Beiträge von Aulus Tiberius Verus

    Lepidus. Ein Mann von großer Selbstüberschätzung und Arroganz, der aber dennoch voll seine Familie deckte. Vielleicht auch nur, um sein eigenes Ansehen zu schützen. Lepidus würde nach alter römischer Sitte Karriere machen, die Verus aufgrund mancher mentaler Irrungen verschlossen bleiben würde. Verus selbst sah dies jedoch nicht. Gut, der junge Patrizier erkannte, dass sich der Wahnsinn dezent bemerkbar machte und die penetrante Traurigkeit seinen Geist benebelte. In dieser Hinsicht war er für dieses Geschäft mit der Politik nicht geeignet, da er zu viel sensiblen Geist und zu viel Moral hatte, die sich leider kurioserweise immer wieder aufdrängte. Lepidus war anders, im Grunde das Gegenteil von Verus, bis auf den einen Fakt, dass beide sich für wahre Römer hielten und die Urbs als solche fanatisch betrachteten. Sein Gens-Verwandter schien gänzlich auf Karriere und Macht fokussiert, während Verus nur überleben wollte. Das Leben ohne Geld reduzierte die Lebenswünsche beträchtlich. Doch vor einem gierenden Mann, der nach Macht strebte, zu betteln, würde bedeuten, dass er sich unterwarf. Eine Unterwerfung, die auf lange Sicht, Folgen haben könnte. Ja, es war ein Verwandter und man trug den gleichen Namen, was die Folgen dieser Anhängerschaft sicherlich zum Besseren wandeln würde. Jedoch blieb Anhängerschaft, Büttelei, eben das, was sie war: mitleidig.


    Verus legte den Kopf schief. Ja, er würde Lepidus aufsuchen. Auch wenn diese Tatsache ihn als römischen Mann sicherlich entwürdigte, sogar beschämte. Alles zu verlieren, ein Trauma mit sich zu tragen, zwei Hühner im Stall (Calena und Flaminina) und kaum noch Finanzen. Dieser vermaledeite Bürgerkrieg hatte sein ganzes Leben zerstört. Alles, was ihm lieb, zerfiel. Seine Sorgen nahmen überhand.


    "Lepidus," murmelte der Patrizier nüchtern, fast wortlos daher. "Ich muss es wohl," fiel danach deutlicher aus seinem Munde. Gedanken suchten ihren Weg. Was sollte er tun? Plötzlich blitzte der Gedanke auf. Das Werbegraffiti der Legionen hatte sich im Vorbeigehen in seinen Kopf gebrannt. Männer, ohne sichere Zukunft, suchten oft Halt im ehrenhaften Dienst an der Waffe. Verus wusste zwar, so intelligent war er, dass es sicherlich nicht angenehm werden würde, seinem mentalen Zustand nicht zuträglich wäre aber es brachte Geld, ohne große Anforderungen zu stellen. Zumal er so sicherlich seine Calena bezaubern könnte, die schon oft genug von den Heldentaten der Decima geschwärmt hatte, eben auf jenem Schlachtfeld der Ehre. Verus war kein Soldat, doch musste wohl einer werden; so der rationale Gedanke.


    "Ich muss wohl zu den Legionen," sagte er schließlich, lauter aber nicht so laut, dass die Ohren schmerzten. Seine Tonlage pendelte sich auf ein normales Niveau ein. Seine Augen wankten leicht, während er seinen Stand leicht verlagerte.

