um Schritt fand sein Bein wieder Halt. Verus war gut trainiert, befähigt und das römische Heer hatte ihm genug Muskelmacht verliehen, um gegen den Schmerz anzukämpfen. Die Nähte hielten, auch wenn ein wenig Wundwasser in den Verband sickerte. Sie verdiente eine Antwort. Eine echte Antwort. Verus, verloren in dieser Welt aus Kampf und Tod, wollte diese Schande vergessen machen und ihr mit entschiedender Kraft etwas sagen, was doch nicht gelang. Diese Entscheidung konnte er nicht treffen. Er blieb stehen, schlang seinen Arm fest um ihre Schultern, da sie nun mehr als eine Stütze war. Ihr Gesicht war voller Leben, trotz der rauen Spuren ihres Lebens; und ihre Augen waren schön, so schön, dass Verus ihnen nicht entfliehen konnte. Verus blickte sie mit festem Blick an und doch lag Verletzlichkeit in seinen Augen. Sie war eine Sklavin gewesen. Eine römische Sklavin vermutlich und nun half sie ihm? Es war ein Wunder. Hier waren göttliche Mächte am Werk, wenn vielleicht auch nicht von Göttern geschaffen, fand sie Verus. "Du bist wunderschön," wich er erneut aus und sprach den ersten Gedanken aus, der ihm einfiel, als er in ihre Augen blickte. Ihre Wildheit, ihre ungepasste Lebensweise und doch ihr Mitgefühl und ihre Lebenskraft waren für den Römer, der nun Intrigen und eine vermeindliche Kultur kannte, etwas Neues. Er konnte Rom nicht an eine Germanin verraten, alles aufgeben, was ihm sein Leben lang vorgelebt wurde und doch war diese Frau so anders, so wunderbar, dass Rom ihm in dieser Sekunde gleichgültig wurde. Er wollte ihr seinen Dank zeigen. Das Weltbild trat zurück, da er dieser Situation ausgeliefert war. Die Entscheidung gegen Rom wurde nicht getroffen aber es gab eine Entscheidung für Idun. "Danke," sagte Verus, während seine andere Hand ihre Wange suchte, um diese fürsorglich zu streicheln. Doch die Hand fiel dann wieder zurück, als seine Beinwunde schmerzte und er sein Gesicht in Pein verzog.

    Am nächsten Tag erwachte Verus, gefesselt mit Tüchern und einem Liederriemen, in seinem Schlafplatz, während seine Lippen salzig schmeckten. Die Atmung fiel ihm leichter, doch sein Bein schmerzte noch immer aber das Fieber hatte sich gesenkt. Es war zwar nicht ganz verschwunden aber es war deutlich zurückgegangen. Verus, dezent in Panik, riss an den Tüchern herum, die seine Arme hielten. "Idun," rief er. "Idun," immer wieder, da er sich fürchtete und diese kriechende Panik seinen Vertand übermannt. Das Fieber war nicht ausschlaggebend für seine Angst, sondern seine Entkräftung und sein Wassermangel, der ihn in diesem Gefühl verharren ließ. Er wollte frei sein und seine Ängste formierten sich zu einem Gedanken, dass er nun geopfert werden sollte und sich Idun vielleicht umentschieden hatte. Oder sie war getötet worden und die Germanen kamen, um ihn zu holen. Immer noch riss er an den Tüchern, bis diese vom Bettbalken rissen und Verus erschöpft beide Arme vor sich auf den Brustkorb sinken ließ. Wenigstens etwas freier. Seine Stimme hatte versagt und so blickten sich seine verstörten Augen suchend um. Das nasse Tuch war von seiner Stirn gefallen, lag ungefaltet neben seinem Kissen und gab dort einen Teil seiner Flüssigkeit ins Liegefell ab.

    Die Nacht war von Albträumen geplagt gewesen. Schweiß stand auf seinem Gesicht, welcher unbändig herabperlte, und auf seinem Gesicht einen okkulten Glanz erzeugte. Verus suchte mit seinen Augen die Raumdecke ab. Es war immer noch diese Hütte. Ihm war warm, zu warm und ein steigendes Fieber ließ ihn kraftlos antworten: "Guten Morgen." Zwei Worte, die ihm vieles abverlangten. "Becher," wiederholte er müde und griff nach dem Korngetränk, welches er schwungvoll in seinen Mund kippte. Er hatte Durst, großen Durst sogar, da sein Körper durch den Blutverlust und das steigende Fieber an seine Reserven ging. Schließlich setzte sie sich neben ihn, was er kaum zu Kenntnis nehmen konnte, da das Fieber bereits seine Augen erreicht hatte. Es fiel ihm schwer, den Becher zu halten, der so dann auch aus der Hand fiel und jenes Getränk über seine Brust verteilte. Der Becher rollte lieblos auf den Boden herab. "Beschissen," antwortete der sonst so höfliche Römer mit einem harten Wort und hob seine zitternden Hände an. Dennoch schien Verus nicht entrückt oder verloren, da er noch einigermaßen artikuliert sprechen konnte. Seine Augenlider presste er mehrfach zusammen, bis der Blick wieder schärfer wurde. Idun untersuchte die Verletzungen des Legionärs und blieb sorgenvoll an der tiefen Beinwunde, die durch den Schnitt mit dem germanischen Schwert entstanden war, hängen. Verus spürte ihre Hände an seinem Fleisch, da die Berührungen schmerzten und er dabei sein Gesicht verzog. Schließlich drückte sie Eiter heraus, was Verus stöhnen ließ; schmerzlich drückte er Luft aus seinem Mund und der Nase. Verus, der sich nun leicht aufgesetzt hatte, um seine Retterin besser anblicken zu können, sagte mit schwindender Stimme: "Ja, ich bin bereit." Das Essen war ihm egal. Es sollte nur dieser Schmerz enden. Ihm war nicht ganz bewusst, was dieses Ausbrennen bedeutete aber das Wort alleine verhieß nichts Gutes. Scheinbar wollte sie mit einem glühenden Messer über die Wunde gehen. Verus war kein Medicus und hatte in seinem Leben zum Glück bis jetzt keine schwere Verletzung erlitten. Er fürchtete sich und so lief noch etwas mehr Schweiß über seine Wangen. Die Furcht machte aber das Fieber vergessen. Seine sorgenvollen Augen lagen bei Idun, während seine Lippen zitterten.

