Beiträge von Aulus Tiberius Verus

    Verus staunte nicht schlecht: Er hatte es in der Tat geschafft, diesen Mann vor sich zu verwirren. Manchmal waren Aussagen von ihm auch verwirrend, so wirr wie seine Emotionen. "Ich glaube, dass Römer sich unterstützen müssen," sprach der Patrizier dann mehr oder minder als Allgemeinplatz, um sich selbst einige Sekunden zu geben. "Ich bin entfernt mit ihm verwandt," war dann die Antwort. Schon wieder keine klare Antwort aber immerhin etwas, womit der Petronius etwas anfangen konnte. "Wir können sofort aufbrechen, nachdem ich meine Dinge verstaut habe," erklärte Verus dann.

    Verus nickte seinem neuen Kameraden freundlich zu, auch wenn der Schweiß dies seltsam unterstrich. Schließlich offenbarte der Präfekt, wer dieser Mann war und was ihn ausmachte. Bald würde er der Untergebene von Verus sein, was den Patrizier sichtlich verwunderte. Es ging nun alles so schnell, dass er die Momente nicht wirklich aufnehmen konnte. "Ich bin nicht eitel," kommentierte der neue Soldat schließlich die letzte Aussage von Licinus. "Ich werde einen Rat immer annehmen."
    Dann lächelte er müde. "Ich bin bereit," sagte er nun zu Tallius.

    Verus lachte auf und sagte etwas, was er vielleicht später bereuen würde: "Ich kann auch gerne zum Domus meiner Gens bringen. Dann kannst du ihn das selbst fragen, den guten Patrizier." Wenige Augenblicke später stutzte er selbst darüber. Immerhin hatte er gerade weltfremde Personen einfach mal eingelagen. Gut, es schienen ehrbare Römer zu sein, zumindest der Veteran. Von seinem Burschen konnte er noch nicht so viel halten, da dieser immer noch so schweigsam war, wie ein Esel und sich auch so benahm. Sein Blick war recht störrisch geraten. "Wenn du sein Klient werden willst, möchte ich euch beide oder dich gerne vermitteln," schob er noch nach, um die Sachlage ein wenig zu glätten und seiner Aussage ein wenig mehr Inhalt zu geben.

    Die Schaulustigen nahm Verus nicht mehr wahr. Sein Geist war völlig im Moment verloren. Schweiß, Schmerzen und eine dezente durch Erschöpfung hervorgerufene Verwirrung, belegten seine Wahrnehmung. Dass er seinen Gegner gut getroffen hatte, bemerkte der angehende Soldat nicht mehr, sondern war eine ablaufende Maschine, die einfach ihre Aktionen herunterprügelte: Actio et Reactio.


    So verzog sich die Zeit schnell und der Kampf dauerte noch einen Moment an. Schließlich brach der Iulius ab und sagte etwas, was Verus im Rausch nur halb verstand. Dann reimte sich sein nach einer Pause gierender Geist, die Situation zusammen.


    Erst jetzt bemerkte er die Schaulustigen, die der Präfekt unsanft vom Platz kommandierte. Verus suchte nach Luft, nachdem er das schwere Scutum einem Sekundaten überreichte hatte, wie auch das Schwert. Dann nahm er den Helm ab, hielt diesen aber selbst in der Hand. Schweiß tropfte von diesem und fiel in den Staub. Immer noch saugte der Römer Luft ein und stieß sie im Anschluss aus. Ja, man hatte sich in der Tat ordentlich ertüchtigt.


    "Danke," sagte der - wohl - jetzt Miles trocken, da seine Stimme auch der Erschöpfung erlegen war und Wasser brauchte. Er war dabei? Jetzt in der Legion? Noch konnte er die Tragweite der Situation nicht erfassen aber mit jeder Sekunde erweiterte sich dieses Gedankenspiel, mit jedem Moment der Ruhe vom Kampf. Er nickte Iulius Licinus symbolisch zu, um ihn zu zeigen, dass er ihm ehrlich lauschte. Dann wanderte sein Blick umher, um Tallius Priscus unter den ehemaligen Schaulustigen auszumachen.