    Es war gesagt. Gesprochen war gesprochen und man konnte Gesagtes nicht an den Ort zurückschieben, von dem es gekommen war. Leidlich versteifte sich die Miene des jungen Verus zu Stein, der dennoch stark um seine Augenregion bröckelte. Ja, er und seine innerliche Schwäche, seine Fehler zu beheben, waren eine Last, die zum melancholischen Dressing auf seinem Kopfsalat wurde. Hörte er dort Trommeln? Kurz verweilten seine Augen hektisch an der Decke, die einzelnen Fugen zählend. Der Wahnsinn klopte an seinen Verstand, mit dumpfen Trommelschlägen. Lucia wählte die Worte mit denen Verus gerechnet hatte. Er hätte gerne Arbeit, gute Arbeit, anständige Arbeit; nein, er wollte überhaupt Arbeit aber so einfach fand man als Patrizier keine angebrachte Stelle. Zeitenweise hatte er sich bereits als Wasserbote verdient. Bei den Göttern, dies war ihm peinlich. Er als Adel Roms schleppte Wassereimer von einem Brunnen in Haushalte und verdiente sich so einen Sesterz. Zum Glück hatte ihn kein Verwandter dabei beobachtet. Doch irgendwie musste der junge Verus das Brot verdienen. Versager, ja, dieses Wort drängte sich ihm in diesem Augenblick in den Schädel. Ja, dieses Wort, welches ihn schmerzte und gar seine Hände schwitzig machte. "Ich habe keine," fauchte er dezent. Die Wut kam mit dem Wahnsinn, den er aus seinem alten Heim mitgebracht hatte. Die Flammen und Waffen der Plünderer hatten seinen Verstand zu Asche verbrannt, die öfters graue Wolken schlug.


    Lucia, ein Wesen so schön, wie Venus, fiel wieder in sein Blickfeld. Mühsam gurtete sich ein Lächeln um seine Lippen, gezeichnet von traumatischen Zynismus. "Ich danke, werte Lucia," antwortete der Versager in seiner Bescheidenheit. "Ich brauche dennoch eine Lösung, damit wir euch nicht zur Last fallen," erklärte er im Nachsatz.

    Kannte Lepidus Calena nicht? Sie konnte eine Furie von Weib sein, die jeden Mann in Hinterlist und Arglist schlug. Kurz zuckte Verus als der Masseur einen verkrampften Muskel bearbeitete. Seine Augen kniffen sich eng zusammen, wie auch sein Mund als sich durch die sanften sowie öligen Hände des Muskelarbeiters die Verkrampfung löste. "Calena ist eine Decima," erklärte der Gepeinigte. "Diese Frauen haben Feuer und - auch wenn ich als römischer Mann gerne widersprechen würde - haben sie oft stärkeres Leder unter den Sohlen als mancher Mann." Ungerne sprach er diese Worte, dennoch klang eine gewisse Bewunderung mit. "Diese Traditionen sind leider gebrochen." Wieder diese scharfe Hand in seinem Nacken, die auf die nächste Verspannung traf. "Uuaah...", machte Verus fluchend, während er seinen Kopf zur Seite legte.


    "Die Decimer waren nie verschwunden. Ich befürchte, dass sie es geschafft haben, einen Nimbus zu erwerben, der den unseren sogar übertrifft." formulierte der Patrizier nüchtern, während das Öl sanft über seinen Körper lief. "Ich liebe Calena und beabsichtige die Ehe nicht zu lösen", stellte er terminiert fest. "... und ich hoffe, dass sie es auch tut. Unsere Ehe mag zwar damals auch unter anderen Vorzeichen entstanden sein aber ich denke, dass uns die Götter mit echter Liebe gesegnet haben," romantisierte der junge Verus im Nachgang.

    Er wusste nicht, wie lange er so noch weitermachen konnte. Einfach reden, man mühte sich ab, aber Verus war es satt, seine Worte zu verkleiden, um sich selbst seine mentalen Wunden zu verbinden. Bald musste er sich selbst garnicht mehr widersprechen. Der Punkt in seinem Geist wurde immer kleiner. Alles was er im Leben sah, war ein garstiger Staub. Das Leben zog ihn mit sich, so dass dieser Punkt in seinem Geist, mit jedem Gedanken schrumpfte. Ein leiser Abschied von Glück. Noch hielt er sich über Wasser und ruderte mit aller Kraft, doch das Boot trieb vom Kurs ab.