    Verus wollte eine erneut eine Antwort geben aber scheiterte abermals. Hier, in dieser präkeren Lage, ihr ausgeliefert und mit den Erfahrungen des Kampfes, war sein Verstand nicht in der Lage eine wirklich wahre oder korrekte Antwort zu geben. Es gab hier keine klare Wahrheit mehr, sondern nur noch Perspektiven. Facetten von etwas, was beide kannten aber nur umschreiben konnten. Idun suchte ihre Antwort in der Natur, in den Dingen, um sie herum und Verus in sich selbst. Der Römer vergaß Rom nicht aber vergaß sich selbst. Der Traum endete und ein neuer Traum begann. Verus wusste nicht, warum er sich selbst dieses Leben angetan hatte. Er wusste nicht einmal mehr, ob er seine Calena wirklich liebte, wenn sie maßgeblich für diesen Zustand verantwortlich war und ihn dezent zum Militär gedrängt hatte. Verus nahm seine Umgebung abwesend wahr. Es erschien, wie ein Traum, ein echter Traum, der alles außer sich selbst ins Vergessen trieb. "Sie braucht ein Herz," antwortete er schließlich abwesend auf ihre erste Frage. Es war das, was ihm in den Sinn kam. Seine Wunden schmerzten, brannten und ein kribbelnder Schmerz zog durch seinen Körper, wie ein Schauer an Frost und Kälte. Ja, Verus verstand aber dürfte nicht verstehen. Dennoch brach die Fassade, die Mauer und die Wände in ihm ein. "Rom kann wieder dieser Traum sein, dieses Ideal," stammelte er ein paar Worte zusammen, um ihr erneut eine Antwort zu geben. "Ich wollte dieser Römer sein, der einem Ideal folgt und nun erkenne ich...," wollte er sagen und blickte dann wieder lebendiger, nicht mehr verstellt, zu Idun. "... dass vieles von der Perspektive abhängt. Unsere Realitäten entstehen durch unsere Wahrnehmung. Alles, was ich bisher bin, bin ich und nur ich. Ich muss es nicht verkleiden," sagte er dann nach kurzer Pause, um die Worte zu finden. "Du bist...," erhob er liebevoll die Stimme, während seine eine Hand ihre Wange suchte, um diese in dankend und fürsorglich zu streicheln, während sie die Verbände kontrollierte und er mit der anderen nach dem Becher mit dem Kräutertrank griff, den sie ihm ebenfalls reichte. "Ich sollte dies nicht in dir sehen...," entschuldigte er sich und stellte dann den Becher auf einem Schemel in der Nähe ab, während seine Hand, nach Idun suchend, ins Fell fiel, als diese wunderbare Germanin sicht entfernt hatte. "Ja, schlafen," meinte Verus, während er sich zur Seite drehte, um seine Augen zu schließen. Die Müdigkeit kam schnell und auch bald der Schlaf. Sein Körper brauchte die Zeit und die Erholung.

    Verus wollte nicht darüber nachdenken, nicht erneut darin erinnert werden, wie bedeutungslos und sinnlos sein Kampf in der Ferne gewesen war. Inzwischen verstand er sich selbst nicht mehr. Seine Gedanken waren wirr, ungeordnet und rollten in seinem Bewusstsein auf und ab. Er belog sich selbst, erzählte sich die Wahrheit und flüchtete dann wieder in das Vergessen. Innerlich schlug er auf sein Herz ein, immer wieder, doch es wollte nicht mehr schweigen. Es pochte kräftiger mit jedem Gedanken an das, was er verloren hatte. "Ich...," stammelte seine brüchige Stimme ohne ein Lächeln, mit flacher Atmung in den Raum der Hütte. "Ich... Ich," wollte er antworten aber scheiterte, da er bereits im Versuch vergessen hatte, was er sagen wollte. Verus verlor nicht das Vertrauen in Rom oder etwa doch? Er verlor das letzte Licht, was Rechtfertigung gewesen war. "Ich muss anders beginnen," sagte er schließlich, da er ihre Worte nicht mehr entkräften konnte. "Ich galt als ein Geschenk, als beschenkt von den Göttern, mit Kraft, Klugheit und Verstand. Ich ließ viele Altersgenossen als Narren im Leben stehen, wenn ich sprach. Nun liege ich hier, verletzt, vor einer Germanin und denke, dass du ein Geschenk bist. Ein Geschenk an uns alle," eröffnete Verus seine Lebensgeschichte. "Ich besitze eine Sklavin. Sie heißt Aviana. Ich rettete sie aus den Händen eines furchtbaren Mannes, eines Schuhmachers in Mantua. Sie war geschlagen, misshandelt worden und ich habe es gesehen. Ihre Narben, ihren Schmerz und habe darin etwas entdeckt, dass ich vorher in meinem alten Leben in edlen Häusern und unter großen Namen, niemals gefühlt hatte. Ich empfand Mitgefühl. Ihr Schmerz, wurde mein Schmerz. Ich konnte es nicht mehr erdulden und tat etwas Unrömisches und fiel mit einem Beutel voll Geld vor diesem Mann auf die Knie, um diese Sklavin zu retten." Seine Augen zeigten Liebe, Hingabe und Mitgefühl, wie auch Trauer und Leid. Die Emotionen spiegelten sich natürlich in seinen Augen, während er sprach. Sie waren erneut glasig und leise Tränen quollen aus den Augenwinkeln. "Ich erhielt sie und sie lebt als meine Sklavin unter uns Soldaten. Sie hasst Waffen, sie fürchtet sich davor und wollte, dass ich mit ihr eine Villa Rustica betreibe. Sie meinte stets, dass ich eine gute Seele sei, die lieber Erde von den Händen waschen sollte als Blut. Und nun begreife ich, was sie meinte," formulierte er gemeißelt, so dass jedes Wort sein eigenes Gewicht hatte. "Ich habe sie bis heute nicht freigelassen, da ich fürchte, dass sie mich verlässt. Sie braucht mich doch. Sie kann nicht lesen, war ihr ganzes Leben Sklavin, und ich war der erste, der sie angeblickt hat. Aviana ist so zerbrechlich, so traurig, dass ihr Gesicht alleine mich zum weinen bringt, wenn ich nicht beherrscht wäre. Aviana braucht mich als Römer, um ihr Schild zu sein. Die Welt war niemals gut zu ihr. Niemals, bis jetzt und heute hätte ich sie beinahe alleine unter Soldaten zurückgelassen," sagte er und brach dann einen Atemzug ab, um nicht von den heraufziehenden Schmerzen übermannt zu werden. "Ich selbst stamme ursprünglich aus dem östlichen Teil des Reiches, Achaia, wo meine Familie, als Tochterfamilie der Tiberii, mehrere Landgüter verwaltete und zu viel Einfluss gelangt war. Uns unterstand fast Achaia. Schließlich gab es in Rom einen Umschwung, ein Mann nahm sich alles und ließ diejenigen töten und verfolgen, die ihm Wege standen. Salinator war sein Name. Er ließ Schergen über unsere Hauptanwesen herfallen, es wurde niedergebrannt und wir konnten fliehen. Nach Monaten der Flucht gelangten wir nach Rom und lebten als einfache Bürger. Ich war damals bereits verloren. Nur meine Calena hielt zu mir. Eine starke Frau, die jedoch in ihren Eitelkeiten und ihrer Selbstgerechtigkeit gefangen ist. Für sie war ich immer zu weich," setzte er fort und blickte Idun mit seinen großen Augen an, die wieder an Leben gewannen. Die Leere in ihm wich zurück und die Taubheit zerbrach, wie ein Eisbrocken auf dem Boden. "Ohne große Hilfe von meiner Familie, ohne die Hilfe Roms, wollte ich Rom helfen und wieder ein Römer sein. Ich trennte mich von meiner Frau, um Soldat werden zu können. Ich absolvierte mehrere Studien, die mich befähigen sollten und wurde Legionär. Schnell stieg ich auf, erst Optio, dann Centurio und heute Kommandeur eines Praesidio und trotzdem blieb dort dieses Gefühl, dass dort etwas war, was ich niemals verstehen würde. Schließlich fand ich Aviana und sie erfüllte mich mit diesem Gefühl. Ich wollte für sie da sein. Selbst meine einstige Frau hatte niemals dieses Gefühl geweckt, trotzdessen, dass ich sie liebe aber die Liebe verstarb unter den Vorwürfen an mich. Schließlich änderte sich alles in Rom aber nicht für mich, Salinator verschwand, ein neuer Name erhob sich und das Spiel ging weiter. Ich war gebunden durch meinen Eid." Ein Wolf trat ein, so dass Verus erstaunt in seinem Bett zurückwich, um nicht von der Bestie angefallen zu werden aber bemerkte schnell, dass dieser friedlich war. Idun gab sogleich eine Erklärung ab, die Verus beruhigte und so nahm er das schützende Fell, welches er heraufgerissen hatte, wieder herunter. "Ich glaube nicht an die Götter aber ich glaube an Menschen. Menschen machen die Dinge auf dieser Welt und ich bedanke mich bei dir, dass du mich gerettet hast," stellte Verus klar und kam dennoch nicht umhin, dem Schicksal insgeheim zu danken.