    "Der gute alte Neptun-Jünger," lachte Verus auf und grinste dann verschmitzt. "Ja," erklärte er nüchtern im Anschluss. "Er verkehrt oft mit hohen Gesellschaften." Verus nahm sich dabei aus und erwähnte sich selbst nicht, da er sich selbst nicht mehr als hohe Gesellschaft ansah. Immerhin war er tief gestürzt für einen Patrizier. Man mochte sagen, dass er abgerissen erschien, im Vergleich zu Lepidus, der eine große Karriere vor sich hatte, wenn seine Intrigen aufgingen. Natürlich mochte wäre dieses Spiel in der römischen Politik nicht und aus diesem Grund war er kein Politiker. Der junge Mann war einfach zu ehrlich und aufrecht.

    "Natürlich," erklärte Verus mit einem Grinsen und ging mit einem Schritt zur Tür. "Ich hoffe, dass ich unserem Ahnen zur Ehre gereiche. - und nicht nur mir selbst," erklärte der angehende Soldat ehrlich. Immerhin war es nicht sein Grundverlangen, Ehre zu erringen, da dies oft nur leer und Selbstbetrug war. "Ich werde meine Schulden begleichen, mein Freund. Ich bin kein Dieb." Verus seufzte. Dann sprach sein Gens-Mitglied seine Calena an. "Nicht gut. Sie war wütend, zerissen und traurig. Ich denke, dass die Decimer mit Schmach auf uns herabblicken werden. Sie hat es nicht verstanden. Dabei sollte es nur vorübergehend sein aber diese Frau hat dies als dauerhafte Scheidung aufgefasst." Sein Blick wurde traurig, während er an der Tür lehnte.

    Verus von Erschöpfung getragen, wankte, doch es gab keinen Zweifel an sich, diesen Moment zu bestehen. Die Stiche gegen den Schädel des Feindes, verpuffte im Schild seines Gegners mit einem lauten Knall. Der Patrizier tat einen Schritt zurück, blickte über sein Scutum hinaus, sah die Bewegung seines Gegenübers in Richtung seiner Schenkel. Mit einem Satz riss er sein Schild zu Boden, so dass dieses den Weg blockieren konnte. Als der Feind an seinem Wall abprallte, riss Verus sein Gladius hoch und versuchte in die ungedeckte Seite des Gegners zu stechen, dabei drehte er sich leicht ein. Mit einem Sausen rauschte die Holzklinge in Licinus Seite. Es hatte Verus viel Kraft gekostet, so denn er nun dezent keuchte und Schweiß auf den Boden neben sich spuckte.

    Es war kraftraubend für den zwar jungen aber recht untrainierten Mann, die römische Kampfweise zu verwenden. Der Schild nahm gefühlt an Gewicht zu, während er mit Licinus kämpfte. Der Stich saß. Das spürte er, da der Iulius einen Schritt zurückwich. Innerlich zufrieden, wollte Verus einen erneuten Schildstoß abgeben, doch bevor er dies tun konnte, blickte er auf und sah den angetäuschten Schlag und hob instinktiv seinen Schild an, um diesen mit der Schildkante zu blocken. Doch in dieser Sekunde trat etwas heftig gegen sein Schienbein. "Ah," machte der Patrizier vor Schmerzen und wankte dezent, um sich mühsam wieder abzufangen. Verus nahm den Schild herunter, nachdem das Holz der Übungswaffe des Gegners an der Kante verendet war. Wieder den Schild vor sich warf sich Verus mit aller Wucht, auch weil er immer noch leicht wankte, gegen Licinus, so dass erneut Schild auf Schild prallten. Sein Gladius fest in der Hand, schmerzend auf den Beinen stehend, stach er zweimal erneut in Richtung Gesicht über die Kanten seiner Verteidigung hinweg. Puh, der Schweiß lief und der Schmerz begann in seinen Körper zu dringen.