    "Ich bin pleite," bläffte er die Wahrheit knapp hervor, bevor sein Blick in ihren schönen Augen zerbrach. Verus machte sich selbst kaputt, indem er seine Augen über den weißen Marmor kreisen ließ. Dessen Weiß war steril, kalt und ehrlich. Ehrlich, wie seine Worte. "Ich habe meine finanziellen Mittel aus ...," sagte er, kratzend, fast staubig daher. Ähnlich, wie die Sicht in einer Staubwolke, verschwanden auch die letzten Worte des Satzes in einem Genuschel. Seine Lunge keuchte tränenreich als ein paar notwendige Tränen ihren Weg in sein Gesicht suchten. Noch unterdrückte er bei seiner Ehre, seine Traurigkeit, seine Angst. Ein Mann gab sich vor einer Frau keine Blöße. "Ich möchte nicht betteln; nicht auf der Straße, nicht auf dem Forum und auch nicht bei euch." Ja, das wollte er in der Tat nicht. Nicht jetzt, so viel Achtung vor sich selbst besaß der Patrizier noch.

    Verus büttelte hinter Lepidus her, während dieser sprach. Er kommentierte jedwede Ausführung des Amtsträgers mit einem gezielten Nicken und Zwinkern. Schließlich sagte der angehende Lakai des Schwertes: "Politik ist immer ein schmutziges Geschäft." Ein einfacher Satz, der im Grunde Verus Meinung abbildete. "Wer die Wahrheit spricht, braucht ein schnelles Pferd und ich denke nicht, dass die meisten Senatoren gut reiten können," scherzte der Patrizier mit einem nüchternen Grinsen, während man endlich die Massagebänke erreichte. Schwungvoll nahm Verus Platz, legte sich auf den Bauch und winkte die Bediensteten heran. "Meiner Frau geht es soweit gut. Ich habe ihr noch nicht davon berichtet, da es bedeuten würde, dass sie ihren delikaten Lebensstil ändern müsste," warf Verus aus seinem Mund. "Ich fürchte, dass sie mich verlassen könnte, weil ich nicht derartig erfolgreich bin, wie ich sein sollte." Gut, er liebte seine Calena aber reichte das für eine Beziehung aus? Geld sollte keine Beziehung ausmachen aber der junge Mann befürchtete, dass seine großartige Calena primär aus Status mit ihm verheiratet war. Ein Gedanke, der sich seit Wochen in seinem Kopf wuchs. Wie ein Buch ohne Worte, ein Klanginstrument ohne Saiten, ein Epistel ohne Adresse, das war sein Zweifel. Seine Gedanken waren, wie eine Säule, die nichts stützte und so fürchtete er um seine Calena.

    Warum fühlte sich der Moment so an, als ob er seine Insanität verlor? Diese Normalität züngelte an seinem Verstand, wie die Klampfe eines Wandersängers. Kurz kniff er seine Augen eng zusammen, um seine verschwimmenen Augen zu fokussieren. "Ich bin kein Mensch von Eitelkeit. Du bist in jeder Form schön, Lucia," kommentierte der Römer blumig mit einem schüchternen Lächeln. Zwar liebte er seine Frau Calena sehr, dennoch musste er auch Schönheit anerkennen, wenn er sie sah und dort saß eine Schönheit, wenn auch ungeschminkt. "Lass' sie ruhig machen. Ich bin ja nicht hier, um dich nur zu betrachten, sondern mit dir zu sprechen und das geht sicherlich so auch." Verus beäugte die Sklavin neben sich. Merkwürdig, dass Lucia von sich sprach als sie der Sklavin einen indirekten Befehl zukommen ließ. Natürlich, dies war in ihren römischen Kreisen üblich aber Verus vermochte diesem Moment einen seltsamen Gedanken abgewinnen. Lucia bat ihm etwas zu trinken an, obwohl die Sklavin es holen würde. Eigentlich eine wahnsinnige Realitätsverschiebung. Gut, es war ihr Wein, da es ihr Haushalt war. In dieser Hinsicht entsprach die Aussage wohl der Wahrheit. Solcherlei Gedanken verwirrten den Geist des jungen Patriziers, der einst einmal ein normales Leben geführt hatte. "Warmer Wein mit Honig," entsprach er dem Angebot von Lucia und gab diesen Wunsch mit einem Seitenblick an die Sklavin weiter. "Danke," sagte er formlos daher, einerseits zur Sklavin und andererseits zu Lucia. Verus musste diese Verwirrung in seinem Geiste bekämpfen und die Realität wieder finden. Diese ständige Reflektion natürlicher Gegebenheiten zerstörten auf lange Sicht seine geistige Gesundheit. "Ich habe Probleme," begann er das Gespräch nüchtern, wenig akurat. Bei diesem Satz beließ er es vorerst, um Lucia die Gelegenheit zu geben, sich auf ein paar ernstere, nahezu traurige, Worte einzustellen. Worte, die ihren schön beginnenden Alltag, zerschlagen konnten, so zerschlagen, wie die düsteren Gedanken seinen Verstand. Auch nahm er schließlich auf dem Sedes, unweit Lucia, platz. Immerhin deutete sich an, dass beide ein längeres Gespräch erwartete.