    Ihre Worte füllten die Leere nicht, doch zeigten einen Ausweg. Verus musste nachdenken; er konnte sich nicht mehr entziehen und hinter großen Namen sowie Ideen verstecken. Er ware allein mit dieser Germanin und musste ihre Vorwürfe ertragen. Ja, es waren Vorwürfe für ihn als Römer, der in ein fremdes Land gezogen war, um einen Staat mit Leben zu füllen, der Völker unterwarf und ein Meister des Krieges war. Einst war für Verus die Sache klar gewesen, dass Rom alles war. Es gab keine sinnige Ordnung außerhalb des Lichtes der ewigen Stadt. Alles, was je von Interesse gewesen war, war mehr für Rom zu sein. Er wollte ein guter Mann sein. Ein Mann der Tat und der Hoffnung. Ein echter Sohn Roms. Doch nun begriff er die Nutzlosigkeit dieser Scharaden. "Weil die Welt einer natürlichen Ordnung folgt," wollte er antworten aber brach dann ab, um sich noch etwas Bedenkzeit zu geben. Idun weckte etwas in ihm. Etwas, was er unter der Rüstung und dem Stahl begraben hatte. "Jedes Wesen hat seinen Platz und Rom ordnet die Dinge in dieser Welt. Nicht, dass ich Rom einseitig bewerte und die anderen Völker verleugne aber ohne Rom wäre nur Krieg in der Welt," begann er seine Erklärung und konnte dadurch seine tristen Gedanken überwerfen, da sein Verstand, welcher in Tristesse war, in neue Muster eintauchen konnte. "Rom unterwirft Völker, um diese in eine neue Ordnung zu bringen, die allen dient. Auch die Sklaven, oft Kriegsgefangene, werden dieser Ordnung unterworfen und können eines Tages, wenn es das Gesetz oder ihr Besitzer will, wieder frei sein. Auch bietet Rom jedem Freien die Gelegenheit ein wahrer Bürger zu werden," sagte seine Stimme nachdenklich, ohne wirkliche Kraft und doch gab sie den tiefen Kern seiner Überzeugung wieder. "Rom ist nicht böse aber auch nicht gut, denn es möchte die Welt ordnen, die voller Chaos ist. Ich gebe zu, dass wir zeitweilen unnahbar erscheinen und einige unserer Vertreter sicherlich nicht sehr aufgeschlossen sind aber Rom ist so viel mehr als das. Rom ist Größe, Rom ist der Senat, ein Volk aus vielen Völkern, denn unser Bürgerrecht bezieht sich schon lange nicht mehr nur auf Anwohner Roms, sondern auf eine Mitwirkung am Staat. Jeder kann Römer sein, welcher an Rom mitwirkt. Sklaven sind durch niederes Schicksal oder Unglück dazu geworden aber müssen es nicht bleiben. Auch für sie gibt es Gesetze. Rom ist Gerechtigkeit, denn anders als ihr, leben wir nicht nur nach Traditionen, sondern auch nach einem geschriebenen Recht, welches alle verbindet, ob Sklave, Bürger oder sonstiger Freigeborener. Es eint uns und ordnet das wirkliche Chaos. Das Recht wird vom Senat im Wohle des Volkes beschlossen und der Senat setzt sich aus Vertretern der römischen Bürgerschaft zusammen, die vom Augustus ernannt werden. In Rom herrscht das Volk und auch der Augustus ist nur ein Primus inter Pares, von den Gesetzen und dem Eid erwählt, Rom zu lenken aber niemals als Rex zu beherrschen. Wir haben keine Könige, keine hohen Herren, sondern wir alle sind Bürger Roms, mit mehr oder weniger Ansehen. Auch ich entstamme einer alten Familie, die man in Rom Patrizier nennt, aber ich weiß, dass neben mir Plebejer, jüngere Familien, ebenso gedient haben. Rom ist alles, Rom bin ich und sie. Alles hat eine natürliche Ordnung." Verus stockte dann wieder, als er über das Gesagte nachdachte. Er wollte Idun nicht bestrafen oder herabwürdigen, so dass er nun lieber schwieg. "Nicht wir führen gerne Krieg, sondern werden oft überfallen. Die Welt ist chaotisch. Ein Beispiel sind die Parther, die uns stets bedrängen und sich selbst als östliche Ordnungsmacht begreifen und doch sind wir es, die ihnen stets Frieden anbieten." Der Tiberius versuchte abzulenken, um die unbequemen Fragen in seinem Krankenbett bei Seite zu schieben. Denn er selbst hatte keine gute Antwort, warum die Dinge so waren, wie sie waren. Im Herzen wusste er, dass es die willkürliche Gnade der Geburt war, die die Völker trennte und Staaten auch nur gedachte Konstrukte waren, die Linien und Grenzen auf Karten.