    Der Fokus war gesetzt. Verus holte tief Luft und erinnerte sich an die eingeübten Abläufe. Kurz setzte er das Scutum zurück, um damit einen starken Stoß gegen den Schild des Licinus auszuführen. Im Anschluss begann er direkt mit seinem Gladius zu stechen und zwar möglichst in Bereiche neben dem Scutum seines Gegners, praktisch an diesem vorbei. Dann ging er einen Schritt zurück, hob das Scutum dezent an, um einen erneuten Stoß auszuführen. Es knallte und schepperte. Die Geräusche nahm er jedoch im Rausch des Kampfes nicht wahr. Das Gewicht begann eine Belastung zu werden und ließ bereits seine Oberarme schwitzen, die jetzt bereits feucht glänzten. Nach dem Stoß, versuchte Verus einen schnellen Stoß über das Scutum hinweg in Richtung des Kopfes seines Gegners. Nie jedoch schlug er mit dem Schwert, sondern führte immer nur gezielte Stiche aus. Während sein Herz raste, ihm der Schweiß in die Augen lief, versuchte er seinen Gegner abzupassen.

    "Für einen Römer ist eine Pflicht, mit aller Kraft der Res Publica zu dienen," erklärte Verus ein wenig großspurig, nachdem Marcus Petronius Crispus die Prima als ehrenhaft betitelt hatte. "Ich denke, dass, sofern man nicht anderweitig gebraucht wird, der Dienst "sub aquila" jedem römischen Mann zu besonderer Ehre gereicht." Er nickte, während er seinen Blick zur Seite wandern ließ. Sein Sohn wirkte in der Tat recht stieselig, abweisend und gar arrogant. Doch der erste Eindruck mochte Verus täuschen und es war ja auch mehr nur ein Gefühl von ihm. Jetzt fiel dem melancholischen Römer auch der rote Handabdruck im Gesicht des Sohnes auf. Daher wohl sein Unmut. Scheinbar hatten beide , Vater sowie Sohn einen heftigen Streit gehabt.


    "Römer aus dem kalten Norden," warf der Patrizier freundlich ein. "Also soll dein Sohn Karriere machen? Vielleicht kann ich ihn mit meinem Gensmitglied Tiberius Lepidus ein wenig enger vertraut machen." Immerhin konnte er so seinem Verwandten einen neuen Verbündeten bringen, wenn nicht sogar Klienten und so die Machtbasis der Tiberier erweitern. Auch würde er so Lepidus indirekt Dank zollen können, für alles, was er getan hatte. "Du, Petronius, hast es doch weit gebracht. Der Primus Pilus ist ein bedeutende Ehre?" Verus staunte, ob der Aussage des Petroniers.

    Nun war es soweit. Der Moment auf den er sein Leben gewartet hatte. Ein Moment, indem alleine er entschied. Keine Willkür ihm Gegenüber. Nur seine Tatkraft entschied. Seine Willenskraft wuchs und die dunklen Gedanken von Melancholie verschwanden. Ein Miles hob die Segmente der Lorica Segmentata an. Verus blickte auf diese herab, nickte dem Soldaten zu und ließ sich in die Brustpanzerung helfen. Sie war schwer, aber dennoch beweglich. Der Patrizier hatte ohne Rüstung mit dem Veteranen geübt, so denn er deren Gewicht leicht ausgleichen musste. Doch das Krafttraining machte sich bezahlt, so denn er die Rüstung stützen konnte, ohne groß Bewegungskapazität einzubüßen. Doch ihr Gewicht auf seiner Brust und Bauch wirkte komisch auf ihn. Die Atmung legte sich an das Metall an, während er den Helm aufsetzte. Der kalte Stahl streichelte seine Wangen, als er die Bänder um das Kinn schloss. Der Helm saß. Kurz führte er einige Kaubewegungen aus, um sein Kinn in die Befestigung des Helmes zu bringen und die Bänder zu dehnen, damit er gute Bewegungsfreiht am Hals hatte.


    Mit einer vorsichtigen Beuge hob er ein Holz-Gladius aus, um es in die rechte Hand zu legen. Dann folgte das schwere Übungsscutum aus verschiedenen Holzsträngen. Das Gewicht war ungewohnt für Verus, der nur kurz mit einem Veteranen gearbeitet hatte. Nur wollte sich Verus jetzt nicht die Blöße geben und ging in die übliche Ausgangspose des römischen Linienkampfes. Schwert rechts neben den Schild und das Scutum erhoben, um es als Stoßwaffe zu verwenden, um seinen Gegner abzudrängen. Seinen Körper duckte Verus hinter den Schild, so dass sein Gesicht verborgen war, bis auf die Augen, die leicht über die Schildrand blickten. Der Nackenschutz seines römischen Helmes schloss mit der Lorica ab und machte einen schnellen Nackenhieb unmöglich.