    Auch Verus trat mit Lepidus aus dem Becken hinaus. "Du findest mich in meiner Insula," sagte er noch, bevor er sich von einem Sklaven ein Handtuch reichen ließ, um sich sein Gesicht zu trocknen. "Ich würde mich gerne über die Neuigkeiten aus Rom mit dir unterhalten und über dein neues Amt. Ich denke, dass du recht stolz bist," erklärte der Mann, der auf dem Weg war, Soldat zu werden, mehr oder minder leidlich. "Ich begleite dich also gerne zur Massage." Immerhin hatte er so Zeit, die Kontakte zur Familie enger zu knüpfen und Lepidus seinen Respekt zu zollen. Gut, unbemerkt von sich selbst, reduzierte sich Verus so zum Büttel von Lepidus Gnaden. Eine Tatsache, die ihm selbst erst später in den Sinn kommen. Doch irgendjemandem diente man immer und so war es besser sich einem Gensmitglied an den Hals zu werfen.

    Eifrig lauschte Verus seinem Gegenüber mit spitzen Ohren. Immerhin gab ihm Lepdius wertvolle Ratschläge und war ein wichtiger Anker für seinen gewagten Plan. "Ich denke, dass beide Männer geeignet für unsere Absicht sind," stellte der Patrizier mit den wirren Gedanken fest. "Ich danke dir, Lepidus," schob er nach, um die Tatsache zu bekräftigen. "Ich werde gerne die Akademie besuchen, wenn du mir entsprechendes Geld vorstrecken kannst. Ich wäre durch diesen Kredit deutlich erleichtert. Natürlich zahle ich es dir alsbald zurück." Verus unterstrich seine Aussagen mit einem heftigen Nicken, so dass ein wenig Wasser aufgewühlt wurde. "Du bist ein guter Mann." Der junge Mann, dessen Mut sowie Zuversicht wankte, war seinem Verwandten wirklich dankbar, so denn er ihm vorsichtig die Hand auf die Schulter legte. "Ein wirklich guter Römer," setzte Verus pathetisch nach, während er seine Hand zu einem Klopfen bewegte. Während er die Hand zurücknahm, diese ins Wasser zurück-glitt, machte er sich ein paar flüchtige Gedanken. War der Weg ins Militär wirklich der Richtige? War er überhaupt Soldat genug? Sicherlich noch nicht aber ihm blieb kaum eine Wahl, da er seine Vorstellung in der Kanzlei versemmelt hatte, ferner kaum Kontakte in Rom besaß. Viele verzweifelte Männer opferten viele Jahre ihres Lebens im Militär, nur um zu überleben. Verus als römischer Mann konnte nicht einfach das Schwert ins Getreide werfen und sich weinend in seinen vier Wänden einschließen. Es musste gehandelt werden, wenn auch - so würde die Zukunft zeigen - sicherlich mit fatalen Folgen für sein Seelengemüt.