    Warum war Idun so freundlich? Warum war die Welt diesem ständigen Wechsel unterworfen? Dieser Grausamkeit der Unbeständigkeit? Verus verstand nicht, warum er vor Stunden grausam kämpfen musste und nun von einer potenziellen Feindin versorgt wurde. Nicht, dass er sie als Feindin sehen wollte aber sein römischer Verstand schrie immer wieder nur ein Wort: Feind. Dennoch war Verus selbst kein grausamer Mensch und niemals wirklich verleitet, zu hassen. Er hasste Idun nicht, konnte es auch nicht mehr, da sein Herz inzwischen so taub war, dass er nichts mehr fühlte. Dieses Blutbad hatte ihm nicht nur seine Zuversicht genommen, sondern auch seine tiefsitzenden Emotionen. Einerseits war es eine Erlösung und andererseits ein Fluch, da er sich nicht nur körperlich taub fühlte, sondern auch seelisch. Der Römer wusste, dass dort mehr sein musste, als diese Leere und diese Sehnsucht war geblieben. Etwas zu fühlen, außerhalb dessen, was er erlebt hatte. Im Kampf vergossenes Blut brannte sich in die Seele. Es ließ sich zwar mit Mühe von den Händen waschen aber dessen Geschmack, dessen Gewicht und auch dessen Geruch blieb dem Soldaten ein Leben lang. Noch immer spürte Verus das Gewicht seiner Waffe in den Händen, doch trug er sie nicht mehr. Es war merkwürdig, dass seine Hände dieses Gewicht zu suchen schienen. Kurz krampfte seine Hand erneut, in falscher Hoffnung, sich an das Gladius klammern zu können.


    Tiberius Verus war zerschlagen, während seine Augen den tiefen Schmerz ausdrückten, die diese Leere in ihm hervor rief. Er hätte nicht überleben sollen. Nicht so. Er wäre als Mensch gestorben und nun lebte er als Leere fort. Als Mann, der er mal gewesen war; wie eine Maske, ertrug er sich selbst. "Genesen?" - fragte er skeptisch und meinte damit nicht seine körperlichen Wunden. Er hatte sich den Krieg nie als heroisch und eine erstrebenswerte Sache vorgestellt und doch hatte er geglaubt mit seinem weichen Herzen, die nötige Härte zu erlangen, um ein guter Römer zu sein. Doch dabei hatte er naiv vergessen, dass ein Römer nicht nur Soldat war, der zerstörte, sondern auch erbaute. Römer schufen Gesetze, eine Ordnung und Städte. Sie bauten Straßen, die Kulturen verbanden und Römer träumten von einer neuen Welt, einer gerechten Welt für alle römischen Bürger, die mitunter Barbaren und Sklaven ausschloss aber auch diese erhielten einen Platz. Verus hatte nun die blanke Zerstörung erlebt, ohne Zweck oder Sinn, war er im Blute getauft worden und hatte sein Weltbild fallen sehen. Es war seine Apokalypse gewesen. Verus Seele war an der Erkenntnis zerbrochen, dass diese Welt niemals gerecht sein würde. Niemals würde er etwas anderes sein, als er selbst und das, was er gesehen hatte. Er trank aus dem gehaltenen Becher, kämpfte mit seiner Haltung und so lief der Trank zu Teilen an seinen Lippen vorbei. Der Schatten des Krieges lag in seinen Augen, die immer trauriger wurden und auch verfallener. Ein Blick, der Soldaten und Krieger, die ihren Glauben verloren hatten. Leere Wesen und in der Gefahr herzlose Dämonen zu werden. Der Donner wallte gegen das Holz der Hütte und grub sich in den Boden, wie ein dumpfes Beben. Es war ein Unwetter, ein Gewittersturm, der hereingebrochen war. Iduns Medizin half und vertrieb den körperlichen Schmerz nicht ganz aber ließ ihn erträglich werden. Verus ließ sich zurückfallen, so dass Idun erneut die Verbände bearbeiten konnte. Sie war geübt, dass spürte Verus, da der Wechsel und die Versorgung nahezu punktgenau und schmerzfrei verlief; mit der Ausnahme, dass die Wunden brannten und sich die Haut warm anfühlte, kurz davor in brennendes Feuer umzuschlagen. "Ich habe gekämpft," erklärte Verus auf ihre Aussage, dass er viel eingesteckt hatte. "Es wird von mir als Centurio erwartet," setzte er nach und sprach das Wort Centurio mit Verachtung aus, so als ob er sich selbst nicht mehr ausstehen konnte. Er hatte versagt und doch etwas gewonnen. Seine Männer waren entkommen. Irgendwie beruhigte ihn das, dass wenigstens etwas von ihm etwas Gutes hervorgebracht hatte. "Ich möchte nicht, dass es heilt," stammelte er einen Satz zusammen, so als ob er hoffte, am Fieber zu vergehen. Er wollte nicht mehr. Nicht mehr, nachdem er diese Welt in aller ihrer Grausamkeit erblickt hatte. Der Tiberius wollte zurück in seine Träume, dort wo noch Liebe war. Dort, wo noch Leben war, welches erwünscht erschien. Diese Pein, noch hier zu sein, fraß ihn auf. Er keuchte aus, während er seinen Blick von Idun abwandte. Es tat ihm weh, sie zu sehen; es tat ihm weh, einen Menschen mit diesen Augen anzublicken, die brutal gemordet hatten. Er schämte sich, auch vor einer Barbarin, die ihm nun näher war, als es seine Calena jemals war. Sie sah keinen Römer in ihm, keinen zukünftigen Soldaten oder Patrizier, sondern nur das, was er war: ein Mensch. Hier waren keine Illusionen mehr, keine falschen Bilder einer Idee, sondern nur zwei Menschen, die durch Mitgefühl verbunden waren. Idun kümmerte sich um Verus, während Verus sich vor ihr schämte. Eine merkwürdige Entwicklung des Schicksals; ein Spott der Götter, dass diese beiden Seelen nun mehr gemeinsam hatten, als Verus jemals in Rom gefunden hatte. Es war echte Hilfe. Eine Erlösung von seinen Ketten und Zwängen, die er sich selbst auferlegt hatte. Diese Leere, die er spürte, sprengte seinen Selbstbetrug und war dennoch grausam und brutal zu ihm selbst.