    Stampfendes aber ruhigen Schrittes näherte sich Verus in dieser Pose der Mitte des Platzes, bereits jetzt schon schwitzend unter dem Metall, welches den Körper kaum atmen ließ. Er musste jetzt ein Kämpfer sein und seine Kräfte finden, um jegen diesen Mann vor ihm zu bestehen. Was hatte der Veteran gesagt? Ein Römer greift immer an. Die Linie stößt, sticht und arbeitet sich immer weiter voran.

    Beweisen? Verus hatte nichts mehr zu verlieren. In diesem Sinne war er bereit, sich zu beweisen, auch wenn dies sein Leben kosten würde. So erhob sich der Patrizier langsam, jeder Bewegung bewusst, die ab er jetzt tun würde. Der junge Römer folgte dem Präfekten.

    Als der Präfekt den Codex herausnahm, diesen schnell überflog, stockte Verus kurz. Dieser Mann war wirklich sehr genau, was Rechtliches anging. Ein typischer Technokrat, so erschien er dem Tiberius. Zumindest schloss das Willkür vorerst aus. Schließlich entpuppte sich die Tatsache, dass er mal verheiratet war, nicht als Problem, wie Verus bereits angenommen hatte.


    "Ich bedanke mich," sagte der Hoffungsvolle, während der Offizier die Schriftrolle ablegte und ihm mitteilte, dass er das Dokument morgen zurückerhalten würde. Eine kleine Tatsache, die Verus sehr beruhigte. Diese Schriftrolle hatte ihn viel Schweiß und Kraft gekostet. Ihr Besitz bedeutete ihm viel.


    Aulus Tiberius Verus würde sicherlich kein Berserker in den Reihen sub Aquila werden, so viel war in diesem Moment schon sicher. Er hasste das Töten sogar aber hatte seine leidige Notwendigkeit damals erkennen müssen, insofern würde der römische Mann es wieder tun können, sofern es einen Sinn sowie Zweck hatte. Mit jedem Schlag und Stich würde er im Laufe seiner Karriere abstumpfen, bis der Akt als solcher nur für schlaflose Nächten sorgen würde. Seine Seele war auf dem Weg eine Wüste mit geringem Wasser zu werden.


    Es war geschafft. Der Präfekt schien soweit zufrieden. Verus konnte aufatmen und tat dies auch in der Realität, indem sich seine Lunge hob, Luft hineinließ sowie hinausstieß.


    "Ein Übungskampf?" Der Patrizier war überrascht, sogar so, dass sich seine Augen weiteten. Schnell suchte er seine Beherrschung zu finden. "Gerne," sagte er sofort im Anschluss, um seine Nervösität diesbezüglich zu verbergen. Seine Vorbereitung war zwar gut aber ein Kampf gegen einen echten Soldaten war auch für ihn Herausforderung. Der Veteran hatte ihn nur peripher geschult, quasi in einem "Crash-Kurs".


    "Das kann ich akzeptieren," antwortete Verus nüchtern, mit einem Gedanken an seine Verpflichtung sich selbst gegenüber. Das Militär war seine letzte Chance auf Ehre sowie Auskommen. Er würde jetzt nicht kneifen, auch wenn dies bedeutete noch ein wenig auf seinen Offiziersposten zu warten. Dennoch - man konnte zufrieden sein. Die harte Grundausbildung blieb ihm erspart und so konnte er zumindest Erfahrungen als Unteroffizier sammeln. Dies war sogar besser, wann man eine wirkliche Karriere anstrebte. Schließlich wollte der Patrizier nicht wegen seines Standes belächelt werden und wirkliche Arbeit leisten. Eben, wie Vitamalacus damals. Der Name seines Hauses, als auch sein Gesicht, standen auf dem Spiel. Verus konnte nicht zögern und bekräftigte, wenn auch mit einem mulmigen Gefühl im Magen, seine Aussage: "Ich bin bereit dazu."


    Hoffentlich wäre der Übungskampf nicht derartig hart. Dieser Gedanke trieb ihn gerade um, während er den Präfekten Iulius anblickte. Dieser Mann war schon ein Kämpfer, das sah man. Verus schluckte, da nun alles von seinem Abschneiden abhing. In seiner Nervösität hatte er vergessen, nach dem Zeitlimit zu fragen und schaute seinem Schicksal - in Form von Licinus - ins Auge.