    "Ich habe NICHTS," sprach er ernstlich, fast zornig, ohne dabei seine gesunde Distanz zu seinen Emotionen zu verlieren. Nur wurden seine Worte deutlicher und seine jugendliche Stimme erhob sich leicht. "Nicht einmal eine Entschädigung habe ich erhalten," zog er eine nüchterne, deutlich zynische Rückschau. "Verzeih' mir," entschuldigte sich Verus für seine drastischen Worte. "Vielleicht ist es von den Göttern so gewollt," fiel der Römer in einen Hauch Religiösität ab. Kurz schwieg der geschundene Patrizier, um das Wasser zu betrachten, welches seltsam blau, klar und angenehm daherkam. Warum faszinierte ihn in diesem Moment das Wasser? Seine natürliche Schönheit, seine Kraft und sein Zustand reizten den mitleidigen Geist von Verus ungemein. Kurz wirkte Verus fast abwesend, bevor er erneut zu Lepidus sprach: "Ich möchte dienen, auch um mir selbst zu beweisen, dass ich kämpfen kann. Ich bin vor den Plünderern davongelaufen, vor meinen Pflichten und oft vor mir selbst. Ich muss in vielerlei Hinsicht Milites werden." Ein sehr weit gefasste Auslegung des Soldaten-Begriffs offenbarte der Römer da. Vielleicht sah er das Soldatensein falsch? Eindeutig sah er es falsch. Soldat sein war vorallem blanke Rationalität und oft berechnende Monotonie. Verus belog sich, wie so oft, selbst. Nur dieses mal, ja eindeutig, schoben ihn die Götter in eine Richtung, aus der er nicht mehr entfliehen konnte. Es gab dieses mal kein Versagen mehr. Sieg oder Scheitern, keine Flucht mehr. Ein seltsames Stück war das Leben von Tiberius Verus. Ein Mann, der alles hatte, Hof, Fabriken und viel Geld; verlor all dies in einer Nacht, so dass er gebrochen als melancholisches Wrack in einem Bad hing, das Wasser beglotzte und sich mit einem aufsteigenden Politiker, noch dazu seinem Verwandten, über etwas unterhielt, was er sonst nie in Erwägung gezogen hätte: das Militär.


    Verus fuhr sich mit seiner Linken über den Schädel, nervös, wie immer. Alles erschien unsicher. Es gab keine Versicherungen mehr, keine klare Linie, sondern nur noch einen Mann, der eine Familie hatte. Eine Familie, die es zu versorgen galt; egal, wie. Verus ließ die Linke zurück ins Wasser fallen, dabei entstanden kleinere Wellen, die sich an den Oberkörpern der beiden Männer brachen. Der Frustrierte holte Luft, bevor er sprechen wollte. "Für mich kam ohnehin nur die erste Legion in Mantua in Frage," antwortete der Patrizier aus dem Geschlechte des Tiberius dann möglichst banal, um den Zorn (- wohl angemerkt, nicht gegen Lepidus gerichtet, sondern gegen seinen eigenen Zustand) aus seinen Worten zu nehmen.


    "Ich bin bereit, die Akademie in Rom zu besuchen, sofern ich denn Soldat werde. So kann man vielleicht vor der Truppe einen höheren Rang rechtfertigen. Natürlich braucht man Kontakte, wie du selbst sagtest, mein Freund." Eifrig nickte er, wobei sein Kinn das Wasser streichelte und sich Tropfen an den kleinen Bartstoppeln in seinem Gesicht bildeten. "Ich bin entschlossen, Lepidus, mit deiner Hilfe," schob er zwei Sätze zusammen und zeigte seinem Verwandten somit, dass es ihm ernst war. "Ich werde sicherlich nicht als einfaches Frontlinienfußvolk dienen," eitelte Verus ein wenig. Doch stand ihm diese Eitelkeit nicht so, wie seinem Gegenüber. "Ich muss auch eine gute Münze verdienen," formulierte er mit einem deprimierten Grinsen.