    Er roch die Suppe, bekam ein Gefühl von Hunger, wandte seinen Blick zurück, mitsamt seinem Oberkörper, um Idun wieder ins Gesicht zu blicken. Seine Augen wichen jedoch aus. Noch immer war dort diese Schande. Dieses Ungemach ihr Gegenüber. Verus begann zu essen und nickte dankend. Es schmeckte ihm. Schließlich stellte sie die Frage, die Verus den Holzlöffel in die Schüssel fallen ließ. Er konnte nicht antworten, da sie genau die Leere eröffnet hatte, die ihn taub gemacht hatte. Einen Moment starrte er in die Suppe, betrachtete die schwimmenden Brocken an Fleisch. "Weil es die Ehre verlangte," versuchte er ihr ehrlich zu antworten, denn das war er ihr schuldig. Wenigstens das. "Es gab Überfälle auf römische Straßen. Unschuldige Händler und Reisende waren in Gefahr," versuchte er zu erklären und brach dann ab, um zu weinen. Er konnte es nicht mehr halten, da all der Schmerz in die Leere trieb und sein Körper den Kampfstress abwerfen musste. Tränen liefen aus seinen Augen, fielen in die Suppe, während seine Stimme vollkommen versagte. "Ich hatte den Auftrag, diese Vorfälle zu untersuchen und schnell wurde dieses Dorf ausgemacht," fand er seine Stimme wieder, nachdem das belastende Gewicht von seiner Kehle gerissen war. Noch immer drangen Tränen aus seinen Augen, liefen in breiten Streifen über das immer noch verschmutzte Gesicht; vermischten sich dort mit Öl, Asche und Blutresten zu einer neuen Farbe, die herabtropfte. Weiße Linien entstanden auf seiner Haut, wie Kanäle in den Schmutz. Die Tränen wuschen die Haut rein, die Krieg erduldet hatte. "Schließlich starben wir," schloss er ab, ließ den Kopf sinken und blickte hinab.

    Mit krallenhafter Bewegung suchte seine Hand das ihm zugeschobene Schwert. Es war der Schwert, welches er einst hatte schmieden lassen, um seine wahren Ideale in Gravur zu tragen. Verus wollte sich gerade umwenden, um dem Tod ins Auge zu blicken. Als Römer starb man mit Mut. Nicht nur, weil die Römer fest daran glaubten, dass die Idee, jener Traum, von Rom das Leben eines guten Mannes wert war, sondern auch weil der Name überdauern würde. Verus, in tiefer Ungewissheit, was ihn erwarten würde, verschluckte sich an seinem eigenen Blut und Speichel, welcher bereits dickflüssig wurde. Schleim hatte sich beigemischt. Mit dem Griff des Gladius fest umschlossen, rollte sich Verus auf den Rücken, fest mit den Augen auf die Klinge des Germanen blickend, wehle über seiner Kehle lag. Es war merkwürdig, sehr merkwürdig sogar, da Verus mit leisem Gurgeln seiner Stimme ein altes römisches Lied sang, welches kaum zu hören aus seinem Mund fiel, wie Tropfen in einen Ozean. Sein Blick wurde trübe, das Elysium klopfte mit eleganter Taubheit an sein Gesicht und der letzte Kuss eines unvollständigen Lebens wollte gegeben werden. Verus sang in Gedanken die Strophen weiter, während seine Stimme bereits versagt hatte. Seine Schande war gesühnt und die Ehre seiner Centurie gerettet. Hier würde ein Tiberius, aus dem Adel Roms, sterben. Er würde einfach sterben aber hielt die Waffe, geschmiedet mit dem Willen und der Kraft Roms, in seiner Waffenhand. Plötzlich näherte sich eine Frau, die er selbst nicht mehr klar erkennen konnte. Sie sprach in einem wütenden Ton mit dem Germanen, der seine Waffe über Verus Kehle hielt. Ihr Ton war geladen, voller Unwut und Ungemach gegenüber Wulfgar. Der Römer verstand kein Wort, da sie einen germanischen Dialekt sprachen und er selbst kaum ein paar Worte der germanischen Sprache beherrschte. Es war ihm auch egal, doch da geschah etwas, als sie ihn ansprach und zwar mit seinem Gentil-Namen. Im Wahn und Rausch seines Abgesangs wurde das Lied in seinen Gedanken unterbrochen und das Bild seiner vergangenen Calena überlagerte sich mit dem Bild von Idun. "Calena," stammelte Verus abwesend, während seine freie Hand sich zu ihrem Gesicht empor hob. Er wollte sie berühren und hielt Idun im Todeswahn für seine Geliebte. "Calena," wiederholte er und antwortete somit auf die Frage, ob er sie hören würde. Er war nicht mehr zu klaren Sätzen fähig und blickte mit immer weiter eintrübenden Augen zu Idun. Am Horizont zogen sich bereits Regenwolken zusammen und ein Donnergrollen rollte über die Landschaft.


    Der Arm des Römers fiel dann herab, während Idun seine Wunde versorgte. Er hatte viel Blut verloren und auch die allgemeine Erschöpfung des Todeskampfes forderte ihren Preis ein. Dass ihm die Rüstung entfernt wurde, nahm er nicht mehr wahr, sondern wandte seinen Kopf in leichter Bewegung immer wieder hin und her. Benommen und in einem fieberhaften Traum schien es ihm fast so, während er auf das Pferd gehoben wurde, und von Idun umschlossen wurde, dass ihn gerade seine Calena mit göttlichen Schwingen ausgestattet errettete und mit ihm ins Elysium ritt. Die Farben verdampften zu einem weißen Licht und alles schien zu verschwimmen. Doch seinn Schwert ließ er nicht mehr fallen, da sich seine Hand in einer Nervenreaktion verkrampft hatte und auch der Versuch eines Germanen, dieses zu entfernen scheiterte und so konnte es nicht zusammen mit der Rüstung verpackt werden. Der Waffenarm hing dennoch leblos von der Seite herab und das Gladius war nutzlos angebunden an den sterbenden Römer. Die Umarmung von Idun bot ihm Schutz, so dass er sich leicht fallen ließ und sich ganz seiner geglaubten Calena anvertraute. Ein Rabe schrie und flog über die Leichen hinweg, bevor Idun mit Verus aufbrach. Verus konnte nichts mehr sehen, nicht mehr wirklich etwas spüren, da die Taubheit bereits seinen Körper übermannt hatte und doch hielt ihn etwas im Leben. Sein Herz schlug weiter. Immer weiter gegen den Abgesang an. Der sterbende Centurio wurde, nur noch bekleidet mit seiner Unterkleidung, wie Tunika und Kurzhose, in die Hütte gebracht und von Idun auf eine Ablage gelegt, die wohl mit Fellen ausgelegt war, um ihn zu wärmen. Seine Wunde wurde erneut versorgt aber auch dies nahm Verus nicht wirklich wahr. Auch das Einflößen des Trankes geschah ohne Willenskontrolle durch ihn selbst. Er trank es einfach. Erschöpft aber gerettet schlief der geschundene Mann ein und in der Tat konnte die Versorgung das Schlimmste abwenden. Am nächsten Morgen erwachte der Römer, zwar immer noch etwas benommen und nicht in der Lage aufzustehen, aber er blickte sich um. Wo war er? Er hörte die germanische Stimme und die merkwürdigen Sätze, die er nicht verstand und suchte mit seinen noch eingetrübten Augen ein Gesicht zur Stimme, welches er schnell neben sich am Krankenbett fand. Es brauchte einen Moment bis seine Augen klarer wurden und er sie erkannte. An den Transport, an Teile des Gemetzels konnte er sich nicht mehr erinnern und auch nicht, was das hier für ein Ort war, wohl eine Hütte, aber ihr Gesicht kannte er. Es war Idun. "Ich...," wollte er einen Satz finden aber brach dann noch kraftlos ab und sagte schlicht: "Danke." Etwas sagte ihm, dass er es vorerst überstanden hatte und er noch nicht sterben musste. Dennoch war er sich gewiss, dass auch Idun eine Gefahr sein konnte, sofern die Geschichten über wahnsinnige Opfer stimmten, die man sich erzählte aber sein Herz, welches immer noch kräftig schlug, verriet ihm bereits, dass er Idun nicht zu fürchten brauchte. Seine Augen suchten ihre Augen, um diesen Dank auch mit Vertrauensblick zu unterstreichen. Inzwischen war wirklich Regen eingebrochen und die schweren Tropfen schlugen auf das Dach der Hütte, wie auch der Donner immer näher rückte. Verus lauschte auf und war sehr froh, dass die Hütte scheinbar sehr stabil gebaut war, trotz ihrer einfachen Konstruktion. So kuschelte er sich etwas mehr in das doch bequeme Fell, da es ihm Wärme gab, die ihm auf dem Schlachtfeld gefehlt hatte. Neben dem Bett lag sein Gladius, herabgefallen im Schlaf, nachdem sich seine verkrampfte Hand gelöst hatte und es lag schlicht dort; immer noch versetzt mit getrocknetem Blut an der Klinge.