    "Ich habe mich von meiner Frau geschieden," erklärte der Patrizier erneut sachlich. "Eine lange Geschichte aber sicherlich nicht mehr von Belang, da ich im Sinne des Gesetzes ehelos bin. Ich habe sogar keine Kinder, die mich betrauern könnten." In diesem Sinne war er kriegsbereit, da er nichts zurückließ, was er vermissen konnte. Gut, doch seine Calena vermisste er aber dies musste Licinus noch nicht wissen.


    Auf die Reaktion des Präfekten zu seiner Bildung und seinem Beruf, antwortete er mit einem lautlosen Nicken und einem gehauchten: "Ja." Dieses trat ebenso schnell aus dem Raum, wie es gesprochen war. Es ging ja nur um eine schlichte Bestätigung, dass der Soldat vor ihm alles richtig erfasst hatte. Sachlichkeit in Perfektion zeichnete in aller ihrer Kälte und Norm diese Antwortmomente aus.


    Verus zog seinen Beutel zu sich, griff hinein und zog das zusammengerollte Dokument heraus, um es dem Iulier zu reichen. Dabei kam sein Gladius in der goldbeschlagenen Scheide zum Vorschein, so dass es der Präfekt erkennen konnte. Ja, Verus war bereits bewaffnet. Scheinbar hatten die Wachen am Tor geschludert, da er mit einer echten Waffe hindurchgelassen wurde.


    "Hier," sagte der römische Patrizier sorgsam. Die Form war somit eingehalten. Der sachliche Teil des Gespräches neigte sich dem Ende zu. Die Ausführung zum Sonderdrill beließ der angehende Soldat wortlos mit einem aufgeschloßenem Blick, wie auch die Aussage zu seinem Wunsch, direkt als Offizier einzusteigen. Der Tiberius würde das tun, was nötig war, um seinen Posten zu verdienen.


    "Ja, das habe ich leider," kommentierte Verus die Reaktion des Präfekten auf seine Notwehrhandlung. Immerhin wollte der Patrizier nicht als Mörder oder gar Gewalttäter erscheinen. Immerhin nahm dieser Präfekt vor ihm seine Handlung positiv auf, wie sein Rückbezug auf Mars signalisierte. Licinus erkannte auch die Protektion des Mars in diesem Falle. Es gab schließlich auch Menschen, die Gewalt gänzlich verurteilten aber diese Geisteshaltung war bei Soldaten zu einer hohen Wahrscheinlichkeit ausgeschloßen. Gewalt war ihr Geschäft und - so sagte der Iulier schließlich, dass es ihm sogar auf eine gewisse Art gefiel, indem dieser ein Fakt Problem lösen würde. Verus konnte "töten" und somit Blut sehen. Das Trauma, was diese Gewalt bei ihm ausgelöst hatte, konnte der Präfekt nicht sehen, da dieses nur in den Gedanken von Tiberius Verus bestand und ihn gelegentlich aufwühlte, gar zerstörte. Zum Glück war Verus heute an diesem Tage stabil und nicht labil, wie an einem schlechten Tag.


    Dass ihn diese Gesinnung ehrte, wie der Iulius formulierte, erfreute Verus innerlich, da er so zumindest Akzeptanz gefunden hatte.


    "Ich akzeptiere die üblichen Bedinungen, wie die volle Dienstzeit, Gehorsam und Gefahren, die dieser Dienst an Rom mit sich bringt," erklärte der Aspirant ehrlich aber leicht trocken, da seine Stimme inzwischen leicht kratzte. Es gab keinen Weg zurück. Dieser Tiberius würde dienen, wenn auch leidlich und eher seelisch zerstört.

    Verdammt. Verus atmete tief aus. Mit dieser Aussage hatte er ein wenig daneben gegriffen. Warum musste er den Tod von Vitamalacus erwähnen? Aber gut, gesagt, war gesagt. Nun hieß es, fokussiert zu bleiben, immer auf das Ziel blicken und nicht nervös werden, obwohl sein Geist innerlich bereits unruhig war. Erste körperliche Symptome zeigten sich: seine Hände schwitzten ein wenig.