    Ja, in der Tat war Verus eine Person, die nur schwerlich durch das Leben kam. Nein, er war nicht dumm, sogar recht gebildet und intelligent, dennoch stand ihm sein Charakter oft im Wege. Seine Schwermütigkeit, seine Melancholie und seine labile Lebenseinstellung blockierten oft einfache soziale Prozesse, die ihm sicherlich zu einem guten Status verholfen hätten. Nun war es aber leider nicht so. Der phonetische Ton seines Verwandten ließ Verus kurz im Wasser beben. "Das hätte ich auch gedacht," antwortete sein Mund mehr schlecht als recht akurat. "Manchmal haben die Götter einen anderen Weg im Sinn, wenn sie uns umlenken." Rasch lächelte er munter, wenn auch gespielt. Dieses Lächeln war mehr Selbstbetrug als Ausdruck seiner persönlichen Stimmung. Verus war vielleicht mehr philosophischer Bauer als Beamter oder Politiker. Ihm fehlte der Ehrgeiz oder wenn man so wollte, der Biss. Er war lahm in vielen Belangen aber gutherzig und klug. Nur Klugheit ohne Willenskraft war oft nutzlos, in einer Welt, die nur Leistung und Ruhm verlangte. Auch wenn Lepidus gerne seine eigenen ursprünglichen Wurzeln vergas und sich selbst gerne als erhabener Adel inszenierte. "Ich werde sicherlich nicht derartig abstürzen, keine Sorge! Ich muss eventuell nur eine Tätigkeit wahrnehmen, die vielleicht als unangebracht gilt. Vielleicht als angestellter Schreiber?" Ein lustloses Nicken. "Nein, die Götter möchten etwas anderes. Ich habe es in einem Traum gesehen, nachdem ich im Minerva Tempel war." Nun gut, eine seltsame Einleitung. "Gut, ich bin vielleicht nicht derartig religiös, wie diese Aussage vermuten lässt." Kurz tauchte er sein Gesicht ein, um seine Gedanken zu sortieren. Verus tauchte nach einer kurzen Sekunde wieder auf. "Der Dienst ist ehrenhaft, wie du selbst sagst. Ich habe mich beraten lassen und bin mir sicher, dass ich dadurch einen Namen in Rom erwerben kann. Gut, dieser Glaube mag naiv sein." Wieder ein Seufzen. "Die Kanzlei stellte mich nicht an. Überzeugungen zählen in diesen Zeiten nicht. Ich brauche Arbeit. Eine Arbeit, die mich nicht entehrt und mich voranbringt. Mir ist klar, dass ich sicherlich nicht als Offizier beginnen kann und mir der entsprechende Ordo fehlt. Dennoch ist es keine Träumerei. Zumal ich glaube, dass das Heer mir Fähigkeiten geben wird, die ich später gebrauchen kann." Kurz wischte er über sein Gesicht, um Wasser aus seinen Augen fernzuhalten. "Ich kenne aber Geschichten von Unser-Gleichen, die als einfache Soldaten dienten und so den Respekt der Truppe erwarben, ferner den des einfachen Volkes," sagte er halb-leise, da Verus selbst nicht wirklich daran glaubte. "Ich bin mir nicht sicher, Lepidus." Sein Blick suchte seine Augen, wie der Blick eines Hundes seinen Herren.