    Die Wehklage der Sterbenden lag in seinen Ohren, als Verus mühsam das Scutum hielt, um einige Schläge von den wütenden Bestien abzuhalten, die mit ihren behelfsmäßigen Waffen oder Speeren gegen den Schildwall brandeten. Immer wieder spürte er, wie Schläge auf seinem Helm niedergingen und das Metall zu verformen begannen. Sein Helmbusch riss ab, fiel in den Schlamm des Bodens, der mit Blut durchsetzt war. Das Blut fand sich in kleinen Rinnsalen wieder, welcher in die Fußspuren liefen. Verus bemerkte, dass sein Standeszeichen abgerissen war und musste mühsam begreifen, dass diese Situation nicht mehr zu retten war. Angst, echte Todesangst, machte sich breit und so dachte er an seine Calena, seine Familie und an das, was er aus Eitelkeit und Stolz weitab von hier zurückgelassen hatte. Er bereute seine Lebensentscheidungen. Er war nie ein tapferer Soldat gewesen, der den Tod wirklich ersehnte und Roms Bild bekam gerade erhebliche Risse. Verus, so erschöpft er war, konnte nicht einmal mit seinem Waffenarm über den Schild stechen, so dass er leblos seine Männer neben sich anblickte. Ein Hühne von Germanen, der Anführer, wie er ausmachte, näherte sich der rückwärtigen Linie, während Verus seine Augen weitete. Sein Blick war nach Hinten gewandert. Dort fand er das kalte Grauen. Ein Germanen, der voller Todeswillen, in die Linie schlug. Es war nicht mehr viel Zeit.


    Die rückwärtige Linie würde bald brechen. Neben Verus brach ein Soldat mit einem Speer in der Kehle steckend zu Boden, während zwei Germanen beidhändig den Speer führten, um den Legionär niederzustrecken. Mit dem Speer drückten sie ihn hinab. Der Soldat gurgelte sein eigenes Blut, was Verus zutiefst erschreckte. Der römische Helm fiel von seinem Haupt und gab das volle Angesicht frei. Der Soldat starb voller Pein und diese Agonie zeichnete sich in seinen Augen ab. Sein Scutum klappte schlicht um, verließ seine Hand und lag als Bodenplatte eines Toten im Schlamm. Es trug die Spuren der Schlecht, denn es war völlig zerkratzt, vernarbt und zerschlagen; aber wollte nicht aufgeben, denn es war durchaus stabil gebaut. Verus wurde wütend, erneut fand er Kraft, diese Germanen zu richten für dieses grausame Leid, was sie anrichteten. Mit einer schnellen Bewegung schlug mit der Unterkante des Schildes mehrfach gegen die Kniescheiben eines Feindes vor sich, der aufschrie und sich leicht beugte. Der inzwischen im Töten geübte Legionär Verus konnte die Chance nutzen und rammte mit einer eifrigen Stichbewegung die Klinge in die Brust des ungeschützten Germanen. Blut spritzte aus dem brechenden Brustkorb auf das große Scutum des Centurios, welcher es wieder schützend erhob, nachdem er seinen Schwertarm in den Schutz zurückgezogen hatte, um die Waffe dann auf der Kante aus Metall seines Schildes stichbereit abzulegen. Die einfache Kleidung des Gegners färbte sich rot, während er torkelnd und wankend die Reihe verließ, um am Ende des Kampfes zusammen zu brechen. Er lächelte. Verus hingegen war erfroren. Seinen Haltung war mechanisch. Es gab kein Entkommen. Das Schicksal meinte es nicht gut mit ihm. "Reihe schließen," donnerte seine brechende Stimme, als die ersten Legionäre unter Belastung die Schilde nicht mehr dicht an dicht halten konnten. Verus musste als Centurio darauf achten, dass sie nicht schwächelten. Wenn der Wall brechen würde, wären sie alle tot. Mit einem erneuten Blick zu rückwärtigen Linie, die von Wulfgar und seinen engsten Vertrauten bearbeitet wurde, sah er bereits sein Ende kommen aber es sollte nur sein eigenes Ende sein. Seine Männer sollten, die bis jetzt überlebt hatten, sollten noch einen weiteren Morgen erleben dürfen. "Auf mein Kommando rückwärtige Linie, vom Wald abgewandt, auflösen und Linie gegen den Wald verstärken," befahl Verus lautstark und zeigte mit seinem Gladius auf die betroffene Linie und danach in die Richtung in die sie sich bewegen sollten. "Mit aller Kraft durchbrechen und Rückzug zum Praesidio," erweiterte er seinen Befehl, während eine Klinge sein Kettenhemd strich aber keinen Schaden verursachte. Die Ringe taten ihr Werk. Verus bemerkte den Druck aber keinen Schmerz. Mit einer lustlosen Bewegung schlug er den angreifenden Arm einer Frau zur Seite, durchtrennte dabei das Handgelenk, so dass die führende Hand schlicht herunterfiel und die Frau weinend in der Menge unterging. Mit einem Satz schob er noch einmal gegen den Ansturm an, wobei sich seine Füße fest in den Schlamm gruben. "Auf mein Zeichen," brüllte seine nun todesverachtende Stimme. "Jetzt," die hintere Linien löste sich schlagartig auf und verstärkte die Waldlinie und eine kurzfristige Überzahl drückte gegen den Ansturm, der nicht mehr stand halten konnte und mit jedem Hieb sowie Stich nieder gemacht wurde. Endlich konnten die geübten Linienkämpfer durchwechseln und einer Walze gleich über die Germanen herfallen, doch ihr Rücken war ungeschützt. Ein Speerwurf traf die Schienenrüstung eines Legionärs, prallte aber durch einen Gnadenerlass der Götter ab, so dass der Legionär aufkeuchte, doch den plötzlichen Schlag in den Rücken aber konnte sein Werk weiter verrichten. Doch Verus ahnte, dass jemand die Position der Linie einnehmen musste. "Ich decke den Rücken. Der Rest bricht durch und macht sich auf. Ich halte hier die Stellung," sagte Verus zu seinem Nebenmann, der ihn verstört anblickte. "Aber Centurio, du kommst nicht mit uns?" - fragte der Soldat, der bereits einige blutigen Narben an seinen Händen hatte und dem Blut im Gesicht stand, welches alt herabtropfte. "Nein, jemand muss euch Zeit verschaffen und euren Rücken decken," erklärte Verus todesgewiss und machte sich bereit die Linie zu verlassen, um den Rücken zu erreichen, den Wulfgar bereits eingenommen hatte. Wulfgar ließ sich mit seinen Vertrauten Zeit. "Gloria fortis miles," sagte Verus noch und verließ dann die Reihe, um den Rücken alleine zu decken. Zwei Germanen stürmten auf ihn zu, die er mit einer hektischen Stoßbewegung seines Schildes stoppte, indem der eine Germane stolperte und der andere das Schwert von Verus schmeckte, welches direkt durch den Mund gestoßen wurde. Wulfgar beobachtete dies und musste anerkennen, dass aus dem vermeintlich feigen Römer ein echter Krieger geworden war. Mit einer schnellen Senkbewegung schlug der kalte Verus die Schildkante auf den am Boden liegenden Germanen, dessen Kehlkopf brach und so keuchte er, während er sich den Hals hielt, als Verus an ihm vorbei trat. Wulfgar und seine beiden Vertrauten, die jeweils echte Schwerter besaßen. Das Scutum wurde wirklich schwer, denn Verus spürte, wie ihn bereits die Kräfte vollständig verließen. "Noch einen Moment, bitte," forderte der Tiberius von den Göttern ein, um seinen Leuten wenigstens diese Chance zu geben. Es war seine Schuld, nicht ihre. Sein Opfer sollte seine Schuld sühnen. Rom verlangte es; nicht nur, weil Verus einen Eid geschworen, sondern alles verloren war, was er wertschätzte. Dieses Leben hatte nie viel für ihn bereit gehalten und ihm vieles genommen, so dass ein Ende als Held ihm sehr wohl gefiel; zumal er nicht mit diesen Erinnerungen des heutigen Tages leben wollte. Ein Tod in der Schlacht war zumindest römisch und nicht so feige als sich weiterhin durch das Leben zu quälen. Er wandte seinen Kopf zur Seite und rief zu seinen Männern, die inzwischen tatsächlich Raum gewonnen hatten: "Macht schon!" Der letzte Zuruf ihres Centurios brachte noch einmal einen Moralschub, so dass die Legionäre die Germanen zur Seite stoßen konnten und machten sich dann, in geübter Abwehrhaltung, die letzten Angriffe abwehrend in Richtung Wald auf. Ein paar Männer blickten sogar noch zurück zu ihrem Centurio, der nun von Germanen umschlossen wurde, da sie die restlichen Römer ziehen ließen. Verus atmete schwer aus. Wenigstens etwas war gelungen. Ein sterbender Legionär blickte vom Boden zu Verus auf, streckte ihm seine Hand entgegen, doch dann verließen ihn seine Lebenskräfte, was der junge Offizier betrauerte und eine blutige Träne fiel über seine Wange. "Gloria fortis miles," wiederholte er ein Kredo und schloss vor seinem gefallenen Kameraden andächtig die Augen, während er weiterhin mit gehobenen Schild auf Wulfgar und seine beiden Krieger zu marschierte. Kurz bevor die beiden sich von Wulfgars Deckung lösten und mit lautem Gebrüll auf Verus zu stürmten.


    Beide wollten ihn mit ausschweifenden Hieben niederstrecken, doch Verus hatte damit gerechnet, hob sein Schild über den Schädel, so dass beide Hiebe in die Kante des Schildes schlugen. Das Metall der Kante brach heraus und das Holz des Schildes brach, zersplitterte, so dass Verus seine Augen erneut schließen musste. Die Waffen der beiden Germanen steckten für einen Moment fest, den Verus nutzen musste, indem er sich mit dem Scutum herumdrehte und die beiden entwaffnete, indem er in der Drehbewegung das Schild fallen ließ. Mit schnellen Stichfolgen durch den Lederschutz der Germanen hindurch streckte er beide mit jeweils ausgeteilten Folgen nieder. Verus, in wilder Rage seiner letzten Kräfte, stach fast einem Berserker gleich auf die beiden ein, die dann mehfach getroffen zu Boden fielen und nicht einmal mehr keuchten oder einen Ton von sich gaben. Gekrümmt stand Verus neben den beiden Toten, während sein Schwert abtropfte. In seinen Augen stand blanke Gewissheit. Sein Helm wurde ihm zu schwer und begann seine Sicht zu behindern, da die Halteriemen durch die Belastung ausgefranst waren. Mit einer kümmerlichen Bewegung zog er die Schleife am Kinn auseinander und ließ den Helm auf den Boden fallen. Er war ohnehin inzwischen unbrauchbar, da er vollkommen verbeult war und nicht mehr wirklich auf seinen Kopf passte. Die Germanen in seinem Rücken griffen jedoch nicht an, sondern bildeten scheinbar eine beobachtende Zuschauermenge, auch die abgesetzte Menge hinter Wulfgar, der sich aufbaute, und Verus eine Weile anstarrte. Mit einer Geste seiner Waffe ließ er Platz schaffen, so dass eine Art Arena geschaffen worden war.


    Es war die Ehre eines Germanen gegenüber einem Krieger, die sich bemerkbar machte, die Verus nun verstand. Es war der letzte Kampf dieses Tages. Danach wäre er selbst tot aber seine Männer gerettet. Mit einer traurigen Erinnerung an das, was er vermisste, hob er seine Hand mit der Waffe und dem Siegelring an, um diesen, trotz der Blutverschmierung, zu küssen. Dabei schloss er die Augen, sah noch einmal seine Calena vor sich, und nahm dann mit wieder geöffneten Augen die Hand herunter, die Waffe zum Angriff bereit. Wulfgar lächelte nicht aber schien gewiss, dass er Verus den Ansturm überließ. "Musste es dazu kommen," wollte Verus wissen. Wulfgar antwortete mit nur einem Wort: "Ehre." Verus verstand abermals. Dieser Mann war ein Räuber, ein Feind Roms aber scherte sich um einen barbarischen Ehrbegriff. Warum machte man ihn nicht einfach nieder? Musste er sich die Schmach dieses Kampfes geben? Verus wollte nicht mehr aber hatte keine Wahl, denn nach all dem, schien eine feige Flucht oder ein feiger Tod als unangemessen. Es gab hier nur noch eines: die Gefallenen zu ehren. In gewisserweise verstand Verus seine Ehre, auch wenn er selbst eine andere Ehre suchte. Wulfgar nickte Verus zu, den er inzwischen sogar als Krieger respektierte. Er hatte nur wenige Männer so kämpfen gesehen. Rom hatte tatsächlich einen fähigen Sohn geschickt. Trotz seiner merkwürdigen Ansicht und seinem Gebrabbel. Verus spuckte auf den Boden, da das Blut in seinem Mund bitter schmeckte. Auch war ihm schlecht, da sein Magen rebellierte; auch schienen sich seine Körperflüssigkeiten zu verselbstständigen, da er die allerletzten Kräfte mobilisieren musste. Wulfgar hatte sich schonen können, wenn auch mit Kampfbeteiligung. Das Kettenhemd mit den gesprungenen Ringen an der Schulter schien ihm die eigene Luft abzuschnüren, doch Verus wollte nicht darauf verzichten. Ohne Schild war seine taktische Lehre nutzlos. Auch war seine klassiche Schildtechnik nutzlos. Er musste auf das Wissen das klassischen einhändigen Schwertkampfes zurückgreifen, war aber nicht bereit auf eine Zweitwaffe zu verzichten. Verus griff hinter seinen Rücken und zog den kleinen Stoßdolch (Pugio) aus der Scheide, die am rückwärtigen Gürtel befestigt war. Es war besser mit zwei Waffen zu kämpfen, so zumindest konnte er einen kleinen Vorteil gewinnen. Zumindest wollte er noch Wulfgar mitnehmen, damit dieser mit seiner Sippe nie wieder römische Lande heimsuchte. Auch wollte er ihn im Namen der Gefallenen strafen. Es war der letzte Zorn, den er in seinem Leben erleben wollte. Im Tod lag Frieden, so glaubte der Tiberius. Wulfgar hob seine Waffe in Pose an, die quergestellt war und war bereit den ersten Hieb von Verus zu empfangen. Die germanische Sippe und die Dorfbewohner feuerten ihren Wulfgar mit brachialen Gesängen und Rufen an. Noch immer rechnete Verus damit, jetzt einfach niedergestochen zu werden, doch es geschah nicht. Mit einem kurzen Blick zu den beiden toten Germanen neben sich, dem geborstenen Scutum, welches schlicht auf dem Boden lag, rannte er mit dem Gedanken an seine Heimat auf Wulfgar zu. "Pro Patria mori," rief Verus Wulfgar entgegen, so dass dieser erstaunt über den Mut des Römers, den ersten Hieb mit dem Gladius abwehrte und sogar einen Schritt zurück machte. Verus holte erneut aus und versuchte mit einer Drehbewegung den Dolch in die Nähe des Körpers des Gegners zu bringen. Wulfgar konnte ausweichen, wurde aber ungünstig mit dem Doch am Oberschenkel geschnitten, so dass Blut über sein Bein lief. Verus keuchte schwer, denn er konnte die Hauptwaffe kaum noch halten. Wulfgar holte aus, als Verus etwas Abstand gewinnen wollte, und traf das Gladius, welches eine tiefe Kerbe empfing. Im Licht spiegelte sich die Gravur in der Klinge. Wulfgar las - SPQR -. Der Schriftzug schimmerte durch das Blut. "Deine Götter," meinte er fragend in Verus Angesicht, der die Klinge des Wulfgar abblockte und von sich drückte. Er musste hierzu den Stoßdolch fallen lassen, um sein Schwert mit beiden Händen zu halten. Seine eigene Klinge grub sich in das Fleisch seiner nicht waffenführenden Hand aber verhinderte den tödlichen Hieb des deutlich größeren Germanen. Es knirschte als der römische Stahl unter dem germanischen Stahl litt. Verus biss die Zähne zusammen, wollte aufgeben und doch gebot ihm seine gefundene Hingabe, es nicht zu tun. Er ließ sich fallen und Wulfgar verlor den Kontakt zum Gladius, so dass er mit seinen Klinge in den Boden stieß. Verus lag nun auf seinem Rücken und rappelte sich wankend auf. Er hatte kaum noch einen guten Stand.


    Dennoch hielt er seine Waffe fest in den Händen. Die ausgesprengte Schulterverstärkung fiel hängend von seiner Schulter und einige Ringe fielen Regentropfen gleich zu Boden. Die Muskeln seiner Finger zitterten. Seine Atmung wurde flacher. "Rom," versuchte er sich an seine Heimat zu erinnern. An seine wahre Heimat. Es war Tradition als wahrer Römer in den letzten Momenten an seine Heimat zu denken. Auch schadete es nicht, denn dieser Gedanke gab ihm noch einen Atemzug. Wulfgar schlug in einem Halbkreis auf Verus Klinge, die abrutschte und Wulfgar schnitt in den Oberschenkel von Verus. Die Lederriemen konnten ihn nicht schützen. Einige fielen sogar abgeschnitten, wie Blätter, in den Wind und wehten fallend davon. Verus stürzte aber wollte nicht aufgeben, stach im Sturz in den Unterarm von Wulfgar, der daraufhin sein Schwert fallen ließ. Wulfgar schrie auf und schimpfte, während er sich seine Armwunde hielt. Verus zog durch die Sturzbewegung die Klinge schnell wieder aus dem Arm und landete auf dem Bauch liegend im Dreck. Dabei verlor er seine Klinge aus den Händen, die noch einen Meter über den Boden rollte. Verus spürte nicht einmal mehr Schmerz, da die Erschöpfung alles einnahm. Er war nun bereit, während er mit beiden Händen in den Boden grub, um sich umzudrehen. Wulfgar hob seine Klinge mit der noch funktionstüchtigen Hand auf, ignorierte die Wunde und wollte Verus durch das Genick den letzten Stoß geben, doch etwas hinderte ihn. Aus Verus Hals lugte ein Anhänger hervor, der an einem einfachen Lederband hing. Es war ein bekanntes Symbol von Wulfgars Lebenswelt. Es war ein Hammersymbol, welches Verus aus Erinnerung an eine bedeutsame Begegnung trug. Diese Kette war nun unter dem Kettenhemd hervorgefallen und abgerissen, so dass es sichtbar wurde. Verus schloss die Augen in einer letzten Epiphanie. Doch Wulfgar zögerte noch aber löste die Bewegung nicht auf, so dass die Klinge über Verus Genick stand.


    Sim-Off:

    * Das Spiel mit dem NSC Wulfgar wurde mit dem Narrator abgestimmt und wurde zur besseren Dynamik durch mich kurzzeitig gesteuert. Ab hier übernimmt wieder der Narrator Wulfgar.