    Der junge Mann aus dem tiberischen Hause wusste um den Fakt, dass der alte Vitamalacus ein harter Hund war und seit jeher mehr Soldat als Patrizier war. So nickte der - hoffentlich - angehende Soldat eifrig auf die Ausführungen des Präfekten. In diesem Sinne beließ er die Worte zu Tiberius Vitamalacus des ebenso soldatischen Mannes mit einem verständnisvollen Blick, hier und da mit einem Nicken. Der Fakt, dass sein Gens-Mitglied einen Stabsoffizier durch die Grundausbildung scheuchte, bewunderte er aber machte seinen Wunsch als Offizier einzusteigen reichlich lächerlich. Vielleicht war der Ausspruch, in seine Abdrücke zu treten, doch ein wenig hochgegriffen. Dennoch Vitamalacus war das Vorbild für jedweden Tiberius, der Soldat werden wollte. Der Iulier kam zu den entscheidenen Fragen.


    "Ich habe kein Verbrechen begangen und einen guten Leumund," antwortete Verus sachlich. "Ich bin nicht krank und nicht gebrechlich, in bester römischer Gesundheit." Dann kam die Frage nach der Ehe. Sollte er Calena erwähnen? Gut, er hatte sich geschieden aber er liebte sie noch immer und gedachte sie so schnell, wie möglich, erneut zu ehelichen aber in diesem Moment war der Patrizier ehelos. Der Gedanke an seine Calena ließ seine Augen kurz auffunkeln. Immerhin machte er sich Sorgen um sie. Er riskierte ihre Liebe für den Dienst unter den Adlern. Doch der Präfekt erwartete eine Antwort und so musste er seine Traumbilder von Calena unterbrechen: "Ich bin nicht mehr verheiratet." Ups, da war das Wort "mehr" hineingerutscht, da sein Herz wohl irgendwie Calena in seinen Verstand prügeln wollte und so trat sie indirekt auf. Hoffentlich würde der Iulier dies überhören und ihn nicht darauf ansprechen.
    Schnell ging Verus zu den nächsten Fragen über. "Ich bin durch Hauslehrer gebildet. Ich kann lesen, schreiben sowie rechnen. Ich beherrsche sogar bodenständig Koine." Gab er an? Nein, das lag dem Römer fern aber er wollte dem Präfekten, seinem Vorgesetzten, klarmachen, dass er eine gute Investition war. "Ich habe bisher keinen wirklichen Beruf erlernt. Es sei denn, du würdest das Dasein als Patrizier als Beruf bezeichnen, Praefectus." Wieder nickte Verus. Geschafft. Diese Themen waren erledigt. So denn nun der wichtige Teil kam.


    Verus sortierte seinen Geist, ließ die Fragen auf sich wirken und holte Luft. Dann antwortete er, möglichst in einem sachlichen - fast monotonen - Tonfall:


    "Ich habe das Examen Primum an der Akademie abgeschlossen, was sicherlich nicht unbedingt ein herausragendes Element ist aber es zeugt davon, dass ich mich vorbereitet habe. Darüber hinaus habe ich mit einem Veteranen geübt und gearbeitet, um grundlegende Kampftechniken zu erlernen, wie auch Feldbefehle. Ich bin noch nicht perfekt und mir fehlt die langjährige Erfahrung eines Milites ex caligae aber ich bin lernwillig, bereit und würde mich auch einem harten Sonderdrill unterziehen lassen. Ich werde mich selbst nicht besser als meine Männer stellen." Eine kurze Gedankenpause war nötig, um eine entscheidende Sache mit sich selbst zu klären. Sollte er den Präfekten über seine Vergangenheit aufklären und warum gerade er dienen wollte? Wäre dies nicht zu direkt und würde weinerlich wirken? Nein, es könnte ihm vielleicht das nötige Gewürz verleihen, dass seine Person dem Präfekten als Centurio schmeckte. "In der Zeit des Salinators fiel mein Landgut in Achaia Plünderungen durch die seinen Handlanger zum Opfer. Sie brannten es nieder und ich musste mich sowie meinen Besitz verteidigen." Calena - seine damalige und bald wieder Frau - ließ er außen vor. "Ich tötete zwei Plünderer in Notwehr, indem ich sie die Treppe in einem wüsten Gerangel hinunterstieß. Jedoch verlor ich alles, da mein Anwesen abbrannte. Ich floh und fand mich in Rom wieder. Ich bin also insbesondere bereit für diesen Augustus und Imperator zu kämpfen, da ich durch Salinator fast alles verloren habe. Doch dieser falsche Imperator ist ja nun zum Glück tot und es brechen besseren Zeiten an. Ich denke, dass Mars mir beigestanden hat, mich kämpfen ließ, um hier zu sein."