    Ein Tag voller Sorgen ging mit leisen Schritten dem Ende, auch wenn es erst Vormittag war, entgegen. Verus Stimmung ähnelte der eines toten Sternes, der längst sein Licht verloren hatte. Die Narben blieben in seiner Seele, ließen seinen Geist im Schwarz zurück, welches ihn ständig bekümmerte. Später in der Geschichte würde man dies Depression oder Trauma nennen, doch in dieser Zeit galt man als schwermütig mit einem solchen Habitus. Er wollte weinen, schreien, vor Wahnsinn lachen und die Welt brennen sehen. Doch es lag nicht in seinem Herzen, dies zu tun und so fügte er sich in Status eines Sklaven seiner Narben. Verus musste mit jemanden sprechen, da seine Frau und die kleine Flaminina nicht verstanden oder auch nicht verstehen wollten. Der Römer brauchte ein Zeichen, ein Leuchtfeuer, was den Stern über ihm wieder entzünden würde. Pathetisch hatte er an diie Porta des Domus Tiberii gehämmert, voller Kraft und Sehnsucht nach Menschlichkeit. Sein Leben war nicht mehr einfach zu händeln. Manchmal war er sich selbst ein Schäfer, der seine verdammten Erinnerungen vor sich her trieb, immer und immer wieder. Wo war er? Was war er? Fragen, die sich einer gesunden Reflektion entzogen. Mit aller brachialen Frustration hatte er fast die Tür eingeschlagen. Schließlich hatte man ihm geöffnet und ihn zu Lucia geführt. Ja, er hatte darum gebeten. Lepidus wollte er noch nicht belästigen. In seiner einfachen Sicht dachte Verus wohl, dass eine weibliche Sicht auf seine Emotionen und seinen Status besser wäre. Das Leben entglitt seinen Augen, während er dezent müde durch das Haus ging, wie ein Geist ohne jegliche Präsenz oder Ausstrahlung. Nur Kälte umgab ihn in seiner einfachen Kleidung, die sicherlich nicht die eines Patriziers sein sollte. Haltlos trat er in das Zimmer von Lucia. Seine Augen suchten sie, trauten sich aber nicht direkt in ihre zu blicken. Ein abgehalftertes Lächeln, weltfremd und verdorben von Traurigkeit, umschlung seinen gesichtlichen Ausdruck. "Salve," hauchte seine trockene Stimme, die jeglichen Klang auf dem Weg durch den Bürgerkrieg und bis zu diesem Punkt verloren hatte. "Störe ich?" - fragte er vorsichtig mit ein wenig mehr Kraft in seinen Worten, da er sicherlich nicht ungelegen kommen wollte. Da saß die tiberische Schönheit in ihrem Blond, den wunderbaren Haaren und einer Präsenz, die er nur von seiner Calena kannte. Selbst Liebe motivierte in seiner Stimmung kaum. Nun lehnte er an einem kleinen Schrank neben der Tür, um auf ihre Reaktion zu warten. Die Sklavin, die ihn geführt hatte, drängte sich mühelos an ihm vorbei und suchte eine bescheidene Ecke des Raumes auf, um auf weitere Anweisungen zu warten. Kurz blieb sein Blick auch an dieser haften, um dann wieder auf den Marmor des Bodens zu fallen, der seltsam weiß und klar war. Ein schöner Anblick. Dieser Boden.

    Und so geschah es. Der gewünschte Heiland erschien dem Suchenden Verus. Mit einem traurigen Lächeln begrüßte er seinen Mit-Tiberius. "Willkommen," sagte der Römer vorsichtig und deutete neben sich ins Wasser, was dabei munter plätscherte. "In der Tat," kommentierte er den seichten Scherz zusätzlich mit einem nur von ein paar Tropfen aus dem nassen Haar begleiteten Nicken. Verus seufzte, warf sich ein wenig Wasser ins Gesicht, um seine Sinne zu wecken und blickte Lepidus dann ernst an. "Vieles," antwortete er auf die Frage, was der junge Mann auf dem Herzen hätte. Gleitend drehte er seinen Siegelring mit dem breiten Familiensymbol an seiner Hand. Verus war nervös, wenn nicht sogar aufgewühlt vor Sorgen. "Die Kanzlei hat mich nicht angestellt," warf der Römer direkt hervor, ohne auf größere Sprachästhetik zu achten. Lepidus sollte die Wahrheit wissen. "Ich habe mich...", suchte er die Worte. "Ich habe mich schlecht verkauft," kam es sichtlich schwer hervor. "Zumal sie zeitweise nicht glaubten, dass ich ein Tiberius bin." Ein gedrungenes Seuzfen aus tiefster Lunge drang durch seine Nase. "So ist es." Verus blickte vorsichtig herab, um Lepidus nicht tot zu starren. "Insofern sind wir bei meinen Problemen. Meine Geldmittel erschöpfen sich und Rom entpuppt sich für mich, welch' Ironie, einem Patrizier, als Abstieg in den Orcus." Wieder wuchs sein Blick auf, direkt in seine Augen. "Ich möchte nicht um Geld bitten. Ein echter Römer bettelt nicht. Ich möchte Überlegungen mit dir teilen," kam er nun zum Kerngeschehen seiner Sorgen. "Ich möchte zum Exercitus, da dies meine letzte Chance ist, meinen Namen zu retten und die Finanzen für Calena und Flaminina zu sichern. Ich möchte nicht, dass sie hungern oder auf vieles verzichten." Er schluchzte kurz, rang um eine feste Mimik, dennoch sagten seine Augen, dass die Sorgen seine Seele zerwühlt hatten. Sie waren glasig. Nun legte er die Lippen aufeinander, um die Reaktion seines anvertrauten Verwandten zu erwarten.

    Zitternd glitt der erschöpfte Verus in das kalte Nass, um seine Muskeln zu entlasten. Das tragende Wasser würde ihm helfen, seinen vom Sport geschundenen Körper zu erleichtern. Immerhin war Verus nahezu unsportlich und versuchte diesen mit erheblichen Mühen zu ändern. Nur - dank seiner angeborenen Faulheit - geschah dies nicht im erwünschten Rahmen, da er schnell die Standarte fallen ließ. Nur glaubte er, dass er bereits genug getan hatte, um seine wahnsinnige Idee umzusetzen, die ihm aus der leider schweren finanziellen Lage bringen sollte. Er brauchte Geld für seine Familie und für die Miete seiner Wohnbarracke. Verus war ein Mann, der nur schwerlich Stand in Rom fand und so blieb ihm als guter Römer, wenn er nicht korrupt oder kriminell werden wollte, nur eine Möglichkeit. Diese Möglichkeit musste er mit einem Verwandten besprechen, da es ein erheblicher Einschnitt sein würde. Ein Weg, der nicht einfach umzuschlagen war, wie eine schlechte Schriftrolle. Diese Entscheidung war maßgeblich für ein ganzes Leben. Als er so hinabtrieb in das Becken, blickte er schüchtern zur Decke. Seine Augen suchten auf dem weißen Putz Halt, den sie aber im fahlen Weiß nicht fanden. Mit beiden Armen stützte er sich am Beckenrand ab, das Wasser plätscherte um seine leichte Hühnerbrust. Der Römer stöhnte, da seine Muskeln doch recht schmerzten oder er sich dies einbildete. Nun hieß es warten. Hoffentlich hatte der Verwandte seine Nachricht erhalten. Herabstürzend sank sein Blick von der Hallendecke hinab und suchte die Umgebung ab.

    Roma, ANTE DIEM IX KAL DEC DCCCLXIII A.U.C.

    Ad
    Lucius Tiberius Lepidus
    Villa Tiberia
    Roma, Italia



    Tiberius Verus Tiberio Lepido amico s.d.


    Werter Verwandter meines wunderbaren Geschlechts, ich schreibe Dir, da ich ein Treffen mit Dir erbeten möchte. Ich befinde mich in einer prekären Lage, die deinen Rat als Römer und Ehrenmann erfordert. Immerhin bist Du nun Politiker und ich gehe davon aus, dass Du entsprechendes Wissen besitzt, um mir zu helfen. Nein, ich möchte nicht als Bittsteller erscheinen oder etwas von Dir verlangen, was Dich belasten könnte. Ich brauche schlicht einen Rat und eine Empfehlung in meiner Lage.


    Was hälst Du davon, wenn wir uns morgen in den Thermen treffen? Ich werde mich ohnehin den ganzen Tag dort sportlichen Aktivitäten widmen. Du findest mich recht einfach auf dem Sportplatz oder im Frigidarium.


    Vale bene!


    AULUS TIBERIUS VERUS

    Ich schließe mich - notgedrungen an - und bitte um eine Fahrkarte in die Gefilde außerhalb des Reiches, um bald wieder zurückzukehren. Die Gründe sind vielschichtig, doch primär in Krankheit und Abschlussprüfung zu suchen, die ich durchstehen muss. Die Zeit für viele Hobbies muss deshalb reduziert werden und das IR ist - auch zu meinem Leidwesen- der Schere zum Opfer gefallen. Ich werde aber sicherlich meinen Weg zurückfinden, wenn ich wieder mehr Zeit haben sollte und diese chronische Erkrankung einigermaßen unter Kontrolle ist.


    Bis dahin in Verbundenheit!


    Verus


    P. S.


    Ich musste insbesondere den Tiberiern danken sowie Decima Calena, als auch Decima Flaminina für den kompetenten Spielspaß und das gute Rollenspiel! Auch wenn es vielleicht nicht mehr unerwartet war, muss ich diesen Schritt gehen, um bei Zeiten wieder mit mehr Spielspaß bei euch einzusteigen. ;)