    Es war geschafft. Würde es reichen? Verus hoffte es inständig, da er jetzt bereits so nervös war, dass er befürchtete Fülllaute, wie Ehm und Äh in seine Sätze einzubauen, was seinen Eindruck schmälern könnte. Doch der Römer besann sich. Er musste noch etwas sagen, um den höheren Rang zu rechtfertigen. "Ich bin bereit zu führen und gleichzeitig mit den Männern zu wachsen. Ich möchte nicht nur eine Erfahrung sammeln. Ich möchte wirklich hier sein und die Verantwortung tragen, damit sich ein Salinator nicht wiederholt. Zumal ich durch die Ausbildung an der Akademie und durch den Veteranen sicherlich ein Fundament habe, auf das man einen Offizier aufbauen kann."

    Gut, ein Veteran. Soldat bleibt Soldat, auch wenn er außer Dienst steht. Sein Habitus sprach dafür, dass er gedient hatte. Seine Körperspannung offenbarte eine lange Dienstzeit. So etwas geht oft in Fleisch und Blut über. Verus stellte das Stoffbündel vor sich ab, um sich in eine bequemere Pose zu begeben; immerhin bahnte sich ein gutes Gespräch an. Er nickte.


    "Ich gehöre zu seinem Dunstkreis," kommentierte Patrizier mit einem seichten Grinsen. Es war ein genüsslicher Plauderton, den Verus an den Tag legte. Lange war es her, dass er so normal geplaudert hatte und sich nicht in Melancholie ergossen hatte. "Es freut mich euch beide kennenzulernen, insbesondere einen wertgedienten Veteranen." Verus achtete diese Männer, die Rom in seiner unstillbaren Gier nach Ordnung gedient hatten. Sie hatten ihr ganzes Leben, zumindest eine beträchtliche Zeit davon, dem Staat gewidmet und sich selbst dafür aufgegeben. Diese Selbstaufgabe erntete bei dem depressiven Verus echte Bewunderung, da Verus sein eigenes Leben ohnehin nicht besonders schätzte. Sie gaben ihrem Leben einen Sinn und diesen Sinn suchte auch Verus. Leider zweifelte der kritische Geist des Patriziers an jedem Punkt, so dass der Selbstbetrug der gerechten Sache niemals Teil seiner Persönlichkeit werden würde aber der Wert der Selbstaufgabe, dem Ziel eines Lebens, dem würde er folgen. Immerhin etwas sein, als bedeutungslos zu schwinden.


    Der Tonfall des Veteranen geriet dezent ins Militärische, was Verus schmunzeln ließ. Würde auch er so werden? Sub aquila veränderte wohl doch sehr, kam ihm in den Sinn. "Ich werde zur Prima gehen," sagte der junge Anwärter des Cingulum Militare dann.


    Nun packte auch Verus die Neugier und so fragte er ganz non-chalant: "Was treibt euch beide denn nach Rom und wieso verbleibt der Sohn ohne den Vater?" Zumindest wollte er seinen neuen Nachbarn kennenlernen. Man wusste ja nie, was man sich ins Haus holte. Diese Insula war noch kein Bordell oder illegale Spielhölle; so solltes auch bleiben. Nicht das Verus dem Sohn eines ehrbaren Veteranen solche Machenschaften unterstellte. Ein kurzer Seitenblick zu diesem offenbarte Verus jedoch einen kleinen Grieskram, zumindest seine Augen sprachen von einer gewissen Frustration und Gereiztheit. Gut, dies war Interpretation und unterlag natürlich immer Fehlern, so denn sich Verus nichts weiter dabei dachte und sich schlicht auf den Vater konzentrierte, der ein weitaus interessanterer Gesprächspartner